Dienstag, 4. September 1973
Noch niemals hat sich so deutlich gezeigt wie bei dieser Minister-
ratsvorbesprechung und Ministerrat in der Strudlhofgasse, daß wir
ein ganz eigenes System haben. Kreisky, der sonst die Ministerrats-
vorbesprechungen dazu nützt, um seine Überlegungen an Hand seiner
Post, d. h. des Posteinlaufes den er mit anderen Ministern besprechen
will, artikuliert, hat, weil anschließend daran die Regierung mit dem
erweiterten Präsidium Besprechungen führen sollte, nur die Absicht,
den Ministerrat mit 54 Punkten so schnell als möglich zu ermöglichen.
Auch in der Vorbesprechung wurde deshalb kein einziges Problem erörtert,
sondern sofort erklärt, machen wir Ministerrat. Im Ministerrat berichtete
dann Leodolter über die Cholera, daß alle Vorkehrungen, allerdings nur
in Form Permanenzdienstes, getroffen sind. Die Deutschen und auch
die Schweiz haben, wie sie mit Stolz vermerkte, nicht einmal für
Samstag, Sonntag einen ständigen Permanenzdienst eingerichtet. Kirch-
schläger berichtete über den Flugzeugzwischenfall und ich erklärte
nur, daß ich zur Welthandelskonferenz nach Tokio fahre und Weihs
meine Vertretung übernimmt. Zu meiner größten Verwunderung fragte
Androsch, welche Konzeption ich in Tokio einnehmen würde. Brutal
hätte ich antworten können, daß dies mit den Interessensvertretungen,
ganz besonders mit dem Finanzministerium abgestimmt ist und er eigentlich
darüber informiert hätte sein müssen. So setzte ich aber in einem Satz
ihm nur auseinander, daß entweder eine generelle Senkung, wie die
Kennedy-Runde mit der Bemerkung, dies koste zu viel Geld, oder die
harmonisierte Methode möglich ist, die wir anstreben. Da Kreisky
die Sitzung sowieso beenden wollte, hat es natürlich auch darüber
keine Diskussion gegeben.
Anmerkung für WANKE
Bitte besonders darauf achten, daß das Finanzministerium bei Maßnahmen,
wo es doch davon betroffen ist, wie Zollsenkungen, entsprechend nicht
nur informiert, sondern auch aktenmäßig festgehalten wird, daß es das
Einverständnis gegeben hat.
Gehart hat dem Büro mitgeteilt, daß die Gefahr besteht, daß MinRat
Wanke vom Finanzministerium, gleichzeitig Staatskommissär in der
BÜRGES bei der Aufsichtsratssitzung entsprechende Anträge der Änderung
der Richtlinien stellen wird. Da unsere Taktik bis jetzt immer so
gelaufen ist, daß wir eine Änderung der Richtlinien ablehnen, damit wir
nicht zusätzliche Mittel brauchen, die der Finanzminister entweder
überhaupt nicht oder nur unzulänglich zur Verfügung stellen könnte,
habe ich sofort mit Vranitzky darüber gesprochen. Vranitzky selbst
war davon nicht informiert und hat mit MR. Wanke, wie er mir versichert,
Rücksprache gehalten. Zu meiner größten Verwunderung hat dann nach
der BÜRGES-Sitzung. Jagoda uns mitgeteilt, daß Wanke trotzdem eine
entsprechenden Antrag zur Debatte gestellt hat. Da die Tagesordnung
umfangreich war, wurde von Jagoda die Sitzung unterbrochen und die An-
träge sind nicht zur Diskussion gekommen. Sallaberger, der Vertreter
des Freien Wirtschaftsverbandes hat mir abends in der Partei erklärt,
daß er neben dem Handelskammervertteter Dorn gesessen ist, der die
entsprechenden Anträge auch auf seiner Tagesordnung verzeichnet gehabt
hat. Sallaberger vermutet hier ein enges Zusammenspiel zwischen MR. Wanke
und Dorn von der Handelskammer und damit natürlich mit allen
ÖVP-Vertretern in der Bürges-Aufsichtsrat. Ich habe Vranitzky von
dieser unglaublichen Vorgangsweise sofort informiert und Vranitzky
hat neuerdings mit Wanke gesprochen. Nach seiner Mitteilung hätte
Wanke diese Anträge mit Geschäftsführung der Bürges, also auch mit
den Vertretern den wir reingebracht haben, Steuer, abgesprochen und
dessen Zustimmung erhalten. Selbst wenn dies stimmt, ist es meiner
Meinung nach unmöglich, daß der Staatskommissär die Aufsicht zu führen
hat, Kreditpolitik macht, um Mittel für vernünftige Aktion frei zu-
bekommen ist es meiner Meinung nach sinnlos, die Richtlinien zu ändern,
da diese letzten Endes von den ÖVP-Ministern noch festgelegt wurden
und deshalb uns die Handelskammer oder die Wirtschaft dafür angreifen
können. Der Freie Wirtschaftsverband hat sich bisher immer auf unsere
Seite gestellt und keinerlei Änderungen der Richtlinien verlangt und
obwohl sie selbst vor etlichen Jahren entsprechende Beschlüsse für
Änderungen gefaßt haben. Nun versucht die ÖVP über das Finanzministerium
unsere Front aufzuholen. Vranitzky war wirklich darüber erschüttert,
das konnte ich über das Telefon fast hören, und versprach, er wird
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eine diesbezügliche Änderung herbeiführen. Wir einigten uns auf
eine Besprechung unserer Fraktion mit dem Finanzministerium.
Anmerkung für Heindl
Bitte eine Sitzung Jagoda – Vranitzky und unsere Vertreter fraktionell
einzuberufen, damit unverzüglich die entsprechenden Schritte besprochen
werden können.
Bei der erweiterten Parteipräsidium – Regierungsbesprechung zeigte
sich deutlich, daß unser System irgendwie geändert gehört. Kreisky
hat das Bedürfnis, aber nicht nur das, ich würde fast sagen in seiner
Arbeitsmethode die unbedingte Notwendigkeit, daß er erst beim Sprechen
und erklären der Probleme einen größeren Kreis gegenüber, seine Über-
legungen und Gedanken erst formuliert. Da ich selbst ein solches
System bevorzuge, habe ich dafür großes Verständnis. Andererseits
wieder wird es für den Zuhörer ungeheuer langatmig und schwierig,
solcher Meinungsbildung einige Male zu folgen. Kreisky selbst hat
dies auch am besten dadurch ausgedrückt, daß er meinte, er möchte
jetzt hier nicht ein langes poetisches Referat halten, weil er dies
sowieso im Parteipräsidium nachher im Parteivorstand, dann sogar
am Parteirat machen muß.und er möchte deshalb mehr herausstreichen,
was in den nächsten Monaten geschehen müße und wie man dies am besten
der Presse heute zur Kenntnis bringt. Drei Schwerpunkte wollte er für
die Herbstarbeit herausgearbeitet wissen.
1. Die Erfüllung des legislativen Nachholbedarfs, er erwähnte Arbeits-
verfassung, Volksanwaltschaft und Rundfunkgesetz
2. die nächsten 1/4 Jahr Aktivität und
3. die notwendigen Tätigkeiten für Verwaltungsmaßnahmen, wie z. B.
IRKW, d.h. das Unido-Zentrum
In kürzester Zeit aber war von dieser Dreiteilung nichts mehr zu be-
merken, sondern er hat Häuser aufgefordert, seine nächsten Gesetzes-
initiativen zu erörtern. Dann ging dies bei allen Ministern und im Nu
war es fast 6 Uhr und natürlich ist über andere Punkte oder über Maßnahmen
die sonst getroffen werden sollten, gar nicht mehr geredet werden.
Heinz Fischer der neben mir saß meinte, daß die Hauptschuld für die
Unsystematik darin liegt, daß Kreisky keine Tagesordnung auflegt
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Ich glaube, daß das wirkliche Problem darin liegt, daß man nicht
genau weiß, wielange und über welche Probleme man referieren soll.
Dies gilt dann auch ganz besonders für die Diskussion. Ich selbst
habe jetzt schon einigemal miterlebt, daß wenn es um das Krankenan-
staltengesetz geht, immer wieder dieselben Argumente, nämlich wieviel
mehr kann der Bund für die Spitäler nicht an Investitionsmittel, sondern
an Betriebsaufwandanteil zur Verfügung stellen.
Da ich einer der letzten zum Referieren gekommen bin und LH. Kery
befürchtete, es würde auch bei mir lange dauern, er mir dafür 1 Minute
geben wollte, habe ich in 24 sek. wie er stoppte, den Bericht über
Gewerbeordnung, Straßenverkehrsordnung und Kraftfahrgestz als Schwer-
punkte für die nächsten 3 Monate erwähnt. Bei entsprechender Disziplin
d.h. womöglich vorgegebener Zeiteinheit, die jeder zur Verfügung hat
und insbesondere gestraffter Diskussion, könnte man natürlich einen
solchen Tag auch anders nützen. Allerdings weiß ich nicht, ob dies im
Interesse von Kreisky überhaupt gelegen ist.
Kreisky hat dann zusammengefaßt 7 Punkte erwähnt, die man in der Presse
und Öffentlichkeitsarbeit der nächsten Monate vertreten sollte.
1. Die Stabilisierungspolitik.
2. In der Wirtschaftspolitik die Vollbeschäftigung sichern.
3. Das Regierungsprogramm erfüllen.
4. Mit der Opposition verhandeln und wenn möglich zu Kompromissen zu
kommen.
5. Das Verhalten der Volkspartei, aber auch der Freiheitlichen wird
sich erst nach dem 21. Oktober d.h. nach den OÖ- und Wiener Wahlen
ändern. Insbesondere wird man nach den oö-Wahlen das Verhalten der
Freiheitlichen Partei feststellen können. Es wird, wie er sich aus-
drückte, eine Probe aufs Exempel, d.h. wenn sie uns nicht bei der
Installierung des LH. Fridls unterstützt, dann müsse man die ganze
Taktik gegenüber der Freiheitlichen Partei neu überprüfen.
6. Mit dem Partnern müßte man weiter verhandeln und besonders die
positive Seite herausstreichen. Mit den Sozialpartner besteht
das beste Einvernehmen, nur bei der Landwirtschaft sei dies ein
wenig anders. Hier hätte die letzten Verhandlungen gezeigt, daß der
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Bauernbund akzeptiert, daß gleichzeitig auch der Arbeitsbauernbund
die freiheitlichen Bauern und der allgemeine Bauernverband mitverhandeln.
7. Die große Frage sei, ob man die Differenzierung der einzelnen Prob-
leme in der Presse erreichen könnte. Dies sei äußerst schwierig,
doch sei es gelungen, bei der Aussenpolitik und auch beim UNO-City,
daß die Presse nicht einheitlich gegen die Regierung Stellung nimmt,
sondern daß doch einzelne Organe manchmal mit Regierungsvorschlägen,
heißt, eigentlich Kreisky-Stellungnahmen einverstanden ist und des-
halb nicht eine einheitliche Antipressefront gegen die Regierung
festgestellt werden muß.
Neben den Krankenanstaltenproblem gab es eine einzige harte Diskussion
zwischen Kreisky und den Landesvertretern sowohl Fridl, Hillinger als
auch Sebastian, dem es um die Finanzierung der verstaatlichten Betriebe
geht. Die Ländervertreter behaupten, daß man den verstaatlichten Indu-
strien 2 Milliarden S zugesichert hat und daß jetzt Finanzminister aber
auch Kreisky als Ressortvertreter nicht bereit ist, diese 2 Milliarden
zur Verfügung zu stellen. Kreisky selbst meinte, dies sei anders gewesen,
daß nämlich bei den Fusionsgespräch man gesagt hat, man bräuchte jetzt
20 Milliarden S für Rationalisierungsinvestitionen, 18 Milliarden seien
dabei irgendwie gedeckt gewesen und für die restlichen 2 Milliarden
hätte er nur erklärt, würde die ÖIAG entsprechende Finanzierungsmethoden
finden müssen. D. h. der Eigentümer wird für die Aufbringung sorgen.
Androsch steht nun auf dem Stand unkt, daß ein Konzern mit 60 Milliarden
S Umsatz, der keine Dividenden ausschütten muß, die Eigenfinanzierung
dieser 2 Milliarden sicherstellen müßte. Ebenso lehnte Androsch eine
Erhöhung der scheinbar auch zugesagten Bergbauförderungsmittel auf
die volle Verlustdeckung von Höfling-Bergler und Fohnsdorf ab. Immer
mehr festigt sich bei mir die Überzeugung, daß es ganz schlecht ist,
wenn der Bundeskanzler noch zusätzliche Ressortfragen hat oder gar
vielleicht wie Pittermann und Kreisky sich darum reißt, die ver-
staatlichte Industrie unter seine Kompetenz zu bekommen. Schärf selbst
hat als Vizekanzler sich ausschließlich um die Ressort der anderen
Minister, d.h. um die Koordinierung bemüht und vor allem die Partei-
arbeit sehr straff geführt. Ich selbst habe erlebt, wie er an Wirlandner
einen harten Brief geschrieben hat, als dieser in der Zukunft oder
sonst in einem Organ eine Meinung vertreten hat, die gegen Schärf-
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Linie und damit natürlich auch gegen die Linie der Partei gewesen
ist. Schärf hat sich also um viele Details gekümmert, aber nur so-
weit es die Parteilinie und soweit es die Koordinierung der Fraktion
der Minister gewesen ist. Pittermann aber auch Kreisky haben sei es
aus Hausmachtsgründen, oder aus anderen Überlegungen, die ich nicht
weiß, danach gestrebt, daß die verstaatlichte Industrie unter ihre
Ressorthoheit kommt. Jetzt ergibt sich daraus die Tatsache, daß natürlich
in Wirklichkeit die Direktoren, aber auch wahrscheinlich die Betriebs-
räte von den Direktoren informiert, immer mehr die Zusagen, eine tat-
kräftige Unterstützung der verstaatlichten von einer sozialistischen Re-
gierung erwarten und verlangen. Damit entsprechen ungeheure Konflikt-
stoffe, wie sich bereits jetzt zeigt und wie wahrscheinlich in der
Zukunft nicht viel stärker auswirken wird.
Die Messeeröffnung war diesmal sehr gut besucht, ja sogar überfüllt.
Dadurch entstand eine irrsinnige Hitze und alle Reden waren sehr kurz.
Gratz hat bei der Regierungsbesprechung mich gefragt, ob ich ein Kon-
zept habe und über was ich sprechen werde. Da ich keine schriftliche
Rede vorlegen konnte, hatte ich eben nur kurz erwähnt, daß ich über
Export und Wirtschaftslage ganz kurz reden werde. Gratz ist sofort ein-
gestiegen und meinte, dann wird er über Umweltschutz vom Wiener Stand-
punkt sprechen. Er hat sich dann auch eine kurze Rede selbst aufgesetzt,
weil er mir gegenüber bemerkte, im Informationsdienst zwar 33 Leute
sitzen hat und die ihm aber entsprechend miese Reden zur Verfügung stellen.
Gratz selbst versicherte mir auch neuerdings, daß er für die Landstraße,
die infrastrukturell sehr benachteiligt sei, ein wirkliches Interesse
zeigt und hier diesen Übelstand abstellen will.
Hofrat Strauß von der Messe ersuchte mich neuerdings, er sollte ver-
suchen mehrere Minister einzuladen. Die Messe kommt jetzt endlich drauf,
daß sie dringend einer optischen Verbesserung bedarf. ........... hat
in seiner Begrüßungsansprache hingewiesen, daß ein afrikanischer Bauten-
minister anwesend ist und der polnische Außenhandelsminister noch kommen
wird.
Anmerkung für Heindl
Die Messe wäre glaube ich glücklich, wenn wir mindestens 3 Minister
nach Wien bringen könnten.
Dr. Conrad von der deutschen-österr. Handelskammer hat mich ersucht
ob ich bereit im, im Advent nach Salzburg zu fahren, weil dort
Friderichs zu einem Adventspiel eingeladen wird und ich mit ihm neuer-
liche Besprechungen führen könnte. Ich habe sofort zugesagt, da ich
natürlich jeden Kontakt mit westlichen Handelsministers dringend be-
nötige, besonders wenn diese sogar noch auf Kosten anderer nach Öster-
reich eingeladen werden.
Anmerkung für Heindl
Ein Samstag, Sonntag, 1. oder 2. Advent wird noch von der Handels-
kammer mit Dir abgesprochen.
Der Rischka von Rank Xerox hat mir mitgeteilt, daß er mit Sallinger
selbst nicht gesprochen hat, sondern daß Melis dies wegen dem Europa-
Institut getan hat. Deshalb hätte Sallinger so negativ reagiert und
er selbst wird setzt selbst Besprechungen führen, Igler hätte ihm
aber neuerdings versichert, was sie mitmachen. Rischka ist überzeugt,
daß er Sallinger dafür gewinnen kann. Rischka war mir dann besonders,
wie er sich ausdrückte, verpflichtet, weil ich ihm den chin. Botschafter
nicht nur vorstellte, sondern auch dann noch half, alle Schwierigkeiten
zu beseitigen, damit Rank Xerox bei der Industrieausstellung Möglichkeiten
einer ev. Nachrichtenübermittlung besitzt. Überhaupt kann ich feststellen,
daß die Unternehmer, die einmal mit mir zu tun hatten, bereit sind auch
anderen gegenüber immer wieder herauszustreichen, wie sehr sie im Handels-
ministerium nicht nur eine Unterstützung finden, sondern wie man jeder-
zeit mit dem Minister reden kann und unbürokratisch Fragen erledigt
werden. Besonders zeichnete es sich diesmal bei GenDir. Rabus von
Steyr aus.
Anmerkung an ALLE
Der Servicegedanken wird deshalb so hoch geschätzt, weil ich doch im
Stande bin, jeden Terminwunsch kurzfristig zu erfüllen. Bitte unter
allen Umständen an diesen System festhalten.
Tagesprogramm, 4.9.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
hs. Notizen
17_0967_04Tagesordnung 84. Ministerratssitzung, 4.9.1973
17_0974_02