Dienstag, 13. März 1973
Im Ministerrat hielt Kreisky eine Ansprache zum 13. März improvisiert
aber gekonnt. Ich fürchte nur, sie war rein fürs Protokoll und für
Radio, denn niemand hat damit gerechnet oder es auch nur erwartet.
Mit Recht hat er aber gerade diesen Tag bei dieser Ministerratssitzung
richtig gedacht, ob er selbst darauf gekommen ist oder sein Büro ihn
aufmerksam gemacht hatte, wäre sehr interessant zu erfahren.
Bei der Bestellung der Aufsichtsräte der ÖIAG ergibt sich die Streitfrage
ob Gen.Direktor Hecke, der von der ÖVP nominiert wurde, tatsächlich in
einen Aufsichtsrat berufen werden sollte, der eigentlich sein eigenes
Unternehmen kontrolliert. Immerhin beträgt die Beteiligung der ÖIAG
oder des Bundes an dem Siemens-Konzern 43 %. Obwohl in Österreich kein
formeller juristischer Einwand dagegen möglich ist – in der BRD Deutsch-
land ist es verboten – wird Kreisky einen Brief an die ÖVP schreiben
und auf diesen Punkt besonders hinweisen.
Prof. Kastner und Ing. Jäger vom Institut für Raumplanung wollen auf VOr-
schlag Würzl eine Fremdenverkehrsstudie ausarbeiten, wo sie Qualifizie-
rungsn der einzelnen Gebiete für den Fremdenverkehr untersuchen.Als
wichtigstes Kriterium wäre die Eignung des Gebietes an sich als zweites
der Entwicklungsstand des Fremdenverkehrsgebietes und als drittes der
allgemeine ZUstand des GEbietes für den Fremdenverkehr und als wichtigstes
wäre aber eine Nutzwertanalyse, wieweit vom gesundheitspolitischen Stand-
punkt eine Gegend nahe der GRosstadt oder zur Erhähung der kleineren
Einkommen besonders geeignet wäre. Auf Grun-d dieser Untersuchung wäre
dann eine gestaffelte Förderung vorzunehmen. An dieser Besprechung nah-
men auch Gehart Wanke und Heindl teil. Ich erklärte dezidiert, dass ich
eine solche Studie nicht in Auftrag geben werde, wenn ich nicht vorher ein
stimmig von den Landeshauptleuten dazu ihre Zustimmung besitze. Die
Anregung müsste auch von einer anderen Stelle als dem Handelsministerium
kommen. Min.Rat Würzl müsste, wenn er diese Studie wünscht, vorerst
von einer dr-tten Stelle, z.B. im Kuratorium für Fremdenverkehr ent-
sprechende Anträge stellen lassen. Die GEfahr, dass wenn wir diese Studie
vorschlagen, die Landeshauptleute sofort einen Eingriff in ihre Kompetenz
befürchten und vor allem einmal ihr GEbiet z.B. in den westlichen Bun-
desländern als schlecht klassifiziert zu erwarten sind, den grössten
Verdacht gegen eine solche Politik äussern würde, veranlasst mich
äusserst vorsichtig vorzugehen.
Für der oö. Innviertel wurden entsprechende Vorschläge erstattet
und UNtersuchungen angestellt. Diese Unterlagen sind glaube ich
sehr wertvoll, insbesondere für die Regionalkonferenz in Schärding.
Da Ing. Jäger kein Genosse ist, war ich in meinen Urteilen sehr zurück-
haltend. Im GRunde genommen aber glaube ich, dass durch die Integration
mit der EWG die GRenzräume viel stärker sich verwischen und ver-
schwinden werden als dies die heutigen Unternehmer in Österreich
zur Kenntnis nehmen wollen.Durch die Möglichkiet, in der BRD höhere
Einkommen zu erreichen, werden die Arbeitnehmer, die dort arbeiten
durch die importierte Kaufkraft, die sie letzten Endes dann nach
Österreich zurückbringen, die Grundlage bilden für eine verhältnis-
mässig reiche Zone. Keinesfalls aber handelt es sich hier um einen
Notstand. Dies ist höchstens für die Unternehmer gegeben, die ihre
Arbeitskräfte verlieren. Richtig ist, dass eine grosse GEfahr be-
steht, dass diese Arbeitskräfte in die BRD hineinheiraten oder
dass selbst wenn sie in Österreich bleiben, ein ungeheures Desinter-
essement an der Innenpolitik Österreichs festzustellen ist. Gewisser-
massen erwachsen den österreichischen Gemeinden auch Infrastruktur-
lasten, de vielleicht durch entsprechende Transfer-Zahlungen wie dies
auch bei anderen Staaten der Fall ist, ausgeglichen werden könnten.
Die Hotelvereinigung unter Präs. Skaderassy, der Steuerberater Dr. Hutter, der Seelfer Vertreter Komm.Rat Willberger, der Bad Kleinkirchheim
vertreter Ronacher, der Wiener Nedomansky, der Gasteiner VErtreter
Komm.Rat Wührer und der präsumtive Nachfolger von Skadarassy Schreiner
Würzl und ich hatten eine interessante Aussprache und Diskussion.
Die Hotelvereinigung erhofft, dass die Mehrwertsteuerbelastung wesent-
lich entlastet wird. Von der alten Umsatzsteuer hatten sie 80 %
ihrer Nächtigung umsatzsteuerfrei. Eine solche Sonderregelung wün-
schen sie sich auch jetzt durch Novelle des Mehrwertsteuergesetzes.
Für wäre dies ein Ausgleich für ihre indirekte Art der Exportförderung.
Ich liess keinen Zweifel, dass ich hier keine Möglichkeit sehe,
den Finanzminister dafür zu gewinnen. Wohl aber glaube ich wird es
notwendig sein, die technische, derzeit sehr komplizierte Verrechnungs-
art für den Kellner vereinfachen. Die seinerzeitig 80 % Umsatzsteuer-
befreiung hat ihnen 2,6 Mia S erspart, die sie für Investitionen
verwenden konnten. Die Betriebe in den Bundesländern haben im Jänner
und Feber grössere Rückgänge zu verzeichnen, zwischen 17 und 25 %.
Dem steht allerdings die GEsamtstatistik entgegen, die im Jänner noch
eine 7 % ige Steigerung gegenüber dem Vorjahr erbrachte.
Trotzdes Umsatzrückganges müssen sie in den einzelnen Hotels
doppelt so hohe Umsatzsteuer wie gegenüber dem VOrjahr bezahlen.
Sporthotel Igls z.B. hat einen Umsatz von 2,2 Mio Jänner 72
80.000 S, Jänner 1973 179.000 S. Eine Flasche Wein ist in der Schweiz
mit 1,8 % in Italien mit 6 % in der BRD mit 16 % und in Österreich
mit 43 % belastet. 16 % MWST, 10 % Alkoholsondersteuer, 10 %
Getränkesteuer, 8 % Vergnügungssteuer, beim Sekt kommt noch S 9.-
pro Flasche dazu. Dazu kommt dann noch 15 % BEdienung und AKM
und Raumpauschale. Das grösste Übel dabei ist aber dann die kompli-
zierte Verrehcnung für den Kellner. Hier muss ich zgeben, wäre
wirklich eine Vereinfachung notwendig. Bezüglich der ERP-Kredite
wo noch 24 Mill. von 150 Mio offen sind, möchten sie angefangene
Bauten, die insgesamt 200 Mill. S noch zur Ausfinanzierung brauchen
sobald wie möglich ERP-Mittel ehranziehen. Insgesamt erwarten sie
nich heuer aber in den nächsten Jahr von ERP 85 Mill., von der
Bürges 20 und von sonstigen 15 Mill. Diese Finanzierungslücke,
erklärte ich, könnten wir höchstens mit Hilfe einer Hotelsonder-
aktion wie im vergangenen Jahr schliessen. WEnn es die budgetäre Lage
und die Kreditsituation ermöglicht, werde ich diesbezüglich mit
dem Finanzminister verhandeln. Neuerdings urgierte die Hotelvereinigung
dass man die Komfortzimmeraktion auch für das Personal verwenden sollte.
Von Hunderttausend Beschäftigen gibt es nur 3 – 4 Hotels, die ein
Personalhaus haben. Wohl aber müssen sie zugeben, auf Vorhalten
von Würzl, dass viele Personaltrakte haben. Ich erkläre schon
aus meiner Herkunft, dass ich mich niemals gegen den Wunsch auch
die Personalwohnungen mit entsprechendem Konfort zu versehen, wenden
werde. Wohl aber kann ich dies erst dann mit Aussicht auf ERfolg
verlangen und durchsetzen, bis der grösste Druck von den jetzigen
Ansuchen über Komfortzimmerzuschüsse erledigt ist. Ich beschwere
mich darüber, dass im vergangenen Jahr die Komfortzimmeraktion an-
gelaufen ist, die Länder sich überhaupt nicht um diese Aktion ge-
kümmert haben, deshalb wurden nur unbedeutende Ansuchen gestellt.
Dies schlägt sich natürlich jetzt in der Budgetziffer für das
Jahr 1973 nieder. Die Vertreter müssen mir rechtgeben.
Sekt.Chef Römer und SEkt.Rat Zembsch berichten über die sowj.-
österr. Besprechungen bezüglich einer Kooperation. Der sowj. General-
importeur für Maschinen Gärtner hat ein verhältnismässig sehr gutes
Service. Die ERsatzteile aber nach der ersten Ausstattung sind dann
äuasserst schwierig zu beschaffen. Deshalb schlägt Zembsch vor,
15-0322
man sollte mit der SU über Ersatzteillager für Westeuropa verhandeln.
Die Maschinen haben auch eine sehr schlecht Elektronik udn werden
sofort gegen westliche ausgewechselt. Die Dutzend Firmen, mit denen
sie derzeit Kontakt haben, bestätigen, dass sowj. Maschinen um 10 –
15 % billiger sind, dafür abe durch dieses Auswechseln der Elektronik
dann wieder wesentlich teurer kommen. Ich schlage vor, man sollte
der SU denVorschlag unterbreiten, dass sie in Kooperation mit
westlichen Staaten, die die Elektronik liefern können, für die Export-
maschinen gleich diese Elektronik einbauen. Zembsch wird jetzt mit den
Firmen engeren Kontakt halten Und durch Kooperationsseminare und Vor-
träge durch eine Kartei und Unternehmerinformation seine Abteilung ent-
sprechend ausbauen und insbesondere bei der Industrie in Erinnerung rufen
Ich begrüsse diese Vorgangsweise, loba dafür den Sektionschef aber auch
Zembsch, möhcte damit sie anspornen, in dieser Richtung aktiv zu
werden.
Fritz Mauthner kommt um Unterstützung für 15.000 t Zucker, die er
im Inland produzieren möchte und mit den Rübenbauernvertretern
abgeschlossen hat. 4.000 t zu 410 S sollen im Inland abgesetzt
werden, 12.000 t zu 440 S Export frei Grenze. Für diese Exportmenge
benötigt er, wie ich ihm gesagt habe, die Zustimmugn der Arbeiterkammer.
Ich empfehle ihm, sich mit Zöllner ins Einvernehmen zu setzen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: ICh glaube, dass es wirklich zielführender wäre,
jetzt solange der Zuckerpreis am Weltmarkt noch
höher liegt, entsprechnede Exportgenehmigungen
mit eventuellen Importrücklieferungen wenn eine
Knappheit entstehen sollte, abschliessen zu lassen
In der Wirtschaftspolitischen Aussprache erörtert Androsch den Plan,
nämlich bei einer Aufwertung der DM um 3 % mit 2,25 % auch den ö.S.
aufzuwerten. Er kündigt auch gleichzeitig für die Exportindustrie
Begleitmassnahmen an. Kloss erörtert die Kursbildung, wie sie die
ÖNB vornehmen will und weist darauf hin, dass der Ausgangspunkt der 9.II
sein soll, bevor die Lire in den Doppelmarkt ging und der Dollar neuer-
dings um 10 % abwertete. Das Pfund ist seit 3/4 Jahr ausgeschaltet
bei den Berechnung de INdikatoren und genauso die Lire. Da das
ÖNB-Gesetz ind § 2 Abs. 3 von der Aufgabe der ÖNB spricht, den wert-
beständigen Währungen den Schilling zu halten, müsste schon Pfund
und Lire auf alle Fälle aus der Brechnung herausgenommen werden.
Igler spricht sich für eine autonome österreichische NB- und Währungs-
politik aus. Er meint, man sollte nicht dem Abkommen der EG in irgend-
15-0323
einer Form beitreten. Die österr. Industrie liefert auch nach GB, Frank-
reich und Italien und hat dort eine starke Industrie, die jetzt gleich
zeitig entweder wie Frankreich Restriktionen beabsichtigt, oder wie GB
und Italien überhaupt abwertet. Er meinte deshalb, es müsste der Auf-
wertungssatz tief und die 2,25 bleiben. Mussil schlägt ebenfalls
vor, dass Österreich autonom floaten soll und meint, man könnte
höchstens 1,5 % der DM nachziehen. d.h. aufwerten. Gleichzeitig
sollte für die Exportindustrie die Lohnsummensteuer, die grenzaus-
gleichfähig ist, entsprechend reduziert werden. Dies sei GATT- und
EWG-konform und kostet ca 500 Mill. S. Durch die Einkommensteuer die
dafür gezahlt werden mussten, würde sich dieser Ausfall auf 225 Mill.
verringern. Ebenso sollte aus den Altanlage der Abzugsfaktor er-
höht und verlängert werden. Zur Kurssicherung müssten die Betriebe
die Möglchkeit bekommen, Kredite im Ausland uafzunehmen. Überdies
sei der Exporthandel, der indirekt auch exportiert, in die Export-
förderung aufzunehmen. Benya weist darauf hin, dass wenn die Aufwertung
des ö.S. nicht erfolgt, die Rohstoffkosten sehr stark steigen werden,
da der Import wesentlich grösser ist als der Export. DArüber hinaus
werden aber auch die Energiekosten und vor allem die Nahrungsmittel
unvergleichlich stärker steigen. Am Arbeitsmarkt würde dann ein
weiterer Sog entstehen, die Arbeitskräfte in Deutschland und in
der Schweiz zuarbeiten veranlassen. Wenn es durch die Nichtaufwertung
zu grösseren Preiserhöhungen kommen sollte, wird der ÖGB dann in
der zurückhaltenden Lohnpolitik nicht mehr mittun können. Eine Lohn-
runde wird von ihm angedroht. Koren meint nur, dass es sich hier um
spekulative und keine wirtschaftlichen Überlegungen handelt, die z.B.
Deutschland für die 3 % Aufwertung und Frankreich für die Nichtauf-
wertung entschieden haben. Er möchte ebenfalls keine starre Bildung,
wie dies wahrscheinlich auch die Schweiz handhaben wird. Brösigke
von der FPÖ meint nur, dass das Risiko alleinzugehen, wesentlich
grösser ist, und er empfiehlt daher in Gemeinschaft mit anderen,
d.h. mit den Zonenblockländern vorzugehen. Bierbaum erinnert nur,
dass auch die Landwirtschaft exportiert und desahbl sie selbst ent-
sprechende Subventionen ebenfalls erwartet. Er verweist darauf,
dass jetzt versucht wurde, in Amerika die Exporte auf Schillings-
fakturierung umzustellen, dies aber vom Importeur abgelehnt wird.
Androsch fasst neuerdings zusammen, dass mit der Oktober 1969
10 %-igen DM-Aufwertung Österreich nur zum Teil mitgegangen ist.
Das Ergebnis davon waren seit diesem Zeitpunkt ununterbrochene Preis-
steigerungen. Durch die entsprechndne weiteren Aufwertungen, die die
DM mitgemacht hat wird der Österreicher jetzt eine de facto 11,5 %ige
15-0324
Abwertung und gegenüber dem Schweizer Franken eine 10 %-ige Ab-
wertung erreicht. In diesen beiden Staaten beträgt aber der Importanteil
49 % und der Exportanteil 33 %. Er fasst zusammen und schlägt vor,
dass bei der Börseneröffnung am Montag die ÖNB wie besprochen einstei-
gen soll, d.h. ohne Berücksichtigung von Pfund und Lire, wogegen
sich insbesondere die Industriellenvereinigung – Igler – aber auch
die Handelskammer – Sallinger, Mussil – aussprechen. Die weitere
Kursbildung sollte dann, wenn GB und Italien ihre neue Parität
gefunden haben, auf dieser neuen Parität neu einbeigen werden. Grund-
sätzlich soll die Einladung von den EWG-Finanzministern an Österreich
und die anderen neutralen Staaten so wie Norwegen angenommen werden.
Viertens sollten aber keine Massnahmen, die binden, z.B. die europäi-
sche Währungsfonds- oder die Leitkursbestimmung derzeit akzeptiert
werden. Als Begleitmassnahmen kann sich Androsch vorstellen, dass
die Einkommensteuer, Körperschaftssteuer aber auch Mehrwertsteuer
entsprechend novelliert wird. Diesbezüglich möchte er aber keine
Bindung abg eben, sondern nur unverzüglich Verhandlungen beginnen.
Die Lohnsummensteuer kommt nicht in Frage, weil dies eine Gemeinde-
abgabe ist. Sallinger, der neben mir sitzt, versucht Mussil und Igler
dafür zu gewinnen, dass man vielleicht eine Unterbrechung der Sitzung
verlangen sollte, weil die ursprüngliche Forderung, die Sitzung zu ver-
schieben, um neue Berechnugen anzustellen, von Kreisky und Androsch
abgelehnt wird. Ich frge Androsch, der neben mir sitzt, ob eine Un-
terbrechung einen Sinn hätte, doch er erklärt, er müsste auf die
2,25 % Aufwertung unter allen Umständen bestehen. Ich insistiere
daher auch nicht bei Sallinger , der sich aber letzten Endes auch
nicht bie Mussil und Igler durchsetzt. Kreisky fasst deshalb zusammen,
die Gegensätze seien sehr gross, eine Entscheidung könnte nicht hinaus-
geschoben werden, die Bundesregierung werde deshalb den FM-Vorschlag
akzeptieren. Wenn Österreich in eine Nahverhältnis der EWG durch
das INterims- und Globalabkommen eingetreten ist, müsste es sich
auch jetzt in der Währung EG-konform verhalten. Er weist neuerdigns
darauf hin, dass nach der Dollar-Flut jetzt eine Warenflut kommen,
wird, ich bedauere eigentlich persönlich, dass es nciht gelungen ist,
in dieser wichtigen Frage mit der Handelskammer zu einem Akkord
zu kommen. Ich gebe zu, dass dies sehr schwierig war, weil die Han-
delskammer und insbesondere die Industriellenvereinigung sehr konkrete
Zusagen betreffend der Begleitmassnahmen verlangt hätten. Über
das Ausmass der Aufwertung hätte man sich aber bie gutem WIllen
beideseits einigen können. Eine weitere Versteifung der Lager wird
15-0325
im Hinblick auf diese Entscheidung die Folge sein.
Waldbrunner fragt, ob wir in der Bezirksvorstandssitzung im dritten
Bezirk heute irgendwelche interne Probleme, die die Partei besonders
betreffen, diskutieren. Er selbst möchte nömlich an dieser Vorstands-
sitzung teilnehmen. Waldbrunner, der mehr oder minder jetzt als das
Gewissen der Partei fungiert, ist über die ENtwicklung der letzten
Wochen seit den Wahlniederlagen sehr beunruhigt. Er möchte, dass über
Parteiprobleme in den GRemien, sei es im Wiener Vorstand oder im
Parteivorstand oder Präsidium viel intensiver diskutiert wird.
Waldbrunner führt dann bie der Vorstandssitzung aus, dass er die
Regierung hundertprozentig unterstützt und mit der Arbiet sehr zu-
frieden ist. Doch fürchtet er sich, dass ausschliesslich nur mehr die
Regierung mit ihren Problemen dominiert und kuam mehr die notendige
Zeit bleibt, sei es im Parteivorstand oder im Wiener Ausschuss oder Präsi-
dium, über diese Probleme zu reden. Jacobi sagt mir nachher, dass sie
diese Kritik unverständlich gefunden hat, weil dadurch unsere Vor-
standmitglieder sehr verunsichert werden. In der Diskussion stellt sich
dann heraus, dass die einzelnen Vorstandsmitglieder sehr wohl die
Verwaltung der STadt Wien hart kritisieren, wenn man so wie Adelpoller
der jetzt sehr viel mit der Strassenbahn fährt, das Auto hat er aus Ge-
sundheitsgründen abgegeben, kann immer wieder feststellen, wie die
Bevölkerung auf die Wiener Gemeindeverwaltung schimpft. Dazu trägt auch
natürlich das Benehmen z.B. mancher Schaffner bei. Derzeit gibt es
eine Dienstanweisung, dass die Heizung nur wenn die Temperatur unter
Null Grad sinkt, eingeschaltet werden darf. WEnn sich die Leute er-
kundigen, sagt der Schaffner, ich habe eh schon zwei Briketts nachge-
legt oder ziehen sie sich halt wärmer an. Was natürlich als Frotzelei
aufgefasst wird. Andererseits werden jetzt in den Gemeindebauten
die Fenst ausgehängt, Fassaden abgesclagen und nichts weiter ge-
macht. Im Wildgans-Hof haben die Autofahrer zu parken begonnen,
man hat das jetzt abgestellt und anstelle von Verwarnungen hat man
unmittelbar alle 60 wegen Besitzstörung angeklagt. Seitler beschwert
sich über die Schwierigkeit, die ein Bezirksvorsteher bei den ein-
zelnen Stadträten oder vor allem ganz besonders in der Gemeindever-
waltung hat. Jacobi meint, dass weder er noch Tischler diese Kritik
im Gemeinderatsklub vorgebracht haben. Ich selbst weise zusammen-
fasssend darauf hin, dass durch Überbelastung einzelner Spitzenfunk-
tionäre ein immer schlechteres Klima entstehen muss. Wenn Sallaberger
verlangt hat, dass alle Mandatare zur Basis eine solche gute Beziehung
haben sollen wie ich, dies habe, ich gehe wirklich alle Wochen zur
15-0326
Vorstands- resp. Sektions- oder Bezirksausschussitzung, besuche auch
den Klub der Mandatare im Bezirk, dann meint Sallaberger könnte diese
Entwicklung nicht eintreten. Ich bezweifle dies und weise darauf hin,
dass auch manche kleineren Funktionäre überlastete Spitzenfunktionäre
oft anpöbeln, was nicht unbedingt etwas mit sachlicher Kritik zu tun
haben muss. ANdererseits ist mir vollkommen klar, dass ohne diese Bezie-
hung und Verbindung mit den Funktionären eine Organisation sehr bald
bei Wahlen ein böses Erwachen erleben wird. Seitler meint anschliessend,
er hofft, dass es in Österreich noch nicht zu spät ist, insbesondere
nicht für die Wiener Partei. Ich teile diesen Optimismus nicht. Ich
glaube nämlich und das sage ich auch klar und deutlich, bei der
Vorstandssitzung, dass die grossen ERfolge, die Waldbrunner aufzählt
in Wirklihckeit nur die VOraussetzung sind, damit die Bevölkerung über
die Kleinigkeiten, die sie ärgern, schimpfen und abstellen verlangen
kann. Das wird aber als selbstverständlich hingenommen, die Kleinigkeiten
deren Ursache oft gar nicht bei den Spitzenmandataren liegt, werden aber
natürlich der Partei angekreidet. Hier müsste man einen entsprehcnedne
Weg finden, um die Gemeindeverwaltung bürgerfreundlicher zu erziehen.
Während ich mich heute in meinem Ministerium hauptsächlich wegen
geringer Aktivitäten ärgere, aber feststellen mussund kann, dass
wir kaum Kontakt mit Parteien haben, die letzten Endes bei schlech-
ter ERledigung ihres FAlles auf den Minister schimpfen, ist dies
natürlich in der Gemeindeverwaltung viel stärker der FAll. Dort handelt
es sich in den meisten Fällen um individuelle Entscheidungen, die wenn si
sie nicht so ausgehen, wie der Betreffende dies erwartet, unmittelbar
einen negativen Einfluss auf sein Wahlverhalten und wahrscheinlich
auch auf seine Einstellung zur Gemeindeverwaltung.auslöst. Da die
Stadträte aber alle in Bezirken verankert sind, müsste doch, wenn
es in diesen Bezirken zu diesenDIskussionen kommt, dies letzten Endes
orgendwo eine Reaktion in der Gemeindeverwaltung auch auslösen. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass sie schon so borniert sind, dass
sie sich das vielleicht noch anhören und dann keinerlei Konsequenzen
daraus ziehen. Sollte dies aber der FAll sein, dann fürchte ich,
wird es wirklich im Frühjahr 1974 für Wien ein furchtbares Wahlergebnis
geben.
Tagesprogramm, 13.3.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 63. Ministerratssitzung, 13.3.1973
15_0326_02Nachtrag TO 63. Ministerratssitzung, 13.3.1973
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)
Information für den Herrn BM betr. TOP 12, 12.3.1973
15_0326_06Schreiben Kirchschläger betr. Grenze zu CSSR, 8.3.1973
15_0326_08