Sonntag, 28. April 1974
Ich hatte am Vormittag im Musikvereinssaal Gelegenheit, Kreisky
über die Stellungnahme der Steirischen ÖVP zu informieren. Er
ist davon überzeugt, dass Strache, der Organisationsreferent
in der Löwelstrasse ein äusserst tüchtiger Mann ist und der
die entsprechenden Vorbereitungen mit den Kapfenbergern ge-
meinsam treffen wird. Mein Vergleich auch bei den steirischen
ÖVP-lern war, das ich sagte, es gehört schon eine grosse
Portion Unvernunft dazu die wahrscheinlich sozialistischste
Stadt Kapfenberg als Ausgangspunkt für den Präsidentschafts-
kandidat der ÖVP der kein Steirer ist in der Steiermark derzeit
auch keine Chance hat, Niederl in seiner Tournee zu konkurrenzieren
zu starten. Es nebenbei gesehen noch eine Provokation ist,
konnte ich mit einem Vergleich glaube ich am treffendsten
charakterisieren. Alle unsere bisherigen Präsidenten waren
keine Katholiken. Was hätte die ÖVP Steiermark dazu gesagt,
wenn wir in Mariazell unseren Kandidaten gekoren und dann
von dort die Kampagne gestartet hätten. Abgesehen davon, daß
dies weder Körner noch Jonas jemals zugestimmt hätten, wären
für diese Nichtkatholiken wahrscheinlich die gesamte katholische
Bevölkerung gerade durch den Start in Mariazell schockiert
gewesen. Withalm ist ein Wirtschaftsbündler, Withalm ist ein
harter Mann gegen die Interessen der Arbeiterschaft gewesen
und damit jetzt nach Kapfenberg zu gehen ist wirklich so
zu verstehen, daß eben junge Leute, Steinbauer ihr Presse- u.
Propagandamann soll dafür verantwortlich sein, gelinde gesagt,
unerklärlich. Vielleicht hilft es uns aber denn eine schlecht
gestartete Kampagne hat mit riesigen Nachteilen auch während
einer gewissen Anlaufzeit zu rechnen. Da der Wahlkampf ja
verhältnismäßig kurz ist, kann es sich insbesondere wenn es
doch ruhig über die Bühne geht und in Kapfenberg es nicht zu
grösseren Wirbeln kommt, was ich nicht hoffe, aber auch nicht
annehme, für uns nur günstig sein.
Abends beim Abholen des Bundespräsidenten Brugger hat mir
Kreisky neuerlich mitgeteilt, daß ereben die Vorverlegung der
Bestellung Kirchschlägers auf Dienstag deshalb macht, damit
man eben am Donnerstag bei der ÖVP in Kapfenberg schon den
gekürten Kandidaten zumindestens auf den Plakaten und sonstigen
Anschlagsmöglichkeiten präsentieren kann. Ich bin zwar nicht
überzeugt, daß ausschliesslich die ÖVP Entscheidung nach
Kapfenberg zu gehen und Withalm zu nehmen, Kreisky veranlasst hat,
20-0514
Kirchschläger eben Donnerstag schon vom Parteivorstand
und Parteirat wählen zu lassen, wohl aber, daß dies ganz
gut in sein Konzept. Sicher ist dagegen, daß Kreisky hier
vor längerer Zeit mit Benya schon Kontakt nehmend auch die
Taktik des Parteirates durchgesprochen hat und sich damit
Unterstützung der Sozialistischen Fraktion gesichert hat.
Wenn man erst erlebt, wie die ÖVP obwohl sie in Opposition
ist doch im Grunde genommen ausserstande ist, daß sich zu
koordinieren und wirkliche zweckmässige Entscheidungen
herbeizuführen, dann kann man doch im Grunde genommen sehr
zufrieden sein, wie dies derzeit von Kreisky bei uns in der
Partei geschieht.
Bei der Fahrt vom Flughafen zur Botschaft hatte ich Gelegen-
heit mit Brugger über die Wirtschaftssituation der Schweiz
aber auch Österreich zu diskutieren. Interessant ist, daß
auch in der Schweiz wie mir Brugger erzählte, das erste Mal
die Bauern auf die Strasse gegangen sind und er ebenfalls
dem Milchpreis um 5 Rappen, das entspricht annähernd unserer
Milchpreiserhöhung zugestehen musste. Die Konjunkturlage ist
in der Schweiz genau so günstig wie bei uns und Brugger ist
sichtbar erleichert, daß nun auch wir uns schön langsam
seinen Preissteigerungsraten annähern. Scheinbar spielt
es in der Propaganda auch in der Schweiz eine grosse Rolle
wenn andere Staaten tiefer liegen als die Schweiz.