Samstag, 25. Mai 1974 und Sonntag, 26. Mai 1974
Die zwei Tage hat mich das nö. Sekretariat für den Wahlkampf
eingeteilt, obwohl Wiener Konferenz gewesen ist. Zuerst hiess
es, alle Minister sind im Einsatz, dann konnte ich feststellen,
dass Lanc, Veselsky und Androsch z.B. bei der Konferenz anwesend waren
wie der ORF-Reportage entnehmen konnte. NR Pfeifer hat mir dann
auch gestanden, wieso ich doch noch im Hollabrunner Gebiet zum Ein-
satz kam. Das nö. Sekretariat hatte erklärt, er hätte sowieso an einem
Nachmittag Weihs und es stünde niemand anderer zur Verfügung. Pfeifer
als Bezirksobmann hat sich dagegen heftigst ausgesprochen und verlangte,
dass an den Orten der tschechischen Grenze ein Minister zur Verfügung
stehen müsste und hat mich vorgeschlagen. Scheinbar haben die Nieder-
österreicher angenommen, dass ich sowieso bereit bin, alles zu ak-
zeptieren und zugesagt. Pfeifer entschuldigte sich dann bei mir, ob-
wohl dafür wirklich gar kein Grund vorhanden war. Auf der Wiener Kon-
ferenz bin ich sicherlich weniger abgegangen als ich den Genossen in
den kleinen Orten an Grenzgebiet vielleicht doch das Gefühl geben konnte
dass sie nicht auf verlorenem Posten stehen. Zwischen zwei Versammlungen
hörte ich zufällig im Radio am Samstag eine Reportage vom nö. Wahl-
kampf Landeshauptmann Maurer. Der hat in sehr primitiver Art und
ungeheuer demagogisch in dem er erklärte, Kreisky hat noch nie etwas
gearbeitet, kommt von einem Diplomaten, sollte einmal einen Schrauben-
schlüssel in die Hand nehmen, so wie er ein ständiger Arbeiter war,
Kreisky sehr diffamiert. Obwohl ich wahrlich kein Kreisky-Fan bin,
fühle ich mich doch verpflichtet, darauf zu reagieren. Die beste Ge-
legenheit hat es dann am Sonntag in Amaliendorf gegeben, wo mir zuge-
flüstert wurde, der Rundfunk schneidet mit. Ob etwas und was ge-
bracht wird, weiss ich nicht, dass von einem Landeshauptmann, dem eigent-
lich sowieso nichts passieren kann, so niveaulos polemisiert wird,
hätte ich nicht angenommen. Wird Maurer vielleicht auch nervös, weil er
fürchtet, dass die von der ÖVP erwartete grosse Niederlage der SPÖ
in NÖ nicht eintritt ?
Papacek wundert sich immer wieder, daß die Routen und die Versammlungen
scheinbar nach einem System erstellt werden, das nicht logisch aufge-
baut ist. Ich glaube, das gilt aber wirklich nur von der Fahrtroute.
Man fährt immer ganz unlogisch verschiedene Strecken doppelt und
passiert Versammlungsorte, die man nachher wieder anfahren muss. In
Wirklichkeit glaube ich, liegt das Problem darin, dass nach den ört-
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lichen Gegebenheiten nur zu einem gewissen Zeitpunkt eine Versamm-
lung möglich ist, z.B. eben nach Kirchenschluss oder weil Pensionisten
gerade um diese Zeit dort zusammenkommen, sodass eben diese örtlichen
Gegebenheiten mit einem logischen Plan nicht erfasst werden können.
Mir persönlich ist es auch vollkommen gleichgültig, wo ich eingesetzt
werde und wie ich eingesetzt werde. Die nö. Wahlhelferinnen, die mit
einem Lautsprecherwagen mitgefahren sind, haben mir dann allerdings er-
zählt, dass das nö. Sekretariat mit dem Zentralsekretariat Strache und
seine Leute, jeden Ministereinsatz absprechen und abstimmen müssen.
Dies zweifelsohne zur Koordinierung, könnte aber in Wirklichkeit eine
Überorganisation sein. Da ich die Details aber nicht kenne, mich
damit auch gar nicht beschäftigen möchte, ist mir auch dies vollkommen
egal. Dr. Wais wollte unbedingt einen nö. Wahlkampf miterleben. und
hat sich aufgeschwungen verhältnismässig zeitig früh schon mitzufahren.
Dies war glaube ich sein grösstes Opfer. Wichtig ist nur, dass jetzt
die Einzelintervenionen, die im Laufe so einer Wahlkampagne an einem
herangetragen werden, in irgendeiner Weise vor den Wahlen noch einer
Bearbeitung und Erledigung zugeführt werden. Meistens handelt es sich
um Intervenienten, die gar nicht unserer Partei angehören. Wenn man
eine Erledigung ihrer Wünsche ohne viel Protektionismus durchführen
kann, soll man dies unbedingt tun. Wenn ein abschlägiger Bescheid not-
wendig ist, dann soll man auch diesen begründet ihnen mitteilen. Ich
glaube, es gibt nichts schlechteres als gar nichts zu veranlassen oder
die Angelegenheit irgendwohin schicken und sagen, es wird schon etwas
daraus werden. Gerade in den kleinsten Dörfern sind solche Interventienten
nachher die Leute, die erzählen, dass sie nicht nur mit einem Minister
gesprochen haben, ihr Anliegen vorgebracht haben, sondern dass man
sogar in kürzester Zeit etwas gehört hat. Verhältnismässig kommen
interessanterweise zu mir sehr wenig Interventienten. Einerseits bin
ich darüber nicht ungehalten, andererseits aber zeigt sich für mich,
dass nur ein verschwindender fast unbedeutender Prozentsatz glaubt,
dass ihm jemand helfen kann. Ich hoffe und nehme nicht an, dass die Be-
völkerung so schüchtern ist, dass sie sich an einen Minister nicht
heranwagen. Vielleicht ist dies aber doch der Hauptgrund. Dann aller-
dings ist es um unsere Demokratie noch schlecht bestellt.