Dienstag, der 29. April 1975

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Dienstag, den 29. April 1975

Gen.Sekretär Rabaeus und sein Stellvertreter Sommaruga haben mir
in Genf erzählt, daß die Spanier neue Verhandlungen in Brüssel
beginnen wollen. Eine Regelung Österreichs mit Spanien sei derzeit
überhaupt nicht opportun. Es gibt, wie sie mir in Erinnerung riefen,
einen informellen Beschluß der Minister der EfTA-Staaten, erst
dann mit Spanien multilaterale Verhandlungen aufzunehmen, wenn
eine erhöhte Diskriminierung von EFTA-Waren in Spanien zu erwarten
ist, dies trifft sicherlich erst dann zu, bis Spanien mit Brüssel
einen Vertrag abgeschlossen hat. Ein solches Ende ist derzeit
aber überhaupt noch nicht abzusehen. weil nicht einmal noch Ver-
tragsverhandlungen begonnen haben.

Bezüglich Portugal wird Rabaeus am 12. und 13. nach Lissabon fahren
und dort Besprechungen aufnehmen. Es gibt eine inoffizielle Liste
die mit den Schweden und Norwegern diskutiert wurde, wo die Portu-
giesen technische Hilfe, Kredite, Vertragsänderung und vor allem
mal einen Fond für Portugal erwarten, wie dies seinerzeit von den
nordischen Staaten auch für Island geschehen ist.

Die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt wirtschaftliche Ent-
wicklung und Aufgaben der EFTA, die ich einleiten mußte, waren
äußerst lebhaft. Ich erörterte, daß die Gefahr besteht bei einer
Konjunkturabschwächung sofort die protektionistischen Kräfte in
den einzelnen Ländern überhandnehmen werden. Dies gilt vor allem
für alle Interessensvertretungen, also nicht nur den Bauern, sondern
ebenso der Industrie und des Gewerbes, als auch natürlich der Ge-
werkschaft. Da es sich um ein Konsultativkomitee der Verbände
handelt, habe ich natürlich die Bedeutung der Verbände in Österreich
besonders herausgestrichen. Es entwickelte sich dann eine lebhafte
Diskussion mit 23 Redner. Als der Schweizer Industriellenvertreter
Winterberger erklärte, daß sie 130.000 Kurzarbeiter haben, 60.000
Arbeitslose, in der offiziellen Statistik scheinen diese aller-
dings fast nicht auf, da für Kurzarbeiter oder auch für gewisse
Frauenkategorien keine Arbeitslosenunterstützung bezahlt wird.
Hart attackiert wurden die finnischen Vertreter wegen ihres Import-
depots und er Importabgabe. Diese erklärte sie hätten nur mehr
für 2 Wochen Devisenvorräte gehabt und mußten ihre Importe redu-


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zieren. Das Handelsbilanzdefizit betrug seit 1974 5 Milliarden
Finnmark und im I.Quartal 75 schon 2.2 Milliarden, weshalb ihre
Abgaben die 5 % von Rohstoffen bis 30 % vom Endverbraucherprodukten
gestaffelt ist. Einzelne Länder werden nicht diskriminiert. Melis,
der Handelskammervertreter Österreichs, warf den Portugiesen
wieder vor, daß sie die vereinbarte Zollreduktion von 40 auf 30 %
nur den EG-Staaten geben und nicht Österreich. Der portugiesische
Vertreter Carvalho erklärte, daß seine Diskriminierung länderweise
nicht beabsichtigt sei und es sich hier wirklich nur darum handelt,
daß die Verlautbarung für die EG-Staaten im Zusammenhang mit einem
EG-Vertrag bereits erfolgte und die für die EFTA-Staaten in kürzester
Zeit erfolgen wird. Den interessantesten Beitrag erbrachte der
Industriellenvertreter Paues aus Schweden. Er meinte, die Händler
verkaufen wieder, wo in Weichwährungsländer die Preise stark gestiegen
sind, dies verschärft aber die Handelsbilanzsituation dieser Staaten
nur noch mehr. Man müßte die Unternehmer dazu zwingen, daß sie
diese Märkte meiden, wie hat er allerdings auch nicht gesagt.
Auf eine Einsicht ist bei den Unternehmern meiner Meinung nach aber
nicht zu rechnen. Seine Schlußforderungen, daß, dadurch daß sich
der Handel dann mit der Zeit in diesen Ländern totlaufen muß,
durch entsprechende Auftragsrückgänge müssen ihre Firmen dann ihre
Arbeitskosten weiter übernehmen, denn es stellt sich jetzt immer
mehr heraus, daß man Arbeiter nicht so leicht freisetzen kann und
die Löhne nicht, wie man im Lehrbuch liest, variable Kosten, sondern
eigentlich jetzt schon Fixkosten werden. Auf lange Sicht ist also
diese Politik auch für das einzelne Unternehmen Lieferungen in die
Weichwährungsländer, wo keine so harte Konkurrenz ist, sehr kurz-
sichtig und nachteilig. Zusammenfassend stellte ich dann fest,
daß wir alle aus dieser schwierigen Situation in der sich insbe-
sondere durch die Petro-Dollarzahlungen viele Länder befinden und
infolge der unsicheren Währungslage auch keinen Ausweg zeigen
konnten, daß ich aber nach wie vor behaupte in einer Rezession
sind alle diese Schwierigkeiten viel weniger zu lösen, als wenn
es vielleicht doch gelingt, durch entsprechende Maßnahmen der Re-
gierung, die ja eingeleitet wurden, die Konjunkturlage wesentlich
zu verbessern.



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Im Parlament verhandelte ich dann mit Egg und den beiden Betriebs-
räten der Tiroler Röhrenwerke über Möglichkeiten von Aufträgen
für diese Firma. Ich berichtete ihnen, daß ich nach Rückkunft von
Reutte sofort mit Gen.Dir. Reisinger wegen eines weiteren Auftrages
gesprochen habe, der aber erklärte außer den 2.000 Tonnen hat
er derzeit wie immer geartete Möglichkeit, da er nicht einmal die
2.000 Tonnen budgetmäßig jetzt gedeckt hat. Meine Aussprache mir
den VÖEST-Vorständen wegen einer eventuellen Beteiligung der VÖEST
hat auch ergeben, daß eine Minderheitsbeteiligung überhaupt nicht
in Frage kommt, es aber auch fraglich ist, ob wenn eine Mehrheits-
beteiligung zu erwerben, die VÖEST einsteigen würde. Die Betriebs-
räte ersuchten mich dann umso mehr bei Patolitschew zu versuchen,
ob ein sowjetischer Auftrag zu bekommen ist. Dies sagte ich selbst-
verständlich zu.

ANMERKUNG für REIM: Branchenreferat und Fälbl sollen diesbezüglichen
Schriftsatz vorbereiten.

Da ich normalerweise zu Empfängen der Botschaften nie gehe, auch
nicht zu besonders eingeladenen Abendessen, wollte ich um nicht
immer als ostanfällig zu gelten, da ich in diese Länder fast ständig
reise, den englischen Botschafter zeigen, daß ich auch größten
Wert auf Kontakt zu ihm lege. Die Feier 100 Jahre Palais der
britischen Botschaft, gab mir Gelegenheit eine begründete Ausnahme
zu machen. Die Botschafterin, neben der ich zu sitzen kam, erzählte
mir, daß seinerzeit der britische Botschafter der dann einzog
sich beschwerte, daß das Haus viel zu klein sei, weil er nicht
einmal einen Ballsaal zur Verfügung hätte. Metternich nämlich hat
in seinem Palais, wo jetzt die italienische Botschaft ist, einen
riesigen Ballsaal, den ich kenne. Heute gibt die britische Bot-
schafterin zu, daß das Haus viel zu groß sei. Man sieht wie
früher die Diplomatie und vor allem das Protokoll, was Aufwände be-
troffen hat, scheinbar den Staatsbürger noch teurer kam, als dies
heute der Fall ist. Vielleicht hat es damals aber weniger Beamte
gegeben. An unseren Tisch, wo auch Kirchschläger saß, kam neben
ihm Frau Minister Bielka zu sitzen. Diese sehr lebhafte Ungarin
erzählte von ihrer Auslandsreise in die CSSR mit ihrem Mann, wo
sie auch Csárdás tanzte und erklärte wie sehr die Tschechen mit uns
jetzt Interesse haben gute Beziehungen aufzunehmen. Wirklich toll
fand ich allerdings eine Bemerkung, als sie meinte, bei der Nachhause
fahrt wären ihren Mann die Akten nach Preßburg entgegengebracht
worden, und er hätte feststellen müssen, daß kein einziger in


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Ordnung gewesen ist. Sie sagte auch vor den ausländischen Diploma-
tinnen und Diplomaten am Tisch, es ist schrecklich, ihr Mann hat
keine guten Beamten, wo kann man gute Beamten herbekommen. Nachdem
Gen.Sekretär Haymerle neben ihr saß, meinte ich, daß sei mehr oder
minder Aufgabe des Generalsekretär, der, und so wollte ich per Hetz
sagen, an allem schuld ist. Kirchschläger wieder bemerkte, Haymerle
sei der beste Generalsekretär und der würde es schon machen. Meinen
Hinweis, daß Frauen normalerweise am besten von der Arbeit des
Mannes nichts wissen sollen, hat sie scheinbar nicht verstanden.
Selbst wenn ich mich oft über Beamte ärgere und wenn ich mir voll-
kommen klar bin wie wenig initiative Beamte es gibt, in der Öffent-
lichkeit würde ich eine solche Bemerkung nie machen. Bielka sicher-
lich auch nicht. Die Entwicklung in unserem Staat mit einer immer
stärker werdenden Beamtenschaft ist sicherlich verheerend, wo dies
hinführt weiß ich nicht. Die Reformen müßte man irgendwo ansetzen,
aber wie? Auch bei uns dürfte niemand Ideen haben, denn oft habe
ich schon ersucht, man soll darüber nachdenken und mir entsprechende
Vorschläge machen. Gekommen ist bis jetzt noch nichts.

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Tagesprogramm, 29.4.1975


Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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    GND ID: 130327808


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      Tätigkeit: Schweizer Diplomat; evtl. ident mit Sommaruga, A


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        Tätigkeit: Beamter HM


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          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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            Tätigkeit: Beamter HM


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              Tätigkeit: HK


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                Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


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                  Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


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                    Tätigkeit: Botschafter in der UdSSR


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