Donnerstag, den 12. September 1974
Bei der Besprechung Matteotti–Kirchschläger hat Kirchschläger auf
die befriedigende Entwicklung der politischen Beziehungen zwischen
Italien und Österreich hingewiesen. Auch Matteotti meinte, er sei jetzt
im Pustertal gewesen und während er vor paar Jahren dort noch Sandsäcke
und Carabinieri an der Grenze waren, ist jetzt der Zollschranken mit
einem Schlüssel versehen, die Zöllner sitzen im Gasthaus, der Auto-
fahrer öffnet selbst den Schranken und schließt ihn wieder, ohne
daß jemand kontrolliert wird. Dies ist zwar ein netter Vergleich,
ich kann mir aber nicht vorstellen, daß tatsächlich ein Zollschranken
mit einem Schlüssel versehen wird, und man sich selbst bedient. Eher
kann ich annehmen, daß der Zollschranken offen ist und niemand die
Grenze besetzt hat und daß ist schon sehr unglaubwürdig. Interessanter
und wichtiger war aber, daß Matteotti dann bei den Tour d'horizon
erklärte, seiner Meinung nach sei es zu dieser unglücklichen Ölpolitik,
ja vielleicht sogar zur Ölkrise gekommen, weil die Länder einzeln mit
den arabischen Staaten verhandelten und ein jeder geglaubt hat, er kann
seine eigene Haut retten. Dadurch wären die europäischen Staaten,
d.h. ferner die Abnehmer von Öl, umso mehr von den arabischen Staaten
ausgebeutet worden.
Bielka hat spät abends mich verständigt, daß in Brüssel ein Energie-
rat am 19. September zusammentreten wird. Jolles von der Schweiz hätte
ihn bei seinem Schweiz-Besuch bereits gesagt, es wäre zweckmäßig, wenn
sich die neutralen Staaten koordinieren würden, um für die Brüsseler
Tagung und in der weiteren Folge, wenn wir gefragt werden, eine gemein-
same Stellungnahme über die Energiepolitik zu vertreten. Bielka
möchte nun, daß ausser seinem Aussenministerium-Mann eben der zuständige
Sektionschef bei uns, das wäre Frank, an einer Vorbesprechung der
Neutralen Dienstag in Zürich teilnimmt. Obwohl ich mir nicht allzu viel
verspreche, daß bei den Verhandlungen der EG-Staaten in Brüssel eine
wirklich einheitliche Energiepolitik, an die sich dann alle neun
EG-Länder halten, herauskommen wird und obwohl ich glaube, daß die
Absprache zwischen den drei Neutralen, Schweiz, Schweden und Österreich
ebenfalls nicht ein überwältigendes Ergebnis bringen wird, kann man
kaum einen Vorschlag der Schweizer, sowie seinerzeit bei den EG-Ver-
handlungen vorher die Stellungnahme der Neutralen abzustimmen, ab-
lehnen.
In der Parteivorstandsitzung berichtete Kreisky über die öster-
reichische Wirtschaftslage, die wesentlich besser als die deutsche,
wo bereits 800.000 Arbeitslose hätte. Wir müssten ein Sparbudget
machen, um die Stabilisierungsbemühungen auch hier zu unterstützen,
doch sei insbesondere die Personalaufwendung im nächsten Jahr
besonders hoch. Androsch ergänzte, daß er durch die Preissteuersenkungen,
durch die geringen Zolleinnahmen, durch den europäischen Gemeinschafts-
vertrag, durch die Mehrwertsteuer, die Exporteure kommen jetzt nach seiner
Berechnung besser weg, als seinerzeit, wo sie die Umsatzsteuerrückver-
gütung gehabt haben und ganz besonders durch den Lagerausbau im ver-
gangenen Jahr 1974 eine Mindereinnahme hatten. Kreisky wird deshalb,
um in der Personalpolitik eine weitere Postenvermehrung womöglich aus
dem politischen Tageskampf herauszuhalten, von Gasperschitz verlangen,
im Zuge der Mitbestimmung soll ihm die Personalvertretung sagen, wo
es Einsparungen für Dienstposten geben kann. Den Landeshauptleuten
würde er jetzt auf deren Forderungen wie z.B. mehr Förderung für die
Agrarier schreiben, was sie jetzt eigentlich zu der Förderung der
Landwirtschaft im konkreten, da ja letzten Endes Landwirtschaft
Kompetenz der Länder ist, beitragen.
Zu einigen aussenpolitischen Bemerkungen, wobei er insbesondere auf
die amerikanische Politik einging und meinte, diese hätte die euro-
päischen Verbündeten brüskiert, berichtete er über den Hörer- und
Seherbeirat und über die Schreibungsbewerber für den Generalintendanten
und die sonstigen Posten. Er könne den Parteiverstand auch nicht die
ganze Liste sagen, weil er dazu durch Gesetz nicht berechtigt sei.
Bacher wird jetzt beim Rundfunkjubiläum für 10 Millionen Schilling
Radioapparate Pensionisten verschenken und fürs Personal eine grössere
Gratifikation geben. Da vom Kuratorium ein anderer Generalintendant
bestellt wird, wird es ungeheure Angriffe geben. Der neue Generalinten-
dant müsse deshalb, so wie der Vorsitzende des Kuratoriums, kontroversiell
agieren können. Wo auch bei den Bewerbern Dr. Oberhammer vom Justiz-
ministerium dabei war, ersuchte er Broda über diesen Beamten seine
Erfahrung mitzuteilen. Broda setzte zuerst auseinander, daß die ÖVP
in der Behauptung, der Generalintendant müsse eine 5-jährige Erfahrung
oder Praxis im Kultur-, Medien- oder sonstigen Bereich haben, voll-
kommen falsch ist, denn der Jurist ohne Anspruch eines Juristen-
monopols sei auf alle Fälle als einschlägig verwandt und mit Berufs-
erfahrung zu bezeichnen. Da der Generalintendant sogar Parteienstellung
im Beschwerdeverfahren usw. haben wird, sei es sogar notwendig, daß
dies ein Jurist sei. Broda verwies dann insbesondere, was allerdings
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schon in allen Zeitungen zu lesen war, dass Oberhammer sich als
Personalreferent, als Umsiedler usw. mit Managerqualitäten quali-
fiziert hätte. In der Debatte gab es Wortmeldungen, aber ausser die
Frauen, Maschka urgierte, daß 35 Mitglieder des Hörer- und Seher-
beirates nur 2 Frauen hat, weshalb die Wiener Frauenorganisation
weitere Mandate dort wünschte, wo sich sofort die Genossin
Firnberg für das Frauenzentralkomitee anschloß. Kreisky meinte
im Schlußwort, Hörer- und Sehervertretung sei nur provisorisch,
denn er hätte ja immer schon eine Wahl und nicht eine Proporzbesetzung
durch Vereine wie ARBÖ, ÖAMTC, Alpenverein, Naturfreunde usw. ange-
strebt.
Androsch berichtete über die Besetzung verschiedenster Aufsichtsräte
wobei immer wieder in den meisten Fällen die Verstärkung der Sozialisten
erreicht werden konnte um dadurch die ÖVP-Maßnahmen von 66 – 70
korrigiert wurden.
Dies erscheint mir entscheidend, weil ich auch jetzt in der Elektri-
zitätswirtschaft eine Änderung herbeiführen möchte. Da ich dies aber
nicht als politische Maßnahme deklarieren möchte, hatte ich in den
vergangenen Monaten versucht, als sachliche Notwendigkeit mit
Präsident Weiss von der Verbund den ÖVP-Energiesprecher auf sach-
licher Basis zu lösen. Ich hatte eigentlich gehofft, daß es Weiss
gelingen wird, der gegen die sachliche Forderung, daß eben ein
Sektionschef der Energiesektion in der Verbund Aufsichtsrat sitzen
muß, nichts einzuwenden hatte, sich in der ÖVP tatsächlich durch-
setzen könne. Dies ist aber nicht der Fall gewesen, denn er hat
jetzt Frank mitgeteilt, daß der Parteivorstand eine Auswechslung
des pensionierten SChef Czech durch Frank ablehnt. Er könne sich
nur vorstellen, daß er auf das Dirimierungsrecht verzichtet, wodurch
allerdings dann eine Pattstellung im Aufsichtsrat der Verbund wäre.
Bezüglich der Zusammenführung von Ennskraftwerken und Donaukraftwerken
durch eine Personalunion von Donauvorständen in der Enns meinte er,
sei die ÖVP der Meinung, es wäre zweckmässiger, die Ennskraftwerke der
Verbund einzuverleiben. Auf alle Fälle ist mein Plan, mit Weiss hier
zu einer vernünftigen Lösung auf dem Energiesektor zu kommen, ge-
scheitert. Er hat, obwohl er mir zugegeben hat, daß die Konzeption
richtig ist, sich innerhalb der ÖVP nicht durchsetzen können.
Anmerkung für Gehart, Bukowski und Heindl: Da wir schon sehr viel Zeit
verloren haben, ich dies aber trotzdem nicht übers Knie brechen möchte,
müssen wir in der Personalpolitik vom rein Sachlichen her eine neue Kon-
zeption entwickeln.
Der Landesrat Winder und Dir. Peter von den Illwerken, Ehrbacher
und Bandhauer und vor allem Mag. Peter, Büro des Finanzministers,
wie Frank, Burian, Gehart, also fraktionell, besprach das Problem
der Illwerke. Bandhauer ist nach wie vor der Meinung, man sollte
dem Land Vorarlberg die gewünschte Aufstockung ihres Aktienbesitzes
im Vergleichsweg geben, um einen langwierigen Rechtsstreit zu ver-
meiden. Da aber das Land Vorarlberg, welches ein diesbezügliches
Schreiben an die Verbund bereits vor etlichen Monaten zugesagt
hat und erst jetzt am 11. Sept. schickte, kann weder die Verbund
geschweige denn dann ich in kurzer Zeit dazu Stellung nehmen. Hier
müssen umfangreiche Studien durchgeführt werden. Wenn aber LR Mandl,
wie mir Winder erklärte, mit mir Besprechungen dann aufnehmen will,
so stehe ich selbstverständlich, so wie auch bei der Dornbirner Messe,
sofort bereit war, mit ihm zu reden, zur Verfügung.
Anmerkung für Wiesinger: Wenn Landesrat Mandl anruft, dann bitte
sofort einen Termin geben.
Mit Winder und Peter besprachen wir dann die Forderung Kärntens,
vorgetragen durch Frühbauer der KELAG einen grösseren Anteil von
EDK-Aktien zu geben. Die KELAG stützt sich darauf, daß Hintermayer
und Arthold den Vertrag abgeschlossen haben, wo sie sich für die
Erhöhung des Aktienanteiles bis 49 % angeblich ausgesprochen haben.
Sie hätten allerdings diese Forderung vom Jahre 1970 dem Ministerium,
da sie nur treuhänderisch tätig sind, vorlegen müssen und haben dies
bis jetzt nicht getan, da es sich hier um eine prinzipielle Frage
handelt, habe ich Frühbauer in den zwei Tagen, wo er in Wien war und
bei jeder Gelegenheit, wo ich ihn getroffen habe, darauf aufmerksam
gemacht, daß dies eine eminent politische Entscheidung ist und des-
halb von Kreisky zuerst im Parteigremium besprochen und beschlossen
werden muß, bevor ich einer solchen Idee näher trete. Frühbauer
kündigte mir an, er werde einen Brief an Kreisky schreiben, wo er auch
meine Bedenken darlegen wird. Er hat dies auch dann getan und mir
eine Abschrift des Briefes zur Verfügung gestellt.
MR Kurzel berichtete mir, daß er wegen der Würfelzuckerpreise sich
eine Festsetzung vorstellen könnte, wonach der Großwürfelzucker
um 70 Groschen und die anderen Zuckersorten um 80 Groschen erhöht
werden könnten. Dieses Kompromiss fand allerdings nicht die Zustimmung
von Dr. Hiller, Zuckerindustrie, der auf wesentlich höhere Sätze
u.zw. die, die sie jetzt verlangen, beharrt. Die Arbeiterkammer wäre
mit dieser Regelung einverstanden, ohne dort allerdings zugestimmt zu
haben. Ich verlangte von Kurzel, daß er mit Präs. Habig Besprechungen
aufnehmen solle, weil dieser als Funktionär mir gegenüber erklären
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müsse, daß er, wenn Kurzel ein Kompromiß vorschlägt, diesen auf
alle Fälle zustimmen müsse. Bei einer Besprechung von Habig,
Kürzl, Wais, Bukowski und mir, wo Habig mir einreden wollte, ich
hätte ihnen 80 Groschen auch für den Würfelzucker zugesagt, stellte
ich eindeutig fest, daß dies nicht der Fall war, wohl hatte ich
angenommen, daß es in der Paritätischen Kommission wegen des Würfel-
zuckerpreises keine Schwierigkeiten gibt, wohl hatte ich angenommen,
daß man sich dort vielleicht auf 80 Groschen einigen würde, aber
niemals hatte ich, weil ich dazu auch gar keine gesetzliche Handhabe
habe, erklärte, daß diese 80 Groschen in der Paritätischen Kommission
genehmigt werden müssen. Habig meinte, jetzt hätte ich aber die Möglich-
keit und erwartet, daß ich dies tatsächlich mache, da diese 80 Groschen
ja unter den derzeit verlangten Sätzen liegen. Die Arbeiterkammer
sich ausserdem bereit erklärt hat, habe ich dann mir gegenüber noch
das Zugeständnis gemacht, für Großwürfelzucker anstelle der vorgesehenen
70 Groschen-Erhöhung mit 60 Groschen einverstanden zu sein, er dann,
und das war das wichtigste, das gesamte Kompromiß genehmigte, stimmte
auch ich dieser Regelung zu. Wais verständigte unverzüglich die
Arbeiterkammer und stellte fest, daß wenn die Zuckerindustrie nicht
die Großwürfelzuckererzeugung einstellt, die Arbeiterkammer diesem
Kompromiß zustimmt.
Gen.Dir. Büttner von der Unilever berichtete von einer Aussprache,
die er heute mit Landwirtschaftsminister Weihs hatte, die Unilever
möchte mit den Bauern ca. 50.000 Tonnen Saat, insbesondere Sonnen-
blumenöl vereinbaren, die dann in ihrem neu zu errichtenden Basler
Ölraffinerie verarbeitet werden könnten. Weihs sei mit dieser Lösung
einverstanden, wenn die Bauern mindestens 10.000 Schilling ha-Ertrag
auch aus dem Ölfrüchteanbau wie bei Weizen erlösen können. Büttner
ersuchte mich nun, ich sollte mit Bundesrat Brugger in Kontakt treten,
damit wir deren Meinung zu einer eventuellen zwischenstaatlichen
Vereinbarung über die Raffinerie von Ölsaat in der Schweiz ab-
schliessen könnten. Ich versprach ihm, dieses Problem mit Brugger
inoffiziell bei der nächsten EFTA-Konferenz in Helsinki zu erörtern.
Interessant für mich ist, und ich habe dies auch Büttner gegenüber
angedeutet, und gefragt, wieso erst jetzt Unilever sich über die
Selbstversorgung mit Speiseöl, resp. sein Konzern sich den Kopf
zerbricht. Die Antwort war unbefriedigend, denn in Wirklichkeit
bemerkt jetzt Unilever, daß Eisenberg hier eine Ölraffinerie vielleicht
doch errichtet und wie Eisenberg mir gegenüber sagte, würde Unilever
dies genauso konterkarieren wie seinerzeit in Nikosia auf Zypern.
Schon allein um mehr Informationen zu bekommen und selbstver-
ständlich auch loyalitätshalber habe ich weder gegenüber der
Eisenberggruppe Unilever-Pläne im konkreten erörtert oder gar
Unterlagen gegeben noch natürlich umgekehrt. Ich hoffe, daß
es gelingen wird, die zwei konkreten Projekte im Detail kennen-
zulernen um dann zu entscheiden, welches Projekt für Österreich
günstiger ist.
Anmerkung für WAIS: Ein tüchtiger Mann in unserem Ministerium, wahr-
scheinlich Gröger, muß sich hier im Detail noch sehr interessieren
und einarbeiten.
Der nordvietnamesische Botschafter, der in Budapest sitzt, kam mit
seinem Handelsrat, um mich zu fragen, wie sie eine Kunstdüngerfabrik,
die in Nordvietnam errichtet werden könnte, finanzieren könnten.
Kreisky hätte ihm im November 1973 Kreditzusage gemacht. Ich habe
den Botschafter dezidiert erklärt, daß das Handelsministerium für
alle Aussenhandelsgeschäfte zuständig sei. Was die Frage der Kredit-
zusagen, resp. der Finanzierung betreffe, sei dafür aber ausschließlich
das Finanzministerium zuständig. Über alle Detailfragen und alle
Wünsche, die unser Haus betreffen, steht ihm Herr Sektionsleiter Meisl
und Minister Bukowski zur Verfügung. Ich weiß nicht, ob der Botschafter
mit dieser Auskunft sehr glücklich war, aber ähnlich wie bei Polen
beginne ich gleich bei Verhandlungen immer klarzustellen, daß die
finanzielle Gebarung und finanziellen Wünsche bei uns hier falsch
vorgetragen werden, weil wir dafür nicht zuständig sind, daher von
mir auch keine wie immer geartete Zusage gegeben wird.
Beim Abendessen in der italienischen Botschaft hat dann Matteotti
in einem Gespräch mit dem Botschafter, das auf italienisch geführt
wurde, und das dieser mir nur andeutungsweise übersetzte, zu er-
kennen gegeben, daß die Italiener sehr wohl zwischen Sizilien und
Afrika bestrebt sind eine Pipeline zu legen. Es gibt noch technische
Schwierigkeiten, doch glaubt Matteotti, daß diese mit einem Dreistrang-
system, wenn eines ausfällt gibt es noch immer zwei andere, bewältigt
werden könnte. Aus diesen beiläufigen Bemerkungen entnehme ich, daß
die italienische Regierung, wenn es überhaupt zum Abschluß des
Algeriengeschäftes kommt, nicht ausschließlich über die Monfalcone-Gas-
entspannung und dort beginnenden Gasleitungen nach Deutschland, sondern
über eine Gasleitung durch ganz Italien Projekte studiert.
Anmerkung für GEHART: Bitte versuche zu erfahren, wieweit die ÖMV von
diesen Projekten tatsächlich informiert ist, da Bauer mir gegenüber
immer erklärt hat, aus dem Algerien-Geschäft wird ja nichts.
Tagesprogramm, 12.9.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)