Dienstag, der 10. Juli 1973

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Dienstag, 10. Juli 1973

Im Ministerrat hat Kreisky, wie er nachher bie einer Besprechung er-
rkäte, ausdrücklich unser taktisches Verhalten in der nachfolgenden
Parlamentssitzung deshalb so im Detail erörtert, damit – wie er sich
ausdrückte – der ÖAAB-Funktionär vom Ministerratsdienst der ÖVP die
entsprechende Information weitergibt. Ich glabue, hier irrt Kreisky,
so primitiv ist kein Beamter und kein Funktionär, um sich durch ein
Dienstvergehen einen Strick zu drehen. Wenn sich die ÖVP der Hilfe
ihrer Beamten bedient, so sicherlich auf nicht so für den einzelnen
Beamten gefährliche Weise.

Kreisky hat auch den soeben erhaltenen Lebenshaltungskostenindex, der
nur 7,2 % gegenüber dem VOrjahr, allerdings 0,7 plus gegenüber dem
Vormonat, betruf, bekanntgegeben. Die verhältnismässig geringe Stei-
gerung gegenüber dem VOrjahr ist auf eine besonders starkes Anwachsen
des Lebenshaltungskostenindexes im Juni 1972 zurückzuführen. Dadurch
ist trotz der 0,7 % Zuwachs-Vormonat der Jahresabstand verhältnismässig
gering.

Nach der Sitzung hat Kreisky noch einmal eine Ministernachbesprechung ge-
halten und erklärt, es denkt nicht an eine Regierungsumbildung und ver-
langte allerdings dass wir unsere Arbeit und jeder Minister vor allem
die Tätigkeit kritisch prüfen. Beispiel war für ihn der Spitalsplan,
den er zwar nicht namentlich nannte, aber meinte, man müsse alle Aktionen
die man setzt, zuerst auch finanziell abdecken können. Sonst bleibt alles
nur Papier, eine Diskussion könnte ea aber natürlich über jedes Problem
natürlich vorher geben. Auch sei es möglich, dass jedes Regierungsmit-
glied, und darauf legte es sogar grössten Wert, seine eigenen Ideen
darlegt und vertritt, solange nicht ein Beschluss gefasst wird. Im selben
Moment, wo ein Beschluss vorliegt, müsse man natürlich alle nach
diesem Beschluss handeln.

Weihs hat dann noch einmal seinen Plan der 10 Groschen f. Normalweizen
und 12 Groschen für Qualitätsweizen-Preiserhöhung dargelegt und es
wurde so beschlossen. Warum Kreisky diese Nachbesprechung machte ist
mir nicht ganz klar, Vielleicht haben ihn die Zeitungen verunsicherte
die ununterbrochen eine Auswechslung seiner schwachen Minister ver-
langen. VIelleicht wollte er auch noch einmal vor der morgigen Kom-
petenzdiskussion im NR neuerdings vorher seine Meinung, dass er
hinter jedem Minister steht, den Ministern gegenüber dokumentieren.



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Die Zukunft wird zeigen, was er wirklich damit wollte und beabsich-
tigte.

In der Fragestunde liees er sich durch Staatssekretär Veselsky
und Lausecker vertreten. Sicher hatte sie schwierigere Fragen ein
bisschen spielte insbesoinere aber bie Veselsky die Tatsache mit,
dass er endlich einmal für Kreisky in Erscheinung treten konnte,
dass sie für diese 4 Fragen eine halbe Stunde bruachten. Für mich
war klar, dass jetzt eine ganze besonderes Gegenüberstellung der
Anfragebeantwortungen kommen würde und könnte. Ich habe nämlich für
4 Fragen, die allerdings, das gebe ich unumwunden zu, nicht so pole-
misch angeleg-t waren wie dies 4 der Staatssekretäre, 5 Minuten ge-
braucht. Damit hat dieses System sogar bie der ÖVP grösste Aner-
kennung gefunden.

Die Erklärung des Bundeskanzlers und des Finanzministers zur wirt-
schaftlichen Lage also zum Wirtschaftsbericht wurde diesmal wie
mich Dr. Bock aufmerksam gemacht hat, zum UNterschied vom letzten Mal
nicht als Regierungsbericht abgegeben. Die Unterlagen wurden uns
kurzfristig im Handelsministerium zur VErfügung gestellt, wie mir
Bock sagte, entsprechende Änderungen von ihm resp. anderen wären vor-
geschlagen aber nicht berücksichtigt. Präs. G ich glaube auch sogar
Gehart war ein bisschen enttäuscht, dass ich mich so wenig um die
Abänderungen und ganz besonders um den ganzen Bericht, den man
mir in der Früh noch schnell zeigen wollte, kümmerte. Da ich über-
zeugt war, dass ja gar nicemand daran dachte, auch nur mehr einen
Beistrich zu ändern, fand ich es sinnvoll, mich überhaupt nur damit
zu beschäftigen. Kreisky hatte zwar in der Ministernachbesprechung
gemeint, es sollte die einzelnen Minister, wenn irgendein Problem,
das sie betrifft zur Sprache komt , sofort das Wort ergreifen und
nicht warten, bis ein SPÖ-Abgeordneter dieses Problem aufgriff und rep
zierte, doch ist es glaube ich, ich war nicht die ganze Zeit im Saal,
niemals zu einer solche Erwiderung eines Ministers gekommen.

Das Interview mit dem Wiener Wochenblatt war kurios. Redakteur
Ullmann hatte eine Kombination von gaghaften FRagen und in der
BEantwortung schwierigen psychologische Kombinationen vorge-
sehen. Gerade die Wochenblatt-Leser sind äusserst interessiert,
wirklich zuerfahren, ob man als Handelsminister in einem Film mit-
wirken möchte, wo Senta Berger, ich kenne sie nur dem Namen nach,
sie soll abr angeblich eine attraktive Frau sein, mitwirkt. Das


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Teuflische daran war, ob mann der Mitwirkung von Senta Berger

bei dem zu schaffenden Film den höchsten Stellenwert der Bejahung
zuerkennt. Da der Redakteur die Antwort nicht einmal stenographierte,
geschweige denn ein Aufnahmegerät mitlaufen liess, wird er wahrschein-
lich aus den Fragebeantwortungen das heraushören, was er in Wirklich-
keit wolte.

Der polnische Botschafter Karski hat mir mitgeteilt, dass er den
Schwerindustrieminister Letschak eingeladen hat, damit er die VÖEST
besichtigt und die Geschäfte, die Karski unbedingt abschliessen
möchte, vorangetrieben werden, Karski möchte als Botschafter, der nicht
aus dem diplomatischen Kreis sondern aus dem Wirtschaftskreis kommt,
beweisen, dass er natürlich primär imstande ist, die kommerzielle
Seite seiner Tätigkeit ganz besonders in ERfüllung der Besprechungen
Jaroszewicz-Kreisky zu erfüllen. Er suchte deshalb, es sollte auch
unser Botschafter Proksch in Warschau von uns angewiesen werdne, dass
er sich jederzeit um die Geschäfte stärker kümmern sollte. Er meinte,
er sei zu 50 % ja Österreicher und man müsste immer am Feind bleiben.
Ich habe ihm dann vorgeschlagen, wir sollten mehr davon reden, dass
wir beide – die polnische ud die österreichische Seite – am Ball
bleiben sollten. Da er gleichzeitig auch das Besuchsprogramm von Olechowski, den ich zur Messe eingeladen habe, von uns wissen wollte, habe ich
vorerst die Frage an ihn gestellt, dass wir wissen wollten, das Ole-
chowski
in Wien beabsichtig und wie lange er bleiben will. Für uns
war es auch selbstverständlich, dass er mit Frau kommt, was glaube
ich aus der Einladung nicht so konkret hervorgeht. In Durchführung
der Besprechung der Ministerpräsidenten und Kanzler, wo eine Andeutung
überden Donau-Oder-Kanal fiel, möchte er auch alle Unterlagen diesbe-
züglich vm Handelsministerium. Ich bin nicht überzeugt, dass be uns
überhaupt etwas existiert undso mehr aber, dass der Kanalverein, resp.
andere Ministerien, wie das Bautenministerium doch entsprechneden
Material hat.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Wenn die Referenten im Haus bei uns kein UNterlagen
material liefern, was ich befürchte, sich mit
dme Kanalverein Kotzinas und dem Verkehrsmini-
sterium ins Einvernehmen setzen, damit uns die
UNterlagen zur VErfügung stellen.



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Das Gespräch mit der Möbelindustrie, wofür dann letzten Endes vier
Ministerialbeamte incl. des Sektionsleiters Meisl zur VErfügung stellten
war eine ausgesprochene Pleite. Sekt.Rat Hönel hat entweder nicht auf-
gepasst oder eben übertrieben, dass eine einzige Firma, nämlich
Albrecht von Hallein gekommen ist, um mir gegenüberzu erklären,
dass sie durch die Kreditrestriktionen in eine schwierige finanzielle
LAge und durch die Ausbildungsbestimmungen, dass sie nicht einen eigenen
Möbelhändler-Lehrberuf und einen eigenen Fabrikstischler-Lehrberuf
haben, Schwierigkeiten haben. IN all diesen Fällen habe ich Herrn
Albrecht auseinandergesetzt, wrum auch ich nichts dagegen unternehmen
kann und dass was die Lehrausbildung betrifft, ich gar nicht unter-
nehmen will, weil dadurch die Möglichkeit der Mobilität eines Lehr-
lings, wenn er fertig ist, sehr beeinträchtigt ist. JedesüNernehmer
nehmen möchte womöglich eine Lehrberuf für seinen spezifischen Fal
haben, denkt aber nicht daran, was dann aus dem Lehrling wird, wenn
er einmal von seinem Betrieb weggeht. Die Gewerkschaft ist natürlichg
genau konträrer Meinung und ich glaube, dass sie in diesem Fall wirklich
recht aht.

Die Wirtschaftsdebatte musste dann um 5 Uhr unterbrochen werdn, weil
eine Dringliche Anfrage über das Bundesheer von der ÖVP eingebracht wurde
Da sich kein einzlener Redner bie der Wirtschaftsdebatte auch nur im ent
ferntesten an einen kurzen Diskussionsbeitrag dachte, ging die National-
ratssitzung bis am nächsten Tag um 1 Uhr früh. ZUm Schluss waren alle
nicht nur sehr müde, sondern auch gereizt und es kam natürlich oft
zu kabaretthaften oder agrssiven Auseinandersetzungen. In der ERinnerung
blieb mir, dass Melter dann bei der Diskussion über Stempelmarken für
KFZ-Steuer nicht nur begründete, warum die FPÖ dies ablehnt, wofür ich
noch vollstes Verständnis hatte, sondern soweit ging, um die Stückelung
für die einzelnen Sätze genau zu erklären. Dies hiess doch nächtlicher-
seits die Nerven der Abgeordneten hart strapapzieren. Andereseits hat s
sich bewehrt, dass keine Befristung der Sitzung festgelegt wurde, weil
dadurch hat man zumindestes vehrindert, dass einzelne Abgeordnete
womöglich die Tagesordnung auf den nächsten Tag hinüberziehen wollte,
um dann noch zu massenmedien-günstigen Zeiten neuerdings dieses Problem
zu erörtern. WEnn amn fertig werden will, muss manganz einfach erklären
die Sitzung dauert so lange, bis die Tagesordnung abgewickelt ist.
Dauert sie wirklich bis in die Nacht, dann wird in den Massenmedien
geschrieben, dass das Parlament solange getagt hat, und die Be-
völkerung sagt womöglich, da schau her, die arbeiten etwas.

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Tagesprogramm, 10.7.1973

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Tagesordnung 79. Ministerratssitzung, 10.7.1973

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Tätigkeit: ehem. Bautenmin., ÖVP


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: stv. Außenhandelsminister
      GND ID: 127276920


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        Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


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          GND ID: 12254711X


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            Tätigkeit: MR HM; evtl. ident mit Bock, B


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                Tätigkeit: poln. Bergbauminister


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                  Tätigkeit: Verkehrsminister


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                    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                    GND ID: 130620351


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                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                      GND ID: 102318379X


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                        Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                          GND ID: 118566512


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                            Tätigkeit: poln. Min.präs.
                            GND ID: 128630841


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