Samstag, der 21. September 1974

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Samstag, den 21. September 1974

Beim sogenannten Messe-Frühstück hat ich dort mit Bassetti
die Wirtschaftspolitik diskutiert bis Landeshauptmann Wallnöfer,
der täglich in seinen Heimatort zurückführt, knapp vor Messe-
beginn ebenfalls erschienen ist und sofort von mir wissen wollte,
was wir mit den Marktordnungsgesetzen beabsichtigen. Hier er-
klärte ich rundweg, dafür nicht zuständig zu sein, sondern nur
eine kleine Mitkompetenz zu haben und habe das Thema sofort
auf die Frage gelenkt, wo ich kompetent bin. Ich habe Wallnöfer
versichert, dass ich ihn in jeder Beziehung unterstützen werde,
damit die Ölgesellschaften in Tirol entsprechende Lager anlegen.
Schwierigkeit gibt es nur, weil z.B. in der Zollfreizone
in Hall ein solches errichtet hätte werden sollen und die Ge-
meinde sich ganz entschieden dagegen ausgesprochen hat. Über
die Bevorratung wird mit jedem einzelnen Land jetzt von
Sekt.Chef Römer und Min.Rat Gröger, die ebenfalls zur Messe
erschienen sind, verhandelt werden. Interessanterweise hat weder
Wallnöfer noch Bassetti noch der Handelskammerpräsident Menardi
das Problem Swarovski angeschnitten. Ich selbst habe dafür auch
keine Notwendigkeit gesehen, weil ich ja vor gehabt habe, auf
alle Fälle nachmittags mit Swarovski Verhandlungen zu führen.

Bei der Messe-Eröffnung gab es wieder die übliche Diskussion
zwischen Bassetti und mir, über die ich persönlich sehr froh
bin, denn sie belebt die ansonsten so steife und formale
Eröffnung. Diesmal griff er aber besonders den Finanzminister an,
weil er sich sehr negativ über die Fremdenverkehrswirtschaft
geäussert hat. Ich verwies dann darauf, dass doch auch die Frem-
denverkehrswirtschaft selbst jetzt einsieht und sogar der österr.
Wirtschaftsbund erklärt hat, dass zwischen Preis und Leistung
ein inniger Zusammenhang bestehen muss, und sich hier einiges
ändern müsste. Über die allgemeine Wirtschaftslage war typisch,
dass Bassetti nur die negativen Gesichtspunkte herausstrich,
ganz besonders glaubte er darauf verweisen zu müssen, dass
die allgemeine Bürges bis 1970 400 Mill. S Kreditvolumen
vergeben hat und jetzt nur mehr 200 Mill. Hier konnte ich
natürlich dann sofort auf die zusätzlichen 5 Mia S verweisen,
die seit 1970 bis 1974 aus dem Gewerbestrukturverbesserungs-
gesetz der Wirtschaft zufliessen. Selbst wenn man die 200 Mill.
minus gelten lässt, dann gibt es dafür durchschnittlich 1 Mia S
mehr Gewerbestrukturverbesserungskreditvolumen, welches abgestützt
wird.



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Der Fremdenverkehrsarbeitsausschuss der Bundeshandelskammer, der
in Innsbruck tagte, brachte auch die gesamte Handelskammer prominent
nach Innsbruck. Natürlich war auch Min.Rat Prodinger dort. Darüber
hinaus noch Sekt.Chef Römer und Min.Rat Gröger und natürlich
Min.Rat Wagner, der für die Messe zuständig ist.

Gröger hatte die Pressebetreuung übernommen, als ich aber zeitgerecht
um 1/2 12 Uhr, nachdem ich durch die Messe gerast war, zum Presse-
gespräch erschien, war überhaupt niemand anwesend. Erst um 1/2 1 Uhr
kamen die ersten, mit der Zeit auch die Diskutanten oder Anfrager
nämlich in Wirklichkeit 4 Redakteure. Wenn auch da niemand erschie-
nen wäre, hätte es mir auch nichts ausgemacht, denn das wichtigste
ist, ich kann immer nachweisen, ich habe immer wenn ich in den
Ländern bin, für die dortigen Pressevertreter immer Zeit. Da wir
diese Zusammenkunft im Kongresshaus bezahlen müssen, könnte ich
fast sagen, ausser Spesen nichts gewesen.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Ich bin interessiert, was wir für diese
Pressemeetings bezahlen müssen.

Die Verlegung der Stubaier Kleineisen-Genossenschaft in das Industrie-
gelände wird ein voller Erfolg. Die wichtigsten Betriebe sind aller-
dings noch nicht ausgesiedelt. Die Genossenschaft, die ungefähr
80 Mill. Eigenkapital hat, macht einen Umsatz von 158 Mill., wovon
13 % für die Schlägerei, das ist für die Rohwarenherstellung, aus-
macht. Dieser Betrieb, sogenanntes Werk IV, befindet sich noch in
Fulpmes, ist total veraltet, was die Baulichkeit betrifft. Im
neuen Industriegelände wird für diese Schmiede ein Investitions-
aufwand von ca. 20 Mill. erforderlich sein. 15 % ergibt aber
dann die Produktverbilligung, welche durch Produktivitätssteigerung
erzielt werden kann. Min.Rat Gröger arbeitet mit den Herren des
Wifis, insbesondere mit Ing. Mayer, der bei uns auch gleich
die Patentverwertungsgesellschaft macht und mit Bundeskammer
insbesondere Fachverbandssekretären gut zusammen. Ausserdem habe
ich das unbestimmte Gefühl, dass wir verhältnismässig viel Wind
machen, was ich sehr begrüsse und doch verhältnismässig wenig
geben. Sicherlich bedingt durch unsere finanziellen knappen Mittel.



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wesentlich weniger positiv war die Aussprache mit Swarovski.
Ich habe gleich bei meiner Einleitung meine Verwunderung zum
Ausdruck gebracht, dass wir so wie Vizekanzler Häuser als auch
ich über das Radio von der Kurzarbeit und die Entlassungen er-
fahren mussten. Insbesondere habe ich den Betriebsräten einen
entsprechenden Vorwurf machen müssen. BRO Leo meinte nachher,
er hätte sowieso NR Teschl davon informiert. Die Situation ist
folgende: Die Schmucksteinproduktion nimmt ab. Die Personalkosten
sind von 60 auf 1973 um 200 % gestiegen. Die Gesamtkosten 160 %.
Durch Rationalisierung konnten ca. 60 % aufgefangen werden, sodass
100 % eigentlich durch Preise hätten abgedeckt werden müssen,
die aber nur 80 % ausmachten. Aus diesem Grund hat man jetzt die
Preise Index 170 auf 200 erhöht. Es soll 400 Mill. S Mehrerlös
bringen. Die erste Reaktion der Abnehmer war aber, dass sie er-
klärten, unter diesen Bedingungen werden sie kaum die entsprechenden
Mengen kaufen. Ein weiterer Umsatzrückgang ist deshalb zu erwarten.
Eine Ersatzproduktion wurde vor einiger Zeit in der Lusterstein-
erzeugung aufgenommen. Nach der Eröffnung der Metropolitan-Oper
mit dem grossen Geschenk des österr. Lusters hat die amerikani-
sche Industrie diese Steine sehr verlangt. Es ist eine Aufwärts-
entwicklung festzustellen, aber die erwarteten explosionsartigen
Steigerungen sind nicht eingetreten. Von dem Umsatz von 640 Mill.
macht Schmuckstein 230, Luster 280, Edelsteinschleifung und Halb-
edelsteine 40 Mill. und die Rückstrahler nur 30 Mill. Die Reflex-
folien könnten in Hinkunft ein gutes Geschäft werden, wenn der
Verkehrsminister tatsächlich bereit ist, auf Nummerntafel usw.
sie auch gesetzlich einzuführen.

ANMERKUNG FÜR GRÜNWALD: Gröger soll ein diesbezügliches Schreiben
als Briefentwurf für Lanc vorlegen.

Die Schleifmittelerzeugung hat 550 Mill. S und ist gut ausgelastet
so wie Optik mit 300 Mill. S, die auch befriedigend arbeitet.
Hier hat die Firma allerdings Angst, dass Lütgendorf für Jagdpanzer
Kürassier die französische Laser-Einrichtung, Fa. Markossi, ver-
wendet und nicht die von Swarovski. Ich werde so wie mit der Refle-
xionsfolie mit Lanc, wegen der Laser-Strahlung auch mit Lütgen-
dorf
sprechen. Trotzdem erscheint es mir notwendig, auch einen
Brief an Lütgendorf zu schreiben.

ANMERKUNG FÜR GRUNWALD: Bitte Gröger soll ein ausführliches
Schreiben vorbereiten.



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Der Betriebsrat hat der Firmenleitung zugestimmt, daß er
bereit ist, von den 2.750 Beschäftigten, 80 Angestellte der
Verwaltung und 85 Angestellte der Technik sowie 60–80 Arbeiter
zu kündigen. Die Detailverhandlungen werden noch durchgeführt.
Das Werk beschäftigt nur 156 Jugoslawen, hauptsächlich weibliche
Arbeiter, die andere Arbeiten verrichten, die Österreicher nicht
mehr wollen. Die Luster, aber vor allem die Schmucksteine jetzt
in einem Lager unverkäuflich sind, 300.000 Schilling sind allein
an diese Lager gebunden, so muß der Betrieb auf Kurzarbeit um-
stellen und die Produktion um 38 % zu senken. Die erste Phase
ist 20–25 %, wovon 800 Personen betroffen sind, in der zweiten
Phase dann 1.000 Personen. Ich versprach, mit Vizekanzler Häuser
die entsprechenden Gespräche aufzunehmen.

Die Swarovski-Produktion geht zu 90 % in den Export, insbesondere
wird die Hälfte nach Amerika exportiert, direkt nur 20 %, die
Hälfte der 50 % geht durch Gablonzer verarbeitete Steine, die
in Linz erzeugt werden, und 10 % kommen aus Deutschland, wo
sonst 20 % normal hin exportiert wird. Eine große Menge geht auch
nach Japan. Swarovski hat ausgerechnet, daß er von 47–73
1.08 Milliarden Schilling Steuer bezahlt hat. Androsch, der einen
Tag vorher angeblich dort war, ich weiß nicht aus welcher Sicht,
hätte ihm gesagt, es wär gut, wenn er noch so viel verdienen
würde wie früher, da hätt er Steuereinnahmen und das Unternehmen
einen guten Profit. Die Direktion war sehr dankbar, daß ich mich
um ihre Probleme kümmere, obwohl ich erst zu einem späteren Zeit-
punkt erfahren habe, daß auch Androsch dort war. Die Unter-
nehmungsleitung muß den Eindruck haben, wenn sie auch nur im
kleinsten Maße irgendwo in Schwierigkeiten gerät, interessiert
sich sofort die gesamte Regierung für ihre Probleme. Sicher ist
eines, daß die Mitteilung in der Presse von der Firmenleitung
selbst gemacht wurde. Der ehemalige, wie ich später erfuhr,
Wirtschaftsredakteur von der Tiroler Nachrichten ist jetzt
Pressereferent, er hat allen Ernstes geglaubt, es gelingt der
Firma mit einer kleinen unbedeutenden Notiz die Öffentlichkeit
zu beruhigen. In Wirklichkeit war dies aber genau das Gegenteil,
das er erreichte. Als mir deshalb Swarovski vorschlug, er wird
in Hinkunft der Presse überhaupt nichts mehr sagen und eine
schon vereinbarte Pressebesprechung am Dienstag absagen, habe ich
ihm davon nur abgeraten. Eine solche Vorgangsweise hätte nur, sofort
allen Gerüchten Rechnung tragend, die Situation für das Image


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Swarovski nur noch mehr verschlechtert.

Einige Uhrenaussteller, Uhrbändererzeuger und auch Schmucksteine
und Schmuckverkäufer haben sich mit einem Werbezug am Innsbrucker
Bahnhof niedergelassen. Ich traf sie zufälligerweise und sie
haben mich eingeladen, ihr neue Werbeidee und Verkaufsidee zu
besichtigen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich feststellen, daß
auch diese jungen progressiven Unternehmer, der Zug allein kostet
ihnen 700.000 Schilling, sie fahren aber zum Kunden und nicht der
Kunde muß zu ihnen kommen, über die Swarovski-Entwicklung, die
sie auch nur aus den Zeitungen gehört haben, schwer erschüttert
waren.

Dasselbe konnte ich am Sonntag bei meiner Besichtigung in Reutte,
Planseewerk, feststellen. Auch Schwarzkopf war über das Verhalten
entsetzt, meinte allerdings, daß eben das Unternehmen in den
letzten Jahren immer largiert hat. Schwarzkopf selbst hat ein
Interesse, nämlich, daß der Mittersiller Scheelitbergbau, wenn er
abgebaut wird, nicht zu Molybdäncarbid verarbeitet wird, weil dies
auf dem Weltmarkt nur ungenügend auf lange Sicht exportiert werden
kann. Derzeit bei den Metallpreisen geht es noch, aber Hinkunft,
meinte er, müsste man aus dem Scheelit Molybdän erzeugen, das auch
er verwenden kann. Er wird mir ein diesbezügliches Elaborat
schicken. Bürgermeister Preier aus Weißenbach bei Reutte, einer
der fünf sozialistischen Bürgermeister, die wir in Tirol nur
haben, ersuchte mich um Besuch und Unterstützung der Schule
Elbinger Alp, ich habe, als ich den Betrieb dort besichtigte,
den Funktionären klar und deutlich gesagt, daß es unmöglich ist,
daß wir 2 1/2 Millionen Schilling dafür zur Verfügung stellen.
Hier müßte das Land und andere Stellen einspringen. Wohl bin ich
aber bereit, nicht zuletzt weil Thun-Hohenstein sich in der Zwischen-
zeit erkundigt hat, ob und wieweit wir Unterstützung geben können,
auch tatsächlich und dort eine entsprechende Unterstützung erwartet
wird.

Anmerkung für BUKOWSKI: Bevor irgend ein Entscheid, ja selbst eine
Zusage hinausgeht, müssen wir unseren Bürgermeister Preier vom po-
sitiven Ergebnis verständigen. Laß dich also ständig von Thun-Ho-
henstein
informieren.

Die Gewerkschafts- u. Parteitätigkeit in Tirol war erfolgreich. Die
Tiroler Gewerkschaftsjugend war vollständig zur Konferenz erschienen
und es gab auch eine ganz interessante Diskussion. Die Partei-


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veranstaltung mit der Jungen Generation war eine Starbesetzung.
Bei einer verhältnismässigen geringen Teilnehmeranzahl waren
Nationalräte, ein Abgeordneter zum Landtag, nämlich der Geschäfts-
führer der Industriellenvereinigung, Bachmann, drei Vizepräsidenten
der Arbeiterkammer SPÖ und ÖVP, Vizebürgermeister von Innsbruck,
Univ.Prof. Aubele von der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft und
sogar Hofrat Dr. Pick, der für die Preisregelung im Amt der Tiroler
Landesregierung verantwortlich ist, erschienen, neben einem FPÖ
Wirtschaftstreibenden Dr. Peter. Interessant war, daß ich in der
Diskussion erfuhr, daß Pick mitteilte, der Landeshauptmann hätte
66–67 eine Verbesserung der Preisvorschriften verlangt.

Anmerkung für WAIS: Versuche diese Unterlagen vom Innenministerium
zu bekommen. Singer müsste davon etwas wissen.

Tätigkeit: ARGE Patentförderung; evtl. Falschschreibung


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      Tätigkeit: Finanzminister
      GND ID: 118503049


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        Tätigkeit: Obmann Chemiearbeitergewerkschaft


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          Tätigkeit: Präs. HK Tirol


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            Tätigkeit: Beamter HM


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              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


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                  Tätigkeit: Fa. Swarovski, Wattens (Tirol)


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                    Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                    GND ID: 1053195672


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 1017902909


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                          Tätigkeit: Beamter HM


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                            Tätigkeit: Bgm. Weißenbach am Lech, Tirol


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                              Tätigkeit: Hofrat Tiroler LR Huber


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                                GND ID: 118764136


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                                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                    Tätigkeit: MR HM [1971 zuständig für das Messwesen; gemeinsam mit Pellech genannt; evtl. Falschidentifikation]


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                                      Tätigkeit: Dir. Fa. Plansee, Reutte (Tirol)


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                                        Tätigkeit: Personalvertreter HM


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                                          Tätigkeit: Straßburg


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                                            Tätigkeit: Ministerialrat Handelsministerium


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