Freitag, der 29. November 1974

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Freitag, 29. November 1974

Die Vorbesprechung zur Generalversammlung mit Würzl, Zolles und
Kübler ergab, dass wirklich keine Probleme bei der ÖFVW bestehen.
Zolles hat sich phantastisch eingearbeitet und steht jetzt ausser
jeder Diskussion. Kübler wird jetzt überall schon als der zweite
betrachtet und bezeichnet und kooperiert mit Zolles sehr gut.
Die Subvention vom ARBÖ mit 500.000 S gewünscht war, wie mir Zolles
und Würzl bestätigten, seinerzeit ganz anders vereinbart. Kromer
hätte die Aufgabe gehabt, das Buch so zu gestalten, dass die ÖFVW
zufrieden damit ist. Derzeit ist es ganz sinnlos nach Bezirkshaupt-
mannschaften geordnet und reine Zufälle, wahrscheinlich wieviel
die einzelnen Gemeinden bereit sind zu übernehmen, resp. zuzuzahlen,
geordnet. Die ÖFVW hat dem ARBÖ für dieses Buch 100.000 S Inseraten-
beitrag gegeben und nimmt noch für weitere angeblich 200.000 S
Bücher ab, die sie verschenkt. Würzl wird versuchen, einen Teil
der Bücher zu kaufen und ebenfalls der Fremdenverkehrswerbung zur
Verteilung überlassen. Voraussetzung ist aber, dass endlich dieses
Buch dann nach fremdenverkehrspolitischen Gesichtspunkten abgefasst
wird.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte veranlasse, dass der ARBÖ sinnvollere
Produkte auf den Markt bringt.

Die Generalversammlung der ÖFVW verlief fast problemfrei. Der Vertre-
ter der Steiermark, Gaisbacher, ist ein sehr rühriger Mann und hat des-
halb wenigstens ein bisschen in der Diskussion dazu beigetragen, dass
nicht ausschliesslich nur die Punkte diskussionslos abgewickelt wur-
den. Ich selbst habe immer wieder Bemerkungen gemacht, ja fast zur Dis-
kussion provoziert, weil ich das Gefühl habe, eine Generalversammlung
soll nicht so sang- und klaglos über die Bühne gehen. Insbesondere
nützte ich bei der Budgetdiskussion die Gelegenheit, um Min.Rat
Kaber vom Finanzministerium, der gleichzeitig auch in der General-
versammlung das Finanzministerium vertritt, für sein Verständnis
zu danken. Kaber hat tatsächlich mit Würzl, aber ganz besonders mit
Marhold alle unsere Budgetwünsche weitestgehend untergebracht.
Kaber nimmt auch wirklich die Interessen des Handelsministeriums
in einer Weise wahr, wie dies bei seinen Vorgängern niemals der
Fall war. Z.B. war er bereit, auf kurzem Wege für die Mitterberger
Bergwerke die Anweisung noch im November hinauszugeben, Sterk hatte


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dies bereits vorbereitet und mir knapp vor der Sitzung zur
Unterschrift gegeben, damit wir im November noch den Betrag be-
kommen. Im Dezember meint nämlich Kaber, und es ist ja allgemein
bekannt, wird der Finanzminister grösste finanzielle, d.h. kassen-
mässige Schwierigkeiten haben. Ich habe erlebt, wie Moser klagte,
dass er ununterbrochen jetzt Telegramme von Baufirmen bekommt, die
auf Auszahlung drängen und er hat kein Geld, weil der Finanzminister
ihm keines geben kann. Wenn ich bedenke, dass mir manche einreden
wollten, ich wäre der richtige Finanzminister, so kann ich jetzt
nur froh sein, dass ich dies immer ganz entschieden ablehnte.
Ich bin auch überzeugt, dass jeder Finanzminister in einem ganz
engen Verhältnis zum Bundeskanzler stehen muss. Der Bundeskanzler,
wer immer es ist, hat nämlich mehr oder minder ununterbrochen
auch über finanzielle Massnahmen zu entscheiden. Er macht Zusagen,
er entriert die Projekte und wenn er hier nicht im engsten Ein-
vernehmen mit dem Finanzminister kooperiert, dann muss es zu Pannen
kommen und in kürzester Zeit ist diese Regierung ruiniert. Anderer-
seits wieder würde ein starker Finanzminister natürlich auch die
finanziellen Folgen jedes Projektes viel stärker hinweisen, manche
vielleicht sogar wirklich ablehnen, was dann auch zu entsprechenden
Spannungen führen muss. Nur durch eine gute Kooperation, vielleicht
sogar auch durch ein fast Vater-Sohn-Verhältnis kann es zu einer
politisch tragbaren Zusammenarbeit kommen. Dies war in der Zeit
von RaabKamitz mit gutem Erfolg das erste Mal der Fall. In
erinnere mich noch sehr gut, wie Kamitz noch während der kurzen
Ministertätigkeit bis zu den nächsten Wahlen einige Fehler began-
gen hat und wie Raab dies väterlich abdeckte und ihm dadurch in
der Partei erst überhaupt die Chance gab, nach den Wahlen dann auf
längere Sicht als Finanzminister zu wirken. Ein ähnliches Verhält-
nis war zwischen Klaus und Schmitz, nur war Schmitz ein viel zu
grosser Theoretiker und Klaus von seinem Sendungsbewusstsein so er-
füllt, dass er gar nicht bemerkte, wie wirtschaftspolitisch er
falsch lag. Das typischste Beispiel aber ist Kreisky-Androsch
Das Koordinieren, das Kooperieren klappt – zumindestens habe ich
diesen Eindruck – noch immer ausgezeichnet. Da die Zusammenarbeit
zwischen den Ministern und dem Finanzminister immer getrübt ist
durch die Anforderungen, die manche Minister an den Finanzminister
stellen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hat ein
so gut freundschaftliches Verhältnis, dass der Finanzminister, wie
dies bei Kreisky der Fall ist, weitestgehend ihm entgegenkommt und
wie dies auch zwischen mir und Androsch in den ersten Jahren der


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Fall war, obwohl ich keinerlei finanzielle Wünsche an ihn ge-
stellt habe, da ich seine Budgetsituation aus der Arbeiterkammer-
Tätigkeit her noch gut kannte, oder aber die Bürokratie arbeitet
so zusammen, dass sie wahrscheinlich, ohne dass die Finanz- und
zuständigen Minister dies bemerken, was in unserem Ressort
der Fall sein dürfte. Kaber ist Personalvertreter im Finanzmini-
sterium und hat deshalb auch von dieser Seite her eine starke
Stellung. Ausserdem ist er fleissig und auch sehr geschickt und
kann sich daher sicherlich in seinem eigenen Hause durchsetzen.
Ich bin überzeugt, dass wir ohne seine Unterstützung den 10-
jährigen Fremdenverkehrsplan nicht einhalten könnten. Ich brauche
erst gar nicht viel herumzufragen und zu recherchieren, aber ich
bin überzeugt, dass die anderen 10-Jahrespläne, die wir seiner-
zeit erstellt haben, heute nicht annähernd mehr stimmen. Dieses
Verdienst liegt ausschliesslich bei Kaber, dies ist mir voll-
kommen klar, umso mehr war ich erschüttert, als sich unter
Allfälligem Prodinger meldete und erklärte, es wäre dringend
notwendig, dass der Vertreter des Finanzministeriums und das
Finanzministerium selbst in der Zuteilung für die Mittel der
ÖFVW nach den Budgetansätzen vorgehen soll. Er hätte in der
letzten Zeit Schwierigkeiten gehabt bei den Anforderungen
für die ÖFVW, da die 12. Rate nicht bezahlt wurde. Ich fragte
Würzl sofort, was dies soll und Würzl war selbst sehr erschüttert,
ebenso Jagoda, beide versprachen anschliessend sofort mit Prodin-
ger
über diese Vorgangsweise zu sprechen. Ich entschuldigte mich
dann bei der Verabschiedung von Kaber, damit er nicht den Ein-
druck hätte, dass wir ihn hier in offener Sitzung angreifen.
Seine Antwort war verblüffend. "Aber Herr Minister, der
Prodinger ist doch ein Dummerl!"

Schon während der Sitzung und auch nachher hatte ich Gelegenheit
mit dem neuen Fremdenverkehrsdirektor Vorarlbergs, Baier, zu
sprechen. Baier hatte bereits bei der Sitzung auf die finanziel-
len Sparmassnahmen, die notwendig sind, hingewiesen. Nachher
wollte er insbesondere, dass ich zu dem Empfang bei der Vorarl-
berger Woche komme, und er hat mich deshalb besonders eingeladen.
Bei dieser Gelegenheit habe ich ihm versichert, dass ich grössten
Wert darauf lege, mit den jüngeren Kräften, und er zählt zu den
Jüngeren, ständig Kontakt zu haben, weil ich mir viel erwarte
von ihrer Aktivität, Agilität und insbesondere unkonventionellen


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Art, Probleme aufzuzeigen, aber auch Vorschläge zu erstatten.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Ich glaube, dass die nicht nur parteipoliti-
schen, sondern vor allen auch sonstigen Kontakt mit den neuen
Landesfremdenverkehrsdirektoren suchen sollst.

Die Eröffnung der Citroen-Filiale am Parkring war in Wirklichkeit
nichts anderes als ein Versuch von den Besitzern, Bilder mit mir
zu machen. Man erwartete nicht einmal eine Ansprache, es waren
dort überhaupt nur die Angestellten, ein halbes Dutzend, an-
wesend. Mich stört so etwas überhaupt nicht, da letzten Endes
es angeblich ein Wunsch vom ARBÖ, Gen.Sekr. Effenberger, war,
dass ich den Citroen-Leuten zusammenkomme, weil er angeblich von
ihnen günstige Konditionen hat. Da ich ja bei jeder Autofirma
bis jetzt in Erscheinung getreten bin, die mich darum ersuchte,
hatte ich selbstverständlich auch für Citroen zugesagt. Inter-
essant war nur, dass ich beim Hinuntergehen Sekt.Chef Römer
traf und ihn fragte, ob er auch zu dieser Eröffnung geht, er
aber erklärte, nein, das sei eine solche Bruchbude, wie ihm Hönel
berichtet hat, was im übrigen nicht zutrifft, sodass er dafür
keine Veranlassung hat.

Da das informelle Gespräch mit Vetter vom DGB beim Botschafter
Grabert bereits am Vortag stattgefunden hat, bin ich dort umsonst
erschienen. Ich nützte aber die Gelegenheit, um mit dem Bot-
schafter über Probleme zu diskutieren, die er anschnitt. Grabert
ist sehr aktiv, unter anderem wollte er von mir die Marktordnungs-
gesetze, die ich ihm in der Zwischenzeit schickte, und
ich habe ihn daher auch über den letzten Stand der Verhandlungen
berichtet. Bezüglich des Fremdenverkehrs erwartet er für 1975
eine schlechtere Sommersaison, weil er folgende negative Fest-
stellung macht. Erstens ist Österreich nicht mehr so preiswert
wie es sich die Deutschen noch immer erwarten. Er gibt zu,
dass es in Österreich noch viele Möglichkeiten und tatsächlich
preiswerte Quartiere und Pensionen gibt, dass diese aber in der
BRD viel zu wenig bekannt sind. Die schleichende negative
Wirkung, in Österreich wird alles teurer, die also auch von unseren
Fremdenverkehrsverantwortlichen aus politischen Gründen manchmal
in der Vergangenheit gebraucht wurden, hat seine Wirkung getan.



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Zweitens bekrittelt er, dass viel zu wenig gemacht wird, wenn
Unglücke wie Kitzloch oder Dachstein-Unglück sich ereignen und
nachher sehr viel getan wird, um die Sicherheit in den Bergen
einigermassen aufrechtzuerhalten, in der deutschen Presse und
Rundfunk, Fernsehen viel zu wenig davon geredet wird.
Drittens gibt es immer vereinzelte Schwierigkeiten mit Deutschen,
z.B. bei Grunderwerb, wo deutsche Staatsbürger zuerst veranlasst
werden, Grund zu kaufen, dann keine Baugenehmigung kriegen, dann
also die Baugrundwidmung abgeändert wird und er den Grund nicht
mehr als Bauland zurückverkaufen kann. Wenn dann noch bekannt wird,
dass die Sowjetunion auf Grund des Staatsvertrages, aber angeblich
auch die Perser einen Grundkauf automatisch gesichert haben, so
verbittert dies die Deutschen.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte kläre, wieso einzelne Staaten eine
Sonderregelung haben.

Wir besprachen dann auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
unseren Staaten, insbesondere wie wenig wir auf offiziellem Ge-
biet Gelegenheit haben zusammenzukommen. Die Gemischte inoffizielle
Kommission einmal in Deutschland, einmal in Österreich, beschäftigt
sich in Wirklichkeit mit lauter Kinkerlitzchen. Grabert und auch
ich sind darüber sehr erfreut, denn die problemlose Zusammenarbeit
zwischen unseren Staaten dokumentiert sich dadurch besonders.
Ich informierte Grabert auch über die Zusammenarbeit mit den
Staatshandelsländern, insbesondere mit dem Besuch von Sölle aus
der DDR. Grabert bestätigte mit, dass es ganz im Interesse der
westdeutschen Politik ist, wenn wir mit der DDR gute Beziehungen
haben und womöglich recht viele Handelsgeschäfte tätigen. Die
westdeutsche Wirtschaftspolitik und Gesamtpolitik ist darauf
ausgerichtet, dass eine womöglich gute Verflechtung und stärkere
Verflechtung zwischen der DDR und den westlichen Staaten Platz
greifen soll. Grabert gab zu, dass einige deutschen Firmen
dies nicht verstehen oder verstehen wollen, vielleicht auch nicht
verstehen können, weil sie der Meinung sind, es müsste also genau
die gegenteilige Politik von Bonn gemacht werden. Grabert aber
bestätigte mir neuerdings, dass er sehr froh ist, dass Sölle
jetzt nach Wien kommt und dass es möglich ist, den DDR-Österreich-
Handel durch Kooperationen, durch Betätigung auf dritten Märkten
usw. auszudehnen. Über diese so dezidierte Erklärung war selbst ich
ein wenig überrascht.

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Tagesprogramm, 29.11.1974


Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: dt. Botschafter


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Präs. OeNB


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Ministerialrat Finanzministerium


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Landes-FV-Dir. Vbg.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Außenhandelsminister DDR
                GND ID: 126882177


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ARBÖ-Bundessekretär


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: BK 1966-70, ÖVP


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Beamter HM


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 1017902909


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Landesfremdenverkehrsamt Stmk. (Tirol?)


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Bautenminister


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: MR HM


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: ehem. ÖVP-FM


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                                      Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                        Tätigkeit: GF ÖFVW


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                                          Tätigkeit: MR HM
                                          GND ID: 1035518031


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                            GND ID: 118566512


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                                              Tätigkeit: Personalvertreter HM


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                                                Tätigkeit: Straßburg


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