Montag, 2. Dezember 1974
Beim Jour fixe mit Präs. Sallinger – Mussil war nicht anwesend –
teilte ich ihm mit, dass Thun-Hohenstein jetzt der Vorsitzende
der Wahlkommission zur Handelskammerwahl und Min.Rat Buchmann
sein Stellvertreter ist. Sallinger kennt Buchmann nicht, obwohl
er bei der Gewerbeordnung im Parlament sehr aktiv mitgearbeitet hat.
Mussil wird ihn sicherlich kennen. Auf alle Fälle machte ich die
Bemerkung, dass beide als Schwarze gelten, was sie wahrscheinlich
auch wirklich sind. Ich verständigte mittags auch im Institut
Günther Sallaberger von dieser Entscheidung und der Freie Wirt-
schaftsverband war damit genauso einverstanden, wie Sallinger, in
dem Fall als Wirtschaftsbundobmann und Handelskammerpräsident.
Ich bin ja davon fest überzeugt, dass die Funktion eines Vorsitzenden
oder Stellvertreters der Wahlkommission keine wie immer geartete Be-
deutung hat. Gerade auf diesem Sektor arbeitet der Wirtschaftsver-
band mit dem Wirtschaftsbund so eng zusammen, dass es kaum zu Strei-
tereien, die bis in die Spitzen hinauskommen, zumindestens bis jetzt
gekommen ist. Örtliche differente Auffassungen werden ja von den
einzelnen Wahlkommissionen meistens einvernehmlich geregelt. Da der
Wirtschaftsbund eine so dominierende Stellung hat, gibt es auch in
den untersten Einheiten kaum grössere Differenzen. Allerdings muss
ich zugeben, dass dies nicht für alle Zeiten so sein muss, weshalb
ich auch die Meinung von Jagoda absolut teilte und die Handels-
kammer hat sich dem letzten Endes auch angeschlossen, dass nicht
ein pensionierter Beamter, sozusagen ein alter Tattergreis, Vorsitzen-
der der Kommission sein soll, sondern eben wirklich ein aktiver, noch
im Ministerium aktiv arbeitender Beamter sein soll.
Die grösste Sorge oder besser gesagt, das grösste Interesse von
Sallinger richtet sich immer wieder, wann wir wählen werden. Sallinger
ist fest davon überzeugt, dass die wirtschaftliche Lage im Jahre 1975
schlechter wird und er meint deshalb, es würden auf alle Fälle Früh-
jahrswahlen stattfinden. Meine Auffassung, dass es uns gelingen wird,
bis die Deutschen durchstarten, was ich bald erwarte, die Wirtschafts-
lage in Österreich so wie in der Rezession 1971/72 positiver zu
gestalten als die anderen europäischen Staaten, glaubt Sallinger
eigentlich diesmal nicht. Er ist fest davon überzeugt, dass es
diesmal zu einem grösseren Rückschlag kommen wird. Insbesondere
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im Baugewerbe sieht er, wenn sich die Auftragslage nicht wesent-
lich ändert, eine grosse Gefahr für einen Wirtschaftsrückschlag
mit entsprechender Arbeitslosigkeit auf diesem Sektor. Er nimmt
seinen eigenen Betrieb als Beispiel, wo derzeit die mittleren
und kleineren Aufträge vollkommen fehlen. Allerdings gibt er
gleichzeitig zu, dass er nicht beabsichtigt, auch nur einen
Mann seiner 50 Beschäftigten freizustellen. Ihm wäre gelungen,
für den Winter entsprechende Innenaufträge zu bekommen. Dies wäre
z.B. in der Rezession 1971/72 nicht ganz gelungen. Damals hätte er
aber auch die Arbeitskräfte nicht freigesetzt, weil er wusste,
dass er sie im Sommer dringend braucht und weil sie jahrzehntelang
schon bei ihm beschäftigt sind. Sallinger glaubt auch, dass
wenn die Unternehmer für 1975 entsprechende Aufträge sehen oder
sie vielleicht sogar bekommen, dann eine grössere Arbeitskräfte-
freisetzung auch im Baugewerbe nicht erfolgen wird. Auch hat jeder
Angst, dass er die Arbeitskräfte dann nicht mehr bekommt, wenn
die Baukonjunktur wieder voll einsetzt. Ich berichte ihm über die
Aussprache mit der sowj. Seite wegen der Hotelneubauten in
Moskau, die erwarten, dass wir entweder ihnen einen Kredit ge-
währen oder vielleicht gar mit entsprechender Übernahme von U-Bahn-
Bauprojekten und Lose an die Sowjets die Hotelneubauten bezahlen.
Sallinger gibt zu, dass weder eine Kreditgewährung noch die
teilweise U-Bahn-Bau durch Sowjet-Firmen möglich ist. Ein solches
Bemühen hatten wir bereits vor Jahren, als die U-Bahn ausgeschrie-
ben wurde, feststellen können. Auch damals hat die Stadtverwaltung
aus verschiedensten Gründen eine solche Beteiligung der Sowjets
abgelehnt. Trotzdem meint Sallinger, müssten wir abwarten, bis
Vizepräsident Dittrich von der Wiener Kammer zurückkommt.
ANMERKUNG FÜR GRÜNWALD: Unser Branchenreferat und die Sektion I
sollen sich um die ganze Frage kümmern.
Ich informiere Sallinger auch über die Gaspreiserhöhung und er
nimmt die Äusserungen diskussionslos zur Kenntnis. Nachmittags
treffe ich durch Zufall Bürgermeister Gratz und dieser teilt
mir mit, dass er über den Gaspreis anderer Meinung ist als die
Stadtwerke. Er möchte eine generelle gleichmässige Erhöhung
und nicht für die höheren Anschlusswerte, von denen man annimmt,
dass sie meistens zu Heizzwecken dienen, eine grössere Preissteige-
rung verlangen. Seine Begründung dafür ist, dass es leichter sein
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sein müsste, der Bevölkerung durch die sowjetische Erdgaspreis-
erhöhung zu erklären, dass eben jetzt auch der städtische Gaspreis
erhöht werden muss. Er fürchtet, dass innerhalb der Bevölkerung
zu einer noch grösseren Unruhe kommt, wenn tatsächlich jetzt eine
differenzierte Preispolitik betrieben wird. Ausserdem sagt er nicht
ganz unbegründet, dass seinerzeit die Anschlusswerte oft von Instal-
lateure grösser ausgelegt wurden, mit dem Hinweis, vielleicht
brauchen sie einmal dann doch mehr Gas und brauchen nicht wieder
alles umbauen. In diesem Fall würden die Abnehmer einen höheren
Preis bezahlen, obwohl sie gar nicht die installierte Leistung tat-
sächlich in Anspruch nehmen. Ich erkläre Gratz sofort, dass wenn
er eine Änderung will, müsste dies sehr schnell von den Stadtwer-
ken beantragt werden, da das Preisverfahren bereits läuft. Darüber
ist Gratz sehr erstaunt, da er annimmt, dass dieses ganze Problem
erst innerhalb der Gemeinde besprochen wird. Sekt.Chef Frank
teilt mir dann abends noch dazu mit, dass der vorgelegte Gas-
preisantrag so überhaupt nicht verhandelt werden kann. Die
Unterlagen sind nicht nur mangelhaft, sondern wie er sich ausdrückt,
so ist der Antrag absolut undurchführbar.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte versuche herauszufinden, wer hier
wirklich was will.
Steflitsch von der VÖEST-Alpine teilt mit, dass man sich Samstag
über die Stillegung von Pölfing-Bergla im Prinzip, allerdings
ohne Zustimmung des Betriebsrates, der dies erst der Betriebs-
versammlung vorlegen muss, geeinigt hat. Danach würde die Still-
legung 76 Mill. S kosten, 55 Mill. macht das LAKOG-Schema –
1 Jahr Abfertigung für alle Beschäftigten – aus. Die Betriebsräte
wollen aber diesen Betrag anders verteilen, da sie für die länger
Anwesenden einen grösseren Betrag zur Verfügung stellen wollen,
als für jemanden, der nicht einmal noch 10 Jahre im Betrieb arbeitet.
8 Mill. S ist die kollektivvertragliche Abfertigung, die der Be-
trieb bezahlen muss und 13 Mill. wären die technischen Kosten.
Steflitsch macht noch darauf aufmerksam, dass die Stillegung,
wenn sie jetzt beschlossen wird, im Oktober-November des nächsten
Jahres dann de facto sich auswirken wird. Er wäre bereit, noch eine
Verschiebung auf Anfang 1976 zu genehmigen. Da ich überzeugt bin,
dass die ganze Sache sowieso nicht so laufen wird, wie das Programm
jetzt erstellt wird, erklärte ich Steflitsch sofort, er soll
jetzt einmal nicht unbedingt auf den Termin achten, sondern überhaupt
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versuchen, die ganze Frage einvernehmlich zu regeln. Bei der
Ministerratssitzung diskutiere ich mit Androsch, der diese
Frage zur Sprache bringt und sich ganz entschieden gegen eine
differenzierte Auszahlung der Abfertigung wendet, er möchte, das
LAKOG-Schema tel quel übernehmen, wobei ich erkläre, dass es in
meinen Augen zweckmässiger ist, mit der Belegschaft zu einer einver-
nehmlichen Regelung zu kommen, als durch einen Justamentstandpunkt
die einvernehmliche Regelung, die sowieso erst erzielt werden muss,
dann neuerdings zu gefährden. Androsch wird sich die ganze Frage
auch noch einmal überlegen.
Von der Verbundgesellschaft bekomme ich Briefe, wo man mir mitteilte,
dass man in der nächsten Aufsichtsratssitzung, die in einigen Tagen
stattfindet, Direktor Hermann von der Donau und Dir. Kandolf von den
Tauernkraftwerken einen neuen Vertrag für 5 Jahre geben will. Der
Vertrag für Pepelnik von der Enns soll auslaufen. Ich rufe sofort
Bandhauer an und teile ihm mit, dass ich auf dem Standpunkt stehe,
über diese ganze Personalprobleme möchte ich, bevor ich eine solche
Entscheidung zur Kenntnis nehme, nur um dies wurde ich gebeten,
vorerst doch mit den betreffenden ÖVP-Verantwortlichen diskutieren
möchte. Frank teilt mit spätabends mit, dass er auch diese Meinung
von mir hat, dass man nicht tel quel alle Wünsche der ÖVP jetzt sofort
erfüllen muss, nachdem sich immer wieder herausstellt, dass bei un-
seren Personalwünschen Schwierigkeiten gemacht werden.
Bandhauer versichert mir auf meine Anfrage, dass seinerzeit von Öster-
reich mit der Sowjetunion über Stromexporte verhandelt wurde, dass
aber die Sowjetunion keinerlei Interesse daran gezeigt hat. Trotzdem
ist Bandhauer bereit, neuerdings jetzt mit dem sowj. Handelsrat
in Österreich die Probleme zu besprechen, damit dieser Punkt im
10-jährigen Wirtschaftsabkommen zumindestens von österr. Seite ver-
sucht wird, zu erfüllen.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte lass Dir nach einiger Zeit den Erfolg die-
ser Aussprache berichten.
Kabinettsdirektor Weihs vom Bundespräsidenten ruft an, um mir
mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident bereit wäre, wenn infolge
der 30-Jahr-Feier Republik Österreich ein Antrag von mir kommt, ein
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grösseres Kontingent an Kommerzialratstiteln zusätzlich zur
Verfügung zu stellen. ZS Marsch hat sich diesbezüglich an den
Bundespräsidenten gewendet. Zu meiner grössten Verwunderung er-
fahre ich dann von Sallaberger, dass von meinem seinerzeitigen
Verzichtskontingent – 10 Stück der Kommerzialratstitel hatte
sich seinerzeit der Handelsminister immer reserviert und ich
habe sie 1970 sofort dem Freien Wirtschaftsverband und dem Wirt-
schaftsbund zur Verfügung gestellt, so wie die anderen 40, die die
beiden Organisationen schon immer verteilten, zwei vom Freien
Wirtschaftsverband, dem Zentralsekretariat für die Gemeinwirtschaft
und seine eigenen Unternehmungen abgetreten wurden. Mir persön-
lich ist das ganz wurscht und unter uns gesagt, auch ganz recht,
nur hätte ich es gerne gewusst, damit ich einige Wünsche, die
immer wieder von den Parteiorganisationen an mich gestellt werden,
leichter hätte beantworten können. So habe ich sie immer nur müssen
an den Freien Wirtschaftsverband verweisen, in Hinkunft werde ich
sagen können, man soll auch mit Marsch darüber reden. Das ganze
Problem wollte ich dann bei der Ministerratsvorbesprechung zur
Sprache bringen, doch war Marsch nicht anwesend.
Bei der Ministerratsvorbesprechung und dann selbst im Minister-
rat brachte Androsch die Massnahmen zur Konjunkturbelebung zur
Sprache. Das Defizit von 10,9 Mia S wird sich durch die Ausgabe
der ÖBB aus der Stabilisierungsquote von 860 Mill. und von der Ent-
wicklungshilfe von 500 Mill. – dafür hat er die NR-Ermächtigung –
auf 12,5 Mia erhöhen. 1975 wird es 17–18 Mia betragen und
2 Mia liquiditätsmässig noch fehlen. Der Beirat hat im September
bereits einen Abgang von 5–6 Mia S errechnet, wovon 4,5 Mia
jetzt allein die Mehrwertsteuer ab Mai wesentlich geringere Ein-
gänge, als erwartet, ausmachen. Androsch sieht dies darin, dass
erstens eine Lageraufstockung erfolgte, zweitens Grossbauvor-
haben wie z.B. die Wiener U-Bahn 400 Mill. Mehrwertsteuer bis
jetzt nicht gebracht haben, weil eben zwar der Mehrwertsteuer-Vor-
leistung vom Finanzamt verlangt werden, die Rechnungen aber für
die U-Bahn noch nicht gelegt sind und deshalb die endgültigen 16 %
nicht einlaufen. Drittens aber insbesondere die Exportsteigerung,
die umsatzsteuerfrei ist, einen geringeren Ertrag bringt. Der
Vorsteuerabzug erfolgt aber sowohl für die Lageraufstockung als auch
für die Grossvorhaben als auch natürlich für die Exporte. Wenn
diese Entwicklung anhalten sollte, müsste man überlegen, abgesehen
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von den Grundnahrungsmitteln doch eine Mehrwertsteuererhöhung
durchzuführen. Androsch möchte sich scheinbar auf die indirekten
Steuern stürzen, weil jetzt die dreimalige Einkommenssteuersenkung
und vor allem auch die geringeren Einnahmen aus den Zöllen durch
die EG-Verträge sich für sein Budget verheerend auswirken. Zur
Bekämpfung der Rezession, erklärt er insbesondere im Ministerrat,
wäre im kommenden Budget 35 Mia S Investition vorgesehen. Dazu
kommt aus der Stabilisierungsquote 3,4 Mia und aus dem Konjunktur-
ausgleichsbudget 3,3 Mia. Ausserdem hat er jetzt mit dem Bauten-
minister ein Bausofortprogramm von 4,3 Mia S erstellt, das in
3 Etappen wirksam werden soll. Das Ganze wurde insbesondere durch
die Intervention der Baugewerkschaft notwendig und soll jetzt un-
mittelbar in Kraft treten. Darüber hinaus stehen noch die gesamten
Kredite des Wirtschafts- u. Sozialfonds, insbesondere für den
Fremdenverkehr und für die Exportförderung sowie die Arbeitsmarkt-
förderung, die von 750 Mill. 1974 auf 830 Mill., wie mir Häuser
nachher mitteilt, zur Verfügung. Das Ganze möchte Androsch, und hier
stimme ich hundertprozentig mit ihm überein, aus psychologischen
Gründen jetzt so schnell wie möglich in die Bevölkerung hineintra-
gen, damit nicht die Unternehmer womöglich von Investitionen Ab-
stand nehmen, weil sie eine mögliche Rezession befürchten. Kreisky
teilt mit, daß ihm Schmidt, der deutsche Bundeskanzler, gesagt hat,
es soll jetzt vor Weihnachten oder zumind. unmittelbar danach
durchgestartet werden. Friderichs dagen hätte noch immer Bedenken,
jetzt bereits mit einer grösseren Konjunkturspritze die deutsche
Wirtschaft wieder zu beleben. Kreisky schlägt vor, daß insbes. das
Handelsministerium für die Bestellungen der öffentlichen Hand
eine gewisse Planung vorbereiten soll. Dies gilt ganz besonders
für den Textilsektor. Hier sollten die Aufträge von Gendarmerie,
Polizei, Post, Bahn, d.h. aller öffentlichen Stellen koordiniert
werden. Jetzt befürchtet Kreisky, kommt es zu systemlosen Be-
stellungen, womöglich auf der einen Seite Überstunden und
dann zu einem anderen Zeitpunkt keine Beschäftigung, für die
Textilindustrie. Dies gilt jetzt mehr für die Schafwollindustrie,
früher waren es besonders die Baumwolleindustrie, die darunter
litt. Häuser teilt mit, daß er die Erfahrung gemacht hat, daß
insbes. die exportorientierten Unternehmen, wenn sie jetzt nicht
mehr mit größeren Aufträgen rechnen können, Arbeitskräfte frei-
setzen oder Kurzarbeit zumind. anstreben und zweitens die Investi-
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tionen, die Betriebe machen möchten, an Liquiditätsschwierig-
keiten scheitern. Die Kurzarbeit ist derzeit mit 2.500 noch
immer unbedeutend und viele Betriebe schließen jetzt vom 20.
Dezember bis 7. Jänner, teils mit Zustimmung der Belegschaft
indem eingearbeitet wird, teils aber durch Pflichturlaub. Bei
den Juniorwerken, wo die Auftragslage zurückgegangen ist, ist
es auch ein finanzielles Problem. Die Juniorwerke haben
120 Mill. Schilling investiert, die Amerikaner sind nur bereit
40 Mill. zu decken, so daß 80 Mill. auf dem österreichischen
Kreditmarkt aufgenommen werden mußten, die jetzt zurück zu zahlen
sind. Ich verweise darauf, daß es sich noch immer um Einzelmaß-
nahmen in Einzelbetrieben handelt und daß die Freisetzungen
auch in den vergangenen Jahren normale Branchenbereinigungen
waren, die damals allerdings von dem Fernsehen, Rundfunk und den
Zeitungen so stark in den Vordergrund gestellt wurden als jetzt.
Da sich eine gewisse Nervosität überall bemerkbar macht, jeder
nimmt an, daß es in Österreich genau so schlecht werden muß als
in den umliegenden Staaten, kann diese psychologische Einstellung
wirklich dann gewisse Entlassungen oder Kurzarbeit auslösen, die
bei einem anderen psychologischen Klima nicht durchgeführt werden
würden. Ich erkläre deshalb, ich werde weiterhin die optimistische
Prognose, die selbst das Wirtschaftsforschungsinstitut im Ver-
hältnis zu den anderen Staaten sagt, vertreten, auch dann, wenn
man mich weiter "Happy-Pepi" nennt. Meine Auffassung ist die,
dies habe ich dort allerdings nicht gesagt, daß ich es für falsch
halte, wenn ein Handelsminister nicht Optimismus zur Schau trägt,
kommt es nämlich tatsächlich zur Rezession, dann kriegt er sowieso
die Prügel, weil er nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen
hat, kommt es aber nicht zur Rezession, nicht zuletzt deshalb,
weil eben die optimistische Erwartung auch auf die Wirtschaft
übergreift, dann habe ich, so wie in den vergangenen Jahren wieder
recht gehabt. Ich kann mir einen Handelsminister nicht vorstellen,
der ununterbrochen nur auf die Schwierigkeiten hinweist, die
kommen können, womöglich sogar noch sagt, daß dies auch sicher zu
erwarten ist und dadurch den Unternehmern jede Entscheidungsfreudig-
keit und vor allem positive Einstellung selbst noch nimmt. Was die
Liquiditätsschwierigkeiten, auf die Häuser hinweist, betrifft, gibt
Androsch auch zu, daß er hier jetzt mit der Nationalbank Gespräche
führen muß, damit nicht vom Geldsektor her die Konjunktur zusammen-
bricht. Androsch meint, 1972 wurden 12 Mia. Schilling-Notenbank-
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Vermehrung betrieben, 1973 und 74 nur 3 Mia. Schilling. Er
hofft, daß es ihm gelingt, die Nationalbank davon zu über-
zeugen, daß hier eine lockere Politik betrieben werden muß.
Eine solche Aussprache hatte ich bereits Freitag abends mit
Kienzl, beim Besuch vom neuen Haus Tommy Lachs gehabt und
dort allerdings wenig Verständnis gefunden. Die Nationalbank
hat noch immer Angst, daß wenn sie jetzt eine leichtere oder
lockere Geldpolitik betreibt, dann die Lebenshaltungskosten
sofort wieder steigen werden. Für mich war die Linie immer
klar seit 1945, solange wir uns im westeuropäischen Rahmen
bewegen, und hier haben wir noch 1 oder 2 % leicht Preissteigerungs-
ratenreserve, stört mich die inflationäre Politik, die ich seit
dieser Zeit predige, gar nicht, sie ist unangenehm, aber zu bewälti-
gen. Größere Arbeitslosigkeit aber bedeutend in meinen Augen auto-
matisch den garantierten Verlust bei den nächsten Wahlen. Abge-
sehen von dieser wahlpolitischen Frage aber betrachte ich auch
eine Arbeitslosigkeit, selbst wenn sie zeitlich beschränkt ist,
als das größte Übel, das einem in unserer Gesellschaft widerfahren
kann. Vielleicht kann das jemand nur verstehen, der wirklich so
wie ich, in der Jugend arbeitslos war und nicht arbeiten konnte,
resp. durfte.
Kreisky meint nach wie vor, daß wir verstärkte Sparsamkeit insbes.
auf dem Personalsektor dringendst notwendig haben. Die Argumentation
daß wir mehr Lehrer, Assistenten, Univ.Professoren eingestellt
haben, macht auf die Bevölkerung keinen starken Eindruck. Ein
Aufnahmestopp ist unmöglich, deshalb er vorschlägt, daß jeder
Minister l % des Personalstandes einsparen muß. Wenn er dies nicht
kann, dann müßte er alle zwei Monate einen Sammelbericht der
Bundesregierung geben und dort wird über die Neueinstellung jedes
Einzelnen zu diskutieren sein. Um in den Ministerien eine zweck-
mäßige Arbeitseinteilung zu erreichen, hat er mit der Gewerk-
schaft des Öffentlichen Dienstes Verhandlungen geführt. Diese hat
ihm mitgeteilt, daß jede Regierung schon eine Verwaltungsreform
anstrebte, doch bis jetzt keine Erfolge zu erzielen waren, weil
das System nicht geändert wurde. Wieder kam das Problem der
Approbation von Akten durch unzählige Beamte, und Häuser wies dann
ganz besonders darauf hin, noch das Einvernehmen mit den anderen
Ressorts, insbes. z.B. bei ganz automatischen Ernennungen von
Beamten, einen ungeheuren Arbeitsaufwand erfordert. Kreisky
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schlug vor, es soll jetzt jeder Minister in seinem Ministerium
eine Arbeitsgruppe bilden, wo er selbst und dann ein von ihm
Beauftragter, die Personalvertretung und die Gewerkschaft ent-
sprechende Reformvorschläge ausarbeiten sollen, um die Einsparung
der 1 %-igen Dienstposten zu erreichen.
Anmerkung für BUKOWSKI: Bitte sofort mit unserem Präsidium und
Personalvertretung reden, damit wir diese Arbeit, die wirklich
notwendig ist, in Angriff nehmen können.
Lausecker verwies darauf, daß die Kommission zum einheitlichen
Vollzug des Bundesministeriengesetzes sich mit diesen Problemen
auch beschäftigt und jetzt die Auskunftspflicht, die Geschäfts-
ordnungen und die Kanzleiordnungen bearbeitet. Insbesondere bei
den Geschäftsordnungen fürchtet Lausecker, daß die einzelnen
Minister eine Zellteilung ihres Apparates jetzt vornehmen werden.
Scheinbar dürfte nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen
Ministerien bei dieser Gelegenheit wieder entsprechende Unzahl
von Abteilungen und Referaten entstanden sein.
Anmerkung für BUKOWSKI: Bitte setze dich mit Lausecker ins Ein-
vernehmen und informiere ihn bereits jetzt über unseren Stand,
damit er nicht allzu sehr überrascht ist.
Kreisky stellt auch fest, daß sein Appell, die Dienstreisen einzu-
schränken, keinen Erfolg gehabt hat. Nach wie vor werden von den
Ministerien unzählige Dienstreisen beantragt. Er schlägt deshalb
vor, eine Plafondierung für das 1975 vorzunehmen. Es dürfen nur
3/4 der Dienstreisen 1974 1975 genehmigt werden und jeder Minister
muß sich an dieses Kontingent halten.
Anmerkung für BUKOWSKI: Bitte laß sofort durchrechnen, wie sich
dies bei uns auswirken wird und ob wir damit durchkommen, theore-
tisch müßte dies möglich sein, da wir 1974 verhältnismäßig viele
Dienstreisen gegenüber den 70er-Jahren getätigt haben.
Androsch möchte über die Internationale Energieagentur sowie
Kreisky ebenfalls die zukünftige Absicht der Öst. Bundesregierung,
insbes. die Kosten, genau erfahren. Kreisky glaubt noch immer, daß
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diese Agentur z.B. einen autofreien Tag in ganz Europa einführen
könnte oder würde. Kreisky möchte jetzt endlich auch von Kunz
die entsprechenden Vorschläge wegen der Energiesparprogramme.
Kunz redet sich darauf aus, daß erst am 13. Dezember der Energie-
sparbeirat zur zweiten Sitzung zusammentritt und entsprechende
konkrete Vorschläge machen wird. Androsch braucht jetzt schein-
bar genaue Unterlagen, was die Kosten für die Vorratshaltung
auf Grund der internationalen Energieagentur 60 Tage und in Hin-
kunft 90 Tage ausmachen würden. Leider haben wir nicht, und dies
erkläre ich dort natürlich nicht, die entsprechenden Unterlagen
zur Verfügung. Wir haben, wie ich feststellen mußte, nicht einmal
noch eine Statistik über den Lagerstand, d.h. insbes. die Lager-
kapazität. Eine diesbezügliche Verordnung besteht aus den 50er-
Jahren, doch wurde niemals eine Erhebung in der letzten Zeit ange-
ordnet. Als ich dies erfuhr und sofort im Handelsministerium eine
entsprechende Erhebung verlangte, teilt man mir mit, daß dies
erst mit 1. Jänner 1975 möglich sei.
Anmerkung für GEHART: Bitte kontrolliere, ob tatsächlich jetzt diese
Anordnungen so weit vorbereitet sind, daß sie mit 1. Jänner durch-
geführt werden.
Da wir über verläßliche Unterlagen derzeit nicht verfügen, wird
es trotzdem notwendig sein, daß wir so schnell als möglich eine
fundiertere Rechnung über die zu erwartenden Kosten ausarbeiten.
Die approximative Schätzung von SChef Frank, die auch in einem
Ministerratsvortrag niedergelegt wurde, sind hier meiner Meinung
nach vollkommen unzulänglich. Hier müßte genau einmal festge-
stellt werden, was überhaupt auf Grund der Blechesituation auf
Grund der Auslastung der Voest-Alpine und der anderen Betriebe,
die dafür in Frage kommen, an Kapazitätserweiterungen technisch
möglich sind, dann könnte man erst errechnen, was die finanzielle
Belastung ausmacht. Diese Milchmädchenrechnung, wie sie auch das
letzte Mal die ÖMV mir bei meiner Vorsprache, Unterschrift des
Gasvertrages, erzählte, ist hier wirklich keine entsprechende
Grundlage für Entscheidungen.
Anmerkung für GEHART: Vielleicht müssen wir ein Projektteam ein-
setzen, damit jetzt endlich ein genaues Ergebnis herauskommt.
Wohlmeyer von der Gmünder Kartoffelverwertung hat bei Androsch
vorgesprochen und dieser hat sich jetzt doch entschlossen,
20 Millionen Schilling für die Stärkeförderung mehr zu geben.
Jetzt möchte er dies zum Unterschied von der Entscheidung seiner
Beamten nicht von einer Parteienbesprechung abhängig machen,
sondern selbst zur Verfügung stellen, während seine Beamten und
er selbst vor kurzer Zeit eine Aufstockung des Stärkebudgets
bei mir abgelehnt hat, dürfte er es sich jetzt wieder anders über-
legt haben. Ebenso hat er scheinbar im Finanz- u. Budgetausschuß
die diesbezüglichen Anträge der ÖVP abgelehnt, obwohl sie nicht
sehr konkret gestellt wurden, weil diesmal die ÖVP den Grundsatz
gehabt hat, keine zusätzlichen Forderungen an das Budget zu
stellen. Mussil hat hier nur als Abg. des Waldviertels und als
Handelskammer-Generalsekr. sich sehr dafür eingesetzt.
Androsch hat sich auch wegen des irakischen Vorvertrages, wegen
der Zusagen von Kreditgewährungen an Exporte nach Irak, ausge-
sprochen, worauf ich im Ministerrat dann diesen Punkt um eine
Woche zurückstellte. Ich machte Androsch allerdings aufmerksam,
daß er sich hier in einem Irrtum befindet, denn er meint, daß wir
den Irakern zugesagt haben, zusätzliche besondere Kreditbedingungen,
obwohl durch die Ölerlöse heute finanziell besser dastehen als
so manche andere Staaten, eine diesbezügliche Information, die
ich flüchtig sah, hat den Satz vom Abkommen herausgerissen, wo
zwar steht, daß den Irakern Kreditbedingungen gewährt werden,
nicht aber, der wichtige weitere Satzteil, im Rahmen der schon
bestehenden Exportförderungen.
Anmerkung für WAIS: Die I oder die Budgetsektion soll sich sofort
die Formulierung von der Information an Androsch verschaffen und
die Herren im Finanzministerium aufklären.
Bielka teilt mit, daß er nun mit der Tschechoslowakei, Vermögens-
verhandlungen einig wäre und die, wenn die Exporte der CSSR nach
Österreich gesteigert werden können, in 6 1/2 Jahren längstens die
Ablöse erarbeitet hätten. Er fragt mich, ob ich eine diesbezüg-
liche Exporterhöhung für möglich halte. Ich sehe hier nur be-
schränkte Möglichkeiten, außer wir beziehen größere Mengen Kohle.
Bielka meint, daß Fälbl erklärt hätte, eine solche Exportsteigerung
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der CSSR nach Österreich sei ohneweiters möglich.
Anmerkung für WANKE: Ich möchte bitte eine genaue Untersuchung,
wo tatsächlich und wie diese Exportsteigerung aussehen soll.
Bei der Gewerkschaft hatte ich eine Aussprache mit unserer
Gruppe Zuckerbäcker. Immer wieder bin ich überrascht, wie sehr
die Kolleginnen und Kollegen, es handelt sich meistens um Genossen,
die Situation wesentlich positiver beurteilen, als wir dies wahr-
scheinlich annehmen. Ich kann natürlich nicht beurteilen, wieweit
sie mir diese Erklärung nur abgeben, aber sie sind der Meinung,
es ist noch nie jemand so gut gegangen und die Leute bemerken
dies auch und sind auch zufrieden. Selbst die Preissteigerungen
werden jetzt im Hinblick auf die kritische Beschäftigungslage,
die von den Massenmedien und den Zeitungen so stark herausgestrichen
werden und von der sich jetzt auch unsere Leute zu fürchten be-
ginnen, nicht mehr als tragisch empfunden als noch vor etlichen
Jahren, ja selbst Monaten. Die Leute sind fest überzeugt, daß es
weiterhin gut gehen wird. Die Betriebsratsergebnisse, die jetzt
ganz besonders in Oberösterreich vorliegen, zeigen auch einen
Trend zur sozialistischen Gewerkschaftsfraktion.
Ulbrich Ernstl habe ich, nachdem mir Leodolter sagte, es geht
jetzt schon schön langsam zu Ende, noch einmal besucht und habe
festgestellt, daß er noch schlechter aussieht, nach wie vor aber
seine Situation nicht kennt oder zumind. voll Hoffnung ist, daß
alles wieder gut wird. Wir stritten, nicht zuletzt weil ich
ihn ablenken wollte, ob es wirklich zweckmäßig ist, daß er mir
Ski mit 1.90 m bestellt. Ich versuchte ihm einzureden, daß Kurz-
ski viel besser sind. Er sagte, er wird mir das spätestens nächstes
Jahr beweisen, wenn wir gemeinsam skifahren gehen.
Tagesprogramm, 2.12.1974
Tagesordnung 143. Ministerratssitzung, 2.12.1974
23_1458_02hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Nachtrag TO 143. Ministerratssitzung, 2.12.1974
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)