Mittwoch, der 8. Mai 1974 bis Donnerstag, der 9. Mai 1974

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MINISTERTAGUNG GENF 8. und 9. Mai 1974.

Die Routinetagung in Genf war so wie meisten überflüssig.
Meisl hat nach meiner Rückkehr ganz richtig gesagt wie haben
nur wieder einen Punkt für das Weißbuch gesammelt. In meinen
statements wurde selbstverständlich auf die italienische Maß-
nahme verwiesen und erklärt, daß wir hoffen das so schnell
als möglich diese aufgehoben wird. In Wirklichkeit war auch
bei den Couloirgesprächen von allen Delegationen zu entnehmen,
daß keine daran denkt der wirklich gegen Italien irgend-
welche Gegenmaßnahmen zu setzen. Wenn die Zahlungsbilanz in
Italien so schlecht ist muß man damit rechnen, daß der Staat
Maßnahmen ergreift. In Wirklichkeit geben alle anderen Staaten
zu, daß sie eigentlich dasselbe machen würden. In der Vergangen-
heit hat auch Amerika, Großbritannien, Frankreich und ich weiß
nicht noch welche Staaten ähnliche Maßnahmen gesetzt, um
Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu überbrücken . Man sprach
zwar nicht in der Sitzung aber ansonsten ziemlich offen
daß man auch von Dänemark eine solche Maßnahme erwartet.
Ausserhalb der offiziellen Sitzung gibt es dann das Minister-
treffen wo früher nur der Botschafter und der Minister dabei
war, jetzt aber die Runde erweitert wurde und von jeden Ministerium
ein Vertreter, das heißt jeder Staat mit fast 5 Personen anwesend
ist. Nach einem Essen, dass erst um 9 Uhr begann wurde dann ab
10.30 Probleme erörtert die man nicht einmal in der offiziellen
Sitzung haben wollte . Das lustige dabei ist, daß man bei der
offiziellen Sitzung wo nichts gesprochen wird einen Passier-
schein braucht und sehr streng kontrolliert wird. Bei der inoffi-
ziellen Sitzung wo doch vielleicht ein oder anderes Problem
erörtert werden konnte, waren wir im Hotel De Rhone und in
dem Sitzungssaal ging nicht einmal die Türe zu schließen, sodaß
jederzeit draußen jemand hören hätte können. Die inoffizielle
Sitzung hatte als Tagesordnungspunkte vorgesehen auch über
Spanienbeitritt und über die politische Situation in Amerika
und europäische Staaten nach dem Tod des französischen Präsi-
denten Pompidou den Rücktritt Brandts usw scheinbar eine
tour de horizonte zu starten. Brugger als der Vorsitzende hat
aber nur 2 Punkte ausgerufen, nämlich die Oststaatenbeziehungen
und die OECD-Ministertagung wo es um die Rohstoffe und Energie-
fragen geht. Auch hier eigentlich keinerlei neue Erkenntnisse,
ja nicht einmal irgendwelche vertrauliche Informationen. Alle


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die Probleme und Stellungnahmen waren mehr oder minder schon
bekannt.

Die einzige Erkenntnis die ich aus dieser Tagung zog war,
daß ich in Hinkunft die Statements die ich in englisch halten
muß, wir wollen uns unbedingt einen Übersetzer ersparen, nach
anderen Gesichtspunkten aufbauen werde als bisher. Jetzt ist
es so, daß sich die Beamten zusammensetzen um zuerst in
deutsch, besser gesagt im beamtendeutsch ellenlange Sätze,
die meistens einen ganzen Absatz lang sind zu bauen. Dann
werden diese deutsch schon kaum verständlichen Sätze in eng-
lisch übertragen. Daraus ergibt sich eine Nebensatzschachtelung
die für mich nicht zu bewältigen ist. Ich habe deshalb als ich
von Steiger und Meier erfuhr dass sie in ihrer Abteilung jetzt
einen Mann haben der 10 Jahre in Südafrika gelebt hat, erklärt
mit dem werde ich in Hinkunft die Statements im einzelnen
besprechen. Er müsste ein solches auf einem Niveau bauen
wie er mit Afrikans sprechen würde. Als ich zurückkam hatte
ich deshalb bei Anwesenheit von Meisl, Weiser gerufen,
ein junger ambitionierter Beamter, und mit ihm diese Frage
durchdiskutiert. Ich habe allerdings nur des Gags wegen
erklärt er müsse das nächste Statement in englisch ab-
fassen. Richtig ist aber, daß ich das nächste Mal ein Statement
wünsche welches wirklich mit kurzen Sätzen dies ausdrückt
was man jetzt in ellenlangen Schachtelsätzen immer wieder
mir, sei es in GATT, in Tokio oder bei der EFTA runterlesen
lässt.

Anmerkung für BUKOWSKI: Bitte trachte diesen Standpunkt allen
Ernstes den Kollegen klarzumachen. Ich
glaube daß auch in Englisch kurze Sätze
vielleicht nicht den Beamtenenglisch ent-
spricht aber sicherlich sowie in Deutsch
moderner und aussagekräftiger sind.

SChef Jagoda hat mit MR Degen das neue Preisgesetz, d.h.die Novelle
zum Preisregelungsgesetz fertig gestellt. Degen wäre eigentlich
gar nicht zuständig sonder die Rechtsfragen wurden auf ausdrücklichen
Wunsch Kurzel in seiner Abteilung vorgenommen. Degen hat deshalb
sofort angedeutet, daß er in ganz kurzer Zeit die so notwendige
Novelle erarbeiten musste. Sicherlich wurden in den Besprechungen
mit Jagoda diese Frage auch diskutiert, denn eine Nebenbemerkung
von Degen hat mir klar und deutlich gezeigt, daß er dies als eine
Fleißaufgabe und Sonderauftrag empfindet; richtig ist, daß er


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im Innenministerium als Legist gegolten hat. Allerdings hat
Rösch immer einen Spezialisten nämlich Dr. Freissler die
Aufgaben übertragen gehabt. Eine Andeutung von Jagoda zeigte
mir deutlich, daß Jagoda mit der ganzen Situation noch sehr
unzufrieden ist. Jagoda selbst hatte eine ungeheure Initiative
und möchte seine Abteilungen so in Schuss kriegen, daß er
ähnlich wie bei der Gewerbeordnung sich in jeder Beziehung
100 % ig auf die Mitarbeiter und vor allem auf das Ergebnis
verlassen kann. Da ich überzeugt hin, daß diese Novelle so wie
wir sie jetzt vorgeschlagen garantiert nicht Gesetz wird,
stört mich eventuelle Rechtliche Ungereimtheit gar nicht.
Jagoda ist aber jetzt überzeugt, daß er alles ausgereimt hat und
dieser Gesetzentwurf absolut hieb- u. stichfest ist. Das Gesundheits-
ministerium hat uns eine Stellungnahme übermittelt, wo sie in
ultimativer Form erklärt, wenn ihre Wünsche nicht genehmigt werden,
werden sie im Ministerrat nicht ihre Zustimmung geben. Ich habe
deshalb sofort mit Leodolter gesprochen und sie darauf aufmerksam
gemacht, daß es eine gewiße Grundlinie gibt, die ich nicht ver-
lassen kann. Das Gesundheitsministerium hat allen Ernstes die
Absicht gehabt, man möge ihre Kompetenz nämlich auf pharmazeutischen
Artikeln auschliesslich beim Gesundheitsministerium kompetenzmässig
belassen und unter keinen Umständen Landeshauptleuten Kompetenzen
übertragen, dies hat eine Zweiteilung gebracht welche von mir
nicht akzeptiert werden konnte. Die weitere Folge wäre nämlich
gewesen, daß dann die ÖVP erklärt hätte, wenn das Gesundheits-
ministerium die gesamte Kompetenz haben will dann soll es auch
das Handelsministerium sich behalten und nicht versuchen, die
Landeshauptleute jetzt hier einzuschieben. Genau dies ist es
aber was wir hier dringendst brauchen um nicht zu letzt auch
die ÖVP in eine schwierigere Situation zu bringen. Ausserdem
ist es ja wirklich unmöglich, dass das Handelsministerium
alles exekutiert, von den Handelsspannen bis zu den kleinstem
unbedeutendsten Erzeuger wenn der eben seine Preise exorbitant
erhöht. Auch auf dem Gesundheitssektor gibt es sicherlich
Produkte, ich habe hier immer auf den berühmten Kramperltee
verwiesen der örtlich von Bedeutung sein kann, aber sicherlich
nicht in Wien genau so behandelt werden muß wie pharmazeutische
Markenartikel die sowieso im Gesundheitsministerium alle verbleiben,


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Leodolter hat dies sofort eingesehen und ich habe sie ersucht
sie soll MR Hawlitschek bitten daß er sich noch einmal mit
Jagoda in Verbindung setzt um die offenen Fragen noch einmal zu
besprechen. Geändert kann nichts mehr werden, weil ich den
Entwurf schon fertig habe. Den Wunsch die Anlage A, d.h. die
Liste der preisgeregelten Waren zu vergrössern, das Gesund-
heitsministerium denkt hier insbesondere an die immunbiologischen
Präparate . Sollte nur im NR bei den Verhandlungen vom Gesund-
heitsministerium verlangt werden. Jetzt kann und will ich die
Anlage weder vergrößern noch verkleinern. Leodolter war auch mit
dieser Vorgangsweise einverstanden.

Ing. Engelmayer kam mit dem zweiten Personalvertreter vom
Patentamt wegen der offenen und strittigen Frage Kieslich.
Aus der langen Debatte haben wir dann uns darauf geeinigt,
daß die Personalvertretung keinen Einwand hat daß Kieslich
ins Präsidium kommt, weiters einverstanden ist , daß er dort
Arbeiten zu verrichten hat, die Böhm ihm noch entsprechend
zuteilen will. Die Personalvertretung wendet sich aber nur
dagegen daß er eingeschoben wird und dadurch den jetzigen
zweiten Mann Markwitz von dem Engelmayer auch behauptete
er ist der Kopf vom Böhm, durch den Einschub einen Nachteil
erhält. Genau dasselbe gilt für den dritten Mann Löffler.
den sie jetzt auch dazugebracht haben, dass er gegen den
Einschub protestiert. Unser Vorschlag Markwitz ein Referat zu
geben um dadurch ihm dienstrechtlich gleichzustellen, lehnt
Markwitz angeblich entschieden ab, da er bis jetzt immer gegen
die Referatsbildung aus personalpolitischer Sicht Stellung
genommen hat. Wir einigten uns darauf, daß zwischen der Per-
sonalvertretung und mir strittig ist, wie die schon gegebene
Dienstanweisung die sie nicht bekämpfen, sondern nur die Folgen
dieser Dienstanweisung eventuell gemildert werden könnten.
Als einziger Ausweg wäre vielleicht eine neue Konstruktion wobei
selbstverständlich unsere politische Absicht daß Kieslich
alle Einstellungen und Versetzungen sehen muß,gewährleistet
werden müsste. Die Hauptschwierigkeit besteht aber darin, wie
wir dies erreichen ohne es expressis verbis auszudrücken.



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ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND HEINDL: Hier müßten wir eine bessere
Konstruktion finden.

Die Dienstanweisung hat die Personalvertretung zur Kenntnis
genommen, wird nun durchgeführt da sie keine aufschiebende
Wirkung hat. Engelmayer selbst hat eingesehen daß er hier kaum
mit mir verhandeln kann. Hier werde ich nicht nachgehen. Anderer-
seits war er sehr bemüht darzulegen, daß er von mir als Gewerk-
schafter erwarte daß die Personalvertretung das Gesetz natürlich
so extensiv wie möglich auslegt. Er war glaube ich sehr erstaunt
von mir zu hören, daß ich dies sogar von ihm erwarte. Was ich
nicht verhindern kann werde ich nicht bekämpfen. Da ist meine
Taktik immer, daß ich sofort auf die Linie einschwenke und dann
versuche mit anderen Methoden meinen Willen durchzusetzen. Nichts
ist sinnloser als gegen irgend etwas anzurennen was man sowieso
nicht verhindern kann. Engelmayer wird deshalb wegen der Folgewirkungen
nicht aber aus der Sache selbst heraus die Dienstanweisung bekämpfen.
Damit ist ein weiterer Erfolg insofern erzielt, als wenn es im
Parlament zur Sprache kommt und für mich ist es klar, daß Engel-
mayer
oder der ÖAAB dies wird machen, ich jederzeit darauf verweisen
kann, es ging gar nicht darum eine politische Aktion zu setzen.
Sehr interessant war eine diesbezügliche Bemerkung Engelmayers
über die seinerzeitige Einstellung Jagodas. Er meinte, daß hier ,
als ich meine Verwunderung ausdrückte, Schipper eine Weisung
wollte, eben er sich absichern wollte, in diesem Fall fiel auch von
Engelmayer die Bemerkung politisch absichern. Er hat natür-
lich dann im weiteren Gespräch dies sofort wieder abgeschwächt.
Überhaupt sind Aussprachen mit Engelmayer sehr interessant, es
ist ein richtiges Florettfechten. Jeder weiß vom anderen was er
in Wirklichkeit beabsichtigt, keiner gibt aber klar und deutlich
zu erkennen wo der Angriff und wo der schwache Punkt liegt, sondern
jeder versucht um den heißen Brei solange herumzureden, bis er
entweder seine Meinung durchgesetzt hat, oder eben kapitulieren
muß. Engelmayer hat mit Stolz darauf verwiesen, daß er bis jetzt
alle Beschwerden an die Zentralstelle noch gewonnen hat. Dies
wundert mich persönlich gar nicht, weil ich immer davon über-
zeugt war, daß die Zusammensetzung im Bundeskanzleramt dieser
Personalaufsichtstelle oder wie sie heißt, eine Garantie dafür
ist, daß die Personalvertretung immer Recht bekommt. Wie man damit
allerdings eine richtige Personalpolitik im Ministerium machen soll,
hat man sich scheinbar als das Gesetz gemacht wurde und vor allem die
Kommission zusammengesetzt wurde, niemals den Kopf zerbrochen.

Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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    Tätigkeit: Gesundheitsministerin


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      Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


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        Tätigkeit: Beamter HM


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            Tätigkeit: Beamter HM, Sohn v. Alfred Weiser (GD Bunzl & Biach)


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              Tätigkeit: Straßburg


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                Tätigkeit: MR HM


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                  Tätigkeit: Präsidialabteilung Patentamt, ab 1981 Sekr. im Bautenministerium [lt. Text einziger Sozialist im Patentamt]


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                    Tätigkeit: Beamter HM


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                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                      GND ID: 102318379X


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                          Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                            Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


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                              Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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                                Tätigkeit: franz. Staatspräsident


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                                  Tätigkeit: MR HM


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                                    Tätigkeit: Personalvertretung HM


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