Dienstag, 23. Oktober 1973
Heindl hat mit Min.Rat Schleifer die zukünftige Tätigkeit von
ihm und seiner Abteilung besprochen. Die Zusammenfassung der
Preiskompetenzen im Handelsministerium gibt ungeheuerliche
Personalschwierigkeiten, sowohl im Handelsministerium als auch
im Landwirtschaftsministerium ja selbst im Verkehrsministerium
gibt es aus der seinerzeitigen Preisregelung eigene Abteilungen
und lang eingesessene Ministerialräte. Diese, dem Innenministerium
Min.Rat Singer unterstellen, muss zu ganz grossen Reibungen führen.
Jagoda ist als verantwortlicher Sektionschef über diese Situation
auch nicht sehr glücklich. Durch das Herausnehmen von der Preis-
bestimmung aus der Abteilung Schleifer können wir zumindestens bei
uns im Haus die Schwierigkeit umschiffen. Schleifer ist einver-
standen, wenn er die wirtschaftliche Landesverteidigung bekommt.
Andererseits möchte er nicht, dass wir jetzt schon Hanisch gegen-
über erklären, dass dies die neue Konzeption ist. Hanisch selbst
rechnet fest mit einer Verlängerung. Da ich dafür einen Ministerrats-
beschluss bräuchte, denke ich nicht daran einen solchen zu stellen.
Hanisch selbst hat auch mir gegenüber noch niemals ein solches Ansin-
nen gestellt, sondern versucht, alle heute mit ihm zusammenarbeiten-
den Stellen zu gewinnen, damit diese für eine Verlängerung seines
Vertrages eintreten. Hanisch glaubt auch, dass ich an ihn herantreten
müsste. Da die jetzige Situation nach seiner Meinung sehr geeignet
ist. Die Abteilung Schleifer wird endgültig die wirtschaftliche
Landesverteidigung und Rohstofflenkung, wie sie Hanisch derzeit hat,
mit 1. Jänner 1974 übernehmen. Die legislative Seite der Roh-
stofflenkung sollte wie bisher bei Min.Rat Anreiter bleiben.
ANMERKUNG FÜR Heindl: Die juristische Seite muss bei Anreiter bleiben
damit sie dann zu Schwarz früher oder später
kommt.
NR Mondl hat mich im Parlament gefragt, ob er in der wirtschaftlichen
Landesverteidigung weitere Besprechungen zwischen Tödling, Hanreich
und mir als Parteiverantwortlicher organisieren soll. Ich habe ihm
sofort bestätigt, dass ich darauf grössten Wert lege, da die Kon-
tinuität zumindestens unserer Bestrebung, zu einer gemeinsamen
Verteidigungsdoktrin zu kommen, aufrechterhalten werden muss.
Im Klub hat Blecha den Initiativantrag wegen der Wehrgesetznovelle
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sehr objektiv vorgetragen. Durch die Aufhebung des Verwaltungs-
gerichtshofes, dass wenn einer 16 Tage Wehrübung gemacht hat, er
keine Instruktion- und Inspektionsdienst mehr machen kann, würde
die Bereitschaftstruppe zusammenbrechen. Weiters hat sich heraus-
gestellt, dass der Entschluss dadurch die vier Monate nachdem sie be-
reits Wehrdienst machen von diesen widerrufen werden kann, dazu ge-
führt, dass sich viele zuerst als Kraftfahrer alle Führerscheintypen
ausbilden liessen, dies ist nur für Durchdiener vorgesehen, dann nach
drei Monaten den Führerschein bekommen und innerhalb der vier Monate
eben ihren seinerzeitigen Beschluss durchzudienen, widerrufen. Des-
halb wird diese Revisionsmöglichkeit auf 8 Tage beschränkt. Auch an
diesem Beispiel, das Blecha, d.h. eigentlich unsere jungen Abgeordneten
und ehemaligen linken Junge Generation-Leute, die immer gegen die
Wehrprobleme sehr skeptisch ja abgeneigt gewesen sind, zeigt, dass
in der konkreten Arbeit sie letzten Endes auch nichts anderes können
als positive Vorschläge erstatten. Da Lütgendorf nicht im Klub ist
und ich während der Erklärung des Finanzministers lange neben ihm auf
der Regierungsbank neben ihm gesessen bin, kamen wir über dieses
Phänomen zu sprechen und Lütgendorf meinte, dass die soz. jungen
Abgeordneten sehr positiv mitarbeiten. Für mich ist das nur eine
weitere Bestätigung, dass man in Wirklichkeit nur trachten muss, die
Probleme sachlich mit allen Gruppen zu besprechen, dann kann man in
den meisten Fällen auf eine positive Mitarbeit rechnen. Nur wer bei der
Mitarbeit ausgeschaltet wird, hat Gelegenheit und nützt sie natürlich
auch dann, dagegen Opposition zu machen, ohne Details zu kennen und
Probleme lösen zu müssen.
Kreisky analysierte im Klub die Wahlniederlage in Oberösterreich und
den Wahlsieg in Wien. Auf Grund von IFES-Erhebungen. Dort hat Blecha ihm
bereits im September gesagt, dass die Oberösterreicher schlecht liegen
mit 43 % Prognose, wie sich jetzt bestätigt hat, hat die ÖVP damals
auch schon mit 47 % geführt, jetzt sogar auf 48 % erhöht. Blecha führt
dies auf die Auseinandersetzung zwischen Hillinger und Fridl zurück.
Kreisky meinte dann ein wenig verbrämt, dass eben der späte Beschluss
der oberösterreichischen Landesregierung dazu beigetragen hat. Er hätte
im letzten Moment in Oberösterreich versucht, dieses Handikap zu be-
seitigen. Richtig ist, dass Demuth knapp vor der Wahlkampagne sein Mandat
zurücklegte. Dass dann eine lange Diskussion war, ob nicht doch Hartl
sein Nachfolger werden soll, dass man sich dann in einer Kampfabstimmung
für Fridl entschieden hat. Weiters aber dann in der Diskussion Hillinger,
der zuerst für Fridl eingetreten ist, selbst Ambitionen gezeigt hat und
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damit unsere Funktionäre unsicher gemacht hat. Für mich ist es nur
ein weiterer Beweis meiner Behauptung, die ich seit eh und je aufge-
stellt habe: Ein Streit innerhalb einer Partei kann nur letzten
Endes nicht nur die Funktionäre verunsichern, sondern auch die Wähler
abhalten, diese Partei zu wählen. Die Einheit und Geschlossenheit gerade
einer sozialistischen Partei ist die Voraussetzung um überhaupt zu
einem Wahlerfolg zu gelangen. Etwaige Differenzen dürfen nur in den
kleinsten oberen Gremien ausgetragen werden und keinesfalls in die
Öffentlichkeit dringen.
Die fast über 2 1/2 Stunden dauernde Rede des Finanzministers war
einmal lang. Noch niemals hat ein Finanzminister eine so ausführliche
und ins Detail gehende Budgetrede gehalten. Ich weiss nicht, was Androsch
dazu veranlasst hat, scheinbar waren seine Propagandisten der Meinung,
er müsste sich hier besonders profilieren. Vielleicht war es auch
eine gewisse Rache, da er bei der letzten Budgetrede in seiner Konzepti-
on gestört wurde. Damals war eine Sitzung vor der Budgetrede-Sitzung und
die ÖVP hat eine dringliche Anfrage eingebracht, um seine Budgetrede,
wie er glaubte, eben auf den späten Nachmittag zu verschieben. Dies
ist allerdings eine Vermutung von mir denn ich denke nicht daran
über dieses Problem mit jemanden geschweige denn mit ihm zu sprechen.
Auf alle Fälle aber wäre es eine richtige Retourkutsche gewesen, denn
jetzt hat die ÖVP das Interesse gehabt in der zweiten Sitzung über die
Erklärung des Bundeskanzlers zur Geisel-Affäre früher die Diskussion
zu beginnen, damit noch entsprechende viele Redner von ihr in die
Abendberichterstattung und natürlich vor allem einmal in die Zeitungen
zu kommen. Ich habe für diese taktischen Überlegungen nicht sehr viel
Verständnis. Sicherlich ist dies aber darauf zurückzuführen, dass ich
in den seltensten Fällen persönlich an solchen Auseinandersetzungen
engagiert bin. Wenn man die backbencher rückwärts beachtet und
ich selbst bin ja nicht zuletzt deshalb auf meinem uralten Stammsitz
in der letzten Reihe geblieben, so kann man immer wieder erleben,
wie emotionell hier die Probleme nicht nur diskutiert sondern vor
allem einmal auch in Zwischenrufen und Angriffen dokumentiert werden.
Kreisky oder Blecha, die so etwas genau kennen, ja sogar einkalkulieren
und lenken, sind dabei die geschickten Regisseure, ich habe die
beiden deshalb genannt, weil der eine als Parteiobmann und Bundes-
kanzler, der andere als IFES-Chef und Soziologe genau wissen, wie
so etwas zustandekommt und wie man eine solche Situation nützen
kann. Natürlich werden sie letzten Endes dann doch irgendwann einmal
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auch persönlich engagierter und sind in einem oder anderen Moment
emotionell geladen und äussern sich dann auch entsprechend. Aber
man kann beobachten, wie schnell sie sich wieder in ihrer Gewalt
haben und da fällt mir immer der Ausspruch Kreiskys ein, ich ärgere
mich dann, wenn ich will und nicht wenn die anderen glauben, mich
ärgern zu können.
Der Arbeitsausschuss Preise hat jetzt ein Papier in Arbeit, das eine
gute Grundlage für Verhandlungen mit der ÖVP, d.h. mit der Handelskam-
mer sein kann. Für mich erschütternd war, wie wenig eigentlich Inter-
esse von Ökonomen bestehen, die sich mit diesem so wichtigen Problem
beschäftigen sollten. Wir haben seinerzeit bestimmt, dass jeder, der
sich dafür interessiert, von der ökonomischen Konferenz, daran teilnehmen
kann und es ist auf ein halbes Dutzend zusammengeschrumpft, die meistens
aus eigentlich persönlichen Interessenten bestehen. Die Mitarbeit
von entscheidenden Organisationen, die ausser der Arbeiterkammer und
dem ÖGB von diesen Problemen berührt sind, ist eigentlich ausgeblie-
ben. Nicht dass es mich stört, ich möchte es nur festhalten. Es zeigt
sich für mich auch hier wieder das Phänomen, dass sich nur jemand mit
einem Problem beschäftigt, wenn er unmittelbar davon betroffen ist
und womöglich unter einer unmittelbaren Entscheidung oder Entscheidungs-
notwendigkeit steht.Ansonsten ist eine so wichtige Frage wie Preise
für ihn nur eine Angelegenheit, die schon die Regierung oder der ÖGB
erledigen werden. Die beiden habe ich jetzt aufgezählt , da sie
entweder die Staatsmacht oder die Sozialpartnerschaft verkörpern.
Kahane, der Besitzer von der Zitronensäurefabrik in NÖ möchte von der
Zuckerrohstoffseite zu Weizen überwechseln. Zu diesem Zweck bräuchte
er 35.000 t Futterweizen jährlich, um sie auf Stärkemilch zu verar-
beiten als Rohausgangsbasis für seine Zitronensäureproduktion. Die
anfallende Stärke soll exportiert werden. Hier wird er natürlich mit
der Gmünder Landwirtschaftlichen Stärkefabrik in Kollision kommen.
Er möchte deshalb nur auf Ministerebene dieses Problem besprechen.
Seinerzeit hat er mit dem Landwirtschaftsminister über Landwirt-
schaftsprobleme Besprechungen begonnen und ist über die Ministerial-
bürokratie dann bei einem Getreidehändler, er hat hier Mautner und
Panny erwähnt, gelandet. Er möchte nicht in diesem Kreis Verhandlungen
führen, da er natürlich dort kaum eine Chance hat, seine Ideen
durchzusetzen. Jetzt fürchtet er, dass die landwirtschaftliche Genossen-
schaft gegen ihn opponieren wird. Ich habe ihm nur versprochen, dass
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ich mit Weihs über dieses Problem reden werde, was ich dann sofort
in der Nationalratssitzung auch am Abend getan habe und Weihs ist be-
reit, ihn zu empfangen und das Problem mit ihm zu besprechen. Weihs
meint allerdings, dass er ihn finanziell nicht durch Kredite oder
sonstige Aktionen unterstützen könne. Kahane ist angeblich fest ent-
schlossen, auf diese Weizenbasis umzusteigen, da der Weizen mit
2.20 S von ihm noch als höchster Verarbeitspreis akzeptiert werden kann,
er muss allerdings für diese Anlage 80 Mill. S Investitionen vornehmen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte verständige Pleschiutschnig über die Aus-
sprachen, die ich mit Kahane und Weihs geführt habe.
Die zweite grosse Sitzung des Finanzministers, Veselsky und mir mit
den Banken, Austro-Ferngas, ÖMV, ÖNB usw. hat auch kein endgültiges
Ergebnis gebracht. Das Projekt ist natürlich riesengross und wird
sicherlich an die 7 Mia S betragen. Die Austria-Ferngas versucht
natürlich jetzt so weit wie möglich Bundeshaftung und Zinsenzuschuss
aus Entwicklungshilfe-Geldern zu bekommen. Mit 1.1.1974 würde sie
schon 280 Mill. S benötigen. Androsch sagt mit Recht, dafür hat er im jetzt
eben eingebrachten Budget keine Deckung. Auch für die Bundeshaftung müsste
er gesetzliche Regelungen vorsehen. Für die Exportförderung der VÖEST als
Generalunternehmer sind fast 2 Mia S notwendig Bundeshaftung zu bekommen.
Die Banken hoffen auf der anderen Seite, dass für einen ähnlichen gleich
grossen Betrag für die Freikredite ebenfalls Bundeshaftung bekommen.
Gigantische Beträge. Ich weiss nicht, ob Androsch mit seiner Idee der
50 %-igen Beteiligung durchdringt. Wenn aber die Länder ausserstande
sind eine Finanzierung resp. Landeshaftung in dem grossen Umfang anbie-
ten zu können und vor allem das Konsortium, das der Sonatrach gegenüber
steht, entsprechende Bundeshaftung wollen, dann muss ja früher oder
später der Plan Kreiskys aufgehen, dass man den Staat an der Austria-
Ferngas beteiligen wird müssen, auch dann wenn die Länder dagegen sind.
Gruber selbst meinte, es hätten die LH eine Aussprache mit Kreisky
Androsch und mir gewünscht und er hofft, dass dies bald zustandekommt,
damit die politische Voraussetzung geklärt wird, wie das Geschäft weiter
abgewickelt werden kann. Mit anderen Worten, ob der Bund als Austria-
Ferngas-Teilhaber in Erscheinung treten kann und soll. Gruber weist mit
Recht darauf hin, dass noch gar nicht sicher ist, ob das Konsortium
VÖEST-Mannesmann und andere europäische Firmen den Zuschlag für den
Ausbau des Hafens und der sonstigen Anlagen bekommen wird oder ob
nicht die Japaner oder Amerikaner bessere Offerte legen. In diesem
Fall würde die gebundene Kreditfinanzierung sofort entfallen. Abfalter
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von der VÖEST andererseits hält fest, dass ja das ungünstige Ge-
schäft so eine schwierige Kalkulation ergibt. Normalerweise schliesst
man nicht 15 – 18-jährige Kreditverträge für Lieferungen von Anlagen mit
6,75 % Zinssatz ab. Trotzdem kamen wir überein, dass der Vertrag, der
Sonatrach mit der Austria-Ferngas über das Konsortium noch immer für die
Energiepreiserstellung der Achtzigerjahre als günstig zu betrachten ist.
Androsch hat auch einleitend von der Austria-Ferngas-Vertretung
als auch von der ÖMV und letzten Endes von mir sich bestätigen lassen,
dass wir erstens dieses Gas dringend brauchen und dass zweitens keine
andere Substitutionsmöglichkeit für diese Energie gegeben ist. Da
die Austria-Ferngas-Vertreter auch Reisinger uns unbedingt einreden
wollten, dass der Beschluss womöglich schon sofort fallen müsste,
sah ich mich veranlasst, doch darauf hinzuweisen, dass in Wirklichkeit
bereits der Dampfer abgefahren ist. Nachdem die Länder über ihre Ver-
treter in der Austria-Ferngas den Vertrag im Konsortium mit unter-
fertigt haben, ist es jetzt nur mehr eine Frage, wer sich aller an
diesem Geschäft beteiligen muss resp. woher eventuelle Stützungsmittel
kommen können. Niemand kann mehr diesen Vertrag zum Scheitern bringen,
resp. die Verantwortung übernehmen, wenn dieser Vertrag scheitern
würde.
Tagesprogramm, 23.10.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 91. Ministerratssitzung, 23.10.1973
18_1162_02Information des Herrn BM zu TOP 6 (Familienberatungsförderungsgesetz)