Samstag, der 2. Juni 1973

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Samstag, 2. Juni 1973

Die Wiener Konferenz, da sie den ganzen Tag dauert, auch als Landes-
parteirat bezeichnet, wurde von vielen mit Spannung erwartet. Ich selbst
war überzeugt, dass angesagte Revolutionen nicht stattfinden und habe
angenommen, dass alles ruhig über die Bühne gehen wird. GEstört hat
mich, dass dort eine Musikkapelle beim Eingang gestanden ist um also
richtig optisch eine freundlche Stimmung zu erzeugen, was Gawlik, mit dem
ich zufällig von hinten dazukam, zur Äusserung veranlasste, was soll di
dieser Zirkus. Sonst bin ich mit Gawlik nie einer Meinung, in diesem
Fall aber glaube ich, hat er recht. Für mich überraschend war die Ein-
leitung von Probst. Er hat sich vorgenommen, ein längeres Statement abzu-
geben und hat insbesondere dort geglaubt, er kann sich jetzt noch
schnell von Slavik trennen. Er hat wortwörtlich gesagt: Slavik ist
ein tüchtiger Mann, aber man wird zu prüfen haben, mit wem man in die
nächsten Wahlen geht. Gleichzeitig distanzierte er sich auch von dem
Sternwartepark-Experiment, indem er meinte, die Idee ging nicht von
ihm aus.Den BEricht von Nittel konnte ich nicht hören, weil ich
in dieser Zeit die Spielwarenmesse "Spiel 73" eröffnete. Der einzige
Diskussionsredner zu diesem BEricht war Hindels. Den hörte ich
bereits beim Eingang schmettern. Er hat seine an und für sich sehr
vernünftigen Überlegungen mit einem Pathos vorgetragen, der mir immer
irgendwie komisch vorkommt. Ich glaube, dass diese Art der ARgumentation
und Diskussion vorbei ist. Slavik selbst hatte einen verhältnismässig
langen, aber sehr gute konzipierten Vortrag über die Zukunft der
Wiener Aufgaben als Bürgermeister gebracht. Er hat nur ganz kurz wegen
Sternwartepark und weitere Entwicklung nicht einmal polemisiert sodern
nur Bezug genommen. Da bereits jetzt um 1/2 1 Uhr aber vorgesehen war,
dass um 1 Uhr die Mittagspause einsetzt, wurde – bevor über dieses
Referat diskutiert wurde – bereits die Abstimmung vorweggenommen und
die Diskussion auf Nchmittag verschoben. Dies ist zweifelsohne ein
aussergewöhnlicher Vorgang, denn normalerweise hätte man müssen über
dieses Referat diskutieren, weil ja damit letzten Endes vor den Wahlen
die Delegierten Gelegenheit hatten, an Slavik entsprechende Kritik zu
üben. Ich bin nicht überzeugt, ob es viele gemacht hätten. Es wäre darau
angekommen, wie die ersten REdner reagiert hätten. Auf alle Fälle aber
hat es nun denANschein, als ob man ihm – Slavik – die Möglichkeit nehme
wollte,über eventuelle Angriffe vor der Wahl noch zu reagieren. Die
Gewerkschaft hatte ihre Delegierten versammelt und es haben 100 die Wien
soz. Geww.Fraktion, 16 die Fachgewerkschaften und 3 die ÖGB, sodass
doch immerhin von 800 Delegierten 120 auf den Gewerkschaftsflügel ent-
fallen. Dieser Gewerkschaftsflügel hatte sich um 8 Uhr getroffen, und

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Benya hat vorgeschlagen, dass Slavik nicht gestrichen weren soll.
Ich glaube aber, dass auch dieser Appell nicht hundertprozentig
berücksichtigt wurde. Sicher ist aber, dass die verhältnismässig
geringere Streichung bei Slavik auf diese Unterstützung zurückzu-
führen ist. Am meisten wurde Probst gestrichen, der nur merh 57 % der
Delegierten für sich gewinnen konnte. Slavik hat immerhin 67 % er-
halten. Trotzdem erscheint ihm diese UNterstützung zu gering und er
hat deshalb der couragiert sein Mandat zur VErfügung gestellt.

Kreisky's Referat war gut aufgebaut, für mich hat es allerdings nichts
neues gebracht. Hart kritisiert wurde er von Fiala, die Gemeinderätin
von Favoriten, die ihm Personenkult und insbesondere mangelnde
INfroamtion vorwarf. In der Arbeiterzeitung wird viel mehr über seine
Tätigkeit als Kinderbegleiter in den Prater, seine Flugreisen und
sonstige Hofberichte gebracht als notwendige Information. Fiala ht
eine grossen Fehler gemach,t indem sie immer vom Herrn Bundeskanzler
gesprochen hat. Hier hat Kreisky natürlich dann im Schlusswort sofort
eingesetzt, hat darauf hingewiesen, dass er selbst diesen Personenkult
nicht will, dass er niemals eingeladen wurde, um sei es im Wiener
Ausschuss oder auch in den Bezirken zureferieren, obwohl er und die
Minister jederzeit zur VErfügung stehen würden und dass ihn natürlich
ganz besonders stört und des als einziges bei dieser Kritik, dass er
immer als "Herr Bundeskanzler" angesprochen wurde. Bei den Resolutionen
und Anträgen gab es dann ein kleines Heck-Meck mit der Jungen Genera-
tion. Diese wollte nicht, dass ihre Anträge und Resolutionen meistens
dem Wiener Vorstand zugewiesen wurden. Konetzny, ein linker JG-nist
brachte dies als ein Begräbnis erster Klasse. Andereseits hat die
Antragsprüfungskommission – Pluskal berichtete darüber – es den Dele-
gierten nicht zumuten wollen, dass die erst im letzten Moment einge-
reichten Resolutionen und Anträge bis ins letzte Detail diskutiert
und letzten Endes dann auch geändert hätten werden müssen. Der Knall-
effekt der Konferenz war aber zweifelsohne das Zurverfügungstellen des
Mandates durch Slavik. Die Stadtsenatsmitglieder waren darüber sehr
überrascht und erstaunt. Jacobi und Sandner haben bedeutungsvolle
Blicke gewechselt, so Gottigkeit: "Wie kann er den so was tun, was
soll denn jetzt geschehen" usw. DenVogel hat aber ein Delegierter
des 10. Bezirkes abgeschossen.. Er hat angenommen, dass damit engültig
Slavik abgedankt hat und die Wiener Konferenz, nachdem sie sich dazu
überhaupt nicht geäsussert hat, dies auch stillschweigend akzeptiert
undmeinte, dies verlange die Courtoisie und der Verdinest für Slavik,


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dass man ihm zumindestens dan Dank ausspricht. Für diese Bemerkung
gab es weder GElächter, noch Applaus. Man ging ganz einfach zur
Tagesordnung, nämlich Allfälliges über. Was immer jetzt mit Slavik
geschieht,leines hat mich sehr traurig gestimmt. Slavik hat durch
Jahrzehnte lange Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung und vorher
schon in der Partei sich glaube ich unvergängliche Leistungen erbracht.
Anrkennung hat er jetzt zumindestens dafür nicht gefunden. Traurig
stimmt mich, dass in diesem FAll selbst eine lebenslange Arbeit
für die Partei oder für eine Idee letzten Endes durch ungeschicktes
Verhalten von Massenmedien so genützt werden kann, dass man wie die
Birne vom Tanz geschickt wird. Politik ist nicht ein hartes Geschäft
sondern in Wirklichkeit ein herzloses.

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Tagesprogramm, 2.6.1973

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




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