Dienstag, der 30. Jänner 1973

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Dienstag, 30. Jänner 1973

Die Tagesordnung im Ministerrat wurde noch durch die Berichte
von Finanzminister Androsch über die Präsidentenbestellung
von Dr. Kloss – OeNB – Vizepräsident Rasser ergänzt. Der Antrag
musste deshalb so schnell gestellt werden, weil der Bundesprä-
sident die Bestellung auf Vorschlag der Regierung vorzunehmen
hat. Mit der Präsidentschaftskanzlei musste deshalb unverzüglich
Verhandlung aufgenommen werden, damit er noch rechtzeitig ausfer-
tigt und am 1. Feber die nue Besetzung in Kraft treten kann. Kreis-
ky
fragte auch Weihs, wie weit die Revision der Agrargesetze
die in der Parteienvereinbarung erklärt wurde, dass sie in
März durchgeführt werden soll, gediehen ist. Weihs erwiderte, dass
er die entsprechenden Vorarbeiten eingeleitet hat. Kreisky erwartet
sich eine Totalrevision, Weihs wird sicherlich nur kleine Korrek-
turen vornehmen.

In der Plenarsitzung der österr.-sowj. Gemischten Kommission habe ich e
einleiten nur ganz kurz darauf verwiesen, dass die drei bedeutenden
Verträge immer in Wien unterzeichnet wurden und dies zeigt, dass
Wien als Tagungsort und Österreich von der SU doch serh geschätzt
wird. Patolitschew verwies insbesondere auf die Zehn-Jahresabkommen
und meinte, dass sie auch für Österreich von grosser BEdetugung
seien. Es ist das dirtte Akommen, das französische hat er mit Gis-
gard d'Estaing
und das finnische mit Aussenminister Karjalainen
ratifiziert. Er erwähnte dann die Zusammenarbeit mit der VÖEST,
Korneuburg und VOITH. Bei Voith sei der BEweis, dass keine
Diskriminierung der SU gibt, den in ein Zellulose-Papier-Kombinat,
welches die Finne proejktiert und die Arbeitskräfte beistellen
hat sich die österr. Firma Voith mit der Papiermaschine durchge-
setzt. Mayer-Gunthof, ein alter Freund der Russen, hätte die ge-
schäftlichen Beziehungen vertieft, obwohl sie nicht immer gleich-
laufend gewesen sind. Erdgas gibt die Grundlage der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit und 1972 wird die Leitung durch die CSSR weitere Ex-
porte nach dem Westen ermöglichen. Sallinger hat in seinem Statement
insbesodere auf die neuen österreichischen Firmen, die in Zusammen-
arbeit mit dem Staatskomitee für Wissenschaft und Technik noch nicht
imemr Niederschlag in demWarenaustausch gefunden haben, hingewiesen.
Die sowj. Handelskammer und die österr. Handelskammer hätten des-


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halb Kontaktkomitee vereinbart. Nach dieser Erkärung fragte ich
Sallinger, was ihnveranlasst, das Staatskomitee für Wissenschaft
und Technik, das unter Führung von Gwischiani steht, besonders
zu erwähnen, nachdem man weiss, dass zwischen dem Aussenhandels-
ministerium un diesem Staatskomitee doch gewisse Spannungen be-
stehen. Sallinger kontaktierte sofort Gleissner, der meinte, sie
hätten deshalb ja auch ausgeführt, dass eben der Warenaustausch
noch unbefriedigt sei, trotz dieser Zusammenarbeit. Eine sehr
verklausulierte Erklärung, die sicherlich Patolitschew nicht so
verstand. Hrdlitschka verwies darauf, dass die weiter wirtschaft-
liche ENtwicklung von den Arbeitnehmern sehr begrüsst wird und da-
mit auch das Zehnjahresabkommen. Nach diesen Erklärungen musste
die Sitzung unterbrochen werden, weil um 12 Uhr ein Empfang auf
der russischen Botschaft war. In derFrüh hatte ich sofort die ÖMV
Bauer und Feichtinger von unserer gestrigen Aussprache mit Patoli-
tschew
wegen der Gaslieferungen infirmiert. Bauer meinte, er müsste
nun doch auf das algerische Gas zurückgreifen, auch dann, wenn die
Deutschen und italienischen Freunde erklären, dass dies zu teuer ist
und 2 Prozent jährliche Preissteigeurn-g als Gleitung zuIRrsinns-
preisen führen könnte. Bei demEmpfang ersuchte mich Bauer, dass
ich von Patolitschew die Genhmigung erwirkte, dass Lewit, sein sowj.
Gegenpart, mit ihm BEsprechungen führen kann, damit er ihm noch ein-
mal die österr. Situation klar und deutlich auseinandersetzt. Pato-
litschew
war damit einverstanden, fragte, ob ich Bauer über unsere
gestrige Aussprache informiert habe, was ich sofort bejahte und mein
dann gegen Bauer und mir ganz vertraulich, dass das Zentralkomitee
und die Regierung beschlossen hat, dass Österr. Problem zu behandeln
Es hiesse aber, zuviel auf seine Person nehmen, wenn er jetzt schon
ein positives Ergebnis versprechen würde. Er glaubt allerdings
dass Österreich bei der BEschlussfassung berücksichtig wird. Bauer
erklärte mir anschliessend, er wird jetzt Lewit auf alle Fälle
über die algerischen Gasverhandlungen Informationen geben. Bei der
Sitzung hat er dann sogar hingewiesen, dass wenn Österreich nicht die
3 Mia m3 bekommt, die Gefahr besteht, dass dann er sich nach anderen
Quellen umsehen muss, die für die SU und auch für die ÖMV und deren
Politik nicht gerade sehr zielführend wären. Bauer berichtete auch
dass 12 Mia m3 durch die Transalpine Gasleitung gehen kann, sie
im Mai 1974 in Betriebgeht undwenn die ÖMV nicht diese zusätzlichen
Gasmengen bekommt, 50 Mill. S Kostenpro Jahr erwachsen. Lewit repli-
zierte, dass man 1969 und 1970 freie Gasmengen Österreich angeboten
hat und diese nicht abgenommen wurden. Später hätte man diese Mengen


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anderen LÄnder zu einme höheren Preis verkauft als Österreich seine
ersten 1,5 Mia m3 bekommen hat. Bezüglich des Wunsches, mit einer
Ölleitung von Bratislava an Druschba nach Schwechat könnten jetzt
sofort Verhandlungen beginnen. Die ÖMV hat nämlich wie Bauer erklärte
für 1973, 1974 und 1975 jeweils eine Million Tonnen Öl fix geschlossen

Beim Empfang ist Reiterer dann zum Aussenminister Kirchschläger und
mir gekommen, um noch Forderungen anzumelden, wenn er jetzt nach Brüssel
geht. Kirchschläger hat, als er erfuhr, dass Reiterer jetzt mit sei-
ner Frau den Amtssitz besichtigen wird, gemeint, da hätte er seiner-
seits nicht zugestimmt. Reiterer erklärte dann allerdings, dass auf
seine Kosten seine Frau mitfährt und er selbst ja zur Gemischten
Kommission fährt. Forerungen, die er noch gegenüber dem Aussenmin-
isterium geltend machen wird, hat Kirchschläger so beantwortet,
dass sie keinen Richter brauchen werden, ich selbst habe keinerlei
Zusagen gemachtund nicht einmal mich zu Wünsche, die ich gar
nicht kenne, geäussert.

Dr. Enzmann von der SGP ersuchte mich, dass wir in Kolumbien unseren
Botschafter Grubmayr beauftragen, wegen der Kooperation SU-SGP
Errichtung eines 10 Megawatt Kraftwerkes zu intervenieren. Grubmayr
hat es bis jetzt abgelehnt und Kirchschläger hat auf Grund unserer
Rücksprache dann zugestimmt, dass eine diesbezügliche Weisung an
Grubmayr gehen sollte. Wenn Grubmayr dann noch immer BEdenken
hat, dass Österreich als sowj. Satelit in Südamerika erscheinen könnte
dann müsste er neuerdings anher berichten. Bei der Nachmittagssitzung
hat Rodnow die Arbeitsgruppe Maschinen und Ausrüstungen von dieser
Kooperation Mitteilung gemacht. Wenn auch unsere Intervention keinen
ERfolg in Kolumbien haben sollte, die SU kauft immerhin für ihren
Anteil Kaffee, dann ist zumindestens unsereseits bewiesen, dass wir
alles daran setzen, auch in dritten Ländern mit der SU gemeinsam
Absatzmöglichkeiten zu suchen. Der riesig lange BEricht von Rodnow
– 7 Seiten – ergämzte Zembsch, dass man übereingekommen ist, auf
Drittländern, d.h. insbesondere dem Nahen Osten, sowjetischerseits
undund österreichischerseits gemeinsam aufzutreten. Zu diesem Zweck
sollen vom Staatskomitee für aussenökonomiche Bezieheungen in die
Arbeitsgruppe ein Mann zugezogen werden. Die anderenBErichte der
Kommission waren saufad. Nur Gendirektor Koller bemerkte noch, dass
die VÖEST grösstes INteresses daran hat an der Peletierungsanlage
zwischen Finnland, Sowjetunion und Österreich mitzuwirken. Koller
hat dann beim EMpfang versucht, Patolitschew dafür zu gewinnen, dass


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er eine positive Äusserung zu denAnstrengungen macht. Die VÖEST hätte
am liebten, um die deutsche Firma LURGE ausschliesslich für sie zu
gewinnen, eine diesbezpliche ERklärung von Seiten der Sowjets
gerne gehabt. In diesem Fall wären die Engländer von vornherein als Kon-
kurrenten ausgeschieden. In der Nchmittagssitzung schlug ich deshalb
Koller vor, er sollte eine Notiz verfassen, gleichzeitig ins Russische
überssetzen lassen und ich würde im Anschluss an die Sitzung dann Pato-
litschew
diese NOtiz geben und womöglich seine Zustimmung dazu be-
kommen.

Die wichtige Frage der Auswirkung des EG-Vertrages auf den österr.-sowj.
Handel wurde aus der grossenSitzugn ausgeklammert. Patolitschew hat vor
Eingang in die Tagesordnung in meinem ZImme ausdrücklich ersucht und
meine Zustimmung von vornherein angenommen, dass wir dies in einem
kleineren Kreis erörtern. Gleissner selbst hat vorher schon mit er-
klärt, dass die Handelskammer die Formulierung, wie sie jetzt im Pro-
tokoll steht, nicht akzeptieren kann. Spät abends hat dann Sallinger
noch einmal angerufen und erklärt, dass wir alles daransetzen sollen,
um eine andere bessere Formulierung herauszuschinden. Der HInweis
von Fälbl, dass Montag vormittags bei derletzten interministeriellen
Sitzung ein solcher konkreter Wunsch von Seiten der Handelskammer
nicht geäussert wurde, kann von Gleissner nicht bestritten werden,
er meinte nur, sie hätten auch nicht ausdrücklich zugestimmt. Ich
habe Sallinger mitgeteilt, dass ich die Absicht hege, nach Ende der
Diskussion zu versuchen, eine Formulierung über diesen Punktneu zu
fassen und bei den Sowjets durchzusetezn. Ob es mir gelingt, wird
ganz davon abhängen, wie die BEsprechungen über diesen Punkt laufen.

Direktor Egger von Vorwärts teilt mir mit, dass sich im Papierpreis
Rotopapier die Situation geändert hat. Er war jetzt in der BRD nd
musste feststellen, dass dort das Rotopapier um 8 – 10 % gestiegen
ist. Dies bedeutet, dass die österr. Zeitungsherausgeber mit 35 –
40 Mill. S belastet werden. Seinerzeit, as die Papierpreise sehr
stark gesunken sind, haben sie 12 S gutgeschrieben, denn der Preis
wurde nicht so wesentlich gesenkt als nach Auffassung der Zeitungsheraus-
geber dies möglich gewesen wäre. Jetzt ist der Preis mit 330 S sehr
umstritten, die Papierindustrie verlangt 422.- Da der Vertrag zwischen
der Papierindustrie und den Zeitungsherazsgebern bis 1975 lauft, habe
ich mich bereiterklärt, wenn beide Teile es wünschen, mcih als Schieds-
richter wieder einzuschalten. Als die Papierpreise allerdings gefallen
sind, haben die Verleger allerdings eine Senkung verlangt und eine schi


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schiedsrichterliche Funktion meinerseits abgelehnt. ICh habe
Egger angeduetet, dass dies jetzt ohne weiteres von der anderen
Seite auch so gehandhabt werden kann. Trotzdem bin ich aber bereit,
mich – wenn es gewünscht wird – zur VErfügung zu stellen. Egger wird
dem Zeitungsherausgeberverband berichten.

Bei dem Klub der Mandatare im 3. Bezirk musste ich abends feststellen
das Genossinnen und Genossen, deren Kinder in die Mittelschule
gehen, über die VSM-Aktionen empört sind. Da in Flugblättern auch
Kreisky angegriffen wird, weil er Nixon gelobt hat ud nicht sich
für Vietnam-Demonstrationen hergibt, meinten viele, man sollte
endlich mit dem VSM schluss machen. Ich habe mich sofort gegen eine
solche Politik ausgesprochen, denn wenn wir wirklich den Fehler
machen und Organisationen ausschliessen, dann kann es nur zu Ent-
wicklungen wie in der BRD kommen. Da ich aus dem Handgelenk ein
halbes Dutzend von Funktionären aus dem VSM und VSSTÖ aufzählen
konnte, die früher ebenfalls wie Hund und KAtzen in dieser Organi-
sation waren und die sich immer gegen die Parteilinie ausgespro-
chen heben, jetzt aber führende Männer der Partei sind, glaube ich
den BEweis erbracht zu haben, für unsere Genossen, dass jedwede Radi-
kallösung nur schlecht sein kann. Die grösste Angst, die ich immer
wirklich habe, nachdem ich slbst einmal Obmann des VSSTÖ – gleich
1945 für ganz kurze Zeit – gewesen bin, ist, dass man eben zu
wenig Geduld aufbringt, mit diesen jungen Intellektuellen und dann
Besclüsse fasst, die letzten Endes der Partei auf lange Sicht gesehen
mehr schaden als sie emotionell jetzt vielleicht befriedigen und
scheinbar nützen.

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Tagesprogramm, 30.1.1973

14_0114_01

Tagesordnung 57. Ministerratssitzung, 30.1.1973

14_0114_02
Tätigkeit: AK, ÖIAG
GND ID: 128336552


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Dir. Simmering Graz Pauker


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖMV
      GND ID: 132912112


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD ÖMV


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: MR HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Minister; berichtet bei der Gem. Komm. in der SU 1971 über Entwicklung von Erdgaslieferungen und Rohren; 28.10.1971 in Österreich zu Verhandlungen über diese Themen]


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: finn. Außenminister u. Ministerpräs.


                  Einträge mit Erwähnung:


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Vorwärts-Verlag, Vizepräs. Zeitungsherausgeberverband


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                          Einträge mit Erwähnung:


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: frz. Staatspräs.


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: GD VÖEST


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Außenhandel BWK


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Amt?; Angabe und Initialen lt. Jb. öst. Wirtschaft 1969; 1971 bei Gem. Komm. in der SU]


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Beamter HM


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                        GND ID: 130620351


                                        Einträge mit Erwähnung:


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: öst. Botschafter in Bagdad


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                GND ID: 118723189


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Raiffeisen-Generalanwalt


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                                                    Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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