Mittwoch, der 18. September 1974

22-1100

Mittwoch, 18. September 1974

Lukas Kunz hat großzügig angekündigt, er möchte wegen einer
Preissenkung mit mir sprechen. In Wirklichkeit stellt er sich
vor, eine Volkswurst erzeugen zu dürfen, die er um 20 %
billiger auf den Markt bringen könnte, wenn die Qualitätsvor-
schriften Österreichs, Kodex zusammengefaßt, geändert werden,
damit er Schwarten und Blut und ich weiß nicht was sonst alles,
das er jetzt anders verwerten muß, in die Wurst geben dürfte.
Er hat sogar zur Begründung behauptet, daß dies alles vom Ge-
sundheitsstandpunkt äußerst wichtig wäre, wenn auch in Österreich
eine solche Beimengung erlaubt sei. Ich habe ihm nicht im Un-
klaren gelassen, daß Preissenkungsaktion auf Kosten der Qualität
von mir niemals unterstützt wird.

Bei der Bürges ging die Erhöhung der Kreditgrenze von 8 auf 9 3/4 %
anstandslos über die Bühne. Die Änderung der Schwerpunktrichtlinien
durch die neue Gewerbeordnung bedingt und von uns angeregt, ergab
keinerlei Schwierigkeiten. Der Handelskammervertreter wünschte
nur, daß wir über seine weitere Wünsche, z.B. Aufnahme als
Schwerpunkt eines Lebensmittelkleinhändlers, der für die Versorgung
wichtig ist, weiter verhandeln. Die Hauptschwierigkeit besteht,
außer daß die Arbeiterkammer schwere Bedenken hat, daß wir bis
jetzt keine richtige Abgrenzung dieses Begriffes gefunden haben.
Die Bürges-Aktion hat jetzt wieder einen grösseren Andrang von
Anträgen und wir werden wahrscheinlich in diesem Jahr sehr gut
abschneiden. Es wird sicherlich das gesamte zur Verfügung stehende
Geld verbraucht. Seit dem Jahre 1970 werden wir mit Jahresende
dann 5 Milliarden Kreditsumme mit 550 Mill. Zinsenzuschüssen,
eigentlich eine gigantische Leistung, erbracht haben.

Anmerkung für WANKE u. KOPPE: Hier müssen wir eine große Propaganda-
aktion vor der nächsten Handelskammerwahl starten.

Präs. Habig und Lehner wollten, daß ich ihnen die Zustimmung
gebe, wenn sie im nächsten Jahr aus dem Export einen besseren
Erlös haben als bei der inländischen Kalkulation, was sicher der
Fall ist, dieser nicht in die Dachkalkulation aufgenommen wird.
Als Zuckerl hätten sie sich vorgestellt, stimmen sie dafür einer
fast unbeschränkten Anbaumöglichkeit der Bauern zu. Heuer konnte
der Bauer zum Grundkontingent 10 % plus 15 % Zusatzrübe, max.
kontrahieren. In Hinkunft wird das Grundkontingent auf 110 erhöht


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dazu kommen noch 15 % und für die Zusatzrübe hat er überhaupt
keine Beschränkung, ausserdem kann jeder Bauer, der bis jetzt
nicht zugelassen wurde, in Hinkunft Zuckerrübe ebenfalls kontra-
hieren. Er befürchtet, man werde nicht die 24 Millionen Rübe
hier kontrahieren sondern max. 22 Millionen abgeliefert werden.
Dies ergibt bei einer 14 bis 15 %-igen Ausbeute 330.000 Tonnen
Zucker, wesentlich weniger als wir erwartet haben. Nach Rück-
sprache mit Zöllner, Arbeiterkammer und Schmidt, Gewerkschafts-
bund ergab, daß sie unter gar keinen Umständen genauso wenig
wie ich bereit sind, der Zuckerindustrie zuzugestehen, daß die
Exportzuckermengen aus den Berechnungen vollkommen herausge-
nommen werden.

Präs. Lehner und Ing. Altmann sowie telefonisch mit dem Gen.Dir.
Buchner, Chemie Linz, suchte ich die Zustimmung der Landwirtschaft
zu einer Düngerpreiserhöhung dadurch zu erkaufen, daß von den
240.000 Tonnen Mischdünger Linz im Jahre erzeugt und der Wunsch
der Bauern 100.000 im ersten Angebot, Buchner für 50.000 wahr-
scheinlich aber bei 80.000 eine Einigung zu erzielen, Mischdünger-
lieferung zum alten Preis, dann die Landwirtschaft der neuen
Preisregelung zustimmt. Lehner wird mit seinem Präsidenten Rück-
sprache halten, weil man in einer Bemerkung andeutete, sonst hätte
er wieder Schwierigkeiten. Lehner ist bekannt, daß ich immer wieder
bemüht ein Kompromiß zu erzielen, dabei aber bei den radikaleren
Bauernführern wie insbes. Bierbaum, auf größtem Widerstand stoßt.
Die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund hätten einer solchen
Lösung zugestimmt.

Vertreter der Strumpfhosenerzeugung unter Führung von Mayer-Gunthof
kamen, um sehr aggressiv von mir Abhilfe zu verlangen, dabei deuteten
sie an, daß ich meine seinerzeitigen Zusagen nicht eingehalten habe.
Ich habe natürlich sofort entsprechend reagiert und festgestellt,
daß es zwar richtig sein kann, daß der Import von Jänner bis Juli
von 5,06 Mill. Paar auf 7,1 Millionen Paar zugenommen hat. Israel
aber hat minus 22 % geliefert und insbes. selbst im Monat Juli die
115.000 Stück noch vom alten Verträgen, die vereinbarten 5 Schilling
90 Groschen werden eingehalten. Rumänien, welches 510.000 Paar ge-
liefert hat und ganz hart attackiert wurde, daß in der letzten Zeit
sie sie sehr bedrängen mußte die Strumpfindustrie zugeben und zur
Kenntnis nehmen, daß wir seit Mai keine Lizenzen mehr ausgeben hatten


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Das wirkliche Problem ist, und das habe ich seinerzeit im
Jänner bereits der Strumpfindustrie erklärt, daß sicherlich
über andere Länder dann, wenn wir Israel mehr oder minder mit
5.90 Schilling Billigware ausschliessen, dann diese Produkte
werden, importiert werden. Von Italien sind es deshalb jetzt
853.000 Paar Billigststrümpfe reingekommen und von Frankreich
von 21.000 mit Jahresbeginn auf 851.000 ansteigend, dabei ist
der Preis von 7.70 Schilling auf 4.32 und in Italien von 5.95
auf 3.84 gefallen. Hier wollte man allen Ernstes uns schuldig
werden lassen, weil angeblich die Ursprungszeugnisse nicht
stimmen. Ich erklärte sofort Dr. Ertl von der Handelskammer,
daß wir bereit sind, jede Unterstützung über Aufklärung dieser
Importe zu geben, das aber, wenn es von der Handelskammer be-
hauptet wird, daß die Ursprungszeugnisse gefälscht sind, sie
dann die entsprechende Verantwortung zu tragen hat. Die so
aggressiven Unternehmervertreter sind dann sehr kleinlaut ge-
worden und haben zum Schluß sich noch bedankt, daß wir sie so
unterstützen. Hier zeigte es sich wieder einmal, wie wertvoll
es ist informiert zu sein, da nur auf diese Weise es möglich
war die Angriffe abzuwehren. Dr. Feith und Dr. Krumbeck vom
Haus haben hier wertvolle Arbeit geleistet.

Anmerkung für BUKOWSKI und WANKE: Bitte laßt es die beiden
gelegentlich auch wissen.

Die Vertreter der Arbeitsgemeinschaft "Junge Wirtschaft", die
mich zu einer Diskussion mit Koren eingeladen haben, hatten
mir ihr Programm für ihren Bundeskongreß gegeben. Die Aussprache
mit ihnen war sehr interessant. Wais bemerkte zum Schluß, daß
eigentlich in der Handelskammer genau dieselben Probleme mit der
jungen Generation bestehen, wie eigentlich auch in der Soz. Partei
und unseren Organisationen. Hier sage ich aber nur, zum Glück!
Gott sei Dank.

Das Fraktionsgespräch mit Weiss, Finanzminister, mir und der
Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbundes verlief anders als sichs
die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsbund aber auch ich mir
vorgestellt hatte. Zu meiner größten Verwunderung hat das Finanz-
ministerium den CV Beamten Schultes mitgebracht, neben Auracher
vom Ministerbüro, Androsch hat, was ich verstehen kann, keine Zeit


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und kümmert sich um dieses Details auch gar nicht, so daß
natürlich unser wirklicher Schlachtplan gar nicht erörtert
werden konnte, sondern eben ganz uninteressante Detaildis-
kussionen begannen. Ich bin neugierig, ob bei den nächsten
Besprechungen ebenfalls wieder ein sicherlich wieder vertraulich
und zur Verschwiegenheit verpflichteter Beamter mitkommt, von dem
allerdings dann, auch dann wenn er wirklich vollkommen schweigt,
die anderen deshalb nicht reden werden, weil sie ihn eben als
politischen Gegner betrachten.

Bei der Besprechung mit dem syr. Ministerpräsidenten al-Ayyubi
und seinen Begleitern, er selbst bei einer Vorbesprechung schon
gesagt, daß er in der offiziellen Sitzung eine Grundsatzaussprache
über Grundsatzprobleme, eine Art Tour d'Horizon machen möchte.
Kreisky ging natürlich dann sofort auf diesen Vorschlag ein, in
Wirklichkeit macht er dies bei den ausländischen Besuchen sowieso
immer und dann in Ergänzung noch nach seiner Tischrede und seinen
Ausführungen dann im kleinen Kreis zwischen dem Aussenministern
und den Wirtschaftsministern sehr offen und doch konstruktiv, daß
israelische und palästinenische Problem, erörtert. Seiner Meinung
nach müßte die Welt zuerst für die Palästinenser einen grösseren
Betrag zur Ansiedlung zur Verfügung stellen. Diese Existenzneu-
gründung, d.h. durch Auflösung der Lager müßte auch auf Fälle um
das National-Prestige der Palästinenser zu befriedigen auch durch
Schaffung eines Palästina-Staates Rechnung getragen werden.

Die Wirtschaftsprobleme, die angeschnitten wurden waren, daß Kreisky
zugab, daß die Rohstoffpreise und insbes. die Ölpreise in der
Vergangenheit zu tief waren. Jetzt seien sie aber derart exorbitant
erhöht wurden, daß Österreich um 6 Milliarden Schilling mehr für
diese Ölpreise bezahlen muß und daher keine Entwicklungshilfe mehr
geben kann. Was wir den arabischen Staaten wirklich geben können, ist
know-how, sonstige Unterstützung, ohne daß wir uns an den Ölgesell-
schaften beteiligen möchten. Al-Ayyubi hat immer wieder darauf
hingewiesen, daß die besetzten Gebiete zurückgegeben werden und daß
die Palästinenser wie bei der Algerienkonferenz beschlossen, mit-
bestimmen müssen. Diesen Standpunkt haben bereits 70 Länder aner-
kannt. Er bedauert, daß sich die öst. privaten Firmen so wenig
an syr. Projekten beteiligen und meint, sie fördern jetzt 7 Mill.,
werden im Jahre 75 aber schon 10 Mill. Tonnen Öl fördern.



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Hier besteht eine Möglichkeit zwischen der ÖMV und der Syrien
einen direkten Bezug unter Ausschaltung der internationalen Ge-
sellschaften zu erreichen. Gespräche, die ich dann beim Essen mit
den Wirtschaftsminister führte, liefen dahingehend aus, wir würden
die syrische Seite insbesondere beim Reifenprojekt Semperit in
jeder Beziehung unterstützen, nur seien wir nicht imstande die
40 Millionen Dollar für die Investitionen auf dem Kreditwege zu
beschaffen oder zu geben. Der Wirtschaftsminister meinte, er hätte
eine Möglichkeit bei den arabischen Banken.

Die nordkoreanische Delegation, die mich besuchte, konnte ich gleich
insoferne auf das Gesprächsthema einstellen, weil ich nach
Rücksprache mit Bielka ankündigte, daß wir noch in diesem Jahr
Nordkorea anerkennen werden. Er selbst wird unverzüglich, wenn er
von den Vereinten Nationen zurückkommt, es in Angriff nehmen. Die
koreanische Delegation unterstrich immer wieder, daß das wichtigste
die Vereinigung von Nord- und Südkorea ist. So habe ich mich natür-
lich überhaupt nicht geäussert, sondern nur darauf hingewiesen, daß
Österreich als neutraler Staat und ich besonders als Außenhandels-
minister mit allen Staaten beste Kontakte haben möchte. Besonders
verwies ich darauf und zollte ihnen Anerkennung, daß sie jetzt durch
die große Ausstellung die in der Wiener Messe wesentlich dazu beige-
tragen haben, den Wirtschaftskontakt zwischen der breiten Masse
der Messebesucher und ihrer Produkte hergestellt zu haben. Es wird
nämlich notwendig sein, wenn sie nach Österreich mehr exportieren
wollen, hier mit privaten Firmen entsprechende Lieferverträge abzu-
schließen. Der Staat oder das Handelsministerium hat keine Möglich-
keit den österreichischen Firmen irgendwelche Aufträge zu geben.
Die koreanische Seite erwartet, daß nach der Anerkennung durch die
Republik Österreich natürlich auch das Handelskammerabkommen durch
einen staatlichen Handelsvertrag ersetzt wird. Ich habe selbstver-
ständlich eine solche Zusage gegeben, weil Sallinger, der übrigens
bei der Aussprache ebenfalls anwesend war, selbst auch auf den
Standpunkt steht, dass das Abkommen auf Handelskammerbasis immer
nur eine Vorstufe ist, bevor eben die Anerkennung des Staates er-
folgt.



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Offizielle Einleitung des Startes des Startes zum Roulette-
Rallye, der heuer mehr Journalisten teilnehmen als das letzte
Mal, da diese Rallye jetzt bereits zum zweiten Mal gestartet wird,
konnte ich wieder einmal die gute Organisation von Dr. Wallner,
Casino AG, und vor allem die geschickte Propaganda, die er macht
bewundern. Es ist ihm gelungen, Citroen dazuzubringen, die Wagen
zur Verfügung zu stellen und Elan die entsprechenden Benzinmengen.
Darüberhinaus sind noch Versicherungen wie z.B. die Städtische be-
teiligt, da das ganze Unternehmen ca. 1 Million Schilling kostet.
Zolles von der Fremdenverkehrswerbung, der zuerst gar nicht reden
wollte, von mir aber dann dazu bestimmt, sagt mit Recht, daß damit
gigantischer Werbeerfolg erzielt wird.

Mit Göttlicher von der Städtischen besprach ich die jetzt von ihnen
akzeptierte Gleichstellung in der Versicherung für ARBÖ-Mitglieder
von Arbeitern und Angestellten, ersuchte ihm, er soll alles daran-
setzen, um endlich den ARBÖ Wien dazuzubringen, daß durch eine
Aussendung vor der Arbeiterkammerwahl diesen Erfolg, den er als den
seinen herausstreichen kann, seinen Mitgliedern zur Kenntnis zu
bringen.

ANMERKUNG für WAIS: Bitte setz Du Dich mit den Wiener Sekretär vom
ARBÖ ins Einvernehmen und mache ihn auf das Ergebnis aufmerksam.

Mit Zolles besprach ich die Vorgangsweise in der österreichischen Frem-
denverkehrswerbung. Ich selbst werde gelegentlich bei wichtigen
Anlässen in Erscheinung treten. Zolles selbst aber wird insbesondere
jetzt bei anderer Institutionen ebenfalls versuchen, stärker in Er-
scheinung zu treten. Er gilt als ausgesprochener Werbefachmann und
Manager, er muß daher für sich selbst auch mehr werben.

22_1099_05

Tagesprogramm, 18.9.1974


GND ID: 130327808


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    Tätigkeit: Leiter Referat Marktpolitik LWK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


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        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


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          Tätigkeit: HK


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            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Präs. LWK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: AK


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                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                      Tätigkeit: SC FM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Präs. Verb. d. öst. Zuckerindustrie


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: nö. ÖVP-LR, Präs. LWK NÖ


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 1017902909


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                              Tätigkeit: Chemie Linz


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                                Tätigkeit: MR FM


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                                  Tätigkeit: GD Casinos Austria


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                                    Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


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                                      Tätigkeit: erst AK, dann GF INPADOC


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                                        Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


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                                                Tätigkeit: Straßburg


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                                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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