Mittwoch, 29. Mai 1974
Die Gemischte rum.-österr. Kommission nimmt ihren normalen Verlauf.
Den Vereinbarungen entsprechend, dennoch aber sinnlos. Man kann im
Konkreten überhaupt nichts dazu beitragen, dass die Wünsche der Rumänen
erfüllt werden. Wenn ich von dem Blabla absehe, ist es in Wirklich-
keit ein Frage, ob wir grössere finanzielle Mitteln für den Hafen- und
Kanalausbau der Rumänen oder ob wir für die Firma Kohmaier nicht nur
die Exportfinanzierung sondern sogar noch eine gewisse Risikofinan-
zierung übernehmen könnten oder ob wir Lokomotiven, die die Rumänen
angeblich sogar für uns geändert haben und die die VÖEST jetzt nicht
kaufen will, für die Graz-Köflacher-Bahn doch übernehmen. Dies sind
nämlich die drei sehr konkreten Wünsche, wie mir der Minister Avram
nachher nach einer sehr langen Sitzung besonders ans Herz legt.
Das langfristige Abkommen – ein rumänischer Entwurf liegt dafür vor –
können wir sicherlich, wenn die Rumänen darauf verzichten, für Koope-
rationsgeschäfte Zollfreiheit zu geben und die quantitativen Restrik-
tionen nicht ganz beseitigen müssen, abschliessen. Die Rumänen könnten
so wie alle anderen Oststaaten leicht auf Zollmassnahmen und volle Ein-
fuhrfreiheit bestehen, weil sie mit ihren staatlichen Organisationen
und Einkaufsgenossenschaften alles natürlich entsprechend regeln können.
Das Fremdenverkehrsabkommen ist so weit, dass wir paraphieren könnten.
Ein weiteres nichtssagendes Abkommen. Das Investitionsschutzabkommen,
welches im Aussenamt verhandeln werden muss, bereitet dem Vertreter
des Aussenamtes deshalb Sorgen, weil er hier schnell arbeiten müsste
und wahrscheinlich überhaupt keine Vorarbeiten bis jetzt geleistet hat.
Das Doppelbesteuerungsabkommen wurde im Finanzministerium derzeit schon
verhandelt. Endergebnis dieser Österreichisch-rumänischen Gemischten
Kommission wird deshalb weitere Abkommen sein, die mehr oder minder nicht
bringen. Die Rumänen sind mit einer grossen Delegation erschienen,
wobei allerdings meistens die Generaldirektoren oder sonst potente
Leute von Bukarest hier sind, die imstande sind, mit österr. Firmen
ganz konkrete Verhandlungen zu führen und auch Abschlüsse zu tätigen.
Auf unserer Seite sitzen eben nur Beamte oder Interessensvertretungen
die überhaupt keine Abschlussmöglichkeit und auch keine sehr starke
Unterstützung für solche Abschlüsse geben können. Dr. Marquet von
der Industriellenvereinigung hat, als er sich zu Wort gemeldet hat,
keine Ahnung gehabt, dass z.B. zwischen der VÖEST und den General-
direktoren der rum. Seite sehr konkrete Besprechungen jetzt stattfin-
den und meinte, hier müssten erst die Rumänen die Unterlagen liefern.
Die längst schon vorlagen. Es tat mir schrecklich leid, aber
damit bei der rumänischen Seite nicht der Eindruck entsteht,
die österr. Delegation weiss nicht einmal etwas, musste ich ihn
entsprechend korrigieren. Zum Glück erkläre ich allen Oststaaten
seit meiner Amtsübernahme, dass wir ein anderes System haben, dass
bei uns daher die Delegation den Firmen nichts anschaffen kann,
und dass sie deshalb am besten sofort gleich mit den Firmen Ver-
handlungen führen. Dies ist natürlich für die Bürokraten, ob in
Ministerien oder Interessensvertretungen sehr unangenehm, bringt
mich aber gegenüber den Oststaaten in keine schwierige Position,
weil ich mich nicht stärker macht als ich tatsächlich bin.
Im Handelsausschuss gingen alle Gesetze so wie bisher immer einstimmig
über die Bühne. Der Initiativantrag über die Änderung des Handels-
kammergesetzes, wonach jetzt der amtliche Stimmzettel eingeführt wurde,
und sonstige kleine Bestimmungen geändert wurden, wäre eine Pleite ge
wesen, hätte nicht Dr. Schwarz den Text angesehen und draufgekommen,
dass die konkreten Formulierungen zwischen Handelskammer und Handels-
ministerium nicht enthalten waren.
Beim Treibstoffsicherungsgesetz wollte Hanreich, dass wir nicht eine
jährliche Verlängerung sondern auf mehrere Jahre das Gesetz in Kraft
haben sollten. Hier konnte ich gleich die Bemerkung anbringen, dass
dies sehr zweckmässig wäre, dass aber die Handelskammer mir zu ver-
stehen gegeben hat, dass nur eine einjährige Verlängerung in Frage
kommt. Tatsächlich hat dann Staudinger, der Vorsitzende des Aus-
schusses erklärt, die ÖVP würde einer längeren Dauer des Gesetzes als
bis 30. Juni 1975 nicht zustimmen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich
auch über die ungerechtfertigten Angriffe wegen der Versorgung mit
Öl im vergangenen Winter insbesondere gegen meine Person in humorvoller
weise hinweisen, was mit die Gelegenheit gab, mich zu rehabilitieren
und den anderen sogar die Möglichkeit nahm, mich neuerdings zu attackieren.
Da dieses Gesetz im Haus dann aber sicher unter ferner liefen verhandelt
wird und wahrscheinlich gar keine Wortmeldungen sein werden, geht die
für mich sehr gute Debatte natürlich unter. Bei der Vorbesprechung hatte
ich schon darauf hingewiesen, dass die Materien des Handelsministeriums
immer stiefmütterlich im Plenum behandelt werden, was den Vorteil hat,
dass wir weniger Streit haben und in der Öffentlichkeit daher kaum
in Erscheinung treten können. Die Methode anderer Minister, z.B. Firnberg
aber auch Broda die grössten Wert darauf legen, dass im Plenum
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womöglich jedes Problem und jedes Gesetz eingehend besprochen wird,
führt meiner Meinung nach aber nur dazu, dass nachdem die Abgeordne-
ten ja doch früher oder später lieber nach Hause fahren, eine solche
Vorgangsweise als aufdringlich empfinden. Diesen Vorwurf wird man
mir sicherlich nie machen.
Bei der Aussenhandelsgesetznovelle hat Mussil dann die Anträge ein-
gebracht, die wir erwarteten und die eigentlich auch von uns akzep-
tiert werden konnten. Mit dem Finanzministerium hat er sich im
letzten Augenblick über die Kontrolle geeinigt. Ein einziger Antrag
von Hietl, der für die Genehmigung der Weineinfuhr nicht nur die
100-Liter-Grenze sondern darüberhinaus noch 500-S-Betrag wollte
konnte und wollte ich nicht akzetieren. Wir hatten alle diese Grenzen
doppelt und ich schlug deshalb vor, dass dies auch auf 1.000 S
lauten müsste. Hier hat Hietl nicht zustimmen wollen und Mussil
meinte sogar, er würde diesen Antrag ebenfalls seine Zustimmung geben
Er begründete dies mit den Massnahmen der Italiener, die ein Über-
denken notwendig machen würden. Dies war natürlich reine Demagogie
und ich habe Mussil dies auch in aller Deutlichkeit gesagt, ohne
natürlich ihn zu beleidigen, indem ich drauf hinwies, dass wir auch
die anderen Grenzen erhöht haben. Wie wenig die ÖVP in Wirklichkeit
den Antrag Hietls unterstützte und ernst nahm, sie hatten scheinbar
Angst, dass damit die Konsumenten neuerdings verägert werden geht
daraus hervor, dass Staudinger ihn nicht nur nicht zur Abstimmung
brachte, sondern erklärte, er hätte ihn erst jetzt vorgelegt
und er sei nicht deshalb als gestellt zu betrachten, weil die anderen
diesen Antrag nicht formell überreicht bekommen haben. sodass Hietl
dann sich damit begnügte, er werde eventuell im Hause einen solchen
Antrag wiederholen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte alle Gegenargumente sammeln und ganz beson-
ders womöglich schriftliche Stellungnahmen von Interessensvertretungen
und ÖVP-Vereinigungen gegen diesen Antrag beschaffen.
Gen.Dir. Bauer ist mir Dr. Messinger , dem Fachgruppensekretär gekommen
um mir die 10 %-ige Ölpreissenkung schriftlich zu überreichen. Inter-
essant war, dass Bauer erkärte, es hätte jetzt auch dieser Brief den
Stempel der Bundeskammer und sei damit hoch offiziell. Bauer behaup-
tet nach wie vor, dass dies eine Kampfsituation innerhalb der Ölwirt-
schaft ausgelöst hat, Dr. Widhalm, der Vertreter des Ölhandels, er-
klärte ich Bauer, hat mich angerufen, weil er fürchtet, dass die
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Ölwirtschaft auf Kosten der Handelsspannen eine Verbilligung vor-
nimmt. Bauer bestritt dies ganz entschieden und meinte, sie hätten
deshalb die Rabattlösung gewählt, weil diese Rabatte eben jetzt bis
zum Letztverbraucher durchgegeben werden können. Ich hatte Mussil
dann über diese Vorgangsweise genau informiert und gleichzeitig
mitgeteilt, dass wir jetzt auf Grund der Preissenkung von Heizöl
damit rechnen, dass die Heizölzuschläge verschwinden und damit ge-
wisse Preissenkungseffekte ausgelöst werden. Mussil hat zugestanden,
dass auf alle Fälle die Heizölzuschläge entsprechend reduziert
werden müssen. Ich habe Mussil auch mitgeteilt, dass darüberhinaus
ich mit anderen Firmen und anderen Branchen weitere Verhandlungen
führe, um Preissenkungen zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit hatte
ich ihm Herrn Welser vorgestellt und zwar als den Mann, der im
Konsumentenbeirat mit Handelskammer bestens kooperiert und daher
dazu geeignet ist, jetzt diese Aktion zu führen. Welser stürzt sich
übrigens mit ganzem Elan in diese neue Aufgabe.
Die Aussprache zwischen den Betriebsräten der EVUs und den Direktoren
der Elektrizitiätsunternehmungen auf fraktioneller Basis war für
mich sehr interessant. Da diese Aussprache wie manche behaupten,
nach einer zehnjährigen Unterbrechung erst wieder durchgeführt wurde,
war natürlich viel Unmut bei den Betriebsräten, den sie sich bei
dieser Gelegenheit gleich vom Leibe redeten. Das nächst Mal müssen
wir eine solche Besprechung unbedingt ausserhalb des Ministeriums
machen. Unser Amtsgehilfe, der dem ÖAAB angehört und der die Be-
dienung vorgenommen hat, hat natürlich einen Grossteil der Aussprache
mitgehört. Nicht dass ich befürchte, dass Details er sich merken kann
wohl aber bin ich überzeugt, dass er über den allgemeinen Eindruck
entsprechend reden wird. Niemand geht etwas an, was ich in meinem
Ministerium für Verhandlungen und Gespräche führe, wohl aber
könnte mich die ÖVP fragen, wieso ich und mit welcher Absicht ich
die fraktionellen Aussprachen gerade im Handelsministeirum abhalte.
Mich persönlich hat es in den vergangenen Jahren immer im BKA unan-
genehm berührt, wenn die Amtsgehilfen, die dort sicherlich auch nicht
unserer Partei angehören, vielleicht gehören sie gar keiner an,
jedenfalls gewissen Verhandlungsbrocken aufschnappen. Jetzt habe
ich denselben Fehler bei uns gemacht. Gehart und Grünwald ist
dies auch leider zu spät aufgefallen. Die Aussprache selbst war in-
sofern erfolgreich, als die Direktoren sich gegen gewisse berechtigte
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Wünsche der Betriebsräte nicht wehrten. Wir kamen überein, dass in
der Personalpolitik bei den EVUs eine entsprechende politische
Zielsetzung eingehalten werden sollte. Der Wunsch einer der OKA-Ver-
treter Karlhuber, dass wir zentral die Landesgesellschaften durch
Drohungen oder Kompensationsmöglichkeiten, die wir ihnen bieten,
Unterstützung geben sollten, konnte ich nur teilweise Rechnung tragen.
Es kann nicht meine Aufgabe sein und wich werde mich dafür nie
hergeben, in die Landespolitik der Parteien mich einzumischen. Die
Genossen müssen in den Ländern selbst wissen, was sie wollen und die
dafür Verantwortlichen Landesparteivorstände auch entscheiden.
wenn sich dann einzelne Unternehmungen und insbesondere unsere soziali-
stischen Direktoren benachteiligt fühlen, dann müssen sie sich dies in
den Landesorganistionen ausmachen. Einvernehmlich konnte ich festhalten
1. es wird eine politische Zielsetzung auch in der Personalpolitik
der EVUs versucht.
2. Es wird ein zentrales Exekutiv-Komitee aus Betriebsräten und Unter-
nehmern 4:4 gebildet, welches die einzelnen Probleme diskutiert
und womöglich zu einvernehmlichen Beschlüssen kommt.
3. Es wird dort, wo es noch nicht ist, und das hat sich sehr über-
rascht eine Aufsichtsratsfraktion gebildet, wo Unternehmungsleitung
und Betriebsräte die konkreten Massnahmen besprechen. Hier erschüt-
terte mich, dass Bandhauer als Gewerkschafter und derzeitiger
finanzieller Direktor der Verbund und Perl als ehemaliger Betriebsrats-
obmann in dieser Gesellschaft übereinstimmend erklärten, dass eine
Funktiontrennung zwischen Betriebsräten und Unternehmungsleitung
kaum möglich ist. In der Verbund z.B. müssten sich auch die
Direktoren mit der Beschaffung der Dienstkleidung und dessen Aussehen
beschäftigen. Dies sei nach Meinung der Genossen die entscheidende
Tätigkeit für die dort Beschäftigten. Nicht das Problem EVUs oder Verbund-
gesellschaft sei interessant, in all ihren Schwierigkeiten, Finanzie-
rung usw. sondern ob die Stulpen auf der Hose zwei Zentimenter oder
4 cm sein sollen. Wenn dies tatsächlich zutrifft – ich habe es
bezweifelt – dann müssen wir noch sehr viel Aufklärungsarbeit leisten.
Vor der Erweiterten Bezirkskonferenz in Hietzing hörte ich zum Glück
Radio und erfuhr, dass man Kirchschläger jetzt in der ÖVP dahingehend
attackiert, dass er bis 1947 Mitglied der ÖVP war. Heinzi Fischer
fragte mich, ob man dies vorher wusste, ich konnte ihm darauf keine
Antwort geben , ausser dass ich es sicherlich nicht gewusst habe.
Bei der Konferenz bin ich dann selbstverständlich sofort auf diese
unangenehme Frage insbesondere für unsere Funktionäre eingegangen.
Meine Erklärung war, dass damit die dritte Bombe von der ÖVP in unserer
sozialistisches Funktionärkernlager geworfen wurde. Bei der ersten
war ich unmittelbarer Akteur, nämlich ob Kirchschläger zur Gewerkschaft
beitreten wollte oder nicht, was ich mit ruhigem Gewissen und jedermann
gegenüber bejahen konnte, weil ich ihn damals tatsächlich geworben
habe. die zweite mit seiner ehemaligen Mitgliedschaft zur Vaterländischen
Front, bei der gleichzeitig auch andere Zeitungen Benya und wahrscheinlich
noch viele andere heranziehen können und die für ältere Genossen sicher-
lich eine sehr schmerzliche Erinnnerung auslösten. Ich selbst
stehe nach wie vor auf dem Standpunkt und möchte dies ausdrücklich
wiederholen, dass ich in keiner einzigen Phase einer quasi faschi-
stischen Organisation angehört habe und doch volles Verständnis
dafür aufbringe, dass man in einer gewissen Zeit unter einem ge-
wissen Druck oft wirklich dann einer Organisation beigetreten ist,
was man heute vielleicht sogar bereut. Ein Urteil zu bilden ist nur
möglich, wenn man sich die damalige Situation genau in Erinnnerung ruft,
wenn man den Druck, dem die Menschen damals ausgesetzt waren, und das
musste nicht nur ein materieller gewesen sein, es kann auch ein pro-
pagandistisch scheinbar freiwilliger Beitritt gewesen sein, sich ver-
gegenwärtigt. Ich habe selbst in der Illegalen Zeit, wenn mir dann
einige unserer besten Genossen und Freunde sehen wie sie umfielen
diese mehr oder minder immer in Schutz genommen, weil es halt furchtbar
leicht ist, einen anderen zu verurteilen und furchtbar schwer ist, einen
anderen zu verstehen. Sicher ist für mich nur ein Einziges:
Wir sollen und müssen unsere ganze Kraft einsetzen, damit eine solche
Zeit nicht wiederkommt. Ich persönlich möchte bekennen, dass mir nur
dieses Ziel und diese Aufgabe die Arbeit und die unangenehmen Seiten
der politischen Tätigkeit überhaupt erträglich macht. Sonst gar nichts
anderes !
Tagesprogramm, 29.5.1974