Donnerstag, der 1. März 1973

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Donnerstag, 1. März 1973

Präsident Drake von BP begleitet von GenDir Hirnigel, Österr.
Generaldirektor von BP, hat über die weltweite Energiesituation
mit mir reden wollen. Er erklärte, daß in den nächsten Jahren
und vor allem Jahrzehnten eine ungeheure Energielücke kommen würde.
Er sieht die einzige Möglichkeit, daß die großen Nationanen end-
lich zustimmen, daß ein weltweiter Energieplan gemacht wird. Die
internationalen Ölgesellschaften, selbst wenn sie noch so groß und
mächtig sind, können mit den Problemen nicht fertig werden und
erwarten eine Unterstützung der Regierungen. Ich selbst setzte
ihm auseinadner, daß wir in Hinkunft ab 1974 alle Energie im
Handelsministerium konzentriert haben werden und daß dann an
einem entsprechenden Energieplan gearbeitet, de5 allumfassend
sein soll. Derzeit arbeitet Österreich aber im Rahmen der OECD
an denVorschlägen dieser Organisation aktiv mit. MR. Mayer hat
Drake dann während meiner Abwesenheit dann auseinandergesetzt,
daß Österreich sich nicht an einen Block binden könne, da er als
neutraler kleinen Staat versuchen muß, womöglich von verschie-
densten Ländern und Gruppen Zusagen Überlieferungen von Energie-
aber insbesondere Rohöl zu besitzen.

Die Österr.-Chem. Werke, deren Funktionäre ich als deutsche Staats-
bürger auszeichnen konnte, haben mir versichert, daß sie in Neu-
feld eine ganz große Produktion im Hitiag-Gelände aufbauen werden.
Die seinerzeit beschäftigten Hitiag-Arbeiter werden nicht nur dort
Beschäftigung finden, sondern sogar noch zusätzliche Arbeitsplätze,
da insgesamt in dem Endausbau 400 beschäftigt werden. Im Institut
lernte ich den Assistenten von Prof. Walter von Welthandel kennen,
der sich um eine Anstellung im Handelsministerium bemüht. Der Mann
machte einen sehr guten Eindruck auf mich.

Anmerkung für HEINDL
Bitte so bald als möglich Anstellung durchführen.

Direktor Haselbrunner von AEG ersucht, daß sein Vorstandskollege
GenDir Eichl zu seinem 60. Geburtstag eine eingereichte Auszeichnung
bekommen soll, damit ich bei dieser Gelegenheit sie gleich über-


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geben kann. Darüber hinaus hat auch er selbst eine Auszeichnung
laufen.

Anmerkung für HEINDL
Bitte die zeitgerechte Fertigstellung betreiben.

Haselbrunner hat seinerzeit sehr mitgeholfen, daß wir das Netto-
preissystem am Elektrowarensektor einführen konnten. Nun gibt er
selbser zu, daß wir eigentlich derzeit kein wirksames System mehr
haben. Er selbst muß den Händlern immer mehr größere Mengenrabatte
geben. z. B. verlangt Elektro Köck bis zu 18 %, um sich nicht zu
präjudizieren gibt er 14 %, dafür aber für 4 % Propaganda. Vor-
schüsse in Form eines größeren Schillingbeitrages für Propaganda-
zwecke z. B. Inserate, usw. Hier müssen wir ein besseres System
finden, ohne womöglich zu den rohen Bruttopreisen zurückzukehren.
Haselbrunner schwebt vor, daß wir die Handelsspannen begrenzen.
In diesem Fall würde auf den Fabriksabgabepreis eine vorgeschriebene
max. Handelsspanne von 20 oder 25 % automatisch aufgeschlagen werden.
Diese Höchstpreisspannen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen,
da zielführend wären , daß vor allem die Handelskammer einer solchen
Regellng zustimmen würde.

Die unangenehmste Sitzung war eine Besprechung mit den Vertretern
der ÖMV, GenDir Bauer und Meszaros sowie den Austria-Ferngas, den
3 Geschäftsführern und GenDir. Reisinger und Gruber. In Anwesenheit
von MR. Mayer. Ich habe gleich verhältnismäßig offen die Verhand-
lungen eingeleitet in dem ich erklärte, daß die Austro-Ferngas sich
bei mir beschwerte, daß die ÖMV hier in unfairer Weise sie von
Algerien-Gas verdrängen möchte. Diesbezügliche Informationen hat
die AFG von den algerischen Gesprächspartnern aerhalten. Bauer
konterte, daß er gar nichts dagegen hat, wenn die AFG jetzt end-
gültig die 2 Milliarden m3 Gas von den Algeriern jetzt tatsächlich
bekommt. Sollte aber wieder erwarten sie nicht die Möglichkeit
haben, trotzdem sie jetzt dem Konsortium mit Unterstützung der
ÖMV beitreten können, über die 13,5 Milliarden die das Konsortium
hat, noch die 2 Milliarden zu denselben Bedingungen wie das Kon-
sortium bekommen, dann wird die ÖMV mit ihren Partnern, daß,ist


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Snam Ruhrgas, ein nues Konsortium für 10 Milliarden m3 zu gründen.
Geschäftsführer Schmidt von der AFG bestritt, daß die ÖMV sie
tatkräftigst untertützt hätte, denn das Konsortium hat bereits
am 13. Feber schon beschlossen AFG aufzunehmen, während am 19. 2.
Bauer in Paris von der Gas de France die Zusage erhielt, man werde
jetzt endlich den österreichischen Wunsch erfüllen und AFG ins
Konsortium aufnehmen. Gruber war am meisten empört und hat sich
durch etliche Hinweise, daß wenn sie jetzt nicht die 2 Milliarden
von Algerien bekommen oder zu wesentlich schlechteren Bedingungen
die ÖMV und ihre Verhandlung daran schuld sei, Luft gemacht. Die
ÖMV hat in meinem Zimmer, wie er erklärte, ausdrücklich ihr Des-
interesse am Algeriengas mitgeteilt und deshalb ist Gruber jetzt
sehr verwundet, daß sie trotz dieser offiziellen Erklärung nun
sich um Algeriengas bemühen. Bauer meinte, daß sie nur an den Ver-
trag, wie ihn das Konsortium abgeschlossen hat, nämlich mit einer
2%igen Gleitklausel besonderen Anstoß genommen haben und wenn das
neue Konsortium zu Stande kommt, die nur eine Gleitklausel l in Form
von Bindung des Gaspreises schwefelfreien Heizölpreis zu-gestehen
würden. Bauer verwies diesbezüglich auf die Pariser Abmachungen
zwischen Ruhrgas, Gas de France und Snam – ÖMV. Hier konterte die
AFG und erklärte, dieses neue Transporteurkonsortium ja keinerlei
Gas derzeit hat. Außer Frankreich, welches das sowjetische 2,5
Milliardengas abtaucschen will, sind alle ddavon abhänig, daß das
Algeriengas dann für die neue Leitung Monfalcone aber auch Vossiomär
zur Verfügung gestellt wird. Die Ruhrgas hat deshalb an ihren Süd-
gas entsprechende Angebote gemacht. Dort wird davon gesprochen,
daß Vorauslieferungen nach Können und Vermögen durchgeführt werden
sollen. Für mich ergab sich die zwar unangenehme aber sehrinteressante
Situation, daß die ÖMV mit ihren Partnern Ruhrgas zwar einen
Transportvertrag und Sweatchvertrag mit Gas abgeschlossen hat, daß
andererseits aber Ruhrgas an Südgas ein sehr konkretes Transportab-
kommenangebot gemacht hat. Südgas wieder als Konsortiummitglied für
die Algeriengasmenge 13,5 Milliarden hat scheinbar sofort die Austro-
Ferngas informiert. Die beiden Gegner, sowohl in der Bundesrepublik
Deutschland als auch in Österreich, haben eben verschiedene Verbin-
dungen und Absichten, die scheinbar über manche nationale Gesell-

schaften von anderen Ländern ausgetragen werden. Bei dieser Aus-


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einandersetzung hat meiner Meinung nach nur das österreichische
Ansehen als Gesamtstaat und Erdgasbezieher zu leiden. Die ÖMV
versucht natürlich mit allen Mitteln als einziger Importeur in
Erscheinung zu. Zweifelsohne hat seinerzeit die ÖMV ihr Desinter-
esse zu früh an den Tag gelegt und daher die AFG in der Hoffnung
gewiegt, daß sie wirklich der einzige auftretende Interessent für
Algeriengas ist. In der Zwischenzeit hat sich die Situation für die
ÖMV gewandelt und Bauer versucht nun mit allen Mitteln sich in das
Geschäft einzuschalten. Zu diesem Zweck machte er zum Schluß einen
sehr geschickten Vorschlag, nämlich, daß wenn die AFG so großes
Mißtrauen hat, daß die ÖMV ihre Bestrebungen in Algerien habeliert,
dann soll man die ÖMV gleich g jetzt zu den Verhandlungen mitnehmen.
d.h. das Algeriengas gemeinsam erstehen. Hier wehrten sich aber
alle beteiligten Partner der AFG und Bauer mußte zum Schluß diesen
Vorschlg wieder zurückziehen. Bauer wies darauf hin, daß die ÖMV
serh wohl jetzt mit der Sowjetunion Verhandlungen führt und positiv
abschließen hofft, daß 75 Mio. m3 zum derzeitigen Preis von der
Sowjetunion nachgeliefert werden und weitere 75 Mio. und 50 Mio.
im Sommer Gas noch zur Verfüng stehen werden. Diese Gasmengen
müssen aber gespeichert werden und derzeit soll zwischen den ÖMV-
Vertretern und der einzelnen Landesgesellschaft Verhandlungen
über die Speicherkosten längst abgeschlossen sein. Die AFG be-
hauptet nun, daß die ÖMV viel zu spät und immer erst auf ihr
Drängen notwendige zusätzliche Gasmengen von der Sowjetunion und
anderen Stellen verlangt. Gruber erklärte, daß bereits im mArz
1970 die AFG höhere Mengen aus der Sowjetunion forderte. Im Oktober
1970 hat sie diesen Wunsch neuerdings der ÖMV mitgeteilt. Im
Mai 1971 ist es dann in Moskau zu Verhandlungen gekommen und die
ÖMV hat dort eine max. Menge von 1,5 Milliarden zusätzlicher Lie-
ferung vkrgeschlagen, die erst auf Drängen der AFG auf 3 Mi lliarden
erhöht wurde, da ein 10 Jahres-Programm bereits gezeigt, hat, daß
die Länder sehr wohl mindestens + 3 Milliarden m3 bräcuhten. Insbe-
sondere hat die steirische Ferngas erklärt, daß sie mit ihren 450 Mio
nicht mehr das Auslangen findet. Gruber war dann sehr empört als er
erfuhr, daß von den zusätzlichen Mengen, die die Sowjetunion be-
reit ist jetzt zu liefern, die Kärntner mit einer gewissen Menge
beteilt werden sollen. Er meinte, daß sort neue Investitionen ge-


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tätigt werden, um Erdgas zur Verfügung zu stellen, während die
bereits eingerichteten und fertigen Leitungen in Niederösterreich
nicht genutzt werden können, weil keine zusätzlichen Gasmengen
zur Verfügung stehen. Nach stundenlanger Debatte habe ich dann zu-
sammengefaßt, daß 1. keine Pressepolemik zwischen den beiden Gruppen
erfahct werden soll und 2. MR. Mayer den Brief an die algerische
Regierung noch im Einzelnen mit den Vertretern der ÖMV und Austro-
Ferngas gbesprechen wird. Den Briefentwurf, wie ihn Austro-Ferngas
mit übermittelt hat, habe ich vorgelesen, aber erklärt, daß ich
ihm keinesfalls so abfassen würde. Der Briefentwurf ist wie ein
Geschäftsfreund zu einem anderen diesen auffordert, mit ihm in
Geschäftsverbindung zu treten. Als Minister muß ich aber auf alle
Fälle auf einer höheren Ebene die österreichischen Interessen wwahren
und kann nicht allein in einem Brief 4x Austro Ferngas nennen.
MR. Mayer hat sofort hier eingesetzt und erklärt, daß er bereits
Schwierigkeig n hatten, die ersten Briefe an die Konsortialmit-
glieder einvernehmlich zwischen Austro-Ferngas und ÖMV abzusprechen-
Er erklärte, daß er von mir den Auftrag hatte unbedingt eine einver-
nehmliche Fassung zustande zu bringen. Dies gilt auch für das neue
Schreiben, wie ich ihn soforot unterstützte. Die Austro-Ferngas
wird sich bemühen, bis 31. März den Vertrag mit Algerien abzu-
schließen. Sollte dies nicht gelingen, werden wir unverzüglich so-
fort eine neue Sitzung dann einberufen.

Im Klub der österr. Kaufleute, wo LPräs. LAbg. Ebert, der Machtschek
ist, wie wir im Wienerischen sagen würden, hätte ich das 2. Mal Ge-
legenheit die Regierungspolitik und insbesondere die des Handels-
ministeriums zu vertreten. Es war mit ein leichtes und wie Jodlbauer
und der Handelsvertreter des Freien Wirtschaftsverbandes in den
Gremien Bradl versicherte, ein wahres Vergnügend wie ich mit den
Angriffen der Einzelnen fertig wurde. Hier kam mir insbesondere
meine Erklärung, daß die Kaufleute größtenteils bis jetzt zumindestens
Disziplin gehalten haben, bei der Einführung der Mehrwertsteuer sehr
zu gute. Darüber hinaus konnte ich natürlich in jeden einzelnen Fall,
der als Kritik vorgetragen wurde, nachweisen, daß wir dieses Pro-
blem zumindestens d schon in Agnriff genommen haben. Da die Handels-
kammer aber auch keine entsprechende Lösung für die Frage bereitä
hat, war es natürlich für Ebert und die ÖVP-Keute sehr schwer, gegen


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mich zu argumentieren. Schließlich und endlich bemerkte Jodlbauer
in einem Zwisfhnruf wäre es ja Aufgabe der Handelskammer, die
Koordinierung in all diesen Fragen, nämlich z. B. Rabattgewährung
durch die Industrie an Diskonter durchzuführen. Da ich alle Maß-
nahmen die ich bis jetzt getorffen habe, im Einvernehmen mit der
Handelskammer, oder wie ich mich ausdrückte, auf Sozialpartnerebene
durchgeführt habe, bestand natürlich auch kaum eine größere Angriffs-
möglichkeit für die ÖVPler hier bewährt sich meine bisherige Taktik
auf Sozialpartnerebene, denn auch langwierig verhandelt, doch zu einem
gemeinsamen Lösungsvorschlag für die einzelnen Probleme zu kommen.
Da die Wirtschaftstreibenden sehr wohl eine gemeinsam Basis schon alle
allein wegen des sozialen Friedens bevorzugen, kann ich als, wie
ich immer sage, Raab-Böhm-Schüler versuchen, diese Tradition fort-
zusetzen. Wenn ich dann die Presse angreift, daß dies nichts anderes
wie ein Abklatsch der großen Koalititon sei, ist dies für mich
niczt eine Kritik wie der Schreiber wahrscheinlich gemeint hat,
sondern eine Auszeichnung. Unter solchen Pretex habe ich naütrlich
bei Diskussionen ein verhältnismäßig leichtes Leben. Insbesondere
bei politischen Gegnern.

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Tagesprogramm, 1.3.1973

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




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