Donnerstag, der 19. September 1974

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Donnerstag, den 19. September 1974

Um mein Interesse an der österreichischen Fremdenverkehrswerbung
zu bekunden und vor allem weil ich ja noch niemals bei einer Re-
ferentenbesprechung war, bin ich dort ganz unvermutet aufgetaucht.
Diese Referentenbesprechungen sind in Wirklichkeit nichts anderes
als unsere Abteilungsleitersitzungen in der Arbeiterkammer oder
die Sektionsleitersitzung jetzt bei mir im Handelsministerium.
Überall dasselbe, ein paar Aktivisten, ein oder der andere der
viel redet, muß nicht immer etwas dahinter sein, furchtbar schwer
beim ersten mal zu beurteilen, wer ist wirklich jetzt ein guter
Arbeiter und wer nicht. Als Begründung für mein Erscheinen habe
ich angeführt, daß ich in Innsbruck jetzt die Messe eröffne, daher
von ihnen gerne irgendwelche Ideen und Vorschläge hören möchte,
daß ich vor allem neuerdings an sie appelliere, mit den Landesfremden-
verkehrsämtern besser zu kooperieren. Mir erscheint nämlich
tatsächlich die Frage, wie weit man die Bürokratie in den Ländern und
in den Zentralstellen zu einer Zusammenarbeit bringen kann, als das
Entscheidende. Wenn es nämlich gelingt, die Bürokratien dafür zu
gewinnen, dann glaube ich würde selbst eine kompetenzmäßige Trennung
vom Bund und Land, wie wir sie derzeit haben, leicht überbrückt werden
können. Die größte Gefahr ist und bleibt, daß die Animosität eines
bürokratischen Apparates gegen einen anderen besteht, was nämlich
bedeutet, daß dann selbst wenn die oberste Spitze noch so sehr zu-
sammenarbeiten will, es zu keiner solchen Zusammenarbeit kommt. Disku-
tiert wurde, und ich muß zugeben, daß dies stimmt, daß die Länder
vielmehr für ihre Fremdenverkehrsdirektoren resp. für die Fremden-
verkehrsverantwortlichen der Gemeinden, der Regionalverbände,
wesentlich qualifiziertere Leute, die noch zu schulen wären, ver-
wenden müßten. Wenn die Verkaufswerbung mehr und mehr Platz greift,
dann müssen auch dort wirkliche Manager angestellt werden. Es ist
nicht entscheidend, wer in den 2 Monaten der Fremdenverkehrshochsaison
dort als Verantwortlicher dort auftritt, sondern wer in den rest-
lichen 10 Monaten in der Verkaufswerbung so tüchtig ist, daß eben
in den zwei Monaten dann die entsprechenden Gäste kommen. Wenn
diese Verkaufswerbung weiterhin um sich greift, dann müßten auch die
Verkehrsvereine wahrscheinlich in Hinkunft die Zimmervermittlung
mit übernehmen.

ANMERKUNG für BUKOWSKI: Lass bitte von Jagoda prüfen, wie weit das
gewerberechtlich möglich ist.



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Weiteres Problem war die Zusammenfassung der Hotels, wie sie jetzt
bereits in Ansätzen vorliegt. Es gibt eine Gruppe Burg- und Schloß-
hotels, die Round-table Konferenz-Hotels, die Luxushotels, die angeblich
aber gar keine Luxushotels überall sind, und dann vor allem mal die
sieben Kärntner, die sich zur Erfa, d.h. Erfahrungsgruppe, zusammengetan
haben. Hier müßte insbesondere der gemeinsame Einkauf der Hotels
und wahrscheinlich mehr oder minder aller Fremdenverkehrsbetriebe
im regionalen Bereich eine wesentliche Erleichterung bringen. Die
österreichische Ausbildung der Fremdenverkehrsfachleute erstreckt
sich meistens auf Hoteldirektoren, niemals aber auf Verkaufsleiter
für Fremdenverkehrsgemeinden, Regionalverbände usw. Diesmal war für
mich die Beschwerde, daß es zu einer Balkanisierung der österreichi-
schen Küche kommt. Überall findet man jetzt Cevapcici und Pustaplatten
als die scheinbar vom Gast so gewünschte Speise. Wahrscheinlich ergibt
sich hier die günstigste Kostensituation und die einfachste Her-
stellungsweise. Richtig ist, daß wir alles daransetzen müssen, um
die österreichische Küche, österreichische Bezeichnung und öster-
reichische Spezialitäten aufrecht zu erhalten. Besonders der franzö-
sische, belgische, aber auch der italienische Gast wünscht keine
Balkanisierung, sondern eben eine gehobene bessere Küche. Zolles
war sehr froh, daß ich erschienen bin und ich habe ihm neuerdings
bestmöglichste und größte Unterstützung zugesagt.

Zu den Wirtschaftsgesprächen mit den syrischen Wirtschaftsminister
war eine Riesendelegation österreichischerseits erschienen. Von
der Handelskammer Präsident Schoeller, der Handelsdelegierte in
Beirut Schneider, der auch gleichzeitig für Syrien zuständig ist
und sachlich zuständige Referent. Von der Verstaatlichten Industrie
waren sogar Firmenvertreter von VÖEST, SGP, Chemie Linz, Schoeller-
Bleckmann, der sich nebenbei bemerkt auch gleich von Lenz-Moser,
für den sie eine Anlage bauen wollen, den jungen Moser mitge-
bracht hat. Geführt wenn ich sozusagen sagen darf, wurde die Dele-
gation von Veselsky, der Gatscha und Beelitz an seiner Seite hatte.
Mich störte dies gar nicht, ganz im Gegenteil, weil sich dann sehr
bald herausstellte daß der Wirtschaftsminister nicht mit unserem
arabischen Dolmetscher arbeiten wollte, sondern sofort mit englisch
begann. In diesem Fall war ich natürlich gehandikapt, konnte ich mich
über die Situation hinwegschwindeln. Natürlich war aber, daß der
Vertreter der Außenhandelsstelle natürlich den besten Kontakt


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mit den syrischen Stellen bis jetzt gehabt hat und daher immer
wieder in jeden konkreten Geschäftsfall in jeden Wunsch der Syrier
in jeden Vorschlag von uns sehr konkrete Informationen geben konnte
und natürlich dadurch die Verhandlung dominierte. Dies hat Gatscha,
wie ich bemerkte, sehr geärgert und er hat mir selbst immer zugeflüstert,
dies ist die typische Methode der Handelskammer, so als wie würde sie
ihn vollkommen verdrängen. Ich habe zwar immer wieder bei jedem
konkreten Geschäft, wenn es nur irgendwie ging, den Vertretern der
Verstaatlichten Betriebe das Wort gegeben, sie aufgefordert, dazu kon-
kret Stellung zu nehmen und vor allem das gesamte Material, das meistens
aus verstaatlichten Betrieben vorlag, den Syrern als Unterlage zum
Studium weitergegeben. Zum Glück hatte Fälbl wieder eine, wenn auch
teilweise unzulängliche Liste von Projekten schriftlich vorbereitet,
sodass wir an Hand dieser Liste und der Ergänzungswünsche der Syrer
eine sehr ins Konkrete gehende Tagesordnung abwickeln konnten. Da
ich bereits bei allen Vorbesprechungen, die ich mit dem Minister hatte,
darauf hinwies, daß wir die Finanzierung nicht lösen können, es daher
auch gar keinen Sinn hat, darüber zu sprechen, er dies auch eingesehen
hat, kamen wirklich eine große Anzahl von Kooperations- und Liefer-
möglichkeiten zur Sprache. Zuerst hatte es den Anschein, bevor wir
in die konkrete Liste eingingen, d.h. vor etlichen Tagen, es hätte
nur ein einziges Projekt für die Syrer Interesse, u.zw. die Reifen-
fabrik von Semperit. In Wirklichkeit stellte sich dann heraus, daß
gerade dieses Projekt von seiten der Syrer gar nicht als so interes-
sant und abschlußreif betrachtet wird. Semperit, Gen.Dir. Rueger,
war übrigens sehr erstaunt, als er scheinbar jetzt erfuhr, daß auch
in Irak eine Riesen-Reifenfabrik jetzt gebaut werden soll und wahr-
scheinlich auch noch in anderen arabischen Staaten.Für mich neu war,
daß sowohl der Kuwait- als auch der Abu-Dhabi-Fonds, jeder umfaßt Milliar-
den Dollar, für die Investitionen der arabischen Länder zur Verfügung
steht und daher auch von Syrien beansprucht werden kann. Wenn nun die
syrische Seite angeblich darauf besteht, dass sie das Know-how oder
die Anlage von einer österreichischen Firma erwerben will, dann soll
auch in diesem Fonds, die natürlich nur für arabische Interessen
eintreten, die Möglichkeit bestehen Geld, d.h. Kredit dafür zu
bekommen. Beim Abendessen habe ich den Wirtschaftsminister gefragt,
ob er nicht eine Möglichkeit auch darin sieht, daß wir mit Hilfe der
Oststaaten, die riesige, äußerst billige Kredite angeblich um 2-3%
zur Verfügung stellen, gemeinsam in Syrien Anlagen oder Fabriken errich-
ten können. Er meinte, daß dies als zweiter Schritt möglich sei, er


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möchte aber vorher versuchen allein für Österreich die entsprechenden
Kreditmittel von den arabischen Geldinstituten zur Verfügung zu
bekommen. Premierminister war mit den Ergebnissen, wie er mir beim
Abendessen sagte, ich kam zwischen ihm und den Wirtschaftsminister
zu sitzen, sehr zufrieden.

Der russische Handelsrat Wassiljew, der scheinbar schwer erkrankt ist,
fährt jetzt nach Moskau zurück, und Nikolajenko ein neuer Handelsrat
hat sich bei mir vorgestellt. Bei der Verabschiedung, es wurde sogar
noch ein Empfang gegeben, bin ich dann nicht zuletzt auf Intervention
von Fälbl dann doch aufgetaucht, um unser besonderes Interesse der
russischen Seite gegenüber zu bekunden. Nikolajenko hat bereits an-
gedeutet, daß es zwar Schwierigkeiten mit den Gas-Blechgeschäft gibt,
er aber überzeugt ist, daß wir auch hier eine befriedigende Lösung er-
reichen. Weder Koller und Meszaros wissen etwas Konkreteres, weil
die Delegation der ÖMV und VÖEST noch immer nicht von Rußland
zurück ist. Meszaros war bereits im Detail informiert über die
Aussprache beim Finanzminister wegen Austria-Ferngas – ÖMV Abstimmung
und mit seinen Leuten, wenn sie aus Moskau zurückkommen, im Vorstand
dieses Problem besprechen und dann die entsprechende Koordination
versuchen. Ich bin überzeugt, daß rein aus der Konkurrenzsituation
dieser beiden Gas-Gesellschaften kaum eine wirklich befriedigende
Lösung zu erwarten ist. Die einzige Frage, die mich immer wieder
quält, ob wir und wie wir diese riesen Projekte und nicht zuletzt auch
die riesen Mengen die kommen werden, finanzieren können und dann gerecht
und zielmäßig verteilen. Nicht daran denken möchte ich, daß wir in
eine Wirtschaftskrise kommen und dann vielleicht die ganzen Energie-
mengen überhaupt nicht gebraucht werden.

Zum Glück bin ich zur festlichen Stunde zu Mayer-Gunthof gegangen,
weil ich dort zu meiner größten Überraschung wirklich die gesamte
Prominenz auch auf unserer Seite angetroffen habe. Es erschien zwar
verspätet, aber doch der Bundeskanzler, Präsident Benya als Gewerk-
schaftsvertreter, selbstverständlich alle Handelskämmerer mit Sallinger
an der Spitze und auch die Regierung war durch Broda, Lütgendorf und
mich vertreten. Die Industriellenvereinigung hatte ein Riesenprogramm,
von Häussermann sehr gut zusammengestellt und vor allem aber etliche
Festredner. Aus der festlichen Stunde wurden dann festliche Stunden.
Mayer-Gunthof, der aber mit mir wirklich sehr gut kooperierte und den
ich wirklich leiden kann, ich bezeichnete ihn immer als Inkarnation
der guten Seite der Monarchie, hat sich dies aber auch tatsächlich
verdient. Ansonsten aber war dieser Tag, wie man ihn für einen Minister


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wahrscheinlich erwartet. Wenig verhandelt, Frühstück durch den
Bundespräsidenten, Verabschiedung durch Empfänge, festliche Geburts-
tagsfeiern, ein Contre-Dinner im Hotel Imperial, wann eigentlich
arbeitet ein solcher Minister.

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Tagesprogramm, 19.9.1974

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: sowj. Handelsrat


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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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              Tätigkeit: GD Fa. Semperit


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                Tätigkeit: Leiter Außenhandelsstelle Beirut [1971]


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                  Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


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                    Tätigkeit: Justizminister


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                      Tätigkeit: Prof. Hochschule für Musik und darstellende Kunst, Theaterdirektor


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                        Tätigkeit: sowj. Handelsrat


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                          Tätigkeit: GD VÖEST


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                            Tätigkeit: Bautenminister


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                              Tätigkeit: Beamter HM


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                                  Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                        Tätigkeit: Straßburg


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                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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