Samstag, der 19. April 1975

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Samstag, 19. April 1975

Einmal einen Vormittag nichts tun und nur im Garten einen Steinweg
legen, war für mich die schönste Beschäftigung seit langem. Nachmittags
hatte ich beim Konsum mit fast 600 Teilnehmern eine Betriebs-
versammlung, Der Betriebsratsobmann Serini, der das Ziel hat, alle
Arbeiter im Konsum zu Angestellten zu machen, ist dort sehr be-
liebt. Mit Blümel aber auch Gludovatz, dem Konsumsekretär, gibt es
dagegen öfters Differenzen. Serini ist ein sehr eigenwilliger Betriebs-
ratsobmann, was mich an und für sich nicht stört, aber doch gelegent-
lich zu schärferen Differenzen mit Blümel und teilweise Gludovatz
führt. Natürlich kam auch dieses gespannte Verhältnis bei der
Betriebsversammlung zur Sprache. Serini hat zwar abgeschwächt und auf
eine Anfrage zu seinem Referat noch bemerkt, dass es nur vereinzelt
Differenzen zwischen Gewerkschaft und Konsum gibt. Er meint, sie lie-
fern die Beträge ja ab und es sei alles in Ordnung. Da ich überzeugt
war, dass die Funktionäre im Konsum ihm diese Erklärung nicht abnehmen,
ging ich dann auch bei meinen Ausführungen auf diese Situation ein.
Interessant war, dass schon bei seinem Referat ein Teilnehmer meinte,
er hätte ihnen versprochen, dass um 5 Uhr, d.h. nach zwei Stunden
die Versammlung zu Ende sein wird. Da die Versammlung ausserhalb der
Arbeitszeit sogar noch an einem Samstag, wo das Wetter herrlich war,
stattfand, war ich auch überrascht, doch so viele Teilnehmer vorzu-
finden. Natürlich habe ich sofort meine Ausführungen entsprechend gekürzt
um ja nicht die Anwesenden zu verärgern. Ich glaube nämlich noch immer,
dass das Erscheinen von einem Minister für diese Leute eine besondere
Auszeichnung ist, manche kamen und fragten, ob sie mit die Hand geben
können, weil sie noch niemals einen Minister begrüsst haben, auf der
anderen Seite aber natürlich sie es als ein grosses Opfer betrachteten,
überhaupt zu kommen. Ausgenommen davon sind glaube ich nur die Gastar-
beiter, die ebenfalls in grösserer Anzahl dort waren. Für die ist es
scheinbar eine Selbstverständlichkeit, an solchen Besprechungen teil-
zunehmen. Ihre Probleme sind aber wirklich auch schwer in seiner
solchen Versammlung zu besprechen. Deshalb hat Serini auch für
die Gastarbeiter eine eigene Versammlung immer vorgesehen. Ich halte
diese Vorgangsweise für ausgezeichnet. Bei der allgemeinen Betriebs-
versammlung können sie sich ja kaum schon allein durch mangelnde
Sprachkenntnisse verständlich machen. Ihre Probleme sind z.B., dass sie
nur 10 oder 15 Minuten Pause haben und in der Kantine lange warten
müssen, bis sie drankommen. Dabei bin ich überzeugt, dass sie


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nicht diskriminiert werden, aber wahrscheinlich sich auch
nicht vordrängen trauen.

Beim Empfang von Jalloud am Abend hat mich Kreisky beim Cocktail der
Besprechung zugezogen und ich bemerkte, dass er ihm auseinandersetzte,
welche Möglichkeiten es für Libyen gibt, von Österreich entsprechende
Hilfe zu bekommen.U.a. verwies er darauf, dass wir einige Milch-
farmen schon eingerichtet haben und daher auch für Libyen eine
solche Möglichkeit besteht. Kreisky berücksichtigt nicht und das
wahrscheinlich zu Recht, dass Weihs mir immer wieder erklärt, er
hätte gar keine Möglichkeit mehr, entsprechende Melker und sonstiges
Fachpersonal so leicht zur Verfügung zu stellen. Ich benützte die
Gelegenheit, um Jalloud zu zeigen, dass wir, nämlich Patan und ich,
besprochen haben, gemeinsam eine Raffinerie in Libyen zu errichten.
Bei Tisch kam ich dann neben einen Staatssekretär zu sitzen, der
mir erklärte, dass sie mit Rumänien gute Beziehungen haben und er
selbst auch Patan sehr gut kennt. Auch dem Handelsminister machte
ich dann beim Kaffee die ersten Andeutungen. Da ich am nächsten Tag
Gelegenheit habe, auf der Fahrt nach Linz die Details zu besprechen,
ging ich natürlich nicht auf diese spezifische Frage ein. Umso mehr
als Kreisky ja eine ganze Palette von Vorschlägen scheinbar bereit
hält. Ich bin nur neugierig, wie dann die Durchführung erfolgen wird.
Ich fürchte immer, wie bei Marokko, dass entsprechende Zusagen ge-
macht werden, und dann niemand sich um die Durchführung wirklich im
Detail kümmert. Hier glaube ich, müssten wir dann immer als der
zuletzt ja tatsächlich für den Aussenhandel Verantwortlichen ein
besseres Kontrollsystem haben als es derzeit der Fall ist. Noch
immer haben wir keinen Bericht, was in Marokko jetzt wirklich ge-
schieht.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND REIM: Was wissen unsere Länderreferenten,
was wissen unsere Branchenreferate über die Durchführung?

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Tätigkeit: Straßburg


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    Tätigkeit: BRO KGW


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      Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
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