Dienstag, der 15. Oktober 1974

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Dienstag, den 15.10.1974

Sallinger rief mich an, dass jetzt im Unterausschuss für das
Lebensmittelgesetz wegen der Kriminalisierung, d.h. wegen
der Strafbestimmungen und den Gutachten, d.h. der überwältigenden
und einseitigen Stellung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt
heisst: Petuely, grosse Schwierigkeiten sieht. Ich machte ihm
nur die Zusage, mit Leodolter und Broda zu sprechen. Beide er-
klärten übereinstimmend, dass sie der Meinung sind, dass eine
Entkriminalisierung zweckmässig ist und vor allem, dass die
gutachterliche Tätigkeit von Petuely, der gleichzeitig Anzeiger
und Vertreter der fachlichen Begutachtung ist, tatsächlich
geändert gehört. Broda war insbesondere sehr verärgert, dass
bei einer letzten fraktionellen Sitzung Koppe, Smolka vom ÖGB
und Preiss von der Konsumenteninformation erklärt hätten, sie
müssten jetzt die Sitzung verlassen, um sich fraktionell zu be-
sprechen. Broda sagte mit Recht, so etwas hat es bis jetzt noch
nie gegeben. In den Fraktionsbesprechungen vom Klub wurde jeder
um seine Meinung gefragt, konnte sie auch äussern und es war daher
unüblich, dass man sich fraktioniert und vor allem einmal, wofür
ich persönlich noch Verständnis habe, wenn es zu einer Fraktionsbil-
dung kommt, gar kein Verständnis natürlich, dass man die Sitzung
verlässt, um sich zu beraten. Koppe, dem ich dies sofort mitteilte,
sagte mir, der Grund war, weil die Zentralsekretärin der Frauenorga-
nisation Demuth unbedingt die Obmännin der Frauenorganisation
Firnberg um eine Weisung bitten wollte und daher ein Telefon-
gespräch notwendig war. Demuth hätte allerdings, ohne dass man
erklärt hat, man wird jetzt den Saal verlassen, um sich zu be-
sprechen, dieses Telefongespräch allein führen können und es wäre
nicht dieser optisch scheussliche Eindruck entstanden.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich empfehle Dir, setz Dich mit Broda ins
Einvernehmen und kläre die ganze Sache auf, da Broda sehr verär-
gert ist.

Ich habe so nebenbei Sallinger, als er mich wegen des Lebensmittel-
gesetzes anrief, mitgeteilt, dass ich nicht nach Bulgarien fahren
werde, da die ÖVP nicht imstande ist, dem Klub zu garantieren,
dass ein zweiter Mann mit mir gepaart bei der dringlichen Sitzung
wegen des Rundfunks im Parlament nicht anwesend sein wird. Ich


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werde – so drohte ich Sallinger – auch den Bulgaren mitteilen,
dass ich nicht kommen kann und dadurch die Verhandlungen eigent-
lich entweder zu einem anderen Zeitpunkt verschoben werden müssen,
obwohl gerade jetzt das Vidierungsverfahren dringend notwendig
wäre, den Bulgaren offiziell und von höchster Stelle aus zu erörtern
Sallinger, der ja mit Weihs wegen Göteborg, Österreich-Woche, ge-
paart ist, war über diese Entwicklung sehr bestürzt und meinte,
er hätte sich ja viel lieber mit mir als seinem Minister gepaart
und meinte noch, er werde diesbezüglich mit Weihs sprechen. Als
ich ihm erklärte, dass das überhaupt nicht in Frage kommt, dieser
Pakt, wenn ich so sagen kann, ist ja abgeschlossen, versprach er
mit Prof. Koren als Klubobmann neuerdings zu reden. Nach einiger
Zeit rief mich Koren an und teilte mir mit, er hätte ja nicht
gewusst, dass Mussil eventuell mit mir nach Bulgarien fährt, dazu
hätte er selbstverständlich die Zustimmung gegeben, Mussil hätte
nämlich immer nur davon gesprochen, dass er Sallinger nach Göteborg
begleiten werde. Für aber zwei, wie er sich ausdrückte, eigentlich
ganz uninteressante Reisen hätte er nicht seine Zustimmung geben
können. Ganz anders sei dies, wenn Mussil mit mir nach Bulgarien
fahren muss. Dies könne er in seinem Klub daher leichter vertreten.
Ausserdem meinte Koren, er würde mir ja garantieren, auch wenn
Mussil nicht gefahren wäre, dass auf alle Fälle sie nicht komplett
sind. Withalm befindet sich irgendwo in Asien, den kann er an-
geblich nicht einmal erreichen, angeblich müsste er ihm auch die
Fahrt zahlen, wenn er ihn zurückbeordert, mehrere Abgeordnete
seien im steirischen Wahlkampf und er könne sie gar nicht zurück-
bringen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, wahrscheinlich dass
er den steirischen Sieg dann nicht entsprechend unterstützt hat und
ihm übrigen gedenkt er überhaupt keine Abstimmung zu verlangen.
Robert Weisz und Heinz Fischer, mit denen ich dann sofort
sprach, waren hier anderer Meinung. Sie glauben, dass es immer möglich
ist, dass die ÖVP überraschend doch alle Abgeordneten nach Wien
am Freitag bringt, dass bei uns ja auf alle Fälle Ulbrich Ernstl,
der schwer erkrankt ist, nicht kommen kann, sodass dann eine böse
Überraschung möglich wäre. Nachdem mir aber Mussil versichert hat,
er kommt auf alle Fälle nach Bulgarien, was ich natürlich gar nicht
jetzt bezweifle, hat Robert Weisz und Heinz Fischer dann doch zuge-
stimmt und ich Mussil verständigt, weil ich, als dieses Angebot jetzt
von der ÖVP-Seite kam, rundweg erklärte, ich müsste da erst die


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Zustimmung meines Klubs erreichen.

Ein ORF-Team, Frau Krula, machte eine kurze Fernsehaufnahme wegen
einer Ladenschlussgesetznovelle oder Veränderung der Ladenschluss-
zeit. Ich sagte selbstverständlich, so wie ich dies auch bis jetzt
immer getan habe, ich werde mich bemühen, mit den Interessensver-
tretungen eine einvernehmliche Lösung zu suchen, wobei ich besonders
darauf hinwies, dass ich in meinem Beirat in meinem Ministerium
noch immer hoffe, dass dieser zu einer einvernehmlichen Auffassung
kommt. Wenn dies nicht der Fall sein würde, müsste ich entscheiden,
weshalb ich um Verständnis bitte, dass ich bis jetzt noch nicht meine
Stellungnahme präzisiert habe. Nur so kann ich dann als unparteiischer
Vermittler oder letzten Endes als Entscheider auftreten. Interessant
war nur, dass diese Aufnahme für eine Prisma-Sendung, die erst
im Jänner gesendet werden soll, gemacht wurde. Ich erklärte der
Redakteurin Krula, dass ich eigentlich sehr verwundert bin, weil
bis dahin werden sich sicherlich nicht vielleicht das Ladenschluss-
gesetz, aber die verschiedenen Auffassungen verschiedenster Gruppen
ändern resp. neue Auffassungen anderer Gruppen dazukommen. Sie musste
dies zugeben, erklärte aber, kein anderes Team zu einem späteren
Zeitpunkt zur Verfügung zu haben und gegebenenfalls halt den ganzen
Beitrag dann weglassen müsste. Wie man über ein aktuellen Thema
über so lange Zeit hinaus überhaupt ein Fernsehteam, das immerhin
auch Geld kostet, einsetzt, ist mir ein Rätsel. Wenn sie für diese
Jugendsendung Prisma irgendwelche Probleme haben und Diskussionen,
die nicht so aktuell sind, kann ich mir eine so weit zurückliegenden
Produktion vorstellen. Bei einem aktuellen Thema ist das entweder
hinausgeschmissenes Geld oder, wenn es gesendet wird, kalter Kaffee.

Ministerrat berichtete Bielka über das Energiekomitee der OECD. Öster-
reich wird nach wie vor eine zurückhaltende Stellung einnehmen.
Kreisky kritisierte, dass sich in diesem Komitee eine Front gegen
die ölproduzierenden Staaten herausbildet und Österreich daher, um
die guten Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht zu stören,
sich äusserst vorsichtig verhalten müsste. Er meinte, man solle
sich keinesfalls jetzt entscheiden, was geschieht. Der Hinweis
Bielkas, dass die Franzosen ursprünglich erklärt haben, sie werden
dem Komitee nicht beitreten, dies aber jetzt doch tun, konnte Kreiskys
Meinung nicht umstimmen. Insbesondere regte es ihn auf, dass in dem


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Komitee auch die Ölgesellschaften die Unterlagen liefern werden,
und wie ich dann selbst mich überzeugen konnte, vertreten sein
werden. Was die Unterlagen betrifft, erklärte ich nämlich, das
es nur mit Hilfe der Informationen der Ölgesellschaften möglich ist,
zwar nicht eine verlässliche Information, aber immerhin doch eine
Information zu bekommen. die arabischen Unterlagen – wie sich
herausgestellt hat – sind unter allen Umständen falsch. Im Vor-
jahr hatten sie erklärt, sie würden kürzen, es wird weniger Öl
exportiert werden und in Wirklichkeit haben sie mehr Öl exportiert.
Die internationalen Gesellschaften, aber auch die nationalen haben
uns im Vorjahr sicherlich nicht die letzten Geheimnisse ihrer
Politik verraten, aber doch ein wenig verlässlichere Ziffern
gebracht. Die Statistik selbst, mit der man natürlich genau er-
fassen kann, wieviel Öl in ein Land kommt, kommt hier wirklich zu
spät. Kreisky möchte nun unter allen Umständen verhindern, dass
er die guten Beziehungen, die er mit den Arabern jetzt aufgebaut hat,
durch irgendwelche internationale Organisationen gefährdet werden,
ausserdem sagt er, hat die arabische Seite recht. Der Schah hätte
ihm z.B. angeboten, er wäre bereit, eine Preisbindung zu
machen, dass das Rohöl nicht mehr steigt als zwanzig Importwaren,
die für Iran eine grosse Bedeutung haben. Dieses System könnte
auch für alle anderen Ölstaaten angewendet werden. Ausserdem
hat der Schah angeboten, er macht einen Pool der ölproduzierenden
Länder, der Industrieländer, aber auch der Entwicklungsländer, um
Gelder, die die ölproduzierenden Länder reinzahlen, zu verteilen,
Auch die Industrieländer hätten gewisse Beiträge zu leisten und
es würden dann den Entwicklungsländern ihre Situation dadurch
wesentlich verbessert werden können. Dies ist der ursprüngliche
Plan, den der Schah mir schon als Art Marshallplan, aber nur wesentlich
besser, weil auch die Entwicklungsländer dort Sitz und Stimme haben,
und bei der Verteilung der Gelder mitreden könnten, seinerzeit
mitteilte. Kreisky meinte nun, beide Vorschläge seien von dem
Westen niemals akzeptiert worden, ja nicht einmal eigentlich ernst-
lich diskutiert worden. Kreisky vergisst dabei nur eines, dass
der Schah immer wieder erklärt, dies würden die ölproduzierenden
Länder machen, in Wirklichkeit aber die einzelnen Staaten wahrschein-
lich gar nicht bereit sind, sich den Vorschlägen vom Schah sich zu
unterwerfen, resp. diesen Vorschlag aufzunehmen. Jeder der arabi-


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schen ölproduzierenden Länder möchte seine eigene Politik
machen. Die OPEC ist sich nun in einem einzigen Punkt einig,
dass sie versuchen soll, die Meinungen zu koordinieren. Weder
über die Preiserhöhungen noch über Preissenkungen, weder über
Mengenkürzungen noch über eventuelle Produktionsausweitungen
in einzelnen Staaten hat die OPEC bis jetzt eine verbindliche Aus-
sage treffen können. Dort wird auch nur herumgeredet und letzten
Endes versucht jeder einzelne Ölstaat, seine Ölpolitik zu machen.
Ich gebe zu, dass es für Kreisky unangenehm ist, jetzt durch
internationale Massnahmen seine Politik gestört zu sehen und
deshalb natürlich bei diesen internationalen Foren entsprechende
zurückhaltende Stellungnahme Österreichs verlangt. Ich selbst
würde an seiner Stelle genauso handeln, um durchzulavieren.
Der ganze Ministervortrag geht mich eigentlich nichts an,
denn wir haben ja nur den Sekt.Chef Frank als Fachmann sofort
Bielka zur Verfügung gestellt, was dieser mit Freude zur Kenntnis
nahm. Trotzdem sah ich mich veranlasst, für diesen Ministervortrag
einzutreten und um vor allem die österreichischen internationalen
Gesellschaften in Schutz zu nehmen. Schliesslich haben sie in der
Vergangenheit mit mir mindestens so kooperiert wie die ÖMV.
Beide Gruppen haben nämlich ihre Politik gemacht und mich nicht
restlos aufgeklärt. Ich sagte deshalb, die progressiven Unter-
nehmungen – Kreisky meinte dazwischen "die aggressiven Unternehmungen"
worauf ich auf diesen Zwischenruf meinte, dies ist für dasselbe
bezogen auf die Gesellschaftspolitik schlecht ausgedrückt, aber
natürlich man meinen konnte, ich betrachte diese beiden Wörter
als Synonym, was natürlich dann allgemeine Heiterkeit bei ge-
wissen Mitgliedern der Regierung auslöste. Darüber habe ich mich
dann sehr geärgert. Ich werde in Hinkunft mehr denn je gerade
in der Ministerratssitzung viel vorsichtiger agieren, mein Motto
war in der Vergangenheit und wird es in der Zukunft umso stärker
sein, ich mache meine Arbeit, dazu benötige ich keinerlei Unter-
stützung, berichte nichts, wenn dann überhaupt nur schriftlich,
was eh niemand liest und werde auch in der Energiepolitik, so wie
in der Vergangenheit meine eingeschlagene Linie fortsetzen. Kreis-
ky ist gewohnt, die Aussenpolitik zu machen, da soll er sich
halt mit Bielka zusammenstreiten, wie sie in der OECD vorgehen,
Einfluss wird das auf Österreich ja wirklich kaum haben, denn die
OECD hat sich bis jetzt als eine ziemlich unfähige Organisation


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erwiesen, die keinerlei Beschlüsse fassen kann und sie nachher
exekutieren kann. Ich habe Bielka dann unter vier Augen erklärt,
wie ich bis jetzt Beschlüsse der OECD, die für uns unangenehm waren
und politisch große Nachteile gebracht hätten, umgehen konnte, so
hat die OECD beschlossen, daß mind. 60 Tage, jetzt sogar 90 Tage
Vorrat haben sollte und ich als ich im Parlament einmal diesbe-
züglich gefragt wurde, kaltschnäuzig erklärte, dies haben wir,
weil wir ja letzten Endes in der Erde unseren Ölvorrat haben,
den wir mit 2 1/2 Millionen Tonnen jederzeit fördern können und
dadurch eine gewisse Mindestversorgung bereits jetzt haben. Ich
kümmere mich herzlich wenig, ob die OECD dies anerkennt oder nicht,
weil wir ja in den letzten Jahren gar nicht imstande waren, eine
so große Lagerkapazität aufzubauen.

Anmerkung für GRÜNWALD: Laß bitte jetzt eine neue Lagerkapazität
zur Erhebung machen.

Kreisky berichtete auch, daß die Vorarlberger Landesregierung
jetzt gegen die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkgesetzes den
Antrag gestellt hat. Sein Verfassungsdienst ist nun darauf ge-
kommen, daß die Beschlüsse der Vorarlberger Landesregierung zu
diesem Antrag verfassungswidrig ist, weil er nicht in Anwesenheit
der Landesregierungsmitglieder, sondern im Umlauf zustande kam.
Kreisky wird deshalb die Verfassungsmäßigkeit dieses Antrages
anfechten. In einer Nebenbemerkung hat Kreisky, der selbst das
Gefühl hat, daß scheinbar viele Minister und sonstige Stellen
so einen Verfassungsdienst als eine nicht gerade sehr ihm wohl-
wollend oder gar vielleicht der Sache dienende Institution, sondern
als seine autoritäre Sektion betrachten, zur Entschuldigung nur so
nebenbei gesagt, hier sieht man, wie der Verfassungsdienst loyal
ist, daher hätte man ja nicht auf diesen Umstand aufmerksam machen
müssen.

Wenn ich mir vorstelle, wie wir im Handelsministerium versuchen, in
der Personalpolitik eine Wendung in der Zusammensetzung der Beamten
eine grundsätzliche Änderung herbeizuführen, so kann ich erst das
richtig ermessen, was hier Heindl und Bukowski jetzt in weiterer
Folge gelungen ist, resp. wir in Angriff nehmen. Wanke hat bereits
als wir begonnen haben, vollkommen recht gehabt, als er die Be-
deutung von gewissen Abteilungen und Sektionen nicht in unserem
Ministerium, sondern in anderen Ministerien auch hinwies. Bei uns
haben wir versucht, eine entsprechende Reorganisation durchzuführen


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Vielleicht war dies nicht die idealste Lösung im Einzelfall,
doch war sicherlich die Zusammenfassung der Legistik die Er-
öffnung der Reorganisationsreferate, jetzt in der Personalab-
teilung, um nur zwei Beispiele zu sagen, Meilensteine. Daß es
dann nebenbei noch geglückt ist, dies alles ohne Kampf, sondern
mit logischen, sachlichen Argumenten durchzusetzen, wundert mich
heute mehr denn je. Die Aussprache, die ich mit Schipper, Böhm und
Bukowski wegen dieses Referates hatte, war für mich auch sehr
typisch. Natürlich wehrt sich jetzt Schipper ganz entschieden
dagegen. Angeblich würde dadurch das ganze Organisationsgefüge
und die sachliche Trennung innerhalb der Abteilung Böhm darunter
nicht nur leiden, sondern so durcheinanderkommen, daß es fast un-
möglich ist, eine zielführende Arbeit zu leisten. Schipper drohte
sogar einmal in einem Nebensatz, er würde dann keinen Akt mehr dort
unterschreiben. Trotzdem glaube ich, wenn wir keine bessere Lösung
finden können, müssen wir auf das einzige Wort in der von Schipper
vorgeschlagenen Arbeitsgebiet des Referates bestehen. Wir haben
wirklich alle seine Geschäftseinteilungen akzeptiert, nur kommt
bei Dienstpostenbeschreibung als Ergänzung – Besetzung. Es gelingt
auch dieses eine Wort friedlich einzusetzen und sozusagen nicht
auf Weisung zu verlangen, getraue ich mir nach dieser Aussprache
nicht mehr zu sagen.

Kollege Bruckner vom ÖGB hat mit Vertretern der Firma Bally,
die zufällig ihn kennen und von mir unbedingt eine Zustimmung für
das Schließen des Wiener Neustädter Werkes erwarteten. Delegation
hatte auch den Rechtsanwalt der Firma, einen Österreicher, der gleich-
zeitig im Aufsichtsrat der Firma sitzt, mitgebracht, der mir nach-
her unter vier Augen sagte, er hätte mit mir studiert und sei in
dieser Frage auch bös überrascht worden. Die Firma Bally hat in
den letzten Jahren 50 Mill. Schilling in der Produktionsstätte
Verlust gehabt und im Mai selbst hätten sie noch 10 Mill. Schilling
vom Mutterhaus in der Schweiz bekommen. Da diese aber jetzt in
diesem Jahr auch aufgebraucht werden, sieht die Muttergesellschaft
keine andere Möglichkeit als das Werk zu schließen. Dadurch würden
267 Beschäftigte in Wr. Neustadt, von denen allerdings nur 100 aus
Wr. Neustadt, 35 auch Wien und andere dann aus den umliegenden
Ortschaften kommen, und in Loosdorf 50 Beschäftigte, wo 18 aus
Loosdorf und die anderen ebenfalls aus den umliegenden Orten kommen,
ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Bally Schuhverkaufs G.m.b.H.,
deren Organschaftsverhältnis mit Produktionsstätte hat und jährlich


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4 – 5 Millionen Schilling Gewinn, den sie erzielt, dort
reinschießen muß, bleibt selbstverständlich bestehen. Die
Direktoren werden morgen mit der Gewerkschaft über die Kündigung,
resp. Liquidierung des Betriebes verhandeln. Mein Vorwurf gegen
die Gesellschaft richtete sich dahin, daß man mich so spät erst
davon verständigt hat, vielleicht wäre es möglich gewesen, durch
Verhandlungen mit anderen Interessenten eine Übergabe des Betriebes
zu erreichen. Die Direktoren meinten, auch jetzt bestünde ja noch
die Möglichkeit, wenn sie den Betrieb liquidiert haben, daß dann
jemand anderer die Produktionsstätte und gleichzeitig auch die
Belegschaft dann neu übernehmen wird. Hier glaube ich, irren sie
aber. Wenn erst einmal ein Betrieb geschlossen ist, dann ist nicht
annähernd mehr wer imstande, so schnell die Produktion wieder auf-
zunehmen und vor allem verlaufen sich auf alle Fälle die Arbeiter.
Ich habe Giglinger, dem Referenten für die Schuhbranche bei uns,
ersucht, er möge sofort das Sozialministerium Sekt.Chef Lenert
verständigen.

Anmerkung für GRÜNWALD: Bitte überzeuge dich, daß das Sozial-
ministerium von uns bis in die letzten Details informiert wird.

In Stockerau hat der Tischlerlehrling, er hat niemals die Gehilfen-
prüfung scheinbar gemacht, geschweige denn die Meisterprüfung, eine
große Halle um 20 Mill. Schilling eröffnet. Dieser MÖPACK-Markt
besteht in der Idee, man kommt hin, sieht sich die Möbel in einer
Ausstellung an, geht nachher zur Computerstelle, bekommt dort aus-
gedruckt, was man alles sich selbst einsammeln muß, kann sich dies
selbst machen und erspart sich dadurch 50 %. Durch den Computer
werden alle Bestandteile, die er braucht, genau ausgeworfen und in
einer Art Selbstbedienung kann sich der Bastler alle Bestandteile
kaufen. Darüber hinaus bekommt er noch sämtliches Bastlerwerkzeug,
das angeblich, wie mir Max versichert, um eine Spanne von 30 bis
max. 50 % abgegeben wird. Die Arbeiter sind dort sehr zufrieden,
Papacek hat während meiner Ansprache und während des Rundganges
mit ihnen gesprochen, sie erhalten 1.800 Schilling in der Woche
fix und für Auslieferung usw. noch Prämien. Max hat sich wirklich
vom Tischlerlehrling und einem kleinen Bastlergeschäft vor 10 Jahren
jetzt auf einen Filialbetrieb mit 14 Filialen in Wien und einer
großen Produktionsstätte heraufgearbeitet. Er hat mir auch gleich-
zeitig versichert, und dies dort öffentlich während seiner Rede
kundgetan, daß er die Möbel, Küchenprojekte jetzt alle im Sinne der


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Preissenkungs-Aktion um 10 % verbilligt.

Anmerkung für WAIS: Bitte mit dem Mann, der übrigens ein guter
Genosse ist, ständig Kontakt halten.

Im Finanzministerium fand eine Aussprache mit der Austria-Ferngas-
Leuten statt, diese sind auf der einen Seite ein wenig verbittert,
weil jetzt ihr Projekt nicht die notwendige Unterstützung von seiten
der Banken erhält. Die Finanzierung ist heute mehr denn je unge-
klärt, ja wahrscheinlich unmöglich. Niemand kann diese Milliarden-
beträge aufbringen, wie SChef Neudörfer, der vorher eine Aussprache
mit den Banken wegen anderen Projekten, die finanziert werden
müssten, wahrscheinlich unter anderem auch das Staatsbudget, er-
klärte, es gebe dafür jetzt keinerlei Geldmittel. Die Austria-
Ferngas-Leute nun, sowohl Reisinger als auch ganz besonders Gruber,
verweisen nun darauf, daß ihnen die Banken im Vorjahr, wenn sie
die Staatsgarantie bekommen, zugesagt haben, die Finanzierung zu
regeln. Damit sind eigentlich ja die offiziellen österreichischen
Stellen wie das Finanzministerium, ganz besonders das Handels-
ministerium, außer obligo. Wir haben den Finanzierungsrahmen durch
das Garantiegesetz geschaffen, viele ausländische Staaten, wie z.B.
die Schweiz und Deutschland, haben dies noch nicht getan. Wahrschein-
lich wird man das ganze Projekt doch noch anders aufbauen müssen,
da auch die Deutschen und die Schweizer bis jetzt eine Zustimmung
noch nicht gegeben haben, obwohl am 28. Oktober endgültig finalisiert
werden müßte. Was die Austria-Ferngas möchte, und stimme mit ihr
hier vollkommen überein, ist das Gas in den 80-er Jahren, und
was dann insbesondere noch für Österreich äußerst wichtig ist,
ist, daß nicht die Ferngas die ist, die das ganze Konsortium und
damit vielleicht das ganze Projekt zum Scheitern bringt, ich habe
Androsch über die internationale Entwicklung, insbesonder über die
Demarche von algerischen Stellen in Algerien bei unserem Botschafter
als auch von den französischen Stellen bei unserem Botschafter in
Frankreich in Form eines Briefes an Kreisky mitgeteilt, daß wir
hier eine Lösung finden müssen, dieser hat den Brief natürlich
sofort an Androsch weiter gegeben und er meinte unter vier Augen
zu mir, daß ich mich hier nur abputzen wollte, genau dies will ich
wahrlich nicht, aber schließlich und endlich habe ich ja nicht
finanzielle Zusagen oder Stützungszusagen in der Vergangenheit ge-
macht, die jetzt von der Austro-Ferngas effektuiert werden wollen.



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Androsch hatte damals ja sogar als Kompensation verlangt, daß
man unbedingt den Boom in die Austro-Ferngas aufnehmen müßte,
was die Gesellschafter auch tatsächlich taten. Das ganze Ver-
hältnis ist jetzt sehr vergiftet, da sich Austro-Ferngas natürlich
von den Banken in Stich gelassen und vielleicht vom Finanzminister
hineingelegt fühlt. Hier bewahrheitet sich und bestätigt sich
meine Politik, keine Zusagen machen, solange ich die Erfüllung
nicht garantieren kann.

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Tagesprogramm, 15.10.1974

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Tagesordnung 136. Ministerratssitzung, 15.10.1974

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23_1257_03
23_1257_04

hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)

23_1257_05

Nachtrag TO 136. Ministerratssitzung, 15.10.1974


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gewerkschafter?


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Gesundheitsministerin


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Referent Schuhbranche HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Straßburg


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 118634100


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: GD NEWAG


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SC Sozialministerium


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: vw. Referat ÖGB


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                        GND ID: 130620351


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: SChef HM
                              GND ID: 12195126X


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: SPÖ-BR-Abg., Bundesfrauensekretärin der SPÖ


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                                    GND ID: 1053195672


                                    Einträge mit Erwähnung:


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Chef Energiesektion


                                        Einträge mit Erwähnung:


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: VKI


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: -obmann


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Redakteur ÖGB-Zeitschrift "Solidarität"


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                    GND ID: 118566512


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      GND ID: 130327808


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Vertr. Finanzministerium


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                                                          Tätigkeit: Personalvertretung HM


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                                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                                              Tätigkeit: Finanzminister
                                                              GND ID: 118503049


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                                                                Tätigkeit: FSG-Vors., SPÖ-Klubobmann, Volksanwalt


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                                                                  Tätigkeit: Justizminister


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                                                                    Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                                                    GND ID: 11869104X


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