Montag, der 29. Oktober 1973

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Montag, 29. Oktober 1973

Beim Pressefrühstück fragte der Vertreter der Presse, welche
Differenz jetzt in der Auffassung zwischen Androsch und mir wegen
des algerischen Gases gibt. Androsch hat bei einer Pressekonferenz
am Donnerstag größte Zweifel am Zustandekommen dieses Projektes ge-
äußert. Außerdem erklärte er dezidiert, daß sich der Bund an der
Austroferngas beteiligt, um Energiepolitik betreiben zu können.
Ich hatte seinerzeit, da ich nicht angenommen habe, daß es möglich
sein wird, bei der Austroferngas eine Mitsprache zu erreichen, da-
rauf hingewiesen, daß die energiepolitischen Fragen auch so geklärt
werden müßten und könnten. Jetzt hat sich die Situation dadurch ver-
bessert, daß mit einem entsprechenden finanziellen Beteiligung an
der Austroferngas und damit gesellschaftsrechtlicher Mitsprache eine
Energiekoordinierung auf dem Gassektor leichter sein wird. Für mich ist
dies ein Beispiel mehr, wie gemeinsame Kompetenzen oder noch viel
besser entsprechende Mitsprachen in einem anderen Ressort nur dazu
führen können, daß doch früher oder später differente Auffassungen
über einzelne Punkte entstehen können. Wenn dann nicht durch ge-
schicktes Verhalten der beiden Ressortleiter eine doch gemeinsame
Linie herausgestrichen wird, kann die Presse und damit natürlich der
Gegner sofort entsprechende Gegensätze herauslesen und nützt dies
um das Image der Regierung durch den Hinweis der Zerstrittenheit zer-
stören. Der Finanzminister hat nun die Chance und Möglichkeit, d ja
sicherlich auch die Verpflichtung, in all den Fällen wo Geld im Spiel
ist und es nicht seinen Interessen entsprechend zu wahren. Kommt es
dann zur Konfrontation mit den Fachminister, wobei dieser mit Sicherheit
mehr oder minder von seinen Plänen Abstriche machen muß oder vielleicht
im einzelnen Fall sogar kapituliert, dann bedeutet dies, daß außer
der differenten Auffassung der Regierung in dem einen Punkt der Fach-
minister dann früher oder später nachgeben muß, als schwaches
Glied in der Regierung gilt. Erreicht er darüber hinaus vielleicht daß
doch die finanziellen Mitteln für diesen Fall bereitgestellt werden,
dann ist es selbstverständlich, daß man dem Finanzminister die
positive Seite, d.h. das zur Verfügung stellen des Geldes als seine
Konzeption ansieht. Solange also der Finanzminister durch irgendwelche
große Fehler, wie dies z. B. bei Schmitz mit seiner Lohn- und Ein-
kommenssteuerreform getan hat, die letzten Endes dann in das finanzielle


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Defizit gebracht hat, macht, ist die Position des Finanzminister
in jedem Fall unvergleichlich stärker als jeden anderen Ministers.
Trotzdem beneide ich den Finanzminister um sein Geschäft keinesfalls.
und bin noch immer froh, daß ich mich dagegen so gewehrt habe.

SChef Schipper hat von mir die lendenlahme Erklärung des Patent-
amtes gegen der Vorfälle im Handelsausschuß erhalten, mit der Bitte
dieses Problem zu studieren, damit es bei der nächsten Sektionsleiter-
sitzung zur Sprache gebracht werden kann. Her Hinweis des Patentamtes
daß es auch in der Vergangenheit genügt hat, nur irgendwelche Be-
merkungen gegenüber dem Parlament über die Möglichkeit oder Unmöglich-
keit von Gesetzesstellen die das Patentamt betroffen haben zu machen,
ist für mich ein Armutszeugnis par excellence. Ich habe in den ver-
gangenen Jahrzehnt, solange ich das Parlament beobachte, nur von einer
schwachen Bürokratie erlebt, daß sie sich nicht um ihre Angelegenheiten
bis ins letzte Detail kümmern. Ich glaube dem Finanzministerium würde
so etwas nie einfallen und auch gar nicht passieren. Natürlich können
Fehler vorkommen, doch ist es selbstverständlich, daß man die dann bis
zur letzten Konsequenz versucht zu beheben und nicht hofft, daß
irgendwer im Parlament dann die notwendigen Anträge schon formulieren
wird.

Bei der Verteilung des Staatspreises für die Werbung wurde heuer
erstmalig von der Jury auch die Werbeagenturen durch Anerkennungen
ausgezeichnet. Ich halte dies für einen guten Einfall. Ich glaube, daß
es überhaupt möglich sein müßte, durch neue Ideen noch viele andere
Möglichkeiten der Staatsauszeichnung zu finden und zu verbessern.
Den Firmen kommt es doch gar nicht darauf an, daß sie irgendwelche
Geldpreise bekommen, die sie sicherlich auch zusätzlich gern nehmen
würden, sondern sind primär an den Anerkennungsschreiben interessiert.
Bei dieser Gelegenheit verkündigte ich gleich, daß die Gefahr der
Einführung einer Werbesteuer derzeit gebannt ist, da ein Kompromiss-
vorschlag, nämlich die a. o. Mitgliedschaft und damit die 6 Mio S
Mitgliedsbeitrag an den Verein für Konsumenteninformation jetzt von
allen beteiligten Stellen, inkl. der Handelskammer akzeptiert wurde.
Damit kann der Verein für Konsumenteninformation e die entsprechende
aufklärende Tätigkeit durchführen und der Gewerkschaftsbund wird seine


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Idee der Werbesteuer zurückstellen. Wenn das Experiment positiv ge-
lingt bin ich überzeugt, daß tatsächlich diese Idee von Tommy Lachs
nicht mehr aus der Mottenkiste herausgenommen wird.

Erstaunt war ich über Koppe zu erfahren, daß das Finanzministerium
die 6 Mio S im Handelsministeriumsbudget bereits eingebaut hat. Meine
Rückfrage bei Amtsdirektor Schütz ergab, daß tatsächlich in die
Wirtschaftsförderung um 6 Mio S mehr aufgenommen wurden. Angeblich
hätte ich dies auch seinerzeit erfahren. Ich selbst kann mich daran
nicht erinnern und will daher auch nicht streiten ob dies tatsächlich
der Fall war. Mir ist es nur vollkommen entfallen und dies erscheint
mir fast unglaubwürdig, da ich um diese Post ja sehr gerungen habe.
Leider ist dies jetzt in der Wirtschaftsförderung und wenn ich davon
wirklich seinerzeit den Verhandlungen erfahren hätte, wäre mein Wunsch
und verlangen dahingehend gegangen, unbedingt diese 6 Mio S in die
Zentralverwaltung aufzunehmen, um nämlich sicherzustellen, daß dieser
Mitgliedsbeitrag immer automatisch sowie alle anderen Mitgliedsbeiträge
zu der EFTA usw. vom Finanzminister bezahlt werden müssen, ohne daß
jährlich der Streit über die Höhe und vor-allem die ev. Gefahr einer
Kürzung anderer Positionen damit ausbricht.

Anmerkung für Heindl
Wir müssen 1974 sofort die Transaktion vornehmen, auch dann wenn wir
ein Budgetüberschreitungsgesetz dafür brauchen. Bitte entsprechende
Besprechungen zwischen Budgetabteilung und Finanzministerium veranlassen

Durch den Werbepreis bin ich erst so spät nach Krems zur Klubtagung
gekommen, daß Kreisky sein Referat schon beendet und Weihs seine Aus-
führungen über die nächsten Klubaktivitäten im Parlament bald beendet
hatte. Blecha erzählte mir allerdings, daß er ähnliche Ausführungen
bereits im Parteivorstand gegeben. Die Diskussion beherrschte die
Abstimmungsmodalität für das Strafrecht und bei machen Abgeordneten
Detailfragen wie z. B. bei Abg. Pay über den Wunsch der Erhöhung der
Bergbauförderungsbeiträge im Budget 1974. Anschließend hatte ich mit
Pay und Schlager, die beiden Abgeordneten interessieren sich für die
Kohlenprobleme besonders, weil insbesondere Schlager im Fohnsdorfer


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Revier zu Hause ist, eine Besprechung und mußte feststellen, daß
sie über Details überhaupt nicht informiert werden. Hier liegt auch
ein großes Versehen von mir vor. Ich hätte, als wir die Bergbaube-
träge für das Jahr 1973 auf 86 Mio aufgestockt haben, die beiden
sofort verständigen müssen. und nicht nur allein die GKB-Genossen.
Es dürfte scheinbar zwischen GenDir Fabricius und den Abgeordneten
nicht so ein enger Kontakt bestehen, daß er diese Verständigt. Vielleich
hat aer allerdings angenommen, daß ich dies machen werde.

Anmerkung für WAIS
Bitte in Hinkunft, wenn wir größere Posten oder Probleme auf dem
Bergbausektor besprechen, und beschließen, unbedingt Schlager und
Pay verständigen.

Sepp Wille hat in der Pause mir erzählt, er wird gegen das Preisbe-
stimmungsgesetz, welches Rösch 9 jetzt eingebracht hat, polemisieren.
Er hält ff dies für ein ausgesprochenen Blödsinn. Mein Hinweis, daß
dieser Vorschlag vom ÖGB gekommen ist, konnte ihm nur teilweise be-
ruhigen, da dann auch Hofstetter dazukam und ich schon vorher dezidiert
erklärt hätte, dies müßte doch im Gewerkschaftsbund oder in der Frak-
tion abbesprechen und nicht hier das Schauspiel abgeben, daß
sich ein Gewerkschaftsabgeordneter gegen den Vorschlag eines Ge-
werkschaftsbundes stellt, fand die Zustimmung von Hofstetter und
letzten Endes auch von Wille. Bei dieser Gelegenheit kam zum Durch-
bruch, daß sie mit manchen Entscheidungen von Lachs absolut nicht
einverstanden sind. Sie verlangen und dies wahrscheinlich zu Recht,
daß wesentlich mehr mit den Fachgewerkschaften über Fachprobleme
diskutiert wird, bevor der Gewerkschaftsbund, in dem Falle Lachs,
wahrscheinlich nur nach Rücksprache mit Hofstetter und mit einzelnen
Fällen vielleicht mit Benya, erklärt, namens des Gewerkschaftsbundes
teils so oder so. Ob dies und daß sollte geschehen. Ähnlich beschwerte
sich der Betriebsrat von der VOEST, Brauneis, bei mir, wegen der
Vorschläge des Gewerkschaftsbundes zum EGKS-Sektor. Brauneis meinte,
er würde sich melden, um die Paritätische Kommission hier frontal an-
zugreifen, weil er befürchtet, daß die VOEST durch das Verhalten nicht
nur schwer geschädigt,wird, sondern auch die Verpflichtungen aus de,


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EGKS-Vertrag nicht einhalten kann. Eine Preisfestsetzung auf dem
niederen Inlandsniveau käme unter gar keinen Umständen in Frage.
Auch hier ist es mir gelungen Brauneis davon zu überzeugen, daß es
zweckmäßiger ist, wenn es im kleineren Kreis vor der Paritätischen
Kommission besprechen.

Anmerkung für WANKE
Ich glaube, daß es dringendst notwendig ist, diese Probleme innerhalb
der Grundsatzgruppe fraktionell vorher immer ob es sich um die Preis-
gesetze oder um die Paritätische Kommission handelt, zu besprechen und
auch Fachgewerkschaften einzuladen.

Wenn ich nur allein um die aufflammende Unruhe innerhalb
Gewerkschaftsdelegierter zu befriedigen anwesend war, so ist dies
zumindestens ein Teileerfolg und hat mich eigentlich sehr befriedigt.
Ich glaube und bin fest überzeugt, daß ich in Hinkunft noch viel
mehr als bisher versuchen muß, Mißverständnisse zu beseitigen, auf-
tretende Differenzen zu bereinigen, mit anderen Worten noch besser
zu koordinieren. Dies gilt ganz besonders, wenn ich tatsächlich mit
1. Jänner die gesamte Preisregelung in meinem Ressort haben werde.

Anmerkung für WANKE und WAIS
Überlegt euch bitte, welche Vorkehrungen wir treffen können, um
weitere Koordinationsstellen zu schaffen oder die vorhandenen besser
zu nützen.

Aus der Diskussion, wo wieder Weihs hart attackiert
wurde, habe ich den bestimmten Eindruck, daß abgesehen von der
vielleicht wirklichen sachlichen Einzelfehlern die Weihs gemacht
haben kann, es primär an einer mangelnden Information und Koordi-
nation liegt, daß er in ein so schlechtes Licht jetzt gerückt wird.
Dabei kann ich mir die Entwicklung sehr gut vorstellen. Zuerst wird
Weihs versuchte haben mit der Landwirtschaft, insbesondere mit Präs.
Konferenz Lehner, einigermaßen auszukommen und mit ihm Be-
sprechungen geführt haben. In weiterer Folge hat er vielleicht so
gar Kreisky im Detail informiert und auch Benya über wichtige


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Entscheidungen. Dabei hat Kreisky sicherlich seine Ideen gelegentlich
Weihs angedeutet und erwartet, daß er diese sofort entsprechend durch-
setzt und durch zieht. Dies war aber wahrscheinlich nicht so leicht
möglich. Vielleicht in einem oder anderen Fall überhaupt unmöglich.
Als Reaktion hat dann Weihs die Information unterlassen und selbst-
ständig gehandelt. Damit kam er in Beschuß von den davon Betroffenen,
insbesondere den Ländervertretern, d.h. unseren Genossen in den Bundes-
ländern und in weiterer Folge, die sich bei Kreisky dann sofort natür-
lich beschwerten, auch bei Kreisky. Sicher hat Weihs auch verabsäumt
mit dem Arbeitsbauernbund Kontakt zu nehmen, damit er wenigstens die
politische Absicherung besser erhält, als wie wenn er gelegentlich
nur die Arbeitsbauernbündler aus Pechgründen kann ich nicht
beurteilen und weiß ich nicht, nur unbedeutende Informationen gegeben
hat. Eines steht für mich fest, man tut Weihs hier bitter Unrecht.

Eine Erscheinung am Rande war, daß die Wiener Delegierten sich ununter-
brochen gegeneinander ausfragten, was es denn neues über den Stadt-
senatbildungsprozeß gäbe. Niemand weiß etwas konkretes, sicher sind
einige bereits außer Diskussion, einige bereits sicherlich schon auf
der Abschußliste, doch endgültiges weiß man noch nicht. Probst selbst
dürfte auch das Gefühl haben, daß jetzt als Obmann höchste Zeit wird,
irgendwelche konkreteren Gespräche zu führen, denn es wurde ruchbar,
daß spätabends das Wiener Parteipräsidium sich zusammensetzt. Dies
ist dann tatsächlich geschehen und hat bis fast 11.00 Uhr gedauert.
Zwischendurch konnte man beobachten, wie während der ganzen Tagung
schon der Hofmann mit Androsch, Androsch wieder mit Gratz, Bock
wieder mit seinen Leuten usw. ununterbrochen Kontakt und Zwischen-
gespräche führte. Das neue Team, welches sich Gratz vorgestellt hat,
dürfte sich also doch auf viele alte Stadträte aufbauen. Die größten
Schwachstellen dürften aber doch beseitigt werden. Um diesen Job beneide
ich Gratz wirklich nicht.

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Tagesprogramm, 29.10.1973


Tätigkeit: Beamter [Amtsdirektor HM; 1971 von JS als B-Beamter bezeichnet, der das Budget im Einzelnen ausarbeitet und im Detail kennt]


Einträge mit Erwähnung:


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      Tätigkeit: Präs. OeNB


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        Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
        GND ID: 119083906


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          Tätigkeit: Wiener Stadtrat und Vizebgm., SPÖ


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            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: SChef HM
              GND ID: 12195126X


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Präs. LWK


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                      Einträge mit Erwähnung:
                        GND ID: 129507873


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Wr. Planungsstadtrat, stv. AR-Präs. DoKW, Obmann BO Floridsdorf


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                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., GD-Stv. ÖIAG


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                                GND ID: 1017902909


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                                  Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                                  GND ID: 136895662


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                                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                    GND ID: 102318379X


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: GD Alpine, GD-Stv. VÖEST, Bergrat


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                                        Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                        GND ID: 130620351


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                                          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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                                            Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                              Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                GND ID: 118566512


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