Mittwoch, 16. Jänner 1974
Der neue italienische Botschafter Cagiati intervenierte,
dass AGIP von der ÖMV um 32 % weniger Ofenöl extra leicht
bekommt. Dies sie eine Diskriminierung der italienischen Firma
und er hat angenommen, ich könnte bei der ÖMV intervenieren.
Damit meinte er, würde das gute Verhältnis zwischen den Firmen
wieder hergestellt. Ich erklärte ihm, dass Ofenheizöl extra leicht
nur in einer österreichischen Raffinerie verfärbt werden darf,
weshalb Direktimporte ausgeschlossen sind. Ich versprach ihm
aber, dass das von ihm schriftlich vorgelegte Aide Memoire
der ÖMV zur Stellungnahme zu schicken und ihn dann über das
Ergebnis zu informieren. Gleichzeitig nützte ich die Gelegen-
heit, um über die Ölexportpraktiken Italiens mich zu beschweren.
Siche rist es keine Diskriminierung, wie der Botschafter gelich
replizierte, da ja alle anderen Staaten ebenfalls solchen Beschrän-
kungen unterworfen wurden. Cagiati gab aber zu verstehen,
dass er den ENI-Direktor Girotti gut kenntn und er mit ihm über
die zukünftige Ölpolitik reden wird. Ich intervenierte gleich-
falls auch über die schlechte Belieferung von Reis aus Italien,
wobei der Botschafter allerdings mit Recht erwiderte, das die
heute nicht mehr von Rom sondern von Brüssel geregelt wird.
Üer die Schwierigkeiten des Vieh-Exportes war er nciht informiert
teilte mir aber mit, dass von den Franzosen jetzt im Rahmen der
EG eine noch extremere autonome Vieh-Politik betrieben weren
soll. In diesem Fall würde Österreich eine wesentlich schlechtere
Exportmöglichkeit in Zukunft haben. Er nahm meine Intervention
zur Kenntnis, erklärte allerdings, dass auch hier die Entschei-
dung bei Brüssel liegt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Vielleicht kannst Du feststellen, ob das
Landwirtschaftsministerium über die neue
Vieh- Import- und Exportpolitik der Gemein-
schaft, die insbesondere den italienischen
Markt so stark betrifft, informiert ist.
Der saudi-arablische Botschafter Basrawi kam mit dern ähnlichen
Absicht wie der ägyptische, nämlich nur die freundschaftlichen
Grüsse auszurichten und zu erklären, dass auch Saudi-Arabien
alles unternehmen wird, um die österreichische Wirtschaft mit
Öl zu versorgen, Er legte ganz besonderen Wert darauf, dass
so schnell wie möglich eine österreichische Delegation nach
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Saudi-Arabien kommt um hier Kooperationen und sonstige Zusammen-
arbeitsverträge mit Saudi-Arabien- Firmen abzuschliessen.
Die 125. Jahre Festversammlung im Musikvereinssaal wurde eigenartig
gestaltet. An Stelle einer langen Festrede hat die Kammer einen
Wie sie es nannte Bilderbuchabschnitt "Geschichte Österreichs
und insbesondere der Wiener Handelskammer" gegeben. Marboe hat
hier eine Kombination zwscihen Tonband und zwar Musik aber auchä
Text und Gedichte gesprochen von verschiedensten Sprechern und den
lebenden Ernst Meister, der zwischendurch ebenfalls einen Text
verlas, kombiniert. Für mich war das gnaze ein bisschen ein
Durcheinander, nachdem eine chronologische Reihenfolge nicht
zu erkennen war. INteressant waren immernur wieder die Bemerkungen,
dass die Kammer mit 4 Angestellten gegründet und selbst um die
Jahrhundertwende nur 14 oder 15 Angestellte hatte. Als es dann zur
neueren Zeit ging, wurde über die effektive Bürokratie nichts mher
gesagt. Ein bisschen hat er zuerst überhaupt utopisch begonnen,
als die 200 Jahr-Feier angedeutet wurde und dort erklärt, eine
neue Gewerbeordnung wurde geschaffen. Wäre ich dort als Redner
eigetragen gewesen, was ich Gott sei Dank nicht war, hätte ich
sicherlich darauf repliziert, dass wir auch zur 125 Jahr-Feier
jetzt eine neue Gewerbeordnung geschaffen haben. Da das nö. Tonkün-
stlerorchester die ganze Zeit am Podium sass, hätte ich, wenn ich
die ganze Gestaltung gehabt hätte, doch mehr die lebenden
Musiker und den lebenden Ernst Meister als Sprecher eingesetzt.
Mitterer hat in seiner Festansprache entsprechende Forderungen
über dne Export und über den Fremdenverkehr aufgestellt, Am
Abend beim Empfang habe ich ihm deshalb gesagt, dass vormittags
die Forderung aufgestellt wird, nachmittags schon erfüllt ist.
Der Export ist bekanntlicherweise im November um 20 % und auch
die Übernachtungen sind um fast 8 % im November gestiegen. Ein
deutlich sichtbarer Aufschwung, der hoffentlich längere Zeit
anhalten wird. Ich selbst bin davon überzeugt. Kreisky hat in
seiner Ansprache sehr geschcikt der Handelskammer versprochen,
dass die Regierung ganz unabhängig der politischen Führungs-
kräfte der Handelskammer diese stets zur Zusammenarbeit heranziehen
wird und der Wirtschaft versprochen, dass es weder eine Plan-
wirtschaft nocch eine laissez faire laissez passer geben wird.
Jonas, der sich seine Reden ja alle selbst macht, sehr zum
Leidwesen seines Pressereferenten Skalnik, hatte als Ausgleich
auch immer wieder so wie bei vergangenen Gelegenheiten neben
der Handelskammer auch die Arbeiterkammer herausgestrichen.
Mitterer will alles slebst machen und schusselt natürlich
daher, ungeheuer herum. U,a, hat er die Festfolge durch seine
Anweisung ganz durcheinander gebracht. Man soll eben nicht gleich
zeitig Regisseur, und Akteur sein. Die Regie hätte er bessere
anderen überlassen. Ansonsten aber war er sehr aufgeräumt in
jeder Beziehung, man konnte ihm direkt ansehen, wie er glück-
lich war, wieder einma agieren zz können.
Die Aussprache mit Gen.Intendant Bacher, Fernsehdirektor Zilk
und Dr. Weis war für mich sehr itnerssant. Ich hatte einleitend
sofort festgehalten, dass ich eigentlich nur vom ORF selbst Vor-
schläge erwarte, wie sie im FAlle X die entsprechenden Kürzungen
ihrer Programme vorschlagen würden. Nicht ich habe ihnen ein Zeit-
limit gegeben, sondern habe erklärt, derzeit sei eine Kürzung
überhaupt nicht beabsichtigt udn sie sollte nur entsprechende
Vorbereitungen selbst treffen. Die bErechnungen, die Weis dem
Bundeskanzler über Bacher geschickt hat, ersuchte ich entspre-
chend noch einmal zu überprüfen und mit den Äusserungen anderer
Stellen abzustimmen. Bacher selbst argumentierte sofort dahin-
gehend, dass er gar keinen Gegensatz zwischen Regierung und
Fernsehen erwartet, denn das Fernsehen wird jede Weisung, die
sie von der Regierung bekommt, durchführen. Er möchte eben
nur auf die Folgen aufmerksam machen. Da ihc seinerziet ja
überhaupt nicht der Initiator dieser Idee der Verkürzung
des Fernsehprogrammes gewesen bin, hatte ich es besonders
leicht, sofort zu replizieren, dass wir auch von Seiten der
Regierung nicht beabsichtigen, irgendwelche Einschränkungen dem
Fernsehen aufzuerlegen. In Wirklichkeit msüsten, wenn tat-
sächlich die Krise eintritt,dann die Bundesregierung selbst
grösseres INteresse haben, dass mit der über die Massenmedien,
Fernsehen und Rundfunk der Bevölkerung vorgesetzt wird, um die
damit ein wenig über die triste Lage hinwegzuhelfn. Dies ist
zumindestens wie Bacher mir erklrte, die Auffassung des
deutschen und des schweizerischen Fernsehens. Wir hatten dann
noch eine lange Diskussion über die Berichterstattung vom
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Fernsehen, insbesondere im Hinblick auf die Ölkrise. Da
weiss verhältnismässig spät, nämlich erst im Dezember eine
ausführlichere Fernsehdiskussion über die Ölsituation ab-
hielt, habe ich mit recht wie ich glaube, kritisiert, dass
doch Wochen hindurch das Fernsehen entsprechende Aussagen
machte, ohen dem dafür verantwortlichen Minister die Mög-
lichkeit zur REplik zu geben. Bacher meinte, es wäre ein Leichtes
gewesen, hätte ich entsprechende Sendezeit verlangt. Dies
erklärte ich aber lehne ich im Prinzip ab, da dies nicht
meinem Stil entspricht, irgendwo eine Bevorzugung zu
verlangen. Wenn das Fernsehen objektiv berichtet und alle
Meinungen zu Wort kommen lassen will, erscheint es mir
selbstverständlich, dass es sich dann auch bemüht, die zu-
ständige Stelle, den verantwortlichen Minister entsprechend
in die Sendungen einzuschalten.
Beim Abendempfang traf ich Nekula und Reisinger und erörterte
mit ihnen die zukünftigen Strompreisverhandlung. Reisinger
hat allen Ernstes gehofft und geglabut, er kann 12 Groschen
für die kWh bekommen. Ich setze ihm dezidiert auseinander,
dass ich 8 Groschen jetzt bei der AK und beim ÖGB durch habe
und auch die Landwirtschaft dem zustimmte. Die Handelskammer
selbst wünscht nur für den Stromintensiven und insbesondere
auch für die Industrie entsprechende niedrige Sätze. Nekula
selbst möchte und das finde ich für richtig, die Tarife, wo
gewisse Mindestmengen verbraucht werden müssen, um in den
Genuss dieses verbilligten Satzes zu Kommen, in Hinkunft aus
der Tarifgenehmigung ausgenommen. Die jetzt schon bestehenden
Tarifabnehmer sollen – wie er sich vorstellt, in drei Etappen
entsprechend angehoben werden. Ich habe Reisinger vorgeschlagen,
er soll für ide übermorgige Sitzung der soz. Energieleute ent-
sprechende VOrschläge vorlegen.
Anmerkung für GEHART: Vielleicht kannst Du von Burian die ent-
sprechenden Vorschläge auch der anderen Län-
der bkeommen.
Präs. Schoeller und auch Gen.Dir. Bayer von Böhler sowie Gen.Dir.
Wick von der ÖAMAG diskutierten mit mir den Persienbesuch.
Schoeller fürchtt, dass wenn wir mit so einer grossen Delegation
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kommen, es nicht möglich sein wird, auch nur einen annä-
hernden TEil von Experten auf iranischer SEite zu bekommen.
Bayer insbesondere berichtete, dass er jetzt in Teheran war,
dort z.B. im Handelsministerium zwei Stunden warten musste,
und dann die Auskunft erhielt., in einer Fünf-Minuten-Dis-
kussion, man soll sich doch am Abend um 11 Uhr nachts neuerdings
treffen. Bayer, der jetzt auch auf Wunsch des Schahs ein
Edelstahlwerk errichten soll, hat eine facility study gemacht
aus der klar und deutlich hervorgeht, dass diese Fabrik
passiv arbeiten würde. Trotzdem bestehen die Perser auf einer
ERfüllung dieser seinerzeitigen Zusage, ihnen bi der Errichtung
eines Edelstahlwerkes zu helfen. Schoeller hat die grosse Angst,
dass die Riesendelegation und letzten Endes auch die Kleine
Kommission, die diese Delegation führen wird, ein Misserfolg
werden muss, weil die entsprechenden Partner auf der anderen
Seite nicht vorhanden sein werden. Deshalb glaubte er, wäre
es zweckmässig, wenn eventuell sogar er 14 Tage vorher bereits
nach Persien fährt. Ich selbst habe ihm sofort zugestimmt und
er wird diesbezüglich mit Sallinger sprechen. Noch besser,
meinte ich, wäre es, wenn er schon anfangs Feber nach
Persien fahren könnte und dann mit sehr konkreten Vorstellungen
österreichischer Experten und Firmen die notwendigen Gegen-
seitigen Experten die Perser dahin zu bringen, dass sie tat-
sächlich am 25. Feber zur Verfügung stehen. Er wird mit Sallin-
ger einen Plan ausarbeiten.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Ich glaube, dass es wirklich notwendig
ist, so schnell wie möglich durch Meisl
feststellen zu lassen, wer aller jetzt
konkret mit konkreten Geschäften mit-
fährt. Dann müsste man entweder über de
Handelsdelegierten und die Bundeskammer
oder gegebenenfalls über unsere Bot-
schaft die notwendigen Vertreter aufder
anderen Seite mobilisieren.
Tagesprogramm, 16.1.1974