GATT-Konferenz in Tokio.
Nachdem selbst Mussil und Sallinger mir dezidiert erklärten, ich sollte
unbedingt nach Tokio fahren, habe ich mich dann aus innenpolitischen Gründen
dazu entschlossen. Mussil meinte, er könnte keine Garantie abgeben, dass
wenn ich nicht fahre, irgend ein backbencher z.B. Fiedler eine Anfrage
im Parlament starten würde, warum der österr. Handelsminister an dieser
so wichtigen Konferenz nicht teilgenommen hat. In New Delhi war Botschafterin
Sailer und der erstzugeteilte sowie von der Aussenstelle eine
tüchtige Kollegin anwesend, obwohl es erst 5 Uhr früh war. Sailer geht
heuer in Pension ist aber nach wie vor überzeugt, dass das indische
Experiment, nämlich demokratischer Sozialismus in einem Riesenkontinent
glücken wird. Für mich wird der Osten, ob Indien, China oder Japan sowieso
immer ein unerklärliches Phänomen sein, weshalb ich eigentlich immer mehr
daran zweifle, dass man in diesen Ländern mit westdemokratischen Begriffen
wirklich die optimalste Lösung für die dortige Bevölkerung erreicht.
In Hongkong, einer 4-Millionen-Kronkolonie auf kleinstem Territorium,
ergibt sich eine ähnliche Situation wie in Westberlin, Die Hongkonger
fürchten, dass Rotchina früher oder später das ganze Gebiet annektieren
wird, bevor es automatisch auf Grund des Vertrages sowieso der Volksdemokra-
tie China anheimfällt. Zurzeit der Kulturrevolution hat man die teuersten
Objekte, Häuser, Verwaltungsgebäude usw. um einen Spottpreis verkauft.
resp. zu verkaufen versucht. Jetzt nachdem sich scheinbar die Lage
wieder normalisiert hat, wird gigantisch gebaut und investiert. Die
Verknappung unserer Textilindustrie, dass aber die Löhne dort so
billig sind, stimmen nicht mehr. Ich habe mit dem Wirtschaftsdirektor
der Krone, dies entspricht meinem Vis-a-vis als Minister, gesprochen
und er hat erklärt, dass er selbst der englischen Textilindustrie beweisen
konnte, dass ihre Behauptungen und Befürchtungen nicht mehr stimmen. Die
wirklichen Niedrigpreis-Länder sind heute Taiwan, Singapur, Malaysien
usw.
Ein noch kleineres Territorium ist die portugiesische Kolonie Macao.
Sie ist auch entwicklungsmässig weit unter Hongkong. Manche Chinesen
auch Hongkong investieren in Macao seit einiger Zeit. Die Haupteinnahme
bleibt aber die Spielcasinos, denn in Hongkong ist interessanterweise
offiziell verboten . Bei der Kulturrevolution haben die dortigen Chinesen
den Gouverneur 8 Stunden in der Sonne stehen lassen und niemand hat mehr für
sein Leben mehr einen Pfifferling gegeben. Auch in Hongkong kam es zu
grosser Unruhe, bis dann scheinbar Peking verfügte, die Aktionen sind
sofort abzubrechen. Heute ist alles ganz normal und in Macao bemüht man
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eine Insel mit dem Festland durch eine riesige Brücke zu verbinden,
die allerdings angeblich auch nicht weitergeht. Der dortige Wirtschafts-
referent hat zwar einen neuen Fertigstellungstermin genannt, aber der
Generalkonsul von uns in Hongkong Pfefferling als auch der Erstzugeteilte
zur Aussenhandelsstelle Pötscher meinten, dass dies lange Zeit noch dauern
wird. Ich war froh, dass die beiden den Ausflug organisierten, da
ich jetzt in der EFTA, wenn mich der Portugiese einladet, nach Portugal zu
kommen, erklären kann, dass ich bereits einmal in einer Kolonie zumin-
destens bei ihnen gewesen bin, allein sollte und könnte ich kaum nach
Portugal fahren, weil die Gewerkschaftsbewegung mit Recht über die
politische Entwicklung Portugals und insbesondere deren System in den
Kolonien Moncambique und anderen schwere Angriffe startet resp. starten
wird.
In Hongkong besuchten wir am selben Tag und zur selben Stunden die Aussen-
handelsstelle und Pötscher erklärte mir, dass noch viel grössere Menschen-
massen damals in dem Zentrum gelegenen riesigen modernen Gebäude waren, als
sie überfallen wurden. Die beiden Täter sind blutverschmiert mit den
riesigen Messern entkommen und schwerverletzt ist Helmreich und Pötscher
zurückgeblieben. Dass man mir in dieser Stadt nur die Geldbörse mit
den amerikanischen Dollar gestohlen hat, erschien mit daher fast als selbs
verständlich. Einen krasseren Gegensatz als zwischen der VR China und
Hongkong kann man sich nicht vorstellen, wenn man nicht doch wie ich Ge-
legenheit gehabt hat beide zu vergleichen. Wie ideal müsste oder könnte
vielleicht eine Kombination zwischen beiden System funktionieren,
allerdings traue ich mir, da ich die asiatische Mentalität überhaupt nicht,
kenne, eine solche Lösung weder zu erdenken noch vorzuschlagen.
Die GATT-Konferenz spielte sich genauso ab, wie ich es mir vorgestellt
habe. Zuerst hat Willenpart gemeint, Österreich als kleines Land könnte sich
nicht am ersten Tag gleich melden und es könnte in der Konferenz ein Streit
zwischen den Grossen entstehen und Österreich dann vielleicht gar Bezug darauf
nehmen, sodass er stolz war, mich für den zweiten Tag am Nachmittag
als ersten Redner eingetragen zu haben. Da aber bereits nach den ersten
Erklärungen von den Grossmächten Amerika eröffnete, die EWG kam dann
bald daran und die anderen grossen Staaten am ersten Tag nachmittags, die
Rednerliste schon erschöpft war, habe ich ganz einfach das Statement
heruntergelesen, was genauso wie von den anderen Mittel- und Kleinstaaten
fast niemanden interessierte. Die schwerwiegenden Differenzen zwischen
Amerika und der EG wurden durch Nachtbesprechungen zwischen Shultz,
Giscard d'Estaing, Friderichs und der EG-Kommission letzten Endes
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doch bereinigt. Da es bei der Deklaration ja nur um eine Formulierung
von Werten und nicht von Daten ging, war ich von vornherein fest
überzeugt, dass niemand die Konferenz platzen lassen würde. Die Statements
waren fein nuanciert verschieden, aber im Grunde genommen alle positiv.
Meisl hat mir in Wien schon gesagt, wichtiger wäre, mit den einzelnen
Staaten eventuelle Coloir-Gespräche zu führen. Der amerikanische Handels-
rat in Wien, der neu ist und sich besondere Sporen verdienen wollte,
meinte, ich sollte versuchen, mit der amerikanischen Delegation in
Kontakt zu kommen. Der Delegationsleiter Shultz hatte natürlich andere
Sorgen und Washington verfügte, dass der Berater des Präsidenten mit
mir reden sollte. Zum Glück oder Unglück, ich weiss nicht, wie man es
bezeichnen wollte, hatte ich durch die Air-Condition meine Stimme
vollkommen verloren. Ich entschuldigte mich daher bei ihm und als
gegen Ende ich dann doch wieder einigermassen sprechen konnte, war er
schon weg und ich habe mich deshalb bei dem GATT-Delegationsleiter
Amerikas in Genf für die verständisvolle Haltung wegen unserer EG-
Verträge bedankt. Mit Matteotti von Italien, den ich neuerdings ein-
geladen habe, sowie Dr. Biro von Ungarn, der mir mitteilte, dass die
Intervention wegen der Frau, die nicht ausreisen durfte, von ihm sofort
positiv erledigt wurde, mit dem jug. Vertreter, griechischen und polni-
schen habe ich Kontakt aufgenommen. Interessant war, dass der Schweizer
Vertreter, ein gewiegner Diplomat, der jahrelang als Generalsekretär
einer internationalen Organisation in Wien sass, ......... meinte, er
sei glücklich, dass wenigstens ich als Minister von den neutralen
Staaten, Schweiz, Schweden, gekommen bin. Brugger konnte nicht wegen
dem Parlament, Feld hatte Wahlen, sodass wirklich nur ich übrigblieb.
Ich glaube aber, dass ich niemandem abgegangen wäre.
Der erste Eindruck von Tokio ist verheerend. Eine riesig ausgedehnte
Stadt, in der sich niemand auskennt, selbst der Botschafter Thomas, der
schon zweimal dort war, meint mit Stolz er sein nur auf den Chauffeur
eingewiesen, was tatsächlich stimmt. Da er die Sprache nicht beherrscht,
das Aussenamt leistet sich noch immer den Luxus, die Leute öfters zu
wechseln, statt einen Mann zu schulen, damit er die Sprache kann und
dann dort zu lassen, ist ohne Chauffeur im wahrsten Sinne des Wortes
verloren. Der Chauffeur selbst lernt Englisch und es war für mich
köstlich zu sehen, wie hilflos beide in Wirklichkeit sich über
primitivste Probleme immer wieder verständigen, auseinandersetzten und
letzten Endes wahrscheinlich fehlentscheiden. Die Aussenhandels-
stellenleiter oder Zugeteilten zumindestens sind jüngeren und daher
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auch wesentlich beweglicher. Leider aber auch in diesem Falle der
Sprache nicht mächtig. Natürlcih können sehr viele Japaner Englisch,
wie ich bei einer Betriebsbesichtigung bei Sony feststellen konnte.
Da bei den inoffiziellen Betriebsbesuch aber dann doch der Präsident
von Sony erschien und ich ihn fragte, ob er in Europa einen Betrieb er-
richten möchte, erfuhr ich, dass eine Delegation derzeit in Grossbritannien
ist, um die Möglichkeiten eines Zweitbetriebes zu studieren. Ich ersuchte
den Präsidenten, seine Delegation auch nach Österreich zu schicken, was
er versprach.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Gröger informieren, dass eventuell sich die
Sony-Leute mit ihm ins Einvernehmen setzen werden.
Botschafter Thomas meinte, dass der Mnisterpräsident immer nur wo er auch
erscheint, kurz auftritt, dann sofort verschwindet, überhaupt die Japaner
äusserst rationell arbeiten. In Wirklichkeit glaube ich liegt das auch
primär darauf dass Kleinstaaten wie Österreich , die noch dazu dann noch
Botschafter schicken, die die Sprache nicht beherrschen, eben als vollkommen
uninteressant behandelt werden. Da ich in Japan nicht in offizieller
Funktion vom Staat eingeladen war, kümmerte mach sich nicht um mich und
umso krasser wurde mir wieder einmal bestätigt, wie sehr die Botschafter
aber auch die Aussenhandelsstellen die Sprache beherrschen müssten. Die
Möglichkeit, Mit Hilfe des Dolmetscher der Botschafter oder des Marketing-
officers der Aussenhandelsstelle, die Schwierigkeiten zu überwinden, zeigt
ein vollkommen unzulängliches Ergebnis.
Vielleicht überschätze ich die Sprachschwierigkeiten und bin durch mein
sprachliches Unvermögen besonders beeindruckt. Ich kann mich allerdings noch
genau erinnern, dass 1945 die Amerikaner einen Betreuungsmann in ein Jugend-
lager der Soz. Jugend geschickt haben, der nicht Deutsch konnte, auf Grund
der mangelhaft geführten Gespräche von einigen Teilnehmern mit ihm hat
er dann einen Bericht erstattet, den wir zufällig in die Hände bekommen
hatten, der verheerend war. So stelle ich mir vor, geschieht es auch
mit Informationen von den jetzigen österreichischen Stellen im Ausland
bei Sprachschwierigkeiten.
Wenn die österr. Fremdenverkehrswerbung in Tokio tatsächlich eine
Zweigstelle errichten wollte, kommt deshalb nur ein japanischsprechender
Vertreter in Frage. Allerdings ergibt sich hier eine grosse Schwierigkeit.
Die Mietzinse sind exorbitant hoch. Selbst wenn wir mit der AUA gemeinsam
ein Lokal finden, wird damit die Zinsbelastung irrsinnig sein. Ich halte
einen Mann vor notwendig, der die Reisebüros bearbeitet, insbesondere
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die Wholesaler überzeugen kann, in ihre package-tour Österreich aufzunehmen
Alles anderes ist in meinen Augen sinnlos. Die Aussenstelle gibt zu, die
jetzt die ÖFVW betreibt, dass sie Material nur verteilt, wenn Schulkinder,
die über Österreich lernen, gelegentlich den Weg zu ihr finden.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich muss unbedingt, bevor unser vorgesehener Vertreter
nach Japan abreist mit ihm und Zolles sprechen.
Die Vermittlungsformel sieht nun vor, dass neben den Zollsenkungsverhand-
lungen über Beseitigung der nichttarifarischen Hemmnisse auch Bemühungen
über ein dauerhaftes und gerechtes Währungssystem geführt werden sollen.
Die EG-Länder untereinander, insbesondere Giscard d'Estaing und Friderichs
hatten sich in Brüssel noch nicht geeinigt und deshalb in Tokio stunden-
lange Nachtverhandlungen zuerst untereinander und dann mit den Amerikanern
geführt. Friederichs meinte mir gegenüber mit Recht, dies sei alles sehr
desillusionierend. Andere meinte, Brüssel hätte jetzt seine internen
Streitereien in die Welt sogar bis Tokio getragen. Giscard d'Estaing
hat dann aber wieder in einer Pressekonferenz so gesprochen, als wenn
er allein alles gemacht hätte. Friderichs stand unter einem ungeheuren
Zeitdruck, weil er die Auto-Ausstellung in Deutschland eröffnen musste. Er
wurde dann, da er eine spätere Maschine buchen musste, sogar von London mit
einem Militärflugzeug abgeholt. Eine riesige Hektik, ein riesiger Theater-
donner, alles wegen einer Deklaration. Interssant für mich wäre zu ergründen,
wo eigentlich und wann Weichen gestellt werden, denn nach aussenhin ist dies
zumindestens bei diesen Verhandlungen nicht sichtbar gewesen. Die Entwicklungs-
länder selbst waren auch aufgespalten, die weniger entwickelten Ländern
hätten von den Industrieländern sofort entsprechende Konzessionen bekommen
können, da sich jetzt aber viele halbindustrialisierte Länder wie z.B. Jugosla-
wien, Rumänien als Entwicklungsländer bezeichnen und vor allem aber auch
die südafrikanischen höher entwickelten Ländern so wollen die den weniger
entwickelten Ländern nicht besondere Zugeständnisse machen. Am deutlich-
sten hat der Vertreter von Peru, Bolivien, Chile, Kolumbien und Venezuela
ausgeprochen, dass sie unbefriedigt sind über die ganze Entwicklung, da sie
ja letzten Endes ihre Präferenzen als unterentwickelte Länder entsprechendem
Zollabbau noch mehr verlieren. Ich bin neugierig, kann mir aber nicht vor-
stellen, ob tatsächlich die Verhandlungen bis 1975 beendet sein werden.
In Moskau habe ich bei einer Unterbrechung sofort die Verhandlungen mit
Kuzmin aufgenommen. Die Sowjets waren, obwohl es Samstag spät nachmittags
war, für Tokioter Zeit sogar Mitternacht, bereit, die offenen Probleme
zwischen Österreich und der SU zu besprechen. Patolitschew war noch auf Ur-
laub. Canisius hat mir bei der Ankunft bereits mitgeteilt, dass ein sehr
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gutes Klima zwischen ihm und Kuzmin besteht. Er hat ihn empfangen
und alle Probleme durchbesprochen. Leider ist aber die Stranggus-Anlage
auf die er fest rechnete, nicht uns zugeschlagen sondern DM gegeben worden
Angeblich waren es technische Gründe, wie Kuzmin mir gegenüber auch erklär
te und mein Hinweis, dass bei Glücökner in Deutschland bereits eine Strang
gussanlage steht, hat er damit entkräftet, dass Borisow, der erste Stell-
vertretende Eisen-Metallurgie-Minister nach Rücksprache mit den Technikern
so entschieden hat. Das Außenhandelsministerium kann nur, wenn die ent-
sprechenden Zustimmungen vorliegen, einen Anstoss, dass eben die Anlage
in Österreich und nicht in Deutschland gekauft wird, geben. Canisius
meint, es müsste sich die VÖEST viel mehr um die Geschäfte kümmern
Seiner Meinung nach müsste Koller zumindestens einmal jetzt wieder in
die SU kommen. Mein Hinweis, dass der andere Sorgen hat, als nicht zustand
gekommene Geschäfte nachzulaufen, fand nur begrenzte Zustimmung sowohl
von Botschafter Haymerle als auch von Canisius. Man erklärte sich dann
allerdings einverstanden, wenn zumindestens Matthes kommen könnte.
ANMERKUNG : Ich möchte sofort mit Koller telefonisch über dieses Problem
sprechen.
Canisius hofft, dass durch meine Intervention jetzt wenigstens die
Belletieranlage, die derzeit von der VÖEST zur VErhandlung steht, einen
Schritt weitergetrieben werden konnte. UdSSR möchte insbesondere mehr
Walzmaterialbezüge, die VÖEST ab 1974 zugesichert hat. Es handelt sich dabei
auch um Träger und U-Eisen und nicht nur um Bleche. Bezüglich der Gross-
und Kleinstahlguss-Aufträge wird jetzt in kürzester Zeit die Zeichnungen
und der Umfang von sowj. Seite Österreich übergeben. Kuzmin hat zur
Kenntnis genomen, dass ich mir Karlowetz, dem Besitzer von GFM wegener
einer Lizenzübertragung gesprochen habe, dies aber negativ entschieden
wurde. Karlowetz erklärte mit, er denke nicht daran, den Vorsprung, den
er hat, den Sowjets zu geben. Container-Schiffe kommen derzeit nicht
in Frage und es ist auch für nächste Zukunft kaum damit zu rechnen.
ANMERKUNG: Bitte mit Dkfm. Schwartz, Korneuburg, Schiffswerft, ver-
binden.
ABÖ werden maximal 5 Mill. gekauft und nur gewöhnliche Lieferungen,
keine grösseren Neubestellungen, da die Eigenproduktion in der SU
zugenommen hat und sogar jetzt mit Exporten beginnt. Für Industrie-
öfen, Aichelin, usw. bestehen keine Bedürfnisse. Armaturen werden aus-
reichend gekauft, aber auch nicht eine grössere Inmportausweitung zu
erwarten. Das Kunstfasergeschäft kann jetzt in grösserer Menge getätigt
werden.
Die Fa. Distl hat mich in eine Brief ersucht, ich möge interven-
ieren, um Druckaufträge der SU, die hauptsächlich nach Ostdeutschland
gehen, aber auch zu Globus nach Wien ebenfalls zu bekommen. Kuzmin hat
klar und deutlich erklärt, dass dazu keine Chance besteht.
ANMERKUNG: Bitte mich mit Dr. Lorbeer, 72 51 77 verbinden.
Gen.Dir. Bauer hat mit Feichtinger, Kreutler, Schmatzberger und einem
fünften Herrn Verhandlungen über Gaslieferungen geführt. Sie ersuchten mich
brieflich, ich sollte darauf drängen, dass nicht nur 1974 500 Mill. mehr
geliefert werden, sondern auch für die Jahre 1975 bis 1977 mindestens
250 Mill. garantiert werden sollten. Ich habe natürlich eine solchen
Versuch unternommen. Kuzmin erklärte mir aber dezidiert, niemand in
der SU könnte heute für das Jahr 1975 und spätere Jahre eine verbindliche
Erklärung abgeben. Vor 1978 ist ihr Erdgasproblem nicht zu lösen. 1976
wird zwar ein neuer 5-Jahresplan erstellt, aber wie die einzelnen Länder,
die sich alle um Erdgasbezüge reissen, berücksichtigt werden, kann jetzt
noch nicht gesagt werden. Bei meinem Flug über die sibirische Strecke
konnte ich mir ein Ausmass und eine Vorstellung die Schwierigkeiten
einigermassen machen. Ich werde mit der ÖMV jetzt letzten Endes mit zu
entscheiden haben, ob wir die 500 Mill. übernehmen und wie wir 1975
bis 1977 über die Runden kommen. Bauer möchte diese zusätzlichen Mengen
Steiermark und Kärnten anbieten. Die dortigen Abnehmer werden aber sicher-
lich längerfristige Verträge mit Mindestlieferungen erwarten. Kuzmin meinte
und er dürfte Informationen von Bauer haben, dass ab 1977 algerisches Gas
zur Verfügung steht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies wirklich zu
diesem Zeitpunkt der Fall sein wird. Die Stimmung war sehr freundlich,
die Ergebnisse fast Null. Sicher war ein eine gute Geste von mir, durch
Unterbrechung sogar bis 3 Uhr früh Verhandelungen mit den Sowjets zu
führen. Mehr als eine Klimaverbesserung konnte ich aber nicht erreichen.
Durch ein ganz kompliziertes System und daher für mich sehr lehrreich,
konnte ich dann sogar noch mit dem Aussenhandelsstellenleuten und Meisl
hatte sich bereits niedergelegt, ein jiddisches
Theater in Moskau besuchen. Die Billeteurin meinte zwar, wir würden
nichts verstehen, doch habe ich auch tatsächlich nichts verstanden, aber
mehr als in einem russischen Theater. Was mich sehr beeindruckt hat,
war, dass das Stück sehr gut besucht war und sicherlich nur lauter Juden
waren, die als einzige diese Sprache einigermassen verstanden. Dieses
Land bleibt mir auch ein grosses Rätsel. Haymerle meint, dass die Dissiden-
ten-Bewegung Sacharow, Solschenizin und so weiter keinen grösseren Einfluss
haben werden. Durch den Angriff auf die SU-Regierung nämlich indirekte
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Typsgebung der westlichen Länder, sie sollte sich nicht durch Kooperation
mit der SU ihrer Stärke begeben, meint er, sei der Bogen weit überspannt
worden. Der Abgeführte Schauprozess sei ihm nur so erklärlich, dass es
sich dabei um Spitzel gehandelt hat, die eben jetzt zu 3 Jahren verur-
teilt wurden, dann der Presse und dem Fernsehen vorgeführt, dort ihre
Schuldbekenntnisse ablegten und damit diese ganze Gruppe innenpolitisch
ihre Bedeutung verloren hat. Mit Canisius konnte ich über dieses Problem
nicht diskutieren, doch kann er, der die Sprache vollkommen beherrscht,
wahrscheinlich mehr in Erfahrung bringen, als jeder andere. Seine Funktion
ist allerdings, die Wirtschaftsbeziehungen zu verbessern und dafür setzt er
sich ncht nur sehr ein, sondern hat mit seinem Sprachvorteil die optimalsten
Voraussetzungen.
Tagesprogramm, 8.9.1973
TB Koppe, 13.9.1973
17_1006_02Besprechung Mussil, 11.9.1973
17_1006_04Pressefrühstück
Schreiben VKI an Staribacher (Beilage Pressefrühstück), 13.9.1973
17_1006_08Pressegespräch Mussil, 12.9.1973
17_1006_10Konferenz SPÖ-Landesparteisekretäre, 5.9.1973
17_1006_12Tagesordnung 95. Ministerratssitzung, 11.9.1973
17_1006_14Information für den Herrn BM betr. TOP 7, 7.9.1973
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