Mittwoch, der 2. Mai 1973

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Mittwoch, 2. Mai 1973

Gen.Dir. Bauer von der ÖMV will mir über die Aussprache der in Vorarl-
berg wegen der Gasversorgung und Ölversorgung gehabt hat, unbedingt
sofort berichten. Bei dieser Gelegenheit teilt er mir mit, dass er
es für unzweckmässig hält, wenn am Freitag bei der Besprechung zwi-
schen der Austro-Ferngas und mir auch die ÖMV anwesend ist. Formell
gibt es sogar Terminschwierigkeiten, da die ÖMV um 1/2 10 Uhr bereits
den nö. Landtag mit der Landesregierung in Schwechat empfängt. Bauer
erklärt mir, dass er auf Wunsch von Taus eine Aussprache mit Gen.Dir.
Gruber gehabt hat, die aber willkommen negativ verlaufen ist. Gruber
soll angeblich Bauer auch von oben herab behandelt haben. Die Vor-
arlberger aber auch die Tiroler hätten klar zu erkennen gegeben, dass
sie lieber mit der ÖMV zu einer Lösung ihrer Gas- und Ölversorgung kämen
als über die Austria-Ferngas. Andererseits wird es aber notwendig sein,
dass die Austria-Ferngas andere Bundesländer insbesondere die westlichen
doch in die Gesellschaft aufnimmt. Bauer meint, dass der Preis gepoolt
werden muss. Die Vorarlberger möchten eine Destillationsanlage von
300.000 jato errichten, die fast 140 Mill. S kosten soll. Vorarlberger
haben für heuer noch eine Option, aus der über Vorarlberg gehenden
Ölpipeline, und möchten deshalb diese unbedingt nützen. Die ÖMV wird
jetzt ein diesbezügliches Gutachten für die Vorarlberger ausarbeiten,
das aber im Hinblick auf die geringe Leistung und die hohe Um-
welttangente garantiert negativen Erfolg zeigen wird. die ÖMV wird eine
Öllieferung vom Irak von 400.000 t heuer zustandebringen und in den
nächsten Jahren bis 1975 auf 2,5 Mill. t steigern. Aus dem Iran haben
sie keine Chance Öl zu beziehen. Iran dürfte auch kein Interesse der-
zeit haben. Die OPEC-Staaten, insbesondere der Generalsekretär, wird
von der ÖMV in Hinkunft besser betreut, sie hofft, dass er einmal
zu einer Aussprache am Semmering auch mit Journalisten kommen wird,
dies war bereits für kommenden Samstag vorgesehen, er verreist aber, bei
dieser Gelegenheit möchte Bauer, daß ich dann ebenfalls an dieser
Journalistenaussprache teilnehme. Was ich zusage. Bauer meint dann
noch, dass ich bei der Pressekonferenz, die die Austro-Ferngas gibt,
auf die Möglichkeit hinweisen soll, dass die ÖMV mit der Ruhrgas vereinbart
hat, 500 – 900 Mill. m3 aus dem Algerien-Gas, wenn sowjetisches
Gas dann zu besseren Bedingungen zur Verfügung steht, zu übernehmen.
Bei der fraktionellen Aussprache am Abend ersucht mich dann Feichtin-
ger
, aber auch Meszaros und Kreutler von einer solchen Erwähnung unbe-
dingt Abstand zu nehmen.



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Die viereinhalbstündige Aussprache, fraktionell zwischen den zwei Ge-
nannten und Reisinger, Eisenberger, dem Vertreter der Gemeinde Wien
in der Austro-Ferngas-Geschäftsführung verläuft trotz der langen
Dauer bis 9 Uhr ergebnislos. Der Versuch, der ÖMV-Fraktion selbst
unsere Genossen von der Austro-Ferngas davon zu überzeugen, dass es
zielführend ist, nachdem sie die Transportleitungen haben, dass das
Gas ihnen übergeben wird und sie es dann nach dem Transport zur
Verteilung wieder an die einzelnen Landesgesellschaften abgeben, wird
kategorisch abgelehnt. Die ÖMV hat den Zug verpasst. Eine gewisse
Annäherung kann über die Speicherfrage erreicht werden. Seinerzeit
hat die ÖMV einen 150 Mill. m3-Speicher für 180 Mio S errichtet. Der-
zeit steht ein 180 Mill. m3, der allerdings 450. Mill. S Investitionen
kosten würde, zur Debatte. Seinerzeit hat die ÖMV dafür 6,25 gr.
pro m3 Betriebskosten berechnet, die Ist-Kosten seien aber 10 Gr. und
die neuen Betriebskosten würden sich auf 14 Groschen stellen. Die Austro-
Ferngas ist nicht bereit, diese Speicher zu finanzieren, da sie vorerst
eine Deckung in erhöhten Preisen, die die Preisbehörde zu genehmigen
hätte, wünschten. Ich erkläre rundweg, dass von vornherein eine solche
Zusage nicht zu erwarten ist und auch von mir nicht gegeben wird. Die
Beteiligung von Tirol an der Rohrleitungsbetriebsgesellschaft kommt
nicht in Frage. die ÖMV, die 51 % auf der österreichischen Strecke
besitzt, müsste bevor sie eine andere Landesgesellschaft aufnimmt, ihre
Anteile, die sie abtritt den anderen Gesellschaftspartnern anbieten.
Erst wenn diese ablehnen, könnte Tirol oder Kärnten dann einsteigen.
In Wirklichkeit geht es aber Tirol wahrscheinlich nur um die Versor-
gung mit preiswertem Gas. Eine Gesellschaftliche Beteiligung kommt nur
an der Austro-Ferngas in Frage. Dort haben aber bereits die drei starken
Länder – Wien, NÖ und Burgenland – die 33,2 Drittel besitzen erklärt,
dass sie mindestens 26 % d.h. die Sperrminorität jeder halten wollen,
wodurch für die westlichen Länder nur 20 % zur Verfügung stehen. Für
mich ist keine Frage, dass wenn Tirol einsteigt, auch Kärnten mit der
derzeitig 1 %-igen Beteiligung nicht abgespeist werden kann. Austro-
Ferngas war bis jetzt uninteressant, jetzt aber, wo sie doch immerhin
2 Mia m3 Algeriengas besitzen, interessieren sich auch andere Länder
für diese Konstruktion. Sicherlich viele auch in der Hoffnung jetzt
auf die billigeren Bezugsmöglichkeiten von sowj. Gas und vielleicht
sogar inländischem Gas beteiligt werden zu können. Hier gebe ich mich
aber keiner Illusion hin, dass die Länder die solche Verträge für
sich besitzen auch nur bereit sind einen m3 abzugeben. Die Gasver-
sorgung und -verteilung wird in Hinkunft furchtbar kompliziert. Es


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gibt derzeit gesetzlich keine Möglichkeit, wie dies bereits der
Elektrizität der Fall ist, eine Art Verbund und Lastverteiler zu
errichten. Auf der E-Seite konnte 1947 auf Grund des Artikel 10-1-15
wirtschaftliche Massnahmen im Gefolge eines Krieges, die Lastvertei-
lerorganisation errichtet werden. Jetzt und das hat Reisinger mir klar
und deutlich zu erkennen gegeben, würden die Länder unter gar keinen
Umständen einer solchen Regelung zustimmen. Dadurch müsste die Verfassungs-
mässige Absicherung anders gesucht werden, die aber bei den derzeitigen
politischen Verhältnissen vollkommen unmöglich ist. Hier würden selbst
die soz. Ländern schärfstens dagegen opponieren. Dadurch kann eine
Konstruktion wie 1947 für die E-Wirtschaft 1973 für die Gaswirtschaft
nicht mehr errichtet werden. Die Verteilung bleibt also privatwirt-
schaftlichen Verträgen und Gesellschaften vorbehalten. Auch auf die-
sem Wege hat die ÖMV keine Möglichkeit, wie ich feststellen musste,
in das Geschäft resp. Verteilung einzutreten. Noch nie ist mit solcher
Deutlichkeit vor Augen geführt worden, was ein falscher Entschluss vor
etlichen Monaten vielleicht Jahren, den die ÖMV getätigt hat, weiter
wirkende Folge haben kann wie bei dem Gasimport aus Algerien. Allerdings
muss ich zugeben, dass niemand weiss, ob 1977/78 dann tatsächlich
erstens das Algerien-Gas zur Verfügung stehen wird und zweitens ob es
dann noch so günstig ausschaut wie derzeit.

Der Ministerratsvorbesprechung teilt Kreisky mit, dass er bereit ist,
für die diplomatische Konferenz, die das Patentamt organisiert, einen
Empfang für die 500 Delegierten im BKA zu geben. Ansonsten steht nur
lauter Kleinkram zur Diskussion. Der Kronen-Zeitung-Redakteur Gnam
hat die Minister aufgefordert, ihre Dienstautos stehen zu lassen und
mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Kreisky meint, die beste
Argumentation dagegen ist, zu fragen, wo man dann die Stunde, die man
wahrscheinlich am Tag verliert, hernimmt. Ich glaube, dass dieses
Argument in der Öffentlichkeit vollkommen danebengehen würde. Die
Menschen würden sagen, ja wir verlieren diese Stunde auch, wenn wir
öffentliche Verkehrsmittel benützen müssen. Die sollen eben dann schnel-
ler, besser usw. ausgebaut werden. Erhebungen, die Kreisky anstellen liess
über die Bezahlung der Politiker in den Landtages haben ergeben,
dass alle über die Regelung des Bundes liegen. Daraus erklärt sich
nach seiner Meinung die Unzufriedenheit in den einzelnen Ländern.
Die Personalstände und Budgetansätze der einzelnen Ministerien werden
auf der jetzigen Rechtsbasis erstellt. Wenn das grosse Ministerien-
gesetz kommt, dann müssen die einzelnen Budgetansätze und Dienstposten
pläne geändert werden. Eine Vorwegnahme, wie Androsch mitteilt, ist
unmöglich.



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Bei der Ministerratstagung teilt Frühbauer mit, dass nun der
Selbstwählverkehr für die meisten westlichen Länder aber auch für
Ungarn für die Bezirk 1, 5 u. 6. durchgeführt wird. Da damit auch vom
Regierungsgebäude mit Westeuropa direkt sofort telefoniert werden
kann, mache ich in de Sektionsleiterbesprechung Schipper auf diese
Tatsache aufmerksam. Zu meiner grössten Verwunderung erfahre ich,
dass die gesamten Telefonrechnungen nicht auf das Handelsministerium
gehen oder auch nur aliquot aufgeteilt werden, sondern dass dies
alles das Bautenministerium als Gebäudeverwaltung zu tragen hat.
Moralisch bin ich insoferne entlastet, als ich Moser bereits vor
Monaten auf diesen Tatbestand aufmerksam gemacht habe. Damals habe
ich ihm bereits erklärt, dass wir doch Sperren einbauen müssten, weil
ansonsten ein uferloses Telfonieren von Beamten mit Europa zu erwar-
ten ist. Moser meint, dass dies allerdings erst möglich ist, wenn
eine neue Telefonanlage, die nächstes Jahr angeblich installiert
werden soll, kommt. Daß sich aber, wenn dies bekannt wird, in der
Zwischenzeit die Telefonrechnungen exorbitant erhöhen werden, steht für
mich ausser Zweifel.

In der Sektionsleitersitzung teilt auch Schipper mit, dass für die
Inlandsreisen und für die Auslandsreisen wir bereits wieder an die
20 % mit Ende April überzogen haben. Andererseits berichtet Römer,
dass von Seiten einzelnen Branchenreferenten jetzt Betriebsbesuche
in grösserem Masse anlaufen. Ich habe an und für sich gar nichts,
wenn ein engerer Kontakt zwischen den Branchenreferenten und den
einzelnen Unternehmungen zustandekommt, dagegen. Wenn dies aller-
dings darin endet, dass in Hinkunft der Referent alle Gelegenheiten
benützt, um einen Betrieb zu besuchen, dann sehe ich darin auch nur
eine unnötige Belastung des Budgets. Allerdings muss man dabei äusserst
vorsichtig vorgehen. Scheinbar hat sich ein Beamter von der Fremden-
verkehrssektion bei der Gastwirte-Zeitung beschwert, dass er nicht
mehr an den Sitzungen und diversen Veranstaltungen in Österreich
teilnehmen kann, weil er derzeit keine Dienstreisegenehmigung erhält.
In der Vergangenheit war es sicherlich so, dass Poppinger und auch
andere, bei jeder Gelegenheit, bei jeder kleineren Veranstaltung in
Österreich teilgenommen haben, weil sie dadurch nicht nur Diäten be-
kommen haben, sondern auch als Ministerialräte des Handelsministeriums
in Erscheinung treten konnten. Was sie dort geleistet haben, habe
ich mich immer wieder gefragt. Ich habe zwar solche Reisen nicht
verboten, doch Jagoda dürfte dies zweckmässigerweise eingeschränkt


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haben. Nun wurde sofort die Gelegenheit benützt, um in der Öffent-
lichkeit gegen das Handelsministerium insbesondere mich Stellung
zu nehmen. Durch die Nichtüberprüfung der Komfortzimmer-Aktion,
so wird in der Gastwirtezeitung behauptet, durch Nichtteilnahme
an den Tagungen der einzelnen Fremdenverkehrsorganisationen, schädigt
das Handelsministerium die Wirtschaft. Dieser Angriff kann für
mich noch einmal sehr günstig sein, denn ich werde in Hinkunft
darauf hinweisen, dass die Wirtschaft scheinbar wünscht, dass in
wesentlich stärkerem Masse ich selbst aber auch meine Beamten überall
herumreisen. Ich hätte eigentlich von der Wirtschaft eine gegenteilig
Argumentation und Angriffe erwartet.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, dass wir schön langsam auf diesem
Klavier zu spielen beginnen sollten. In der
Öffentlichkeit muss es nämlich gut ankommen,
wenn ein Minister sparsam ist und wenn er nicht
nur ununterbrochen herumreist und womöglich
seine Beamten nie am Dienstort sondern in
der Weltgeschichte herumgondeln.

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Tagesprogramm, 2.5.1973

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Tagesordnung 69. Ministerratssitzung, 2.5.1973

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Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Personalvertreter HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Bautenminister


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Kronen-Zeitung


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: MR HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ÖMV, Dir. Fa. Semperit


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ÖMV
                    GND ID: 132912112


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: GD ÖMV


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                          GND ID: 118566512


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GD NEWAG


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


                              Einträge mit Erwähnung:
                                GND ID: 118756265


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                  GND ID: 12053536X


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