Samstag, der 14. Dezember 1974

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Samstag, 14. Dezember 1974

Bei der Einäscherung für Ernst Ulbrich hat Kreisky einen Satz ge-
sagt, der mir zu denken gab. Er meinte, Ulbrich hätte genau gewusst,
wie es um ihn steht, er wollte nur uns davon nichts zeigen und
hat halt bis zuletzt seine Aktivität und sein optimistisches Ver-
halten und Handeln gezeigt. Ich weiss nicht, ob dies stimmt. Hier
sagte er mir, bei meinem letzten Besuch vor seinem Tod,
greif mich an, wie mager ich bin. Das deutet darauf hin, dass er
sich genau kannte. Andererseits aber hat er wirklich Pläne, die er
mit mir besprach. Vielleicht war dies aber genauso Theater, wie
von mir. Leodolter sagte mir nur, das sei die beste Methode.

Die Unterzeichnung des irakischen Abkommens und das anschliessende
Essen, bestätigte mir, dass tatsächlich die Iraker nicht darauf ein-
gestellt waren, bei ihrem jetzigen OPEC-Wien-Besuch diese offizielle
Handlung vorzunehmen. Andererseits habe ich dies mit dem Minister
in Bagdad besprochen und Abdul Karim, der Ölminister, war damit
ausdrücklich einverstanden. Jetzt hatten sie nicht einmal einen
Umschlag für den Vertrag mitgenommen und wir mussten ihnen aushelfen.
In Wirklichkeit ist dies sowieso alles egal, aber zeigte mir nur,
dass hier wirklich von mir übereifrig eine für die Iraker pein-
liche Situation geschaffen wurde. Der Geschäftsträger, der Botschaf-
ter wurde abberufen und kein neuer bis jetzt bestellt, sprich sehr gut
und versicherte mir, dass Herr Karim zufrieden sei mit der Lösung
auch einverstanden, aber mich weiterhin nicht belästigen möchte.
Interessant war nur, dass zur Unterzeichnung von unser Seite wieder
nur einige Beamte kamen, beim Essen waren wir dann mehrere. Jeder
versicherte mir, dass er jederzeit zur Verfügung steht.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: In Hinkunft bitte auch bei den Unterzeich-
nungszeremonien trachten, dass entsprechend mehr Leute von uns an-
wesend sind. Der Minister möchte ausserdem die Bilder, die bei der
Unterzeichnung aufgenommen wurden. Bitte ein Album herrichten.

Engelmayer hat mir namens der Personalvertretung seine Vorschläge
gebracht und am letzten Blatt daraufgeschrieben, das alles verein-
bart sei. Ich habe ihn deshalb sofort angerufen und darauf hinge-
wiesen, dass ich mit ihm nichts vereinbart, sondern nur eine Ver-


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wendungszusage gemacht habe. Insbesondere habe ich noch nicht
erklärt, wer von den ihnen gewünschten Abteilungsleiter wohin kommt
und wann dies der Fall sein wird. Ich habe ausdrücklich schon seinerzeit
und auch jetzt neuerdings darauf verwiesen, dass ich mit den Sektions-
leitern die Vorschläge der Personalvertretung besprechen muss. Engel-
mayer
war über diese Feststellung nicht sehr erfreut, meinte aber,
er hätte alles mit den Sektionschefs so abgesprochen, dass er garan-
tiert mit deren Zustimmung rechnen könne. Bukowski wird jetzt
die Detailbesprechungen führen und versuchen eine zweckmässige
Lösung mit den einzelnen Sektionsleitern zu vereinbaren. Genauso wenig
wie ich gegen die Personalvertretung entscheide, noch viel weniger
werde ich gegen die Sektionsleiter entschieden, wenn sie andere Vor-
schläge machen. Dann müssen wir halt weitere Verhandlungen führen.

Bei dem Treffen der pensionierten Gewerkschaftsobmänner und dem jetzigen
Bundesvorstand des ÖGB hatte ich Gelegenheit, mit Heinz Kienzl über
seine Theorie, die höheren Gehälter einfrieren zu lassen, zu disku-
tieren. Robert Weisz, Dallinger und ich versuchten, Kienzl ausein-
anderzusetzen, dass diese Frage in der Öffentlichkeit nicht den Erfolg
hat, den er sich erwartet. Ich bin überzeugt, dass Heinzi die
Absicht hat, durch gutes Beispiel die anderen mitzureissen und so eine
Änderung in der Gehaltspolitik herbeizuführen. Was er erreichen wird,
ist nichts anderes, als dass eine noch grössere Aversion gegen
die Spitzengehälter und der Politiker und einiger Manager, die nicht
in dem privaten Sektor tätig sind, denn dort entschuldigt man es und
nimmt es als selbstverständlich hin, erreichen wird. Weisz verwies
darauf, dass Waldbrunner aus der Entschädigungsdiskussion, d.h.
Vizepräsidententschädigung der OeNB seine grösste politische Schlappe
erlitten hat. Seit der Zeit, sagt Robert Weisz, ist er politisch ein
toter Mann. Ich persönlich finde, dass wenn jemand ein höheres Ein-
kommen hat, er dann in der Öffentlichkeit immer wieder zu Appellen
für Sparsamkeit, Bescheidenheit usw. in Erscheinung tritt, wie dies
besonders Ausch macht, dass dies von der grossen Masse unserer Kolle-
gen nicht verstanden und nicht abgenommen wird. Wenn jemand das
Gefühl hat, er verdient zu viel oder es steht ihm ein gewisses
Einkommen nicht zu, dann soll er darauf verzichten und dies in
irgendeiner Form, ohne es in der Öffentlichkeit breitzuschlagen,
irgendwelchen Zwecken zuführen. Sein Gewissen ist dadurch beruhigt,
wehe aber man macht damit Propaganda, bringt das Ganze von sich
aus in die Öffentlichkeit. Das Ergebnis kann nur sein, dass


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dann sich alles gegen den Betreffenden wendet. Davor wollte ich
Heinz Kienzl bewahren.

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Tagesprogramm, 14.12.1974


Tätigkeit: Ökonom, SPÖ


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    Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


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      Tätigkeit: irak. Ölminister


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        Tätigkeit: FSG-Vors., SPÖ-Klubobmann, Volksanwalt


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          Tätigkeit: Gesundheitsministerin


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            GND ID: 119100339


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              Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


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                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


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                  GND ID: 114650888


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                    Tätigkeit: Straßburg


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