Freitag, der 12. Oktober 1973

17-1121

Freitag, 12. Oktober 1973

Die Besuchsfahrt der Betriebe im Waldviertel hätte ich mir sicherlich
ersparen können. LA-Abgeordneter Leichtfried, der natürlich in seinem
Bezirk gerne eine Minister vorführen will, hat unsere Investoren resp.
Präs. G so beeindruckt, dass sie tatsächlich glaubten, ich müsste
unbedingt auch diese Betriebe besuchen. Zum Glück ist Papacek daraufge-
kommen, dass wir zuerst einen Betrieb in Heidenreichstein, nach
Krems zurückgefahren wären und dann wieder nach Gross Gerungs noch
hinaus gefahren wären. Ich wäre den ganzen Tag unterwegs gewesen, um
dies ausserdem zu einer Zeit, wo man Benzin sparen soll. Allerdings
konnte man das noch nicht wissen, als man seinerzeit die Zusagen ge-
macht hat. Bei der Fa. Eisert, wo Feuerzeuge hergestellt werden, hat
der Gen-Dir. , ein Ausländer, die Aktiengesellschaft befindet sich
mehrheitlich in ausländischem Besitz, das Gespräch so begonnen, dass
er für Fragen zur Verfügung steht. Zum Glück hatte ich während der
Fahrt Gelegenheit, mit Fabrizii zu reden. Ursprünglich war mir ja nicht
ganz klar, warum er gerade mit mir im eigenen Wagen hinausfahren will,
nachdem ein zweiter mit anderen Beamten sowieso in die Betriebe zur
Information und Untersuchung gefahren ist. Während der Fahrt diskutierte
ich also seine Information und konnte deshalb den Gen.Direktor nicht
nur entsprechend befragen, sondern überhaupt die Konzeption erörtern.
Die Firma erwartet, dass sie statt einer Million ERP-Kredit 4 Mill. be-
kommt. insgesamt muss sie 16 Mill. S noch investieren. Beim Betriebs-
rundgang konnte ich feststellen, dass diese Investitionen tatsächlich
dringend notwendig sind. Der Betrieb ist in einer alten Fabrik
eingerichtet und die Häuser verfallen. Darüberhinaus hat er Maschinen,
die nicht mehr dem letzten Stand entsprechen und um konkurrenzfähig
zu bleiben, muss er neue anschaffen. Es ist nicht zu glauben, dass es
bei diesen Feuerzeugtypen, derzeit herrscht das Wegwerffeuerzeug vor,
um Groschenbeträge in der Kalkulation geht. Durch den Wegfall der
Exportvergütung hat er 10 Mill. bekommen bei ungefähr 150 Mill. S
Umsatz, da er 95 % der Produktion exportiert, durch die Dollar-Ab-
wertung ist der Betrieb in eine finanzielle Bedrängnis gekommen.
Für ein Wegwerffeuerzeug, das 25 S kostet, bekommt er nicht einmal
7.- S. Trotzdem ist es ihm geglückt 10.000-e von Feuerzeugen auch
nach Japan zu verkaufen. Wenn man bedenkt, dass diese Feuerzeuge
aus Plastik bestehen und einen fast nicht rostenden Kopf, so kann
man sich mit Schaudern ausrechnen, wie in einigen Jahrzehnten, wenn
nicht eine neue Art des Feuerzeuges auftaucht, die Welt mit diesen
unverwüstlichen Abfallkram übersät sein wird. Der Gen.Direktor


17-1122
hat mir rechtgegeben und meinte, hier müsste man wirklich neue Über-
legungen anstellen.

In der Kleiderfabrik Tom & Tina in Dietmans hat ein Unternehmer für
15 Mill. S eine grosse Werkshalle errichtet. 300 könnte er beschäftigen
nicht einmal 100 bringt zu zustande. Die Hauptursache hat er sogar
am schwarzen Brett angeschrieben. 17.- S Stundenlohn ! Der Kindergarten,
der mit 9 Kinder besetzt war, ausgebaut ist er für mindestens 30,
die Werkküche, die ebenfalls neu eingerichtet ist, beide nur eine
beschränkte Anziehungskraft. Der Lohn ist doch das Entscheidende
Der Unternehmer vermutet allerdings, dass das Hauptproblem in den Führungs-
kräften liegt. Er kann, obwohl er hier sogar ein Haus zur Verfügung
stellt, das er sich selbst gebaut hat, keinen richtigen Betriebsingenieur
bekommen. Interessant ist, dass auch aus der Landwirtschaft wegen der
tiefen Löhne niemand bereit ist, in die Industrie über zu wechseln. Im
Winter, wenn die landwirtschaftlichen Arbeiten ruhen, kann man den einen
oder anderen Bauern für Arbeiten gewinne. Das Bewusstsein, selbstständig
auch als Bauer zu arbeiten, ist noch immer sehr stark und kann nur durch
einen hohen Lohn überwunden werden. Die Firma beschäftigt deshalb jetzt
10 Türken als Schneider, die sie allerdings in Gasthöfen unterbringen muss.
Ursprünglich hat das Unternehmer geplant, Arbeiterwohnstätten zu errichten,
doch ist es jetzt auf Grund der schlechten Erfahrung davon abgekommen.

Bei der 25-Jahre-Krems Chemie im Hafen von Krems, war ich überrascht über die
grosse Anlage, die dort in den 25 Jahren entstanden ist. Aus einer Gerberei,
wo allerdings nach drei Jahren bereits die Gründer ausgeschieden
sind, haben tüchtige Manager in Verbindung mit Bayer einen grossen Chemie-
betrieb installiert. Bayer selbst hat einen bescheidenen Anteil also
nicht einmal die Mehrheit und nach Mitteilung des Führungsstabes arbeiten
sie sehr selbständig. Sie haben eine riesige, ich glaube fast drei Meter
Durchmesser produzierende Kunststoffröhren-Maschine aufge-
stellt. In Europa soll es nur noch eine zweite von diesen Dimensionen
geben. Die Absatzlage dürfte aber nicht sehr günstig sein, denn der Hof war
mit ziemlich vielen riesigen Zylindern vollgestopft. Die Firma erzeugt
auch Vapona-Strip, auch für den deutschen Absatzraum, obwohl die Konsumenten-
information festgestellt hat, dass ausser der giftigen Wirkung, die bei einem
geschlossenen Schlafzimmer gefährlich sein kann, die Effektivität gegen
die Fliegen und Mücken nur sehr beschränkt sein soll. Solche Betriebs-
besichtigungen bzw. Feiern enden meistens oder sollten, so zumindestens
enden mit einem riesigen Festmahl, das schrecklich lange dauert. Vielleicht-
kann ich das Protokoll hier wirklich umstürzen, wenn ich mich nicht mehr


17-1123
bereiterkläre, an den Essen teilzunehmen, sondern nach der Ansprache
und Besichtigung sofort nach Hause fahre. Die Zeitverschwendung ist näm-
lich gigantisch.

Der Fortgeschrittenenkurs der Lebensmittelarbeitergewerkschaft im Hueber-
Haus hat in der Diskussion für mich eines gezeigt: Die Betriebsräte
soweit sie in Ziffern umgehen können, habe jetzt herausgefunden, dass
der Arbeitnehmeranteil am gesamten Sozialprodukt gesunken ist. Nicht
sehr viel, aber von 71 auf 72,04 %. Darin sehen einzelne Funktionäre
einen effektiven Verlust und meinen, wir müssten mit wesentliche stärke-
rer Kampfkraft dieser Entwicklung entgegentreten. An und für sich hätte
ich dafür noch volles Verständnis, wenn die Ziffern, aus denen die
Volkseinkommenstatistik gebaut ist, wirklich verlässlich wären.
Schwankungen aber von 0,4 %, das sind nicht einmal 1 % Schwankungs-
breite ist meiner Meinung nach keine wirklich schlüssige Aussage.
Da die Unternehmereinkommen, d.h. alle Selbständigen Einkommen als
Restgrösse errechnet werden, ist die Fehlerquelle viel zu gross.
Zum Glück handhaben wir in unserer Gewerkschaft es so, dass die Funktio-
näre selbst in dem Verhandlungskomitee versuchen, das Maximum zu er-
reichen. Deshalb ist sicherlich auch die Kritik sehr minimal.

Bei Abendempfang mit Nedew und insbesondere Popow habe ich letzterem
auseinandergesetzt, dass die Firmen, wo er jetzt Kooperationen in
Hinkunft machen will, bereits seit Monaten und Jahren entsprechende
Vorschläge den bulg. Aussenhandelsstellen resp. Industrievereinigungen
und Firmen gemacht habe, ohne dass sie darauf auch nur eine Antwort bekommen
hätten. Popow selbst erklärt sich dies daraus, dass jetzt eine Reorgani-
sation in Bulgarien vorgenommen wurde für Schwarzmetall und Maschinen
ist er jetzt in seinem Ministerium zuständig. Er wird sich die Vor-
schläge von Böhler, Schoeller-Bleckmann und anderen Stahlfirmen genau
noch einmal vorlegen lassen und erwartet, dass wir neuerdings unsere
österreichischen Firmen entsprechende Offerte legen. In weiteren Ver-
lauf hat mich dann Nedew ersucht, dass auch das Aussenhandelsministe-
rium eine Durchschrift dieser Schreiben bekommen sollte. Ich habe ihm zu-
gesagt, die österreichischen Firmen davon zu verständigen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte veranlasse, dass die Firmen davon informiert
werden, dass ausser bei Kooperationsabkommen und sonstigen Offerten an
an das Maschinen- und Metallministerium
von Minister Popow auch das
Aussenhandelsministerium Nedew einen Durchschlag bekommt. Dies gilt ganz
besonders für die letzten Anbote, die Böhler, Gen.Dir. Bayer hat mir eine
diesbezügliche Aufstellung gezeigt, machte, ohne dass sie eine entspre-
chende Antwort, ja auch nur einen Brief bekommen hätten.

17_1120_01

Tagesprogramm, 12.10.1973


Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: bulgar. Außenhandelsminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gewerkschafter?


        Einträge mit Erwähnung: