Freitag, 13. September 1974
SChef Schipper teilt mir mit, daß die Anzeige an die Staatsan-
waltschaft gegen den bereits ausgeschiedenen Dr. Bornberg er-
stattet wird. Es hätten sich bei seinem Hausbau Unzulänglichkeiten
herausgestellt. Schipper wollte ursprünglich von mir eine dezidierte
Zustimmung oder Ablehnung. Ich selbst erklärte rundheraus, dies sei
nicht meine Funktion, sondern er hätte als Präsidialist so wie bisher
in den vergangenen 4 l/2 Jahren ausschließlich die Entscheidung zu
treffen.
In der offiziellen Besprechung mit Matteotti habe ich vier Probleme
zur Sprache gebracht. 1.) die Depotgebühr, hier verwies ich besonders
darauf, daß diese Regelung für die Vieh- u. Kartoffelexporte für die
Landwirtschaft von großem Nachteil sei, Matteotti erklärte, daß in
Italien 40 % der Waren betroffen sind, die im Juli reduziert wurden,
deshalb auf 35 % jetzt betragen, dies deshalb weil die landwirtschaft-
lichen Produkte der EG-Länder ausgenommen wurden. Für die anderen
Staaten wurde die 50 %-ige Abgabe auf 25 % reduziert. Ich verwies
darauf, daß auch dies für uns eine große Belastung darstelle und daß
es unerklärlich ist, daß doch die Zuchtrinder davon betroffen sind.
Bei dieser Gelegenheit machte ich Matteotti gleich darauf aufmerksam,
daß Italien mit 5.300 Stück von den 30.000 Stück Färsen- u. Kühe, Höhen-
rassen, die nicht zum Schlachten bestimmt sind, in Verzug ist. Matteotti
wird sich bemühen, dies zu lösen. Ausserdem schlug er vor, daß ich
ihm Waren nennen soll, die eventl. jetzt von der 50 % auf 25 % pro
Verringerung besonderen österreichischen Wunsch erfolgen sollten.
Dr. Gleissner, den ich, ohne daß Matteotti es bemerkte, fragte ob
er mir diesbezüglich Vorschläge machen könnte, erklärte rundweg, dies
sei ausserstande, er müsse wahrscheinlich erst mit seinen einzelnen
Unternehmer verhandeln, worauf ich Matteotti vorschlug, wir werden
ihm eine Liste über diplomatischem Weg nachreichen. Ich bin überzeugt
davon, eine solche Liste wird die Handelskammer nie zustanden bringen.
Gleissner selbst aber traute sich nicht selbständig zu entscheiden.
Matteotti teilte mir auch mit, daß er beabsichtigt, in Brüssel vorzu-
schlagen, daß man anstelle eines totalen Einfuhrverbotes gewisse
Kontingente, z.B. wie die Lieferung des 1973 vorschlagen wird. Hier
meldete ich sofort an, daß wir 1973 Maul- u. Klauenseuche hatten und
deshalb gegenüber 1972 z.B. unseren Schlachtrinderexport nach Italien
von 65.000 auf 50.000 Stück zurückging. Matteotti gab zu, er würde
sich bemühen, mehrere Jahre als Durchschnitt dann als Kontingent
zu verlangen. Hier glaube ich allerdings, wird er in der EG große
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Schwierigkeiten haben da es sich ja primär darum handelt, dann
französischen Export von Rindern sicherzustellen.
Anmerkung für WANKE: Diese Erklärung muß sofort unserer Vertretung
nach Brüssel mitgeteilt werden.
Die zweite Frage betraf die Wünsche der Region Friaul, nach ital.
Betriebe als Zulieferungsbetriebe in die BRD, aber auch nach Österreich
anstelle von italienischen Gastarbeitern in den deutschen Betrieben
bestrebt sind, Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig bessere
Exportmöglichkeiten zu haben. Hier äusserte sich Matteotti nicht,
genau sowenig wie über meine Bemerkung, daß die italienischen Häfen
jetzt 140 Lire pro Tonne neu eingeführt haben und dadurch sich ihre
Konkurrenzfähigkeit gegen andere Länder verschlechtert. In diesem Zu-
sammenhang kam ich auch auf die großen Pipelines zu sprechen, dieses
dritte wichtige Anliegen, nämlich ausser der TAG jetzt die MOKA ge-
baut wird, veranlaßte ich Matteotti die schwierige Öl- u. Gassituation
Italiens zu demonstrieren. Ihr Außenhandelsdefizit wird weitestgehend
durch die Öl-, Bier- u. Fleischlieferungen verursacht. Um sie anstelle
von Fleisch, wo sie nur beste Qualität und Hinterviertel importieren,
normale ganze Hälften oder gar lebend importieren würden, könnten sie
sich schon einen Großteil ihres Defizits ersparen, war die Meinung
von Matteotti. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch gleichzeitig
den Wunsch angebracht, daß man Österreich bei ihren Wünschen über
Käseerzeugung und Verpackungsbestimmungen und Anerkennung österr.
Qualitätsweine, die einen natürlichen Gesamtalkoholgehalt von
mehr als 15 % in der EG unterstützen sollte. Ich überreichte Matteotti
auch ein Memorandum, welches wir in Brüssel deponiert hatten.
Anmerkung für WANKE: Bis jetzt hatten wir für jeden Besuch, insbes.
bei den Ministern der westlichen Länder, wo es Probleme gab, eine
ganze Liste in Form von Wünschen dezidiert vorbereitet, die ich
übergab. Warum geschah dies diesmal nicht?
Als letzten Punkt besprachen wir das Accordino, wo ich Matteotti auch
eine zu dem neuen Vorschlag, den wir Italien vor etlichen Monaten
überreicht hatten, zur Verfügung stellte. Er äußerte sich dazu über-
haupt nicht und ich kann mir sehr gut vorstellen, daß er eigentlich
als Außenhandelsminister für ganz Italien kein besonderes Interesse
am Accordino hat, obwohl er eigentlich Abgeordneter der nördlichen
Provinzen ist. Ich glaube allerdings von Udine. Die Aussprache war
sehr freundlich, aber in Wirklichkeit überhaupt nicht ergiebig. Ich
war daher sehr froh, daß das Fernsehen eigentlich nur von ihm Auf-
nahmen machen wollte und von mir keine wie immer geartete Erklärung
wünschte. Allerdings meinte Aigner , ich sollte ihm erzählen, um was
es eigentlich dabei gegangen ist, scheinbar damit er Matteotti besser
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interviewen kann.
Dem Wunsch Matteottis nach der Burgenlandfahrt wurde entsprochen;
ob er wegen der Naturschönheit oder weil er 1956 bei der Revolution
dort illegal nach Ungarn ging, wird sich nie feststellen lassen.
Interessant war, daß die neue Biologische Station, die das Land
bei Illmitz errichtet hat, phantastisch ausgerüstet ist, scheinbar
aber, zumind. habe ich den Eindruck gehabt, nicht genau weiß, was
es alles nutzbringend erforschen soll und mit welchen Leuten. Pschorn,
ein alter Burgenlandfanatiker, hatte mir gestanden, sein größter
Wunsch wäre jemals in diese Station reinzukommen, er war, glaube ich,
sehr überrascht als ich ihn sofort darauf einlud, mitzufahren. Der
burgenländische Landesrat für die Landwirtschaft versuchte natürlich
auch Matteotti davon zu überzeugen, daß das Burgenland, welches aus-
schließlich auf den Export von Rindern, wie er sich ausdrückte,
angewiesen ist, Erleichterungen bekommt. Vogl als Finanz- u. Straßen-
baureferent hat uns dann die ganze Zeit begleitet, ich nützte die
Gelegenheit, um Vogl darauf aufmerksam zu machen, daß es große Be-
denken wegen des Tunnels durch den Neusiedler See gibt, weil der zweite
See, der unter dem Neusiedler See ist, ein wertvoller Mineralwassersee,
zerstört werden könnte. Vogl bezweifelt dies, weil er nur 6 m tief
geht und der zweite See in einer Tiefe von 300 m erst gelagert ist.
Der Landeshauptmann Kery, sein Stellvertreter Soronits, aber auch der
Kulturreferent Mader, alle waren beim Essen anwesend, wirklich eine
große Besetzung für Außenhandelsminister Matteotti, haben sich aber
an der Besichtigungsfahrt nicht beteiligt, das kann ich allerdings
vollkommen verstehen. Matteotti war am meisten erstaunt, als ich
ihn dann noch spätabends am Südbahnhof verabschiedete. Das Tollste
bei diesem Besuch aber war, die Erfahrung von der mit der italienischen
Botschaft uns empfohlenen freiberuflichen Dolmetscherin. Mit allen
Leuten, mit denen ich sprach, die sich bei mir mehr oder minder über
sie beschwerten, kam eines zum Ausdruck, ihre ungeheure Arroganz, ohne
daß sie sich natürlich so bezeichnete, wurde sie meistens als die Frau
des Außenhandelsministers betrachtet und sie hat sich in dieser Rolle
ganz gut gefühlt. Abgesehen davon, daß sie schlampig, um nicht zu
sagen, falsch übersetzte, selbst der Botschafter mußte sie dauernd
korrigieren und mir fiel auf, daß sie ganz einfach statt Landesregierung
Handelskammer übersetzte, übersetzte sie prinzipiell nur das, was
sie wollte. Wenn Matteotti mit irgend jemand italienisch sprach, also
nicht direkt mich anredete, was ja in Wirklichkeit meistens bei
offiziellen Sitzungen der Fall ist, dann hat sie ganz einfach ge-
schwiegen. Einmal mußte ich ihr sogar sagen, vielleicht bitte sind
sie so lieb und übersetzen sie mir auch. Diese Ironie verstand sie
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aber scheinbar gar nicht oder wollte sie einfach nicht ver-
stehen.
Die Wiener Messe hatte es sich so arrangiert, daß das Schlagerspiel
Rapid – Austria im Stadion nicht am Samstag-Nachmittag oder Sonntag
stattfand, dann hätte dieses Spiel eine harte Konkurrenz bedeutet,
sondern eben Freitag nach der Messe. Da die Messe auch Interesse hatte
hier in Erscheinung zu treten, sie zahlte um 70.000 Schilling ein
Riesenfeuerwerk, besuchte auch ich nach 30 Jahren, glaube ich, wieder
einmal einen Fußballplatz. Viel interessanter wie das Spiel waren die
höchsten Spitzenfunktionäre der Mannschaft Rapid und Austria, einige
kannte ich sehr gut und konnte feststellen, daß diese genau wie die
kleinsten Anhänger, die ich schon in meiner Jugend beobachten konnte,
sich verhielten. Ein so ein Fußballfanatiker macht wirklich etwas mit.
Erstens sind sie gute Manager, wissen daher auch, daß es nicht zweck-
mässig ist, wenn eine Mannschaft hoch gewinnt, weil dann das Retour-
spiel uninteressant wird, wünschen sich von diesem Standpunkt aus
womöglich ein Unentschieden, vom fanatischen Standpunkt als Anhänger
aber natürlich einen hohen Sieg.
Tagesprogramm, 13.9.1974