Freitag, der 13. April 1973

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Freitag, den 13. April 73

Endlich war es soweit, daß wir Sekt.Chef Reiterer sein Botschafter-
dekret überreichen konnte. Gleichzeitig wurde Meisl mit der Leitung
der Sektion I betraut und Wanke erhielt die Abteilung 7. Ich
nützte nach meinem System die Gelegenheit um Reiterer wieder
einzureden, daß er der beste Mann ist den wir nach Brüssel schicken
konnten. Gleichzeitig verwies ich darauf, daß damit unser Haus
das erstemal den Botschafterposten in Brüssel besetzen kann,
während meinen Amtsvorgängern dies nie gelungen ist und immer
ein Vertreter des Außenamtes diese Stelle inne hatte. In Wirk-
lichkeit ist es natürlich vollkommen egal, welcher Beamte dort
sitzt. Entscheidend für mich ist nur, daß ich wenn ich ununter-
brochen erzähle daß dies der einzige Beweggrund gewesen ist, mit
der Zeit wirklich hier im Hause alle glauben, daß dies der einzige
Beweggrund war. Meisl ist nun in der Hierarchie richtig plaziert
es kann ihm nichts mehr passieren was ihm sicherlich große Be-
ruhigung und Befriedigung bedeutet. Wanke durch die Bestellung
zum Abteilungsleiter endgültig in die Hierarchie eingebaut. Nach
der Dekretüberreichung diskutierten wir mit Schipper und Böhm
die hierarchische Methode in der Ministerienführung und vor allem
auch die Bedeutung der Dekretüberreichung. Ich kann mich damit
nicht abfinden, handhabe aber jetzt glaube ich dieses System
schon so, daß tatsächlich die optimalste Lösung für unsere Ab-
sicht damit erreicht wird. Schipper macht noch mit, Böhm glaube
ich hat kapituliert. Solange ich aber und insbesondere solange
Heindl es gelingt den Beiden zu erklären, daß die Maßnahmen die
letzten Endes sie setzen von uns als richtig erkannt und nicht
nach politischen Motiven beurteilt werden können solange wird
es im Haus noch funktionieren. Eine andere Frage ist, wie lange
ich im Parlament damit rechnen kann, wegen dieser Personal-
politik nicht angeschossen zu werden. Heindl ist es bis jetzt
zu meiner größten Verwunderung geglückt, alle Schwierigkeiten
aus dem Weg zu räumen. Hier beweist sich jetzt wie gut es ist
wenn man einen Fachmann hat, der sich in Personalfragen aus-
kennt und vor allem alle Schliche als seinerzeitiger Betriebs-
rat von den Außenamtsangestellten und derzeit als im Ministerbüro


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Verantwortlicher ohne nach außen in Erscheinung zu treten, die
Schliche gesetzlichen Möglichkeiten genau kennt und sie bis zu-
letzt ausnützt.

Sallaberger, der Sektionsleiter wo das Palais Vecsera das nun
abgerissen wird liegt ruft mich verzweifelt an und teilt mit,
daß die Genossen darüber sehr empört sind. Mit der Verbauung
geht eine Grünanlage für die dortige Bevölkerung verloren. Die
Leute kennen die Zusammenhänge nicht aber es stellt sich heraus,
daß Arealbau Innsbruck nur den Bau durchführt die Genehmigung
zum Abbruch hat der Grundbesitzer Ing. Mache 5 Tage vor Gemeinde-
ratsbeschluß bekommen, wonach die gesamte Gegend als erhaltungs-
würdig erklärt wurde. Wenn die Genossen dies erfahren werden, wird
es neuerdings ungeheure Unruhe in dieser Sektion und im 3. Bezirk
deswegen geben.

Betriebsratsobmann Kaiser von Semperit, der gleichzeitig Land-
tagsabgeordneter ist teilt mir auf meine Anfrage ob sie die
Hush-Puppies-Produktion jetzt einstellen und welche Aus-
wirkungen es haben wird, mit, daß die Direktion Dr. Ebert den
Besitzer der Firma Robi falsch informiert hat. Diese Firma.die
in Steinberg/Burgenland betrieben wird, sollte die Maschinen
von Semperit kaufen und Semperit hätte sich dann an dieser Firma
beteiligt. Für die Beschäftigten hat Semperit erklärt besteht
keine wie immer geartete Gefahr der Entlassung, weil sie dringendst
in anderen Abteilungen gebraucht werden. Der Betriebsrat teilt
mir nun mit, daß 562 Beschäftigte von der Stillegung der Schuh-
produktion betroffen sind und nur 136 bis jetzt von der Firmen-
leitung eine Zusicherung haben daß in anderen Abteilungen ver-
wendet werden können. Diesen Tatbestand teile ich Dr. Ebert mit
und Kaiser wird sich nach einer Aussprache mit der Direktion
nächste Woche mit Ebert in Verbindung setzen. Kaiser selbst hat
interessanterweise große Angst, daß wenn er mit Ebert überhaupt
nur über dieses Problem diskutiert von den Betriebsangehörigen
als Verräter bezeichnet würde, der bereits hinter ihrem Rücken
über eine Abgabe der Maschine packelt.



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Bei der Berichterstattung beim Bundespräsidenten über den
Rumänienbesuch teilt mir Jonas mit, daß er bei seinem Staats-
besuch ähnliche Erfahrungen gesammelt hat wie wir. Jonas ist
mir überhaupt sehr gewogen, wertet meine Arbeit es liegt sicher-
lich darin weil ich ihm als politischen Funktionär und Genossen
schon am längsten von allen am längsten kenne.

Im Rechtspolitischen Ausschuß des Konsumentenbeirats wo die
Kilogramm/ Schilling d.h. die Gewichtspreisverordnung besprochen
wird, kann ich zu meiner Freude feststellen daß sehr sachlich
diskutiert wird. Vorsitzender des Ausschusses Dr. Christian von
der Bundeskammer bemüht sich eine Lösung zu finden. Ich hoffe,
daß es gelingen wird ein tragbares Kompromiß für alle Seiten
zu erreichen. Ich selbst erkläre nur daß ich niemals beabsichtigt
habe, diktatorisch zu entscheiden sondern eben wie es unserem
Prinzip und unserer Methode seit 3 Jahren entspricht, dieses
Problem eingehend mit den Interessensvertretungen zu diskutieren
und eine gemeinsame Lösung zu finden.

Das Referat und die Diskussion im gesellschaftspolitischen
Studienkreis des Instituts für Wissenschaft und Kunst steht
unter dem Zeichen der beginnenden Osterferien. Die Sekretärin
des Instituts Frau Staribacher, die ich jetzt das erstemal
überhaupt kennen lerne, meinte daß der Termin äußerst schlecht
gewählt war. Winkler will mir erklären, daß ansonsten immer
im großen Saal die Diskussionen stattfinden. Diesmal haben wir
mit einem kleinen, da ja nur 16 Personen erschienen sind, voll-
kommen genug. Meistens sind es ältere Leute, die eben fast wie
eine Wärmestube dieses Institut betrachten. Sozialver-
sicherungsangestellter der eine linke Standpunkt einnimmt
ist der einzige Kritiker. Zum Schluß stellt sich allerdings
heraus, daß er die linke Seite so vertreten wissen will, daß
eben z.B. auch die Sozialversicherungsangestellten ausgebeutet
werden. Da aber Beamte bekannterweise keinen Mehrwert schaffen
können sie nach marxistischer Terminologie kaum ausgebeutet
werden. Er versteht allerdings unter Ausbeutung daß das Parlament
schlechte Gesetze beschließt die die Sozialversicherungsange-
stellten dann veranlaßt mehr zu arbeiten als bisher. Eine
Frau bringt als praktisches Beispiel von Preiserhöhungen die


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Nestle-Kondensmilch. Dort wurde das Füllgewicht von 320 g auf
220 g reduziert und damit eine wesentliche Preiserhöhung getarnt
ohne die Paritätische Kommission zu beschäftigen. Die Frau hat
dies bereits der Abteilung 10 bei uns mitgeteilt.

Anmerkung für WANKE: Bitte den Fall der Paritätischen Kommission
zur Entscheidung vorlegen und die Frau von
der Abteilung 10 über das Ergebnis dann ver-
ständigen.

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Tagesprogramm, 13.4.1973




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Wr. ÖVP-GR-Abg., Obmann Sekt. Handel Wr. HK, Vizepräs. VKI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Personalvertretung HM


        Einträge mit Erwähnung:


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Beamter HM? Falschschreibung?


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Betriebsobmann Semperit


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: HK


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                    GND ID: 102318379X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 125942052


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Prof. (Jurist), Taiwan-Experte


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