Samstag, 22. Feber 1975
In einer Arbeitstagung der Mitarbeiter von Simmering im Speisesaal
vom E-Werk, dieser war bummvoll, hatte ich über die wirtschaftliche
Lage und insbesondere die Aussichten bei den nächsten Nationalrats-
wahlen – allerdings Gott sei Dank nur was die wirtschaftliche Situation
betrifft – zu referieren. Wahlprognosen stelle ich nämlich prinzipiell
keine, vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Ich setzte den Genos-
sinnen und Genossen auseinander, dass jetzt in der nächsten Zeit
schwierige Fragen zu lösen sind. Insbesondere wird die jetzige Voll-
beschäftigung, die mit 74.000 Arbeitslosen in Wirklichkeit keine
Überbeschäftigung mehr ist, wie wir sie gerne haben, uns grosse Probleme
bringen wird. Durch das ständige von der Presse aber auch vom Kurier
Herausstreichen der Entlassungen, der Kurzarbeiten, auch dann wenn
es sich um kleinere Betriebe handelt, wurde die Öffentlichkeit für
dieses Problem sensibilisiert. Wenn dann jetzt wirklich grössere
Brocken, wie die Fahrradfabrik in Köflach aber auch jetzt die von
Steyr dazukommt, dann muss der Eindruck entstehen, dass wir hier tat-
sächlich auch auf dem Wege einer grösseren Arbeitslosigkeit sind wie
dies in Deutschland und anderen Ländern der Fall ist. In der Diskussion
z.B. hat ein Betriebsrat von den Saurer-Werken gesagt, auch bei ihm
hätte es Kündigungen gegeben und zwar seien bei 1.000 Beschäftigten
2 Tischler in seiner Abteilung gekündigt worden. Der Betriebsrat
hätte sich daher ganz entschieden gegen diese Kündigung ausgesprochen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich hier um die Möglichkeit der
Betriebsleitung gehandelt hätte, eben zwei wahrscheinlich nur bedingt
arbeitswillige Leute loszuwerden. Andererseits ist aber die Belegschaft
heute so empfindlich gegen irgendwelche Kündigungen, dass sie selbst in
diesem Fall bereit ist, gegen solche Massnahmen Stellung zu nehmen.
Ich bin davon überzeugt, dass jetzt in den nächsten Wochen das Arbeits-
marktproblem sehr hochgespielt wird, ähnlich wie in der Vergangenheit
die Zuckerfrage und dass daher jedwede Massnahmen auf diesem Gebiet
in der Öffentlichkeit ganz besondere Reaktionen auslösen. Wo dies
allerdings hinführen kann, kann ich noch nicht genau erkennen. Sicher
ist für mich nur eines, dass jedwede Entlassung, Kurzarbeit oder
sonstige Massnahme auf der einen Seite die Arbeitsmoral in der gesamten
Arbeiterschaft vielleicht ein bisschen heben wird, auf der anderen
Seite aber eine solche Unruhe in die Bevölkerung bringt, dass es
auch politische Folgen haben kann, ja ich bin sogar überzeugt haben wird
24-0227
Wenn es uns aber jetzt nicht gelingen sollte, die Vollbeschäftigung
einigermassen aufrechtzuerhalten, dann würde ich sagen, hat die ÖVP
resp. andere Parteien im Oktober schon die Wahl gewonnen. So wie ich
immer behauptet habe, dass 1967/68 die ÖVP ihre Wahlen 1970 verloren
hat, weil sie die Beschäftigungslage damals nicht in den Griff bekom-
men hat und es zu einer grösseren Abbaumassnahme im Zuge der europäi-
schen Rezession gekommen ist, so würde es uns glaube ich genauso im
Oktober ergehen, wenn wir nicht eine gute Arbeitsmarktsituation auch
im Frühjahr dieses Jahres, d.h. im März/April halten können. Der
Feber ist schon gelaufen und hat noch keinerlei grössere Rückwirkungen,
dass die ganze Sache zu einem Politikum hochgespielt werden soll,
glaube ich schon daraus entnehmen zu können, dass jetzt Androsch
sicherlich mit Zustimmung von Kreisky, wenn nicht sogar auf seinen
Wunsch, sich mit den Steyr-Daimler-Puch-Vorstand und ganz besonders
aber mit dem Aufsichtsrat Treichl über die Kündigungen zusammengesetzt
hat. Ich habe, als ich davon das erste Mal erfuhr, Häuser gefragt,
ob er irgendetwas davon wüsste und er verneinte, nach seiner Mitteilung
hat nicht einmal das Landesarbeitsamt davon etwas gewusst. Scheinbar
war die Absicht von Steyr-Daimler, mit den Betriebsräten und der Ge-
werkschaft zusammen dieses Problem still und leise über die Bühne
zu bringen. Ein ähnliches Vorgehen erhoffte auch seinerzeit Swarovski
erreichen zu können. Natürlich ist dies ganz unmöglich, weil wenn grös-
sere Entlassungen und Kündigungen vorgesehen sind, wird früher oder
später die Öffentlichkeit darauf aufmerksam.
Tagesprogramm, 22.2.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)