Donnerstag, 13. Dezember 1973
Ein Telefongespräch mit Bundesrat BRugger bringt für mich das
überraschende Ergebnis, dass auch die Schweiz keinerlei Bewirt-
schaftungsmassnahmen konkret vorbereitet hat. Brugger rechnet fest,
dass er im nächsten Jahr die Bewirtschaftung oder Kontingentierung
einführen muss und jetzt erst lässt er die Marken drucken. Jeder-
mann hätte angenommen, dass dies in Schweiz längst schon geschehen
ist. Brugger wird wegen des Sonntagsfahrverbotes hart attackiert
weil im November gegenüber dem Vorjahr ein stärkerer Import von Ölpro-
dukten zu verzeichnen war, im Dezember aber erklärt mir Brugger
hätte die Zulieferung um fast ein Viertel abgenommen. Was ihn ver-
ständlicherweise sehr beunruhigt. Ich ersuche ihn trotzdem soweit
wie Möglich die Exporte nach Österreich nicht zu drosseln und verweise
insbesondere darauf, dass die Schweiz für die Vorarlberger Wirtschaft
gerade was das Heizöl schwer betrifft, von ausschlaggebender Be-
deutung ist. Brugger verspricht mir, die Lage neuerdings zu über-
prüfen, sagt mit Recht, dass ja gar kein Exportstop oder auch nur
administrative Unterbindung von Heizöl schwer-Exporte nach Öster-
reich verfügt wurden, dass ja sogar ununterbrochen Heizöl, schwer,
exportiert wird und er wird mir noch nach genauerer Untersuchung
Bescheid geben.
Eine gleiche Intervention mache ich ihn Bonn, nur kann ich dort
Wirtschaftsminister Friderichs nicht persönlich erreichen, sondern
muss dies seinem Büro nur mitteilen. Ich ersuche deshalb auch, dass
Friderichs irgendwann einmal zurückruft. Diese beiden telefonischen
Interventionen waren deshalb von grosser Bedetung für mich, da
ich mich erstens überzeugen konnte, dass die anderen auch nur
mit Wasser kochen und zweitens dass ich darauf hinweisen kann,
dass ich alles unternommen habe, um eben die Versorgung Öster-
reichs sicherzustellen.
Gen.Dir. Bauer, Meszarosch und Kreutler erklären mir dezidiert
dass die Jänner-Versorgung nach ihren Ziffern schlechter ausfallen
wird als dies bis jetzt angenommen wurde. Sie plädieren deshalb un-
bedingt für eine Bewirtschaftung und Kontingentierung. Als einziges
Ergebnis irher bisherigen Besprechungen mit Fachleuten, die früher ei
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eine Bewirtschaftung bei ihnen durchgeführt haben, ergibt sich, dass
die Marken nicht nach Wien geschcikt werden sollen, sondern von
den Tankstellen in Landeszentralstellen gesammelt und den Landes-
regierungen zur Verfügung gestellt werden. D.h. die Abrechnung
bis dorthin noch mit den markenmässigen Belegen erfolgt und dann
die Gesamtsumme nach Wien gemeldet wird. Die von mir verlangte
konkrete Unterlage über die Bewirtschaftungswünsche der Produktion
liegt ncoh immernicht vor und Meszarosch verspricht es mir für den
nächsten Tag.
Bauer spricht sich neuerdings gegen konkrete Verhandlungen mit Iran
über die Errichtung einer gemeinsamen Raffinerie aus. Er behauptet,
dass überhaupt keine konkreten und akzeptable Vorschläge der Perser
vorliegen. Westdeutschland hätte jetzt die Absicht, eine 25 Mill.t-
Raffinerie in Persien zu errichten, die sie planen, aufbauen,
finanzieren muss und dafür nur die einzige GEwähr hat, dass mit
Produkten dieser Raffinerie alles abgezahlt werden soll. Eine
Konstruktion kommt irrsinnig teuer und bringt nichts als die Hoffnung
doch auf längere Zeit den Produktenbezug aus Persien zu sichern.
Die ÖMV beabsichtigt aber ganz konkret ihre Kapazität von 10 auf
14 Mill. t zu erhöhen, eine Produkten-Pipeline nach dem Westen zu
bauen und in Oberösterreich ein zentrales Tanklager zu errichten.
Damit glaubt sie, wären alle Voraussetzungen für eine Versorgung
Österreichs besser sichergestellt als durch Neubau einer Zweit-
raffinerie mit Persien, entweder in Iran oder in Österreich.
Die Versorgung mit Rohöl im Jänner ist nur teilweise sichergestellt.
Die Libyer haben erklärt, dass wenn sie überhaupt Öl liefern, der
Preis auf alle Fälle offen bleibt. Zu diesem Zweck wird jetzt die
ÖMV einen Mann nach Libyen schicken, der ein Offert abgibt, wo
zwar im Offert 9.80 $ für das Barrel angeboten wird, doch hat er
Briefpapier mit, dass wenn die Libyer erkennen lassen, dass dies
unakzeptabel sei, die ÖMV sofort ein neues Offert ausstellt, wo
ebenfalls der freibleibende Preis akzeptiert wird.
Dieselölpreis ist in Deutschland gefallen von 260 $ auf 210 $
liegt damit aber noch immer wesentlich höher als unser österr. In-
landspreis. Importe werden deshalb nur sehr schwer durchgeführt
werden können. Trotzdem ersucht die ÖMV, dass man das Zollfrei-
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kontingent, das für 1973 gegolten hat, auf 1974 zu verlängern.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort die Abteilung beauftragen, beim
Finanzministerium um Verlängerung anzusuchen.
Der neue iranische Botschafter Sadri möchte, nachdem er in Graz
studiert hat und die österreichischen Verhältnisse sehr gut kennt,
mit der Industrie engeren Kontakt aufnehmen. Er erwartet die
Unterstützung des Handelsministeriums und ich hab sie ihm natür-
lich sofort zugesagt. In letzter Zeit wo er noch in Persien war,
seien Ziegeleien ausgeschrieben gewesen und er hätte erwartet,
dass sich die gut organisierten oberösterreichischen Ziegeleien
– er denkt hier sicherlich an die Fa. Leitl – daran beteiligen.
Leider hätten die Japaner und die Deutschen diesen Auftrag weg-
geschnappt. Er möchte aber auch ganz besonders mit der verstaat-
lichte Industrie Kontakt aufnehmen, da gemeinsame Raffinerien
oder Stahlwerke errichtet werden sollten. Sadri hat mir kein Wort
gesagt, dass der Schah nach Österreich kommt sondern erst der
Bundespräsident hat mich nachmittags verständigt, dass strengst
vertraulich er am 27. und 28. 12. nach Wien kommt, wahrscheinlich
von seinem Schiurlaub und Bundespräsident ein Dinner und ein Conter-
dinner gegeben wird. Er meinte, ich müsste daran unbedingt teilneh-
men und er beabsichtigt auch die Präsidenten der Interessensver-
tretungen zu laden. Die werden sich wahrscheinlich genau so freuen
wie ich. Einmal im Jahr möchte ich Urlaub machen und dann kommt dies
dazwischen.
Bei der ao. Mitgliederversammlung des Kuratoriums für Verkehrssicher-
heit, wo man mir wegen meiner angeblichen Verdienste um diese
Institution die Ehrenmitgliedschaft verlieht, benützte ich die Ge-
legenheit, um die wichtigesten Chefs der Versicherungen insbesondere
die Gen.Direktoren Hajek und Zimmer sowie die Vertreter der Kraft-
fahrverbände Dr. Veith ÖAMTC, und Effenberger, ARBÖ, über meine
Absichten zu informieren und ihre Zustimmung zu erreichen. Ich
schlug ihnen vor, dass wir zwei autofreie Tage nach Wahl des
Autobesitzers im Jänner einführen sollten und müssten. Da für
diesen Zeitpunkt keine wie immer geartete Möglichket der tech-
nischen Abwicklung von Zusendung von Pickerln oder sonstigen
Papieren möglich ist, Hajek bestätigte mir, dass dies bis
Mitte Jänner ganz unmöglich sei, wird sich jetzt die Arbeit eines
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von Hajek sofort organisierten Arbeitsgruppe, an der auch
der ARBÖ und der ÖAMTC teilnehmen sollten, mit der Frage der
Bewirtschaftung beschäftigen. Auch dafür benötigen sie eine
gewisse ZEit. Der Ausdruck von Bezugsscheinen als streng ver-
rechenbare Drucksache wird vom Versicherungsverband, wenn irgend-
wie möglich, organisiert. Nur den Versand vorzunehmen, d.h. dass
sie konkret die gedruckten Bezugsscheine bekommen und dann kuver-
tieren, würde nach übereinstimmender Meinung dem Schwindel Tür
und tor öffnen. Die grössere GEwähr besteht, wenn Spezial-
papier zum Ausdrucken über Endlosdruckformulare zur VErfüguzng
gestellt wird. Ich versprach ihnen, dafür Beamte abzustellen,
die die Arbeit überwachen würden. Die Unterschleife ist in einem
solchen Fall geringer als wenn Marken beigelegt werden. Ausserdem
könnte für jeder Kraftfahrzeug der Bezugsschein durchnummeriert
werden und im Computer Name und Nummer festgehalten werden.
Das wichtigste aber ist, dass diese Bezugsscheine zugestellt
werden und damit kein komplizierter Behördenapparat aufgebaut
werden muss, um über 2 Mill. Kraftfahrzeugbesitzern eine Bezugsbe-
rechtigung zukommen zu lassen. Das Hauptproblem für mich ist nur
noch, wie die Fälschungen weitestgehend verhindert werden können
und wie die zusätzlichen Kontingente für die bevorzugten Gruppen
wie Ärzte usw. verteilt werden können. Dies kann nur über die
Bezirkshauptmannschaften erfolgen und zwar mit getrennt gedruckten
Karten .
Beim Begräbnis HIllegeist bin ich mit Withalm gegangen, der mir
erklärte, jetzt komme die Zeit für die Opposition. Er glaubt,
sie müssen nur jetzt die Hand aufhalten und dann fällt ihnen schon
auto atisch alles hinein. Die Abnützung und die Abnützungser-
scheinungen seien für eine Regierung das wisse er aus Erfahrung
ungeheuer und selbst wenn Kreisky noch einmal kandidiert, wirdes
zu keiner absoluten Mehrheit mehr kommen. Er ist fest davon über-
zeugt, dass sich dasselbe bei uns wiederholt wie bei der ÖVP-
Zeit 1966-70. In einem hat er auf alle Fälle recht, wenn er sagt,
welche mörderischer Job ein Ministeramt ist und dass auf alle
Fälle die Abnützungserscheinungen früher oder später kommen
müssen. Er kalkuliert oder spekuliert nur jetzt auf den wirt-
schaftlichen Rückschlag infolge der Energiekrise und dass man
dafür, wer immer auch tatsächlich schuls sei, die Regierung
verantwortlich machne wirdn. Die Leute fragen nicht nach der
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Ursache, sie sehen nur die Wirkung und schuldig ist die Regie-
rung. Hier hat er sicherlich recht.
Dr. Veith teilte mir mit, dass der ÖAMTC mit seinen Schwester-
organisationen im Ausland konkrete Verhandlungen führt, damit
ein einheitlicher europäischer Benzingutschein geschaffen wird.
Der ÖAMTC würde über siene Schwesterorganisationen im Ausland dies
sen international gleichgleibenden und für alle Staaten
giltigen Bezugsscheinbuck verteilen, das Gast sollte, wenn er
über die Grenze geht, den Eintritt zu bestätigen, würde dann
für jeden Tag, den er in Österreich sich aufhält, ein entsprechen-
des Benzinkontingent beziehen und bei der Ausreise wieder mit
dem Ausreisestempel seine Bezugsberechtigung nachweisen. In diesem
Fall wären die Zöllner nur verpflichtet, das Eintrittspapier
zu stempeln und hätten keine zusätzliche andere Arbeit. Die
Benzinmarken müsste sich dann der Gast bei der Bezirkshauptmann-
schaft abholen. Oder wir errichten an den wichtigsten Grenz-
stellen für Ausländer Ausgabestellen. Diese ganzen Fragen ge-
hörten eigentlich jetzt von Spezialisten durchdiskutiert,
da sie wahrscheinlich doch irgendwann einmal im Jänner des
nächsten Jahres gelöst werden müssen.
Wichtig erscheint mir aber, dass wir jetzt die Ausnahmegenehmigung
zumindestens richtlinienmässig für die Bezirkshauptmannschaften,
die diese Ausnahmegenehmigungen bestätigen müssten, zusammen-
fassen, da sie ja in die Verordnung aufgenommen werden müssen.
Wir haben, wenn die Bundesregierung mir Montag zustimmt, nur mehr
eine Woche Zeit, um diese Verordnung mit den Interessensvertretun-
gen und den Kraftfahrverbänden abzusprechen. Hier wird es wirklich
höchste Zeit, diese Vorarbeit zum Abschluss zu bringen. Ich bin
deshalb fest entschlossen, Samstag eine entsprehcnede Besprechung
ins Ministerium einzuberufen. Freune wird dies zwar neimanden
aber ich sehe keinen anderen Ausweg.
Effenberger teilte mir mit, dass er Hobl aufmerksam gemacht hat,
dass in Wien Sen.Rat Colloseum ein Modell entwickelt hat,
das bis in die letzten Details eine praktikable Bewirtschaftung
beinhaltne soll. Effenberger ist sehr erstaunt, dass HObl mir da
von keine Mitteilung gemacht hat., weiss allerdings auch nicht,
ob Hobl wirklich schon mit Colloseum, der er gut kennt, gespro-
chen hat.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort mit Colloseuum Kontakt herstel-
len.
Rösch erzählt mir, dass sein Jurist, Kreissler , der äusserst
geschickt ist und auch als Fachmann anerkannt ist, erklärte,
dass bei dem neuen Gesetz über fahrerlose Tage die Mitwirkung
der Polizei und Gendarmerie keinesfalls einwandfrei gesichert
ist. Er schlägt deshalb vor, man müsste die Bestimmung der
Strassenverkehrsordnung, wo die Mitwirkung der Polizeiorgane und
Gendarmerie genau festgestelt ist, auch in das neue Gesetz übern
nehmen. Min.Rat Pahr vom Verfassungsdienst, mit dem ich moch
sofort ins Einvernehmen setze, meint ausflüchtend, dass auch
bei der Baupolizei, d.h. bei der Bauordnung die Mitwirkung nicht
so eindeutig im Gesetz ausgesprochen ist. WEnn en Haus einstürzt
kann die Verwaltungsbehörde sich eben der Polizei bedienen und
z.B. das Haus mit Gewalt zu räumen. FÜr mich en sehr hinkender
Vergleich und ich mache Heiz Fischer auf diesen unbefriedigenden
Zustnd aufmerksam. Ich erkläre ihm dezidiert, dass man so nicht
arbieten kann. Ich habe ausdrücklich verlangt, dass die Be-
stimmungen über den Kraftfahrlosen Tag in die Strassenverkehrs-
ordnung als eigener Paragraph, von mir aus als eigener Ab-
schnitt hätte eingefügt werden müssen. Aus rechtssystematischen
und cih weiss nicht was noch für formellen Gründen wurde dies
letzten Endes vom Verfassungsdienst abgelehnt, mit gleich-
zeitig aber versichert, dass die Mitwirkung von Polizei und Gen-
darmerie bezüglich der Kontrolle einwandfrei rechtliche ge-
regelt ist. Jetzt stellt sich heraus, bevor dieses Gesetz
noch beschlossen ist, dass Juristen an dme neuen Gesetz und
dessen Konstruktion zweifeln. Ich verlange deshalb, wenn
die Bedenken zutreffen eine entsprechende Aufnahme in das Gesetz.
Rösch ist allerdings der Meinungn, wenn dies ncht mehr gelingen
sollte, bräuchte ich mir auch keine graune Haare wachsen zu
lassen, denn er würde ganz einfach die Polizei und Gendarmerie
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anweisen, dass sie die Kontrolle, die sowieso ja nur auf dem
Papier stehen wird, durchzuführen hat. Wenn allerdings in der Öffent-
lichkeit dann die Rechtmässigkeit bezweifelt wird, ich bin
überzeugt davon, einige Zeitungen werden dies aufgreifen, dann
kann man von vornherein schon die ganze Aktion abschreiben. An
diesem BEispiel demonstriert sich wieder einmal wie es unmöglich
ist, von der Überlegungen des Rechtsstaates ausschliesslich dem
juristischen Denken nachgebend konkrete wirtschaftliche Phänomene
richtig zu erfassen und zu bewältigen. Heinz Fischer ein Jurist,
der an und für sich verständlich auf der rechtsstaatlichen LInie
liegt, muss mir zugeben, dass dies wirklich ein unhaltbarer Zu-
stand ist. Ich selbst habe einen Unrecht-Staat und deren Folgen am
eigenen Leib zu spüren bekommen, dies war das eine Extrem. Wenn
wir aber jetzt ganz systematisch das andere Extrem aufbauen,
fürchte ich, werden wir damit garantiert auch Schiffbruch er-
leiden.
Tagesprogramm, 13.12.1973