Donnerstag, 3. Mai 1973
Die Klausurtagung in Linz verlief wie auch die anderen bisherigen.
Wie in Dürnstein glaubte Kreisky auch wieder, dass wenn die Regie-
rung mit der Bahn fährt, dies eine besondere Beachtung der österr.
Bevölkerung erregt. Ein reservierter Waggon vom Prinz Eugen, zum
Glück ein deutscher, zeichnete sich dadurch aus, dass die Klima-
anlage nicht funktionierte. Da man die Fenster nicht öffnen konnte,
was es bald wie in einer Sauna! In Linz, was mich zuerst überraschte,
hatte die Parteiorganisation einen kleineren Empfang bereitet. Die
Bahnhofshalle war so einigermassen gefüllt. Da Arbeitszeit zwar,
zumindestens kannte ich sehr viele, auch die Beschäftigten der
Arbeitekammer. Wäre dieser Empfang nicht gewesen, wäre das Ganze
überhaupt sang- und klaglos untergegangen. Ich erinnere mich noch,
dass in der Oppositionszeit wir immer wieder uns über die
Bemühungen Klaus' bei allem irgendwie in den Bundesländern in Er-
scheinung zu treten, lächerlich gemacht zu haben. Im Arbeiterkammer-
Schulungsheim Jägermayrhof erwartete uns ein gemischter Chor.
Irgendwer machte die Bemerkung wie bei einer Firmung.
Kreisky begann, indem er auf die Mai-Feier in Graz hinwies, wo seiner
Meinung nach und nach Polizei-Zählung 6.000 Zuhörer waren, während
die Zeitungen unisono 3.000 nur aufzählten. Kreisky beginnt sich
jetzt über die Presseberichterstattung und vor allem einmal über
die von der Opposition sehr geschickt gelenkte Pressepolemik sehr
zu ärgern. Ich glaube, dass das entscheidende ist, dass er bis jetzt
das Glück gehabt hat, eine verhältnismässig sehr gute Presse zu
haben und sich dies jetzt in der letzten Zeit halt immer mehr ver-
schlechtert. Die Gegner finden sich und die sogenannten neutralen
Boulevard-Blätter nehmen auch mehr auf Leser-Interessen Rücksicht als
auf seine Pressepolitik. Die Leser und das Unbehagen in der Bevölkerung
interessiert aber weniger die positiven Erfolge der Bundesregierung
als natürlich wesentlich mehr die Gegensätze oder wie Kreisky sich
ausdrückt, die verschiedenen Meinungen, die es derzeit aber überhaupt
nicht gibt. Er erklärt auch in diesem Kreis, dass es ein harmonisches
Arbeiten gibt und dass insbesondere der letzte Parteivorstand dies gezeigt
habe. Da die Volksanwaltschaft immer mehr auf sich warten lässt, glaubt
er, dass als Übergangslösung es zweckmässig wäre, wenn alle Minister
gleichzeitig z.B. an einem Montag nachmittag zwei Stunden Sprechstunden
öffentlich bekanntgemacht, abhalten würden. Hier ist Häuser und
Sinowatz der Meinung, das es viel zweckmässiger wäre, wenn wir in
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die Bundesländer zu Parteiveranstaltungen fahren, dass wir dort
mehr Zeit haben sollten, um mit den Leuten nachher zu reden. Ein
anderer Teil, wie Leodolter meint, dass solche Sprechstunden ziel-
führend wären, und letzten Endes wird Kreisky das sich noch einmal über
legen, aber wahrscheinlich wird es Montag nachmittag zu einem solchen
zweistunden alle Regierungsmitglieder umfassenden Sprechstunden
kommen.
Heinz Fischer hat im Auftrag von Kreisky eine Zusammenstellung der
Punkte aus der Regierungserklärung gemacht, die noch nicht erledigt
sind. Ein grosser Teil davon liegt allerdings schon im Nationalrat
wie z.B. die Gewerbeordnungen auf meinem Sektor. Trotzdem meint Kreisky
nachdem er auch in der Regierungserklärung eine Produktdeklaration
für die Konsumenten verlangt haben, wie langes es dauern, bis endlich
das westeuropäische Ausmass erreicht ist. Für den gewerblichen Sektor
erkläre ich, dass wir Produkt für Produkt vornehmen und allerdings
jetzt finanzielle Unterstützung des Verein für Konsumenteninformation
brauchen und der ÖGB diesbezügliche Forderungen hat. Androsch meint
sofort, dass er dafür kein Geld zur Verfügung stellen kann, da er
jetzt Endes ja auch jetzt die Produktdeklaration teilweise erfüllt
wird. Für den Lebensmittelsektor, was Kreisky allerdings, wie ich dann
später draufkomme, am meisten interessiert, teile ich mit, dass wir
ja die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung Mitte des Jahres erlassen
werden.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, dass die wirklich einzige Sicherung
des VKI in Form eines Mitgliedsbeitrages vom Han-
delsministerium oder noch besser der Bundesre-
gierung oder zumindestens des Finanzministeriums
gesichert werden könnte. Eine ähnliche Kon-
struktion wie die ÖFVW wäre glaube ich die beste
Lösung.
Da die Presse natürlich bei der ersten Unterbrechung zum Mittagessen
am ehesten und am meisten etwas wissen will, schreibt sich auf einen
Zettel die wichtigsten Punkte wie sie ihm erscheinen: Familie, Ge-
burten, Bevölkerungspolitik usw. zusammen. Seitdem ich ihn kenne,
und das ist jetzt auch schon etliche Jahrzehnte her, hat er immer
in dozierendem Vortrag seine Gedanken und Überlegungen formu-
liert. An diesem seinem Arbeitsstil hat sich natürlich nichts geändert
Im Gegenteil, er prägt sich jetzt immer stärker aus. Da Androsch
bereits in der Kronenzeitung angekündigt hat, er wird über die Stabili
tätsprobleme referieren und Vorschläge erstatten, fürchtet er, dass
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dazu überhaupt nicht mehr Zeit sein wird. Kreisky beruhigt ihn aber und
meint, am Nachmittag wird man über diese Probleme diskutieren, was
auch dann tatsächlich geschieht. Androsch glaubt, dass eine
Trend-Umkehr in der Preisentwicklung bereits festzustellen ist und
dass natürlich Stabiltät nach seiner Auffassung noch immer gegenüber
dem Wachstum vollkommene Priorität hat. Solange unser Wachstum
allerdings so gut ist, braucht er sich darüber nicht den Kopf zu
zerbrechen. Er behauptet mit Benya über die Fortsetzung des Stabilitäts
abkommens gesprochen zu haben und dass Benya einverstanden ist, dass
die Sozialpartnerversuchen sollten, eine schriftliche Fixierung und
Formulierung zu finden, dass dies ein neuer Gesichtspunkt sei. Häuser
meint, dass der ÖGB deshalb so zurückhaltend bis jetzt gewesen ist,
weil er gesagt hat, man kann ein oder zwei Monate nach Inkraftsetzen
des Stabilsierungsabkommens nichts sagen, sich aber niemals gegen
dieses Abkommen oder deren Fortsetzung ausgesprochen hätte. So wie
immer äusserte ich mich auch bei dieser Regierungstagung nur, wenn
ich gefragt werde. Dies ist der Fall, als Frühbauer erwähnt, dass
man durch den Wegfall der Fernverkehrssteuer nicht nur die Bahn geschädigt
hat sondern jetzt auch Schwertransporte auf der Strasse verstärkt.
Kreisky meint, hier müsste man durch entsprechende Verordnungen oder
Gesetze, die Transport ganz einfach verbieten. Da ich mich dazu auch
nicht äussere, meint Kreisky, Staribacher schweigt ! Nachdem Rösch
sich bereiterklärt hat, dass er tatsächlich, wenn ein solches Ge-
setz kommen sollte, die Überprüfung durchführen wird und Frühbauer
meint, er könnte den Transportraum ohne weiteres zur Verfüung stellen,
was ich allerdings bezweifle, Androsch erklärt, dass man mit der
Steuer entweder einer Einführung oder aus der seinerzeitigen Abschöpfung
allein nicht Verkehrspolitik machen kann, meint Kreisky, die beteiligten
Minister sollten eine diesbezügliche Besprechung abhalten. Er schränkt
Gott sei Dank dann diese Idee auf die umweltgefährdeten Transporte,
hier ist also primär scheinbar an Benzin und Öl gedacht, ein.
ANMERKUNG FÜR HEINDL:
Bitte diesbezügliche Erhebungen von Metzner anstellen lassen und
eine Sitzung der Beamten der beteiligten Ressorts und Interessens-
vertretungen einberufen.
Der Gesetzentwurf würde irrsinnig lange Übergangszeit brauchen,
weil Frühbauer überhaupt nicht im Stande ist, den jetzigen Transport-
raum oder auch die Niederflurwagen die die Schwertransporte für Öl
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den Nahverkehr hinaustransportieren könnten, derzeit nicht zur
Verfügung hat.
Über die Landwirtschaft entspinnt sich eine längere Debatte, da
ganz besonders auch Weihs seine diversen Preiswünsche wie z.B. Er-
höhung des Getreidepreises oder Regulierung der Fleischpreise in diesem
Forum neuerdings vorbringt. Kreisky meinte, dies müßte mit den Sozial-
partnern, insbesondere dem Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer besprochen
werden. Scheinbar erinnert sich weder Weihs noch Kreisky, oder wollen sich
nicht daran erinnern, daß wir eigentlich für Getreidepreis beschlossen
haben, eine eventuelle Freigabe ins Auge zu fassen. Ich bin überzeugt,
daß Weihs jetzt das normale Preisprüfungsverfahren wird laufen lassen.
Unter der seinerzeitigen Wirtschaftskommission hatten wir im Institut
mit Tommy Lachs eine Diskussion, wie es mit dem Getreidepreis jetzt
weitergehen wird. Lachs hat damals gemeint er ist überzeugt davon, daß
es zu einer Erhöhung des Getreidepreises kommen wird. Ich habe dies auf
Grund der letzten Beschlüsse eigentlich bezweifelt. Jetzt muß ich immer
mehr erkennen, daß Lachs doch Recht hatte.
Eine längere Debatte entspannte sich dann auch über die Wehrpolitik.
Blecha war wegen der Medienpolitik eingeladen worden, hat aber als
Spezialist für Wehrfragen, er hat sich mit der Jungen Generation mit
diesem Problem sehr eingehend beschäftigt, dann Gelegenheit, Lütgendorf
mit seinen Ideen den Aufbau der Bereitschaftstruppe durch gesetzliche
Verpflichtungen zu ermöglichen, entgegenzutreten. Militärs sabotieren
die freiwillige Durchdienung, in dem sie weder bei den
Stellungen noch dann den Soldaten die entsprechenden Informationen
geben und dadurch überhaupt keine Propaganda für das freiwllige Durch-
dienen machen. Wo dies geschieht, kann Blecha nachweisen, melden sich
mehr als eigentlich notwendig wären. In diesem Ministerium ist für mich ganz
klar, daß Lütgendorf, auch wenn er sich noch so bemüht, mit der Handvoll
von Offizieren, die ihn unterstützen, gegen die gesamte Heeresbürokratie
schwer regieren kann. Ich finde wieder bestätigt, daß die wichtigste
Arbeit ist, entsprechende Leute in entsprechende Positionen zu bringen.
Dies ist allerdings bei den Beamten und deren Schutzbestimmungen fast
unmöglich. Positionsbesetzung ist aber in Wirklichkeit das einzige per-
sonelle Problem, das gelöst werden muß.
hs. Notizen
15_0504_02Typoskript "Übersicht über Zielsetzungen der Regierungserklärung", 13.4.1973
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