Montag, 2. April 1973
Jour fixe mit Sallinger ist anders als mit Mussil. Mussil interessiert
sich für Details, Sallinger möchte nur allgemein über grössere politi-
sche Probleme sprechen. Er ist besonders stolz, dass es ihm geglückt
ist, ohne eine Gegenstimme den Freien Wirtschaftsverband-Obmann Mühl-
bacher in den Vorstand zu kooptieren. Ich habe ihm erklärt, dass wenn
dies nicht der Fall gewesen wäre, ich meine guten Beziehungen zu ihm
hätte abbrechen müssen. Bei dieser Gelegenheit kommen wir wieder auf
die Möglichkeiten des Handelsministers zu sprechen, die Handelskammer
zu kontrollieren. Als ich ihm die Gesetzesstelle im Handelskammer-
Gesetz vorlese, wonach ich alle Beschlüsse, die gesetzwidrig sind, auf-
heben kann, was – wie er letzten Endes auch einsieht – bedeutet, dass
ich sie alle kennen müsste, ist er innerlich ein bisschen erschüttert.
Umso mehr freut es mich, ihm dann zu zeigen, dass in der Arbeiterkammer
nur drinnensteht, die Aufsicht führt das Sozialministerium, d.h. überhaupt
keinerlei konkrete gesetzliche Möglichkeiten, die Arbeiterkammer wirk-
sam zu kontrollieren. Sallinger bezeichnet sich als Sozialpartner
bis in die letzten Konsequenz und ich bestätige ihm, dass auch ich
dieselbe Ansicht habe. Trotzdem ist es glaube ich sehr gut und für ihn
vielleicht sogar eine gewisse Stütze, wenn er genau informiert ist,
dass ich nicht ganz hilflos als Aufsichtsorgan oder auch gegenüber
den Aussenhandelsdelegierten kooperativ sein muss, als ich es zurzeit
bin.
Ich informiere Sallinger über die Gespräche in Oberösterreich und
er ist sehr erstaunt, dass ich in der Handelskammer-Zweigstelle diese
Gespräche geführt habe. Er fragte nämlich sehr schüchtern an, ob ich
die Handelskammer-Zweigstelle wenigstens besucht hätte. Damit habe ich
die Unstimmigkeiten endgültig beseitigt, die durch das ungeschickte
Verhalten von Ebner, der meine Methode noch nicht so im Detail kennt,
endgültig ausgebügelt. Insbesondere berichte ich natürlich über die
Aussprache von Gen.Dir. Bauer und mir mit Jaumann, Eberle und Heitzer.
Sowohl was die Gasproblematik betrifft als insbesondere auch unsere
Kooperationsabsicht für Neugründungen.
Konkret setzte ich Sallinger nur dafür ein, dass die Prüfungsordnung
nicht mit 1. Juli wie beabsichtigt, sondern erst mit Ende des Jahres
in Kraft tritt. Er hat eine Information, dass die Handelskammer so
schnell nicht ihre Funktionäre umstellen, d.h. von der neuen Rechts-
lage informieren könnte und deshalb erst diese Prüfungsordnung mit
15-0428
1. Jänner 1974 in Kraft treten soll. Da ich über die Prüfungsgebühren
noch immer keine Einigung erzielen konnte und mir Jagoda mitteilte,
dass eine Verschiebung ohne weiters möglich ist, die Berufsschul-
lehrer werden sich schon damit abfinden, stimme ich diesem Wunsch zu,
mache allerdings aufmerksam, dass ich dringendst eine Lösung über
die Prüfungstaxen resp. Entschädigungen brauche. Wir werden uns im
Parlament mit den Präsidenten zusammensetzen.
Das Journalistenfrühstück ist nach wie vor gut besucht und es kommen
jetzt sogar auch bedeutendere Redakteure. Ich denke hier an Grabner
und Summer. Da ich die nächsten 3 Wochen durch Ostern, resp. durch
die Rumänienreise abwesend bin, schlage ich Koppe doch vor, ob es
nicht zielführend ist, in der Osterwoche irgendwann einmal ein Gespräch
ohne mich durchzuführen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Es müsste die Möglichkeit geben, ein Problem
aus dem Strassenverkehr oder KFZ-Recht zu nehmen.
Da wir diese Rechtsmaterie mit Jahresende verliere
können wir sie jetzt restlos auspumpen.
Bei der Eröffnung der Damenmodewoche, beginnt Komm.Rat Elias natürlich
wieder mit einem ganzen Forderungskatalog, die Messe-Vertreter, die
ich bevor ich ans Rednerpult ging, schnell leise gefragt habe, wie
das Geschäft geht, erklärten ausgezeichnet. Auf Grund dieser Mitteilung
habe ich wieder einmal prognostiziert, dass ich es zwar anerkenne,
dass die Schwierigkeiten, die Elias aufzeigt, teilweise bestehen, dass
aber auch die Wirtschaft sich weiter günstig entwickelt und die Ab-
schlüsse des ersten Tages ja schon zeigen, wie gut auch diesmal der
Geschäftsgang sei. Mitterer kam dann zu mir und meinte, dass aber
weniger geordert wird als im Vorjahr. Bei unserem Rundgang konnte ich
mich dann überzeugen, dies bei einer Anzahl von Firmen tatsächlich der
Fall war. Ich habe sowohl Herrn Min.Rat Wagner als auch Grumbeck darauf
aufmerksam gemacht, dass ich dringendst eine objektive Berichter-
stattung nach Ende der Messe über die tatsächlichen Geschäftsabschlüsse
möchte. Die Messe-Leitung selbst aber scheinbar auch die einzelnen An-
gestellten erklärt mir immer ein zu optimistisches Bild. Von der Messe-
leitung verständlich, denn sie will natürlich immer nur Super-Erfolge
melden können. Früher war dies der Fall mit den Messe-Besuchern,
jetzt ist es der Fall mit angeblich Super-Geschäftsabschlüssen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wir müssen uns ein besseres Informationssystem
gerade von den Messen überlegen.
Die Fraktionsgespräche über die EGKS-Gesetzentwurf, war obwohl
ich nur kurz anwesend sein konnte, für mich äusserst instruktiv.
Wanke hat hier eine Gruppe von interessanten Leuten zusammengebracht.
Noch instruktiver aber war, dass ich bemerkte, dass Dr. Lachs vom ÖGB,
der sonst immer auf die Mitsprache der Interessenvertretungen unter
allen Umständen verlangt, bereit wäre, bei der Stahl-Gesellschaft eine
Ausnahme zu machen. Als es darum geht, ob ein Beirat die grundsätz-
lichen Fragen, wie es z.B. beim Aussenhandelsbeirat der Fall ist,
diskutieren sollte, die VÖEST-Alpine aber dagegen Bedenken hegte,
weil sie darin eine gewisse Kontrolle und Mitsprache der Handelskammer
sieht, war Lachs sofort bereit auf die Mitsprache der Interessenvertre-
tungen selbst in einem Beirat zu verzichten. Dies kommt letzten Endes
sicherlich auch deshalb, weil er als ehemaliger Betriebsrat der Alpine
sich diesem Stahlkonzern besonders verpflichtet fühlt. Darüber hinaus
spielt vielleicht doch auch ein bisschen mit, dass sein Chef Präs.
Benya auch gleichzeitig Metallarbeiter-Obmann ist. Zöllner dagegen hat
natürlich nach wie vor verlangt, dass ein Beirat geschaffen wird, weil
ansonsten ein gefährliches Präjudiz für andere Gebiete geschaffen wird,
wo dann die Handelskammer verlangen wird, dass ebenfalls kein Beirat
errichtet werden sollte.
Bei der Unterzeichnungen über den Notenwechsel China-Österreich, die
ich mit dem Botschafter von China durchführte, wurde mir offiziell
mitgeteilt, dass die chinesische Regierung es ablehnt, sich an der WIG
zu beteiligen. Meisl hatte die gute Idee gehabt, zu dieser Unterzeich-
nung den Botschafter Leitner und den Handelsdelegierten Jely, die
jetzt im April nach Peking reisen, zuzuziehen. Dies war eine schöne
Geste gegenüber den beiden, gleichzeitig aber sicherlich auch für den
Botschafter beeindruckend, der dies garantiert nach Peking berichtet.
Dadurch bekommen beide ein bessere Entree, an dem ich sehr interessiert
bin. Meisl hat mich auch kurz vorher über die Verhandlungsergebnisse
von den Stahlverhandlungen der chin. Delegation mit den österr.
Exporteuren informiert. Hier war es insbesondere Preisdifferenzen
bis zu 20 %, die eine grössere Lieferung, die die Chinesen gerne
kaufen wollten, unmöglich machte. Die Methode, wie Meisl die Probleme
angeht und mich informiert, halte ich für die idealste.
Bei der Eröffnung des Büro-Neubaues Honeywell habe ich dem Präsidenten
empfohlen und aufgefordert, er möge nicht nur ein Verkaufsbüro sondern au
auch eine Produktionsstätte nach Österreich legen. Er versprach mir,
dies zu überlegen und insbesondere war Gen.Direktor Brosch der Leiter
der österr. Honeywell, mir sehr dankbar, wie er mir nachher versicherte
denn dies ist sein Bestreben, seitdem er für diese Firma arbeitet.
In der Ministerratsvorbesprechung warnte Kreisky vor der Fristenlösung
denn er meint, in Ungarn wo diese existiert, hat er jetzt von Minister-
präsidenten Fock erfahren, dass sie sie abschaffen. Wenn im Nachbar-
land, wo ein starker Klerus existiert, dies jetzt geschieht, fürchtet
er, dass dieser aggressive Klerus den österreichischen Kirchen Schützen-
hilfe leisten wird. Broda replizierte darauf, dass es keine andere
Lösung gibt als die Fristenlösung, denn jede andere könnte er kaum
exekutieren. Kreisky meinte dann, er hätte dies besonders deshalb ge-
sagt, damit man dann nicht einmal übersehen hat einen wichtigen Punkt
in dieser Entwicklung. Ich verstehe manchmal die Argumentation von
Kreisky nicht, wenn er sich gegen die Fristenlösung ausspricht, dann
hätte er dies vor wesentlich längerer Zeit, nämlich auf alle Fälle
vor dem Villacher Parteitag machen müssen. Warum er jetzt diese Bedenken
anmeldet und damit die ganze Angelegenheit verunsichert, ist mir nicht
ganz erklärlich. Es kann ihm doch auch nichts nützen, dann nachher zu
sagen, wenn die Kirche ganz stark gegen diese Lösung vorgeht, ich habe
euch schon immer gewarnt, denn letzten Endes trägt er als Regierungschef
mit die Verantwortung. Er hat sich sogar in einem Brief an Kardinal König
ja ziemlich eindeutig festgelegt. Erklärlich ist mir dieses Lavieren
in dieser Frage nur durch die letzten Wahlergebnisse. Er sagte zwar immer
wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir jetzt auf Grund dieser
Niederlage wie der Hase auf die Kobra starren und unbeweglich werden,
er selbst dürfte aber doch jetzt bei Beschlüssen, die nicht mehr die
Zustimmung von Bevölkerungskreisen findet, die er glaubt genau zu kennen
selbst auch verunsichert sein.
Kreisky hat Slavik eingeladen, um auch in der Frage des Sternwarteparks
endgültig zu entschieden. Auch hier haben sich differente Auffassungen
über den Beschluss, den die Regierung morgen treffen soll. Kreisky will
dokumentieren, dass wir beschliessen, aber letzten Endes das Ergebnis
der Volksbefragung abwarten. Slavik meinte, die Stadtverwaltung ist
verpflichtet, einen Gemeinderatsbeschluss durchzuführen und die Stu-
denten und die politische Organisation wird sich jetzt auch dahinter-
stellen.
Kreisky war über diese Auslegung nicht sehr glücklich, weil er mit
Recht befürchtet, dass die 0brigkeit, d.h. die Stadtverwaltung nicht
den grossen Einfluss hat, den die Massenmedien, die sich dagegen aus-
sprechen werden und insbesondere auch die Kronen-Zeitung kompensieren kann.
Kreisky meint, wenn wir verlieren, dann ist es auch nicht so schlecht,
weil wir dadurch dokumentieren, dass sich diese Regierung nicht über
einen Volksentschluss hinwegsetzt. Slavik wollte hier anders agieren.
Letzten Endes haben sie sich aber dann doch geeinigt.
Ich nützte die Gelegenheit, um Slavik zu fragen, ob er bereit ist, bei
Unserem Verbandstag eine Begrüssungsansprache zu halten und er offerierte
sofort, dass wir so wie das letzte Mal auch einen Empfang im Rathaus
haben würden und sogar Autobusse für Rundfahrten zur Verfügung gestellt
werden.
Kreisky berichtet auch über die Bauernversammlung in Schärding und meint,
dass Weihs jetzt endgültig Teile der Budgetmittel, die über die Landwirt-
schaftskammern abgewickelt werden, über die Agrarreferenten der Länder
verteilt werden sollen. In diesem Fall ist er sich klar, dass zwar wieder
grösstenteils ÖVP-ler diese Mittel verteilen, aber er möchte zumindestens
den Bauern-Interessensvertretungen eines auswischen. Er hat zwar vor
längerer Zeit einmal erklärt, er ärgert sich dann, wenn er will und
lässt sich nicht von den anderen ärgern. aber ich glaube, dies war noch
in der Zeit wo er halt nicht ernstlich geärgert wurde. Ärgern kann man
einen Politiker dann, wenn er Niederlagen erleiden muss und man ihm diese
Niederlagen immer wieder vor Augen hält. Kreisky teilte auch mit, dass
er Benya über die Situation informiert hat und dieser meinte, man kann
sich dies nicht gefallen lassen. Ich weiss nicht, ob Benya sich ganz
klar ist, dass wenn er die einzelnen Interessensvertretungen, sei es
auch nur die Bauernschaft auf diese Art und Weise die Landwirtschafts-
kammer ausschaltet, er eine ungeheure Belastung der Sozialpartnerschaft
damit herbeiführt.
Kreisky möchte auch, um die Kommunikationsschwierigkeiten mit den
Funktionäre zu vermindern, eine Aktion: Argument der Woche starten.
Es dürften seiner Mitteilung nach in Hinkunft nicht nur Plakate, die
viel Geld kosten und nur zur Präsenz einer Partei beitragen, sondern
auch Postwurfsendungen eingesetzt werden. Ihm schwebt z.B. vor, dass
man die drei Minuten Streiks in Österreich, die gewesen sind, er hat
dies sicher bei der Aussprache mit Benya erfahren, eine gute Möglichkeit
15-0432
geben, um dieses Argument der Woche z.B. unseren Funktionären einzu-
trichtern. Die konservative ÖVP als solche zu bezeichnen, hält er für
falsch, denn konservativ sei nicht der richtige Ausdruck, sondern er
meint, es müsste jetzt Zurück zur ÖVP-Herrschaft, argumentiert werden,
wenn man das ÖVP irgendwelche Vorwürfe macht, resp. sie angreift.
Die Sympathiewerbung sei vorüber, es hätte keinen Sinn, derzeit zu
sagen, welche gute Familienväter die Regierungsmitglieder sind usw.
Wenn Häuser jetzt angegriffen wird, dann müsse man dagegen sofort
im Argument der Woche feststellen, was er alles leistet und geleistet
hat. Genau dasselbe hätte geschehen müssen, als man Leodolter attackier-
te.
Die Unzulänglichkeit in den eigenen Reihen wird präsentiert durch
Sima, der sich jetzt der Kleinen Zeitung beugt. Die Politiker-Be-
steuerungsfrage hat er angenommen, war am Samstag ein kleines Interview
das ihm vielleicht passiert ist und jetzt stellt sich heraus, dass
er auf dieser Tour weiterreitet. Es wird deshalb in aller Öffentlich-
keit darüber eine riesige Polemik geben. Sinowatz fragte, dass ihm und
Frühbauer in Vorarlberg immer wieder die Argument wegen des National-
bankbezuges vorgehalten wurde. Kreisky ging darüber hinweg und ant-
wortete wieder über Sima-Probleme.
Lausecker berichtet, dass er das Ausschreibungsgesetz mit der Gewerk-
schaft jetzt endgültig verhandelt. Die vorgesehene Kommission wird den
Minister nicht binden, sie reiht auch nicht, sondern sie bewertet nur.
Ebenso soll morgen ein Beschluss über den Dienstpostenplan, wo eine
gewisse Selbstbindung vorgesehen ist, gefasst werden.
Am Abend bei der Mode-Schau traf ich Mitterer zum dritten Mal an diesem
Tag- Zu meiner grössten Verwunderung beginnt er sich jetzt endlich
ein bisschen aufzulockern und mir gegenüber nicht mehr diese ablehnende
Haltung innerlich zumindestens zu zeigen. Äusserlich war er natürlich
immer zuvorkommend. Ich glaube, dass es für ihn eine grosse seelische
Belastung war, dass eben sein Nachfolger immer wieder in Erscheinung
tritt, dort wo auch er aufzutreten hat. Ich selbst habe fast schon
Mitleid mit ihm gehabt. Gott sei Dank dürfte er dies jetzt schön
langsam überwinden.
Tagesprogramm, 2.4.1973