Dienstag, der 16. Jänner 1973

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Dienstag, 16. Jänner 1973

In der Fraktionsvorbesprechung im Klub wegen des Unterausschusses
zur Gewerbeordnung hat bereits der ÖVP-Abgeordneten und Vorsitzende
des Unterausschusses Staudinger dem Sprecher der Sozialisten Müller
mitgeteilt, dass sie nur eine Generaldebatte über die Gewerbeordnung
wünschen. Die ÖVP ist noch nicht so weit und wird 60 Abänderungsan-
träge vorlegen. Ausserdem wünscht sie Experten von der Handelskammer,
Landwirtschaftskammer aber auch vom ÖAAB zuzuziehen. Ich schlug des-
halb vor, dass man selbstverständlich dann – wenn Experten von der
ÖVP-Seite kommen – auch vier Experten von unserer Seite beziehen
sollte, 1 Gewerkschaftsbund, 1 Arbeiterkammer, 1 FWV und Hobl
schlug vor den Städtebund, einzuladen. Wie mir Seibert der Wirt-
schaftsreferent des Klubs dann mitteilte, hat Gratz gemeint, es
wäre nicht notwendig, dass die SPÖ-Seite so viele Experten schickt
nachdem sowieso das Ministerium resp. der Minister unsererseits
anwesend ist Ich glaube aber, dass es zielführender ist, wenn
man der ÖVP genau dieselbe Anzahl von Experten unserer Interessens-
vertretungen gegenüberstellt, nicht aus sachlichen Gründen sondern
allein schon aus politisch-optischen Gründen. Es bleibt natürlich
nach wie vor dem Klub überlassen, ob er all die Genossen unsererseits
einladen will. Sachlich brauchen wir sie sicherlich nicht.

Im Ministerrat ersuchte ich Kreisky die Tagesordnung als erstes
vorzunehmen, damit ich so schnell wie möglich zum Unterausschuss-
sitzung, die gleichzeitig mit dem Ministerrat einberufen wurde.
komme. Interessant war, dass das erste Mal bei Personalangelegen-
heiten keine Anträge eingelangt sind. Weihs berichtet nur, dass
er zur Grünen Woche nach Berlin fährt und ich ihn vertrete und
Häuser, dass das Hörsching Flugunglück jetzt schnell erledigt wird,
nachdem der Absturz als Dienstunfall erledigt wird. Veselsky glaubte
über Aichfeld berichten zu müssen, dass die steirische Landesre-
gierung beschlossen hat, 750 Wohneinheiten den 10 %-igen Annuitäten-
zuschuss und die Haftung zu gewähren. Kreisky meinte, es hat lange
genug gedauert, bis diese selbstverständliche Angelegenheit, die
eigentlich ein Verwaltungsakt ist und gar nicht in den Ministerrat
gehört, von der steirischen Landesregierung endlich erfüllt wurde.
Veselsky hat sich so gefreut, dass er endlich einen positiven Bericht
bringen kann. Kirchschläger bemerkt mir gegenüber, wenn er irgend-
welche Ergebnisse referiert, bedeutet das immer, dass Kreisky auf
alle Fälle etwas negatives daran findet. Er hätte diesen Job schon


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schon längst aufgegeben. Nebenbei bemerkt nicht nur er sondern
auch ich.

Im Unterausschuss haben sie erst wegen der Beiziehung von Experten
und der nächsten Termine diskutiert und Staudinger meinte, er wollte
mir auf alle Fälle in der sachlichen Generaldebatte das Wort
geben, damit ich eine grundsätzliche Erklärung abgeben könnte.
Ich wies nur auf die Entstehungsgeschichte des Entwurfes hin, dass
die seinerzeit liberale Gewerbeordnung bis zum Untersagungsgesetz
1933 immer mehr einschränkende Bestimmungen aufnahm und erst in der
zweiten Republik dann eine gewisse Lockerung eingetreten ist. Jetzt
dagegen wollen wir eine zukunftsweisende liberale Gewerbeordnung
schaffen und diese soll dann die "Magna Charta" wie Mussil immer
sagte, des Gewerbes sein. Ich danke vor allem nochmals allen Be-
amten, ganz besonders und hoffte auf eine gute Zusammenarbeit.
Nachdem die Interessensvertretung ja auch sich weitestgehend auf den
Entwurf sich geeinigt hatten. Alle Vertreter der Parteien versicherten
dass sie an einer raschen Erledigung interessiert sind und vor allem
die FPÖ erklärte, dass noch viel zu wenig liberaler Geist in der
Gewerbeordnung verankert ist, verwies allerdings auch auf die Laden-
schlussregelung, die man nicht vergessen dürfe. Zittmayr, aber auch
der Vorsitzende Staudinger wiesen auf die Pakettheorie hin, d.h.
dass mit dieser Gewerbeordnung auch auf alle Fälle das Genossenschafts-
gesetz und die steuerlichen Gesetze novelliert gehören. Insbesondere
bei den Steuergesetzen müsste eine Gleichschaltung zwischen Genossen-
schaften und Handel eintreten. Die landw. Genossenschaften möchten gern
ein Wahlsystem zwischen der Warenrückvergütung und dem möglichen
gespalteten Körperschaftssteuerschaft der Organschaft und des Schach-
telprivilegs. Die Konsumgenossenschaften und die gewerbl. Genossen-
schaften haben sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie eine
solche Lösung überhaupt wollen. Betreffend die Novelle zum
Genossenschaftsgesetz konnte ich ihnen versichern, nachdem ich in
Dürnstein neuerdings mit Broda geredet habe, dass das Justizministerium
sehr wohl bereit ist, gleichzeitig mit Inkrafttreten der neuen
Gewerbeordnung eine Genossenschaftsnovelle zu beschliessen. Die
steuerlichen Auswirkungen , hat Mussil selbst zugegeben , muss man
erst überprüfen, da 1973 keine Belastung des Bundes durch eine solche
Regelung des Bundes erfolgen dürfe. Die nächste Unterausschuss-Sitzung
wurde für 8. und 9. Feber einberufen und die ÖVP wird 8 Tage vorher
ihre Abänderungsanträge den anderen Klubs zur Verfügung stellen. Wenn


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in Hinkunft die Tätigkeiten so langfristig sein werden, kann
ich mir nicht vorstellen, wie wir 1973 mit der Gew.O fertig werden.
Ich bin totfroh, dass ich die Politik bereits 1970 so angelegt
habe, dass ich so wenig wie möglich gesetzliche Neuregelungen schaf-
fen möchte und werde, denn das Parlament ist meiner Meinung nach
hoffnungslos überlastet und jede Rechtsreform bedingt eine riesige
umständliche Prozedur im Nationalrat. Da versuche ich lieber mit den
jetzigen Gesetzen auszukommen. Ich bedaure es jetzt schon, dass ich
mich seinerzeit von Kreisky hab zu einem neuen Berggesetz, das
unbedingt in seiner ersten Wut über die mangelnden Landschaftsschutz
und Fremdenverkehrsberücksichtigung von mir verlangte und ich dann
mehr oder minder nachgegeben habe.

Im Integrationsausschuss wurden 2 EFTA- und 1 FINEFTA-Vertrag, was
die Abstimmungsform betrifft durch den Austritt Grossbritanniens
und Dänemarks geändert. Darüberhinaus lagen zwei Berichte von
Mitte des Vorjahres zur endgültigen Abstimmung vor. Diese Integra-
tionsberichte sind hoffnungslos veraltet gewesen und im Klub wurde
noch fraktionell überlegt, ob man sie nicht weiter stehen lassen
soll, um gegebenenfalls neue Sitzungen des Integrationsausschusses
einberufen zu können. Lanc hat aber meiner Meinung nach richtig
dann vorgeschlagen, wir sollten diese Berichte jetzt von der Tages-
ordnung wegbringen, damit wird dann es von uns allein abhängen,
ob wir durch Vorlage von neuen Berichten dem Integrationsausschuss
die Möglichkeit geben, wieder über Integrationsfragen zu diskutieren.
Mir selbst ist diese taktische Überlegung vollkommen gleich. Die
Interessensvertretungen sind, wie ich auch dem Integrationsausschuss
dann berichtet, eingeschaltet, bei den weiteren Verhandlungen in der
Gemischten Kommission und wenn es gewünscht wird, bin ich gerne
bereit einen Bericht dem Nationalrat zuzuleiten und um den Integra-
tionsausschuss wieder einberufen zu können. In der Debatte meldete
sich als erstes Lanner und nachdem Weihs und ich sofort darauf antworteten
meinte er, dass ihm diese Art der Diskussion viel besser gefällt
als die bisherige, wo alle Redner sich zu Wort meldeten und dann der
Minister zum Schluss eine Antwort auf die Fragen gab und dann viel-
leicht in dem einen oder andren Fall noch eine zweite Runde
startete. Ich konnte mir nicht verkneifen, das ich der ÖVP gleich
bei den ersten Gelegenheiten vorgeschlagen habe, ein solches System
einzuführen, dass dies aber von seinen Fraktionskollegen ganz ent-
schieden abgelehnt wurde. Darüber hinaus wurde ich dann noch attackiert


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weil ich mir einmal zwischendurch das Wort genommen habe und dann
wurde von der ÖVP erklärt, dass dies noch niemals ein Minister ge-
macht hat. Die Abgeordneten betrachten es zumindestens in der Budget-
debatte als ihr Privileg, dass sie zuerst ihre Diskussionsbeiträge
sagen und dann zum Schluss eben der Minister auf die aufgeworfenen
Fragen antwortet. Wie dumm die Opposition mit dieser Entscheidung be-
raten war, geht daraus hervor, dass natürlich Lanner sofort erkennt,
dass ein Minister es viel schwieriger hat auf jede Frage sofort zu
replizieren, denn dann muss er die Materie beherrschen und kann nicht
zum Schluss wenn Dutzende Fragen vorliegen, die eine, die er nicht be-
antworten kann oder will, ganz einfach übergehen und dafür andere,
die für ihn interessant sind oder wo er Detailwissen hat, dann aus-
schmücken. Gut war auch, dass Wanke seinerzeit verlangt hat, dass
über alle Aktivitäten in Brüssel die Mission Bericht erstatten muss.
Dadurch war ich über die Vorsprache von Präs. Lehner mit der Land-
wirtschaftsdelegation genauest informiert und habe natürlich bei
passender Gelegenheit Lanner die Ergebnisse, resp. eben die Nicht-Er-
gebnisse ihrer Vorsprache mit dem Hinweis, man muss doch auch die
anderen Mitglieder des Integrationsausschusses über das Ergebnis in-
formieren, ein bisschen in Verlegenheit gebracht. Lanner machte
nämlich, ohne dass ich es hören sollte, eine Bemerkung, das habe
ich mir gedacht, dass dies von Staribacher kommen wird.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte für die Nationalratssitzung noch einmal
den Bericht verlangen, damit ich ihn mir mit-
nehmen kann.

Lanner hat auch glaube ich einge-
sehen - zumindestens nachher hat er gemeint, man kann natürlich auch
eine solche Taktik einschlagen, dass wir für Whisky nicht sofort
einen Zoll eingehoben haben, sondern bis zum Abschluss von konstruk-
tiven Verhandlungen zuwarten wollen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte für Whisky, Milchpulver-Export und vor allem
Papierexport vor allem die endgültigen Ziffern,
wieviel wir eingeführt, wieviel wir exportieren wol-
len, was die Abschöpfungsbeträge betrifft, wieviel
das Nullkontingent ist und wie die 68 – 71-Export-
ziffern bei Papier liegen, eine zusammenfassende
Darstellung verlangen. Ich habe Reiterer bei der
Sitzung gefragt und er hat nur sehr unzulänglich Aus-
künfte mir geben können. Gott sei Dank ist keinem
Abgeordneten eingefallen, von mir eine detaillierte
ziffernmässige Darstellung zu verlangen.

14_0037_01

Tagesprogramm, 16.1.1973

14_0041_01

Tagesordnung 55. Ministerratssitzung, 16.1.1973

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Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      GND ID: 120934426


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          Tätigkeit: Präs. LWK


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              Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                Tätigkeit: Justizminister


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                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                      GND ID: 125942052


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                        Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                        GND ID: 130620351


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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                            Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                              Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                    Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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