Montag, der 26. März 1973

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Montag, 26. März 1973

Oberegger aus Mailand teilt mit, dass Leherb in der Villa Communale
seine Plakate präsentieren wird. Ich soll den Ehrenschutz übernehmen,
was ich selbstverständlich sofort zusage.

Beim jour fixe urgiert Sallinger neuerdings die Auszeichnung für
Sturmlechner § 58 Gew.O. und da die Arbeiterkammer noch immer kein
Gutachten abgegeben hat, spricht er auch mit Präsident Hrdlitschka.
Betreffend die Verordnung über die Lehrlingsprüfung wünscht Sallinger,
dass sie frühestens mit 1.1.1974 in Kraft treten soll, da sie organi-
satorische Umstellungsschwierigkeiten haben. Da wir über die Sitzungs-
gelder noch immer keine einvernehmliche Lösung haben und ich eine Be-
sprechung mit den Präsidenten machen muss, wird vorher sowieso keine
Möglichkeit sein, diese Verordnung in Kraft zu setzen.

Sallinger ist erschüttert, dass im Mühlviertel von Ebner Besprechungen
mit Unternehmern aufgenommen wurden, ohne dass die Handelskammer davon
etwas wusste. Die oö. Handelskammer hat sich bei Sallinger bitter be-
schwert und darauf hingewiesen, dass er doch immer sagt, es bestehe
so ein gutes Einvernehmen zwischen dem Handelsministerium und der
Handelskammer. Er und Mussil geben zu, dass selbstverständlich das
Ministerium autonom jederzeit mit Firmen in Verbindung treten kann, doch
hätten sie auch unter Bock und Mitterer so etwas niemals zugelassen.
Mussil schlägt vor, man sollte – nachdem dies jetzt schon geschehen
ist – die Handelskammer noch fragen, ob weitere Firmen dafür in Frage
kommen und mit einer Begleitgung der Linzer Handelskammer diese Firmen
besuchen. Sallinger hat den Präsidiumbrief unterschriften von Gehart,
wo die Besuche angekündigt werden und liest ihn mir vor. Scheinbar
fürchtet Sallinger und Mussil, dass bei deisen Betriebsbesprechungen
die Firmen wesentliche Vorteile erreichen wie Zinsenzuschüsse oder
besondere Aktionen und vielleicht ihre Firmen, die sie protegieren wol-
len, ausgeschaltet werden. Da ich über die Detilas nichts weiss, rufe
ich nachmittags Ebner, der bereits wieder inder Steiermark ist, an
und er teilt mir mit, dass er durch reinen Zufall allerdings bei der
Bezirksstelle der Handelskammer gewesen ist. Ich schldere ihm die
Situation und ersuche ihn, sich mit der Linzer Handelskammer in Ver-
bindung zu setzen, was er zusagt. Sofort verständige ich Sallinger,
dass ja bereits von Ebner selbst in Schärding mit der Handelskammer
Kontakt aufgenommen wurde. Sallinger wurde dies gegenüber von der


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Handelskammer abgestritten und er wird klären, wer jetzt recht
hat und mich dann verständigen.

Sallinger möchte nun endgültig wissen, wer Geschäftsführer für die ÖFVW
wird. Ich selbst erkläre, dass erst eine Ausschreibung den besten finden
soll. Sallinger gibt schon seinen Kandidaten Lukas deshalb auf, weil
er sagt, der bekommt viel zu wenig bezahlt, da ich ja erklärt habe,
ungefähr 16.000 S. Sallinger will dann unbedingt wissen, was Langer-
Hansel
hat und ich rufe ihn an. Da erfahre ich, dass mir Langer-Hansel
selbst als er das Geschäft übernahm von meinem Amtsvorgänger 5.000 S
netto zu seinem Ministerialratsgehalt ausgemacht hat. Nebenbei teilt
er mir mit, dass dies ungefähr jetzt ungefähr 11.000 S brutto ausmacht.
Über diesen Brutobetrag sage ich nichts sondern die VEreinbarung, die
Langer-Hansel mit meinem Amtsvorgänger ausmachte – zu seinem Ministerial-
ratsgehalt 5.000 S netto, gibt Mussil die Basis zusagen, dann müsste man
also den Posten mit 21.000 S derzeit dotieren. Da Zolles nur 14.000 S
hat und schon über dem Schema von uns liegt, können wir ein Schema
wirklich für diesen Posten nicht verwenden. Ich erkläre mich bereits
in die Ausschreibung diese 21.000 S aufzunehmen. Wenn das Direktorium
dem zustimmt und festhalten lasse, dass dies der Vorschlag der Handels-
kammer ist.

ANMERKUNG FÜR HEINDL/ Vielleicht kann man dies dann auch so umschrei-
ben, dass man einen gewissen Zuschlag zu unserem
Schema errechnet.

Mussil hat von unserer industrieregionalpolitischen Studie erfahren und
möchte eine haben.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte eine solche übermitteln und festhalten, dass
in einer Grundsatzgruppe – so hoffe ich ja – schon
darüber gesprochen wurde.

Die Ostliberalisierung stellt sich Mussil am besten so vor, dass die
Zollämterermächtigung zwar ausgesprochen, aber eine Vidierung entweder
durch die ZAE oder durch die Handelskammern erfolgt. Er hat allerdings-
mit seinen Länderkammern noch nicht gesprochen und wird erst wenn wir
im Prinzip uns damit einverstanden erklärt haben, konkrete Verhanldungen
mit diesen führen. Ich habe das GEfühl, er möchte eigentlich viellieber,
dass wir über die ZAE die Vidierung vornehmen.



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Die wirtschaftliche Landesverteidigung wird von mir kurz erwähnt und
in Hinkunft erklärt, auch die Ländervertreter zuzuziehen.

Die Lohnbewegung macht Mussil grosse Sorgen, die seinerzeitige Erklärung
von Benya 3 % real pro Jahr hält er für überhöht, weil das ungefähr
1 % Lohnbewegung pro Monat bedeuten würde um 3 % real netto zu errei-
chen. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass in Wirklichkeit ein wesent-
lich höherer Bruttobetrag notwendig sein wird, wenn man die Abgaben
noch in Abzug bringt. Er wird diesbezügliche BErechnungen anstellen
lassen. Bei einem realen Wirtschaftswachstum von 6,4 % findet er
dass trotzdem 3 % Reales Lohneinkommen zu hoch ist. Ausgelöst und beein-
flusst wird diese Politik, so glaube ich, ohne dass es dort diskutiert
wird, von den unmöglichen VErhandlungen, die wir mit den öffentlich
Bediensteten führen müssen. Dort gibt es überhaupt keine Produktivi-
tätssteigerung oder zumindestens nur eine minimale und trotzdem natür-
lich auch dort die 3 % real verlangt. Mussil hat übrigens dieselbe Ein-
kommenssteigerung auch für die Bauern verlangt. Allerdings hat er dort
angemerkt, was die wenigsten beobachteten, dass er die Forderung als
überhöht betrachtet.

Die EFTA-Staaten seien seiner Meinung nach bereit, die Abschöpfungs-
regelung, wie wir sie mit den EG jetzt in Aussicht nehmen, auch selbst
anzuwenden. Unter diesen Umständen müssten einige Vertragssätze wie z.B.
Teigwaren gekündigt werden. Die AK macht aber grosse Schwierigkeiten,
weshalb er ersucht, wir sollten dieses Problem besprechen und in seinem
Sinne regeln. Ich habe keinerlei Zusagen gemacht, ausser dass wir eine
diesbezügliche Sitzung einberufen sollten.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, dieses Problem bei uns im Haus besprechen
lassen, wenn es zu keiner Einigung kommt, dann
mich zuziehen. In diesem Fall will sogar auch Mussil
persönlich kommen.

Mussil erwartet, dass ich für die Gemeinde Spiss, die bei Landeck an-
schliesst und ein Zollausschlussgebiet gegenüber der Schweiz werden
soll, ihn beim Finanzminister unterstütze. Ich habe sofort nach meinem
Prinzip erklärt, dass dies eine Angelegenheit des Finanzministeriums
ist.



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Mussil vertritt die Meinung, dass die Rückschläge in Kärnten
hauptsächlich auf überstürzte Gesetze wie z.B. Ortstafeln zurück-
zuführen ist. Er meint überhaupt, dass ausser dem Verkehrsminister
und auch ich niemand genug vorsichtig ist bei der entsprechenden
Politik und bei der Formulierung der Gesetze. Dadurch kommt es zu diesem
Eklat. Die nächste gorsse GEfahr, die er sieht, ist die Arbeitsver-
fassung. Hier wäre er missverstanden worden, denn er hätte niemals gegen
die besoffenen oder für besoffene Betriebsräte gesprochen sondern nur
darauf hingewiesen, dass auf VOrschlag von Häuser auch dann, wenn ein
Betriebsrat den Unternehmer tätlich angreift oder betrunken ist, das
Arbeitsgericht zuerst prüfen müsste, ob eine Zusammenarbeit noch
möglich sei. Er verglich dies mit einem Versöhnungsversuch bei einer
Scheidung. Häuser wird, so fürchtet er, nun das GEsetz durchpeitschen.
Mein Hinweis, dass Häuser ja nicht zuletzt durch meine RÜcksprache
bereit war, die Übereinkommen der Sozialpartner zu übernehmen, wird
nach Auffassung Mussils längere Zeit dauern. Bis zum 19. April
sollen jetzt Beamte der Handelskammer – Hauser uns Basalka – von der
Arbeiterkammerseite Weissenberg, Dallinger, Wille – die differenten
Auffassungen herausschälen und dann den Präsidenten berichten, damit
diese einen Lösungsversuch machen. Der Termin vom 31.3 kann von
der Handelskammer nicht eingehalten werden und deshalb wird sie ein
sehr negatives Gutachten an Häuser schicken. Über diesenSchritt ist
Sallinger nicht sehr glücklich. Ich verspreche neuerdings mit Häuser
darüber zu reden, erwarte mir aber eigentlich, das habe ich dort
nicht gesagt, keinen Erfolg. Häuser selbst steht auf dem Standpunkt,
dass die Handelskammer nur alles hinauszögern will und deshalb das
Gesetz eingebracht wird, wenn sich dann eine gemeinsame Aufassung
der Sozialpartner ergibbt wird er dies in der Gesetzgebung, d.h im
Ausschuss vielleicht auch in einem Unterausschuss noch berücksichtigen.

Beim Journalistenfrühstück, wo Gehmacher über die IFES-Studie – Konsumen-
tenbewusstsein – referierte, die auf Grund einer Ausschreibung dem IFES
als billigstes Institut zugeschlagen wurde, zeigt sich,das rege INteresse
einzelnen Zeitungen z.B. Kurier – Gröbmansperg – für dieses Thema
Sie möchte sogar die ganze Studie haben, diese können wir auf gar keinen
Fall aus der Hand geben, weil dort klar und deutlich zum Ausdruck kommt,
dass weder die AK noch der ÖGB als die Konsumentenvertretungen akzeptiert
werden, nur nicht einmal ganz 10 % der BEfragten sind der Meinung, dass
diese als Konsumentenvertretungen unabhängig sind. Die Handelskammer
schneidet dabei nicht viel schlechter ab. Den Frauen, die gefragt wurden,
schwebt eine unabhängige eigene Konsumentenorganisation vor. Sicherlich


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ist das darauf zurückzuführen, dasss die Preissteigerungen eben
die Bevölkerung veranlasst anzunehmen, dass eben nur eine wirklich
unabhängige Stelle nicht nur Konsumentenberatung sondern in diesem
Fall dann auch gleich Preisstop oder so etwas ähnliches durchführen
sollte. Dies wurde nicht gefragt, wahrscheinlich auch nicht wörtlich
zum Ausdruck gebracht, aber doch im Unterbewusstsein erwartet.

Bei einer anschliessenden Besprechung mit Gehmacher erklärt mir dieser
dass die Meinungsumfrage für ihn schon ein kalter Kaffee ist, sie ist
eingespielt, funktioniert und gibt keinerlei Probleme mehr auf. Er glaub
allerdings, dass die Partei insbesondere nur dann Meinungsumfragen
macht, um irgendetwas bereits zu erklären. Seiner Meinung nach müssten
aber Meinungsumfragen auf der ganzen Linie mit einem bestimmten Ziel-
programm erstellt werden, weil dadurch eine falsche INformation der
Parteispitze erfolgt. Durch die Zielvorstellung, z.B. zu wissen, wie
die Bevölkerung über das Problem der Preise denkt, ergibt sich automa-
tisch, dass ein grosses Spektrum der Wähler überhaupt nicht erforscht
wird. Dann wird die Partei durch Wahlergebnisse wie Graz oder Kärnten
überrascht. In Graz haben nämlich unsere Kernschichten, wie sich jetzt
klar und deutlich herausstellt, die Partei nicht mehr gewählt und
zwar nicht ausschliesslich wegen der Autobahntrasse. Die PaRTEI WIRD
jetzt wieder nur Folgeuntersuchungen anstellen. Das wirklich interessan-
teste Phänomen für Gehmacher ist die Bürgerinitiative. Hier meint er,
müsste man eine ganz andere Stellung dzau einnehmen. Meine ABsicht
die ich bereits auf der Landstrasse vor Monaten um nicht zu sagen
vor Jahren propagiert habe, nämlich, dass wir bei jeder Aktivittät
auch bei der Bürgerintiative als Partei dabei sein sollten, hält
er für absolut richtig.

Zum Interview mit Frau Thorn, der Gattin des Luxemburger VErtreters
bei der EG, hat sich zu meiner grössten Verwunderung auch Reiterer
angemeldet. Ich benützte diese GElegenheit, um neuerdings herauszustrei-
chen, dass Reiterer jetzt nach Brüssel als Botschafter kommt, um die
schwierigen Einzelprobleme wie Ursprungsregelung usw. besser zu lösen,
als es uns möglich war, im Vertrag durchzusetzen. Irgendwer hat mir
gesagt, dass Reiterer eine Aktivität in der letzten Zeit entwickelt,
die erstaunlich ist.

In der Ministerratsvorbesprechung kommt Kreisky selbstverständlich
auf die Kärntner Wahlen zu sprechen. Er meitn, dass insbesondere die
Eingemeindung und der Ortstafelkonflikt grosse Probleme für diese


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Wahlniederlage waren. Die internen Kärntner Probleme möchte er
weder in der Öffentlichkeit diskutieren, da er auf dem Standpunkt
steht, die müssen sie sich selbst lösen, noch intern besprochen wissen.
Er meint, es sei dort eine sehr gute Mannschaft mit Sima und seinen
Landesräten am Werk. In Wirklichkeit muss er genauso wie alle anderen
wissen, dass zwischen den einzelnen Mitgliedern der Landesregierung ein
nicht nur gespanntes Verhältnis existiert, sondern man überhaupt
im Parteivorstand dort gar nicht über Probleme diskutiert, sondern
Sima Monologe hält. Die anderen hören ihm gar nicht mehr, unternehmen
aber nichts, um keinen Streit vom Zaun zu brechen. Wie weit diese ge-
spannte Situation noch weiter bestehen bleiben kann, ist für mich
mehr als fraglich. Warum Kreisky aber die Teamarbeit gegenüber uns so
herausstreicht, lässt sich nur erklären, dass er noch immer vielleicht
sich den Bundesländern verpflichtet fühlt, die ihn ja mehr oder minder
gegen Wien und Pittermann gemacht haben und deshalb er nicht will, dass
eine solche DIskussion ausbrechen sollte, wo er dabei ist. In Kärnten
hätten die Deutschnationalen jetzt die soz. Partei nicht mehr gewählt,
weil als das Ortstafelgesetz gekommen ist, sie sofort durch ihre natio-
nale VErgangenheit über ihre faschistoiden Züge zum Durchbruch kamen
Der Versuch Landesrat Wagners von Wien sich freizuspielen, sei geschei-
tert und auch nicht sehr sinnvoll gewesen. Kreisky sieht aus diesem
Wahlergebnis, dass früher eben nur unsere Kernschichten oder unsere
Mitglieder und Wähler eine bestimmte GRösse des Wahlerfolges mit sich
brachten, d.h. im Siebzigerjahr sei es gelungen, weitere Wähler-
schichten zu gewinnen, Er warnt daher neuerdings vor Machtproben bei
einezlnen Lösungen. Dies gefällt zwar unseren Mitgliedern und unseren
Wählern, aber eben nur 45 %, wir sollen und dürfen die anderen nicht
vor den Kopf stossen. Er meint, dass die Meinungsumfrage ergibt, dass
bei der Bundespolitik kleine Einbuchtungen Wählerverluste zu verzeichnen
seien. Gehmacher, mit dem ich über dieses Problem am Vormittag ge-
sprochen habe, hat allerdings die Auffassung, dass Spezialuntersuchungen
über das ganze Spektrum notwendig seien und deshalb diese 7 Fragen,
die die Meinungsforscher automatisch imer bei dieser Umfrage anschlies-
sen, kaum mehr repräsentativ sind.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Vielleicht könnte man ohne dass wir deutlich in
Erscheinung treten, diese Fragen und die Ergeb-
nisse in Graz und in Kännten vor den Wahlen und
nach den Wahlen als Detailziffer bekommen. Vor al-
lem wäreinteressant, ob und wie die Ergebnisse
für OÖ jetzt und nachher aussschauen werden.



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Kreisky meint, dass sich jetzt am Sternwartepark die Bundesregierung
bewähren muss. Der Kampf mit den Massenblättern F Kronenzeitung –
muss aufgenommen werden. Wenn wir jetzt uns nicht konfrontieren, sind
wir bei den nächsten Wahlen erledigt. Die Massenblätter werden dan mit
dem Rundfunk gemeinsam die Regierung vernichtend kritisieren. Aus der
BRD hat sich gezeigt, dass Brandt ebenfalls den Kampf gegne die Bild-
zeitung aufgenommen hat. Die Bildzeitung hat sehr viele Leser verloren,
insbesondere sozialdemokratische Wähler und Mitglieder. Brandt konnte
sich aber dann besonders profilieren, weil er kontroversiell gegen
die CDU/CSU wegen der Ostverträge sich aufbauen konnte. Der grösste
Fehler wäre, so wie bei der Wahlniederlage Klaus, dass wir jetzt wie
ein Kaninchen auf die Kobra starren, sondern wir müssen sofort initiativ
zur Tagesordnung übergehen und neue Aktivitäten setzen. Kreisky vermisst
dass die Information nicht funktioniert und unsere Mitglieder und Ver-
trauenspersonen auch nicht aktiv genug sind. Nach langer Zeit melde
ich mich wieder einmal zu Wort und meine, dass in kleineren Kreisen
genug kritisiert wird, z.B. auf der Landstrasse und bei der Gew. d.
Lebensmittelarbeiter, dass man auch dann durch die entsprechnedne Er-
klärungen unsere Funktionäre vielleicht sogar überzeugen kann, dass sie
aber in den Jahrzehnten immer den Angriff vorgetragen haben, dass sie
sozusagen auf Offensive eingeschult und eingestellt sind und dass sie
jetzt verteidigen müssen und dass sie dies eben nicht können. Kreisky
meint, er kennt die Stimmug genau, weil er ja entsprechende Briefe
kriegt und auch in VErsammlunge geht. Diesbezweifel ich nicht, doch glaube
ich dass damit ein INformationsfluss erfolgt, der nur von Aktiven ausgeht.
Die grosse schweigende MAsse kann man nämlich weder in Diskussionen von
Parteiversammlungen noch in BRiefen erfahren.Man müsste wahrscheinlich
wirklich eine Meinungsumfrage in ihrer ganzen BReite einsetzen. Gratz
beschwert sich, dass bei den Einteilung von Strache, der übrigens das
erste Mal an einer Regierungsvorbesprechung teilnimmt, keine Zeit zu
Diskussionen bleibt. Die MEthode, die Spitzenpolitiker nur vorzuführen,
die man seinerzeit beim burgenländischen Wahlkampf angewendet hat,
ist falsch. und nicht mehr zeitgemäss. Lieber weniger VErsammlungen und
dafür mehr DIskussionsmöglichkeit. Gratz spricht sich, nachdem er in der
Südsteiermark war und dort viele Kleinbauern kennengelernt hat, die wirk-
lich fürchterliche Einkommenverhältnisse haben müssen, gegen die koopera-
tive Agrarpolitik Weihs mit Lehner aus. Er meint, es müsste eine Umschich-
tung im Landwirtschaftsbudget zugunsten der wirklichen Armut in der Land-
wirtschaft erfolgen. Auf Grund dieser ERfahrung hat er ja auch angekrei-
det, dass öffentliche Mittel der Landwirtschaftskammer zur Verfügung ge-
stellt werden, die diese ausschliesslich nur für Österr. Bauernbund-Propa-


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ganda resp. Anti-Regierungspolitik verwendet. Häuser hat primär fest-
gestellt, dass in Vorarlberg bereit eine Anti-Gastarbeiter-Stimmung
herrscht. Kreisky fürchtet, dass die grossenSachen gar nicht mehr
ankommen. DIe Schülerfreifahrten und Bücheraktion ist untergegangen.
Kreisky möchte, dass die Minister womöglich zu zweit oder zu dritt
auf alle Fälle jetzt wieder Pressekonferenzen starten. Ich lade Weihs
zu eventuell einer Pressefrühstücksaussprache ein, Kreisky nimmt
darauf eigentlich, ohne dass er ghört hat, dass ich mit Weihs dies
besprochen habe, darauf bezug und meint, es müssten richtiggehende
grosse Pressekonferenzen sein. Ich glaube, dass wir mit dem Presse-
frühstück besser fahren und sehe derzeit eigentlich keine Möglichkeit,
eine grosse Pressekonferenz zu veranstalten. Ich wüsste nicht einmal,
welches Thema wir hier zur Sprache bringen sollten. Gratz teilt mit,
dass die ÖVP eine Aussprache über die Lage der Familien gerne hätte.
Kreisky möchte neben der Erhöhung der Geburtenbeihilfe auch noch
andere familienpolitische Akzente setzen. Richtig ist, dass er die
Briefe, die er bekommt und das sind etliche hunderte, gewissenhaftest
liest und dadurch auch auf einzelne krasse Fälle der Benachteiligung
d.h. Armut in Österreich wirklich stösst. Seine Idee ist dann, sofort
Abhilfe zu schaffen. Eine Rentnerin hat ihm mitgeteilt, dass man ihr
jetzt Gas und Strom abgesperrt hat, weil er eben auf Grund des § 7-Mie-
tengesetz einen höheren Zins zahlen muss und damit nicht auskommt.
Sofort schlägt er vor, man sollte überlegen, ob mna nicht bereits
jetzt eine Beihilfe geben kann, ohne erst eine gesetzliche Formu-
lierung und BEschluss im Nationalrat abzuwarten. Sowehr ich solche Einze
entscheidungen verstehe, so sehr glaube ich, kann man damit nicht Re-
gierungspolitik machen. Hier müsste systematisch vorgegangen werden.
Das allerdings bedingt wieder, dass die Bürokratie mit allem Für und
Wider eingeschaltet wird. Dadurch ergibt es grosse Differenzen zwischen
dem Idee des Regierungschefs und der effektiven Durch-
führung. Hier sehe ich keine Möglichkeit, wie man dies besser machen
könnte. Auf der einen Seite will er nicht, dass man Wählerschichten vor
den Kopf stösst. Auf der anderen SEite möchte er sofortige Entscheidungen
und Durchführung von Vorchlägen, hier z.B. von Weihs eine radikale
Änderung der Agrarpolitik. Wahrscheinlich gäbe es hier nur die Mög-
lichkeit zwischen der wirtschaftlichen Agrarpolitik, die sehr hart
sein müsste, um sich insbesondere durch Nicht-Stützung der Getreide-
und Milchprodukte auszeichnen müsste gemildert durch eine individuell
gezielte Sozialpolitik für die notleidenden Bergbauern und Kleinbauern.
Damit wird allerdings das Strukturbereinigungsproblem weiter hiausge-


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zögert. Solche Überlegungen häte man im Prinzip gleich bei Re-
gierungsantritt und ganz besonders nachdem Weihs das Landwirtschafts-
ressort übernommen hat, anstellen müssen. Kreisky hat aber interessant
und wahrsheinlich auch richtigerweise jeden Minister eigentlich nach
Gutdünken fuhrwekrne lassen. WEnn es dann nicht zu dem gewünschten Er-
folg gekommen ist, wie er es sichs vorgestellt hat, obwohl der Mini-
ster ja kaum gewusst hat, welche Politik er vorschlägt, dann ist es
zu entsprechenden Spannungen gekommen. Durch BEschwerden von einzelnen
GRuppen wie z.B. dem allgemeinen Bauernverband sicherlich dann auch
noch des Arbeitsbauernbundes wolte er dann, als es schon zu spät war,
eine radikale Änderung der Agrarpolitik erreichen. Da scheinbar auch
die gegnerischen Organisationen wie Allgemeiner Bauernverband diese
Spannung bemerken, beginnen sie jetzt Weihs umso härter und persön-
lich zu attackieren. Ich fürchte, es wird sich jetzt nicht ein
Solidaritätsakt mit Weihs vom Kanzler und anderen einstellen,
und damit die Schlagkraft des Regierungsteams als ganzes sehr darunter
leiden. Unsere grösste Stärke war die GEschlossenheit, wenn diese
aufs Spiel gesetzt wird, muss das der Anfang vom Ende sein. In einer
Aufwärtsentwiclung ist es natürlich leicht, eine geschlossenheit
zu demonstrieren und auch zu erhalten. Schwierig wrid es nur, wenn
Wahlniederlagen kommen. Andererseits glaube ich, da alles Negative,
dass den einzlnen trifft, der auf alle Fälle der Regierung die Schuld
gibt, muss es zu Wahlniederlagen früher oder späterkommen. Dann müss-
te sich erst die Führungsqualität zeigen. Nicht nur durch gewissen-
hafte Analysen wie Kreisky sie jetzt anstellt, sondern durch UNter-
stützung unserer schwachen STellen müsste man ernstlich versuchen,
ein TEam zu werden. Stärker als es bei Anritt der Regierungs ge-
wesen ist. Obman dafür allerdings die Zeit hat und ob man die rihc-
tigen Konzepte dafür findet, weiss ich nicht, eher würde ich dies
bezweifeln.

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Tagesprogramm, 26.3.1973

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesprogramm "Frühjahrsaktion 1973", 23./25.3.1973

15_0399_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Frühjahrsaktion Rückseite)


Tätigkeit: Sozialminister
GND ID: 118806904


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: AK, ÖIAG
    GND ID: 128336552


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
      GND ID: 119083906


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Künstler


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 118761595


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Präs. LWK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                  Einträge mit Erwähnung:


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: LH Ktn., SPÖ
                      GND ID: 139418636


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: BK 1966-70, ÖVP


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                          GND ID: 118566512


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: IFES


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Landesparteisekretär SPÖ NÖ


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Journalistin Kurier


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: LH Kärnten, SPÖ


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Außenstelle Mailand ÖFVW


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                                GND ID: 130620351


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Direktor ÖFVW


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: ÖFVW, öst. Handelsdelegierter Paris


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                                                            Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                                            GND ID: 102318379X


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                                                              GND ID: 136291708


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                                                                Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                  Einträge mit Erwähnung: