Freitag, der 18. April 1975

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Freitag, 18. April 1975

Bemmann, ein Redakteur der ostdeutschen Berliner Zeitung, wollte von
mir ein Interview und hat einen Termin bekommen, ohne dass ich davon
wusste. Sekt.Chef Meisl hat dann nur mit ihm alle Sachfragen be-
sprochen. Er war sehr überrascht, als ich ihn dann im Hotel anrief
mich bei ihm persönlich auch noch entschuldigte, und er leider keine
Zeit mehr hatte, mit mir noch zu sprechen. Wichtig war für ihn und des-
halb hatte ich ihn ja auch angerufen, dass er in seinem Artikel schrei-
ben konnte, dass er mit dem Minister ein Gespräch geführt hat. Wenn
es auch nur telefonisch war. Dies wird er sicherlich nicht dazuschrei-
ben. Schuld, dass ich mit ihm nicht zusammenkam, liegt sicherlich auch
bei mir. In der Gewerkschaft war ich längere Zeit aufgehalten, da ich
mit Balaz, Sekretär, ein Problem diskutierte. Einzelne Gruppen ver-
lieren ständig an Mitgliedern, weil die Betriebe rationalisieren.
Das typischste Beispiel ist dafür die Tabakgruppe, wo früher über
7.000 Beschäftigte waren und jetzt 1.500. Trotzdem haben wir damals einen
Sekretär gehabt und haben jetzt einen. Meiner Meinung nach müsste hier
eine Reorganisation im Gewerkschaftsbund, bei den Landesexekutiven
des Gewerkschaftsbundes und der Fachgewerkschaften sowie in den einzel-
nen Gruppen vorgenommen werden. Die Organisationsform entspricht sicher
nicht mehr dem jetzigen Organisationsstand. Jeder private Betrieb hätte
schon längst daraus Konsequenzen gezogen. Da zu wenig zeit war, noch
ins Büro zu fahren blieb, die Verkehrslage war äusserst kritisch,
vertrödelte ich dann noch die noch vorhandene Zwischenzeit im Parlament
bevor ich zum Bundespräsidenten fuhr.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND WIESINGER: Wenn Termine eingeschoben werden,
bitte mich telefonisch tags vorher zu informieren.

Beim Bundespräsidenten war eine verhältnismässig lange Aussprache, ob-
wohl natürlich nichts konkretes verhandelt wurde. Kirchschläger achtet
hier immer sehr streng darauf und meint, Aufgabe sei es der verantwortli-
chen Minister. Verhandlungen zu führen, äusserstenfalls noch des Bundes-
kanzlers. Er selbst hätte ja gar keine Möglichkeit dazu, weil die Ver-
fassungslage es nicht gestattet. Aber die Verhältnisse kennt er als
ehemaliger Aussenminister sehr gut, daher hatte er natürlich noch reich-
lich Gesprächsstoff. Deshalb waren wir fast 3/4 Stunden bei ihm.



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Vertreter des Normeninstitutes, der Geschäftsführer Mayer gleich-
zeitig beim Wifi und unser Patentverwertungsgeschäftsführer und vor
allem einmal das Vorstandsmitglied Mischke, Vorstand bei der Siemens
AG, goutierten über die Möglichkeiten der Umweltschutznormung mit Wanke,
Preglau und teilweise auch mit mir. Tatsache ist, dass noch keine Er-
fahrungswerte vorliegen und deshalb Mischke meinte, es müsste noch viel
mehr konkrete Arbeit geleistet werden. Die Gefahr besteht, dass wenn
das Normeninstitut sich nicht dieser Materie stärker annimmt, dass
viele andere Stellen, um Publikationen entsprechend verkaufen zu können,
mit Vorschlägen und, was noch viel schlimmer ist, unfertigen Ergebnissen
kommen. Wenn sonst es leicht ist Vornormen irgendwo auf einem anderen
Gebiet festzulegen, die in späterer Folge dann rechtsverbindlich werden,
ergibt hier auf dem Umweltschutzsektor es grosse Schwierigkeiten, dieser
Weg einzuschlagen. Die Richtgrenzwerte, die Gesetzeskraft haben müssen,
sind ständig zu ändern weil eben die Technologie sich ebenfalls ständig
ändert. Mayer meinte insbesondere, es wäre notwendig, dass man über die
Terminologie und über die Methodik sich einigt. Es kommt immer wieder
vor, dass Messverfahren nicht koordiniert sind, weshalb dann die ver-
schiedensten Werte entstehen. Wir einigten uns, dass wir im Beirat
den das Normeninstitut jetzt schafft, resp. schon geschaffen hat,
einen Handelsminister-Vertreter delegieren.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte überleg Dir, wen wir dort tatsächlich
hineinschicken können und sollen.

Bei der Fahrt zum Flughafen mit Minister Patan hatte ich Gelegenheit
noch einmal auf das Gespräch beim Bundespräsidenten wegen der Bezie-
hungen Rumäniens insbesondere aber das schlechte Verhältnis zur VÖEST
zu sprechen zu kommen. Patan versicherte mir, dass er alles daran
setzen, wird, dass in Hinkunft tatsächlich, wenn die VÖEST zu ent-
sprechenden Anbote herangezogen wird, er sich vorbehält und er ent-
scheidet, ob dann letzten Endes der Zuschlag erfolgt. Mein Vor-
schlag, er sollte, wenn die Preissituation um 20 % z.B. die VÖEST
teurer bietet, nicht sofort erklären, die VÖEST kommt dafür nicht in
Frage sondern eben hier ein Preislimit stellen, worauf dann die VÖEST
entscheiden könnte, ob die annehmen kann oder nicht. Was auf alle
Fälle aber verhindert werden muss, ist, dass die VÖEST zu Detailpro-
jektstudien veranlasst wird, die Millionen Schilling kosten können
und dann doch nicht den Zuschlag bekommt. Der Verdacht besteht, dass


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es sich hier nur um ein Scheinoffert handelt, um einem Staat
eine entsprechende Gegenkalkulation entgegenhalten zu können.
Patan versicherte mir, er wird sich jeden Zuschlag, der die VÖEST
betrifft, vorlegen lassen. Er möchte unbedingt, dass es zu einer
besseren Zusammenarbeit zwischen VÖEST und rumänischen Firmen kommt
und wird deshalb auch seine Direktoren nicht nur vergattern sondern
so schnell wie möglich zur VÖEST schicken. Ausserdem hat er Gen.Dir.
Koller eingeladen und erwartet dann dass ganz konkrete Projekte be-
sprochen werden können. Insbesondere denkt Patan an ein Raffinerie-
projekt, welches Rumänien und die VÖEST gemeinsam in Libyen errichten
könnten. Er ermächtigte auch mich dazu, den heute ankommenden Mini-
sterpräsidenten Jalloud darüber Bericht zu erstatten, resp. den
Vorschlag zu machen, dass eben Rumänien und Österreich gemeinsam
das Raffinerieprojekt in Angriff nehmen wollen. Beim Abschied
passierte es mir zum ersten Mal, dass mich Patan, der sich irgendwie
wegen meiner Betreuung so verbunden fühlte, nach Ostsitte umarmte.
Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte vielleicht noch einen Kuss
auch bekommen. Sicher ist eines, dass Patan über die Zeit, die ich ihm
widmete, sehr überrascht war. Wenn ich mir aber vorstelle, welche
Bedeutung dieser Mann in Rumänien hat, so war ich sicherlich nicht
zu viel sondern vielleicht sogar zu wenig aufmerksam bei seinem Be-
such.

Beim ÖVP-Parteitag befand sich der griechische Handelsminister
Varvitsiotis. Er hatte ersucht um eine kurze Zusammenkunft und
ich nützte die Gelegenheit, um im Einvernehmen mit der Handels-
kammer ein Essen ihm zu offerieren. Bei dieser Gelegenheit habe ich
beim Cocktail sowie bei der offiziellen Ansprache das Problem eines
Freihandelszonenabkommens mit Griechenland angeschnitten. Dies ist
ein Wunsch der Handelskammer, um die Diskriminierung der österr. Ex-
porte zu verhindern. Er war nicht im Detail informiert, hat sofort
aber erklärt, er ist bereit, dieses Problem sofort nach seiner Rück-
kehr zu besprechen. Unter diesen Umständen kann niemand von mir behaup-
ten, dass ich nicht alles unternehme, um die Diskriminierung österr.
Exporte, sei es in der Türkei, Griechenland, ja sogar in Spanien, wenn
es zu einer Regelung der EG mit Spanien kommt, hintanzuhalten. Das
wirkliche Problem ist, dass diese Staaten natürlich von Brüssel kaum so
einfach grünes Licht bekommen werden, und deshalb mit der ausdrück-
lichen Verhandlungszusage sehr zurückhaltend sind.



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Durch den eingeschobenen Ministerbesuch musste ich die schon
einmal verschobenen Konjunkturgespräche im Wirtschaftsforschungs-
institut neuerdings zumindestens zu Beginn schwänzen. Als ich aller-
dings dann mich fast zwei Stunden noch hinsetzte, hatte ich auch nicht
das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Die Referenten des Wirtschafts-
forschungsinstitutes haben ganz interessante Kennziffern erarbeitet.
Der Computerausdruck, den sie uns allerdings vorher schickten, war für
mich ungeeignet. Er hatte müssen von unseren Branchenreferenten aufge-
arbeitet werden und dann in einige Kennziffern zusammengefasst werden. Die-
se Arbeit haben sie aber nicht gemacht und ich war daher sehr erstaunt,
als ich bei den einzelnen Referenten des Wirtschaftsforschungsinstitutes
dann sehr wohl diese Ziffern hörte. Leider waren sie nicht schriftlich
vorliegend. Ich habe daher zum Schluss Seidel ersucht, er möge in Hinkunft
dafür sorgen und auch die einzelnen Referenten bat ich, mir diese Kenn-
ziffern zur Verfügung zu stellen.

ANMERKUNG FÜR REIM: Ich glaube, es gibt die Möglichkeit, bei engerem
Kontakt solche Kennziffern ständig von den Referenten zu bekommen.

Die anwesenden Funktionäre oder Fachverbandssekretäre haben natürlich
dann die Gelegenheit benützt, insbesondere durch die Anwesenheit des
Handelsministers alle ihre Sorgen dort vorzutragen. Der optische und
akustische Eindruck, wenn ich so sagen darf, bei mir war, dass die Wirt-
schaft Österreichs darniederliegt. Ich bestreite gar nicht, dass wir der-
zeit eine äusserst kritische Situation haben. Trotzdem glaube ich noch
nicht, dass es wirklich so schlecht ist, wie dort geschildert wurde.
Die Ziffern selbst des Wirtschaftsforschungsinstitutes sprechen dagegen.
Auch die Referenten des Wirtschaftsforschungsinstitutes haben dann
zusammenfassend immer wieder erklärt, dass nach ihrer Auffassung doch
eine gewisse Hoffnung besteht. Typisch war, dass als ich anschliessend
mit den einzelnen Fachverbandssekretären redete oder mich bei Funk-
tionären verabschiedete, diese meinten, dass es so schlimm ist es
gerade auch nicht, aber es ist sehr kritisch. Diese Veranstaltung, ins-
besondere in so grossem Rahmen dient also scheinbar nur dazu, um gegen-
über seinen Mitgliedern oder bei Sekretären seinen Auftragsgebern
nachzuweisen, dass man alles angemeldet hat, was irgendwie zum Weich-
klopfen der Regierung dienen könnte. Meiner Meinung nach soll man an-
stelle solcher Konjunkturgespräche in grossem Rahmen mit den einzelnen
Fachverbandssekretären oder wenn es aktive Funktionäre gibt mit diesen


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ständige Gespräche in kleinerem Kreis führen. Dort soll man dann
auch ganz konkretes Fragen-Programm vorlegen, damit wirklich konkrete
Antworten gegeben werden müssen. Eine so allgemeine Konjunkturaus-
sprache mit Branchenvertretern noch dazu bei der Mischung Textil,
Bekleidung, Holz, Glas, Elektrotechnik usw. kann meiner Meinung
nach kaum ein wirklich gutes Bild im Detail erarbeitet werden.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND REIM SOWIE GEHART: Wie weit haben unsere
Fachreferenten ständig Kontakt mit Wirtschaftsforschungsreferen-
ten und Fachsekretären. Dies ist das Wichtigste.

AM Abend haben wir uns d.h. die ehemaligen Jugendlichen von der
1. Republik wieder getroffen. Es war eine lustige Zusammenkunft,
lange war ich nicht so gelöst und ist der Schmäh so gut gelaufen.
Viele sind leider gefallen, von manchen wissen wir gar nichts
mehr, es gibt halt doch nichts Schöneres als die Jugenderinnerungen,
wenn es auch damals und insbesondere in der illegalen Zeit nach 1934
eine harte Schule war, die wir durchgemacht haben, verklärt die Zeit
alles.

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Tagesprogramm, 18.4.1975

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Straßburg


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM, Mag.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ARGE Patentförderung; evtl. Falschschreibung


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SChef HM
            GND ID: 12195126X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: GD VÖEST


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Min.präs. Libyen


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                    GND ID: 118723189


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Beamter HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Kassier LUGA


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