Freitag, 22. Dezember 1972
Wie viel personalmässig sich in einem Ministerium ändert, bemerkt man
erst wenn man konzentriert vor Weihnachten die Pensionierungen und die
neuen Dekrete für die frischen Abteilungsleiter, resp. die Vorrückungen
verteilt. In privaten Firmen ist es üblich, wenn man bedeutende leitenden
Organe in die Pension schickt, dass man ihnen eine Abschiedsparty oder zu-
mindestens ein geselligen Zusammensein veranstaltet. Beim Staat bekommt
er gerade ein Dekret, wo der Minister sich für seine Tätigkeit bedankt.
Ich muss es aber auch zugeben, dass es wirklich unmöglich wäre, bei
allen eine Feier zu veranstalten. Im Grunde wäre dies aber auch sogar
meiner Meinung nach verkehrt. Man sollte in Wirklichkeit dann eine Feier
veranstalten, wenn man einen tüchtigen Mann in eine Position setzt,
oder wenn man vielleicht überhaupt jemanden ins Ministerium bringt.
Ich denke in diesem Fall an Wanke. Da ich aber ein Gegner von Feiern bin,
werde ich natürlich an dem jetzigen Zustand im Handelsministerium nichts
ändern. d.h. als Minister brauche ich eigentlich nichts tun als eben ein
Dekret unterschreiben und dann mit ein paar Worten überreichen.
Die wichtigste personalmässige Änderung wird aber doch nun die Abberu-
fung von Leitner und die Besetzung mit Reiterer sein. Reiterer war be-
reits bei mir und hat und daraus entnehme ich, dass er hundertprozentig
denkt, längere Zeit dort zu bleiben, interveniert, dass man ja keine
Leute aus Brüssel abziehen sollte. Er würde alle dringendst brauche, um
die vielfältige Aufgabe, die ihm jetzt erwächst, bewältigen zu können.
Ich habe ihm nichts konkret zugesagt, doch nur darauf hingewiesen, dass
nicht die Absicht besteht, die Posten zu verringern, da ja letzten Endes
in Hinkunft der grösste Teil der Arbeit in Brüssel erledigt werden muss.
Ich verwies darauf, dass es schon aus budgetären Gründen unmöglich ist,
in so starken Masse, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, unun-
terbrochen von Wien aus für kurzfristige Erledigungen und auch oft nicht
sehr bedeutende Erledigungen nach Brüssel zu schicken. Für die Detailarbeit
für kleinere Sachen ist einmal die Mission in Brüssel geschaffen worden
und sie hätte daher auch diese Arbeit dort autonom zu erledigen.
Leitner hat sich mit der Abberufung schon abgefunden, denn er hat sogar
jetzt die Absicht, die 15 kg schweren Dokumente des EG-Vertrages mir in
Form, wie er sich ausdrückt, einer kleinen Feier zu übergeben. Er möchte
sehr gerne irgendwie noch öffentlich in Erscheinung treten. Da wir bei
der ersten Pressebesprechung im Jänner sowieso kein allzu grosses Thema
13-1544
haben, zumindestens wissen wir heute noch nicht, ob es aktuelle,
interessante Fragen gibt, habe ich ihm sofort zugesagt, dass er am
Montag, sowohl bei der Pressekonferenz anwesend sein sollte und mit der
Übergabe dann ein gewisser Höhepunkt wäre. Bei dieser Gelegenheit,
dachte ich mir, kann ich ihn dann gleich auch vor der Presse ent-
sprechend verabschieden und mitteilen, dass Reiterer jetzt den Posten
besetzen wird.
Bei der Ordensverleihungen funktioniert jetzt die Vorbereitung einiger-
massen. Puffler verschafft die privaten Informationen, die – wenn ich
sie nachher meistens flüstere bei dem Ausgezeichneten grosse Überra-
schungen auslösen, dass ich dies weiss und Ottahal kommt vorher und be-
spricht mit mir jeden einzelnen Fall durch. Bei der diesmaligen Auszeich-
nung war nur von der Firma Klein Almdudler eine grosse Anzahl, ich
glaube fast ein Dutzend auszuzeichnen. Ich glaube, dass es zweckmässiger
wäre, wenn man irgendeinen Anlass nimmt, um dann im Betrieb eben
bei diesem Anlass gleichzeitig die entsprechenden Auszeichnungen zu
überreichen. Dadurch erreicht man eine grössere Anzahl von Betriebsange-
hörigen, die meistens dann zu diese Feiern geladen werden. Bei der Ordens-
verleihung im Ministerium geht dies in Wirklichkeit ganz unter und ist
doch nur auf einen kleinen Kreis beschränkt. Ausserdem habe ich dann
Gelegenheit, Betriebe zu besuchen, in diesem Fall ist es ja wirklich ein
bedeutendes Ereignis für den Betrieb und ich habe ein gewisses Kriterium
nicht alle Betriebe, die mich einladen, ebenfalls besuchen zu müssen.
Da ich auf Grund des Personal- oder Dienstgesetzes verpflichtet bin,
eine Begutachtungskommission für 3 Jahre zu bestellen und die derzeitige
mit Ende des Jahre ausgelaufen ist, wollte Wanke aber vor allem auch ich
eine entsprechende Reform einleiten. Wanke selbst geht von dem Gedanken
aus, dass in einem modernen Managament-Ministerium auch die Begutachter
Leute sein sollen, die für das Management, für die Ausbildung und vor allem
für deren Leistungen etwas übrig haben. Zu meiner grössten Verwunderung
musste ich dann im Laufe der Diskussion feststellen, dass eine solche
neue Richtung solange die gesetzlichen Grundlagen nicht geändert werden,
vollkommen unmöglich ist. Die Änderung, eine Begutachtungskommission
bestellen zu können, die aus älteren, erfahrenen und höheren Beamten sich
zusammensetzt, die gleichzeitig auch Manager sind oder für Manager-Aus-
bildung etwas übrig haben, musste ich daher sehr bald fallen lassen.
Nicht dagegen habe ich zur Kenntnis genommen, dass bei uns und vielleicht
gerade im Handelsministerium am stärksten diese Qualifikationskommission
nur eine vollkommen formelle Arbeit durchführt. In anderen Ministerien,
13-1545
selbst im Bautenministerium, wird härter klassifiziert. Bei uns dagegen
hat der Schriftführer Grumbeck mir selbst nachher mitgeteilt, bestand
seine ganze Funktion darin, Ungerechtigkeiten auszugleichen. Wenn also
ein Abteilungsleiter oder Sektionsleiter wirklich entsprechend härter
d.h. richtiger klassifiziert hat, dann hat die Kommission die Aufgabe darin
gesehen, darauf hinzuweisen, dass man den doch nicht schlechter stellen
kann als wie einen anderen, der eben ganz oberflächlich oder besser ge-
sagt, als keinesfalls ausgezeichneter mit ausgezeichnet klassifiziert
wurde, zu stellen. Die Aufgabe der Kommission bestand also in einer
Nivellierung nach unten. Schipper selbst erklärte mir, dass jetzt bereits
80 % mit ausgezeichnet abschliessen, obwohl maximalst die Hälfte davon berech-
tigt wäre. Mir ist schon klar, dass es furchtbar schwierig ist, einen
richtigen Weg zu gehen. Der eine extreme Standpunkt war, dass seinerzeitige
Sektionsleiter Sekt.Chef Augenthaler, der erklärt hat, ausgezeichnet ist
überhaupt niemand und daher diesen Note nie verliehen haben soll. Der
andere war der Sektionsleiter Sekt.Chef Helm, der sich weder um die
Industriesektion gekümmert hat, geschweige denn um seine Mitarbeiter.
Er hat fünfe grade sein lassen und daher jeden ganz einfach so klassifiziert,
wie ihn sein Abteilungsleiter vorgeschlagen hat. Der Abteilungsleiter
wieder möchte sich in den seltensten Fällen mit seinen Mitarbeitern ver-
scherzen und ist daher bereit, einen jeden mit Ausgezeichnet, soweit es
nur einigermassen geht, zu beurteilen. Ich habe deshalb die gesamte Be-
schwerdekommission zu mir gebeten und den 18 Personen klar und deutlich
meine Ansicht gesagt. Übereinstimmend stellten sie fest, dass es richtig
ist, dass eigentlich eine andere Klassifizierung Platz greifen müsste.
Gleichzeitig haben sie allerdings darauf hingewiesen, dass dadurch
den Beamten ein gewisser Nachteil durch die Klassifizierung mit sehr gut
erwächst, da er dann nicht mehr die Bestlaufbahn einschlagen kann. Im
Laufe der ganzen Dienstzeit bedeutet dies allerdings nur, dass er um 3 Jahre
später zu den Höchstdienstposten kommen kann. Die Begutachtungskommission,
so hat sie mir zumindestens zugesagt, nicht zuletzt auch um eine gewisse
Gerechtigkeit walten zu lassen, der wirklich bestqualifizierte, der ein
guter Mann ist, muss sich ja gefrotzelt fühlen, wenn er eine entsprechende
Niete ebenfalls mit Ausgezeichnet klassifiziert sieht, im Laufe des näch-
sten Jahres ihre Tätigkeit nach der neuen Zielrichtung ausrichten. Vor-
aussetzung dafür ist, dass die Abteilungsleiter und die Sektionsleiter
aber ebenfalls bereit sind, bei der Klassifizierung strengere Masstäbe anzu-
wenden. Ich habe den Mitgliedern der Klassifizierungskommission, d.h. der
Begutachtungskommission zugesagt, dieses Problem sofort Anfang des
Jahres bei einer Sektionsleiter-Sitzung zu besprechen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Termin unbedingt vormerken und vielleicht Richt-
linien festzulegen, um meine Intentionen deutlicher und schriftlich dann im
Sektionsleiter-Protokoll festzuhalten.
Bei der Weihnachtsfeier im 3. Bezirk erzählte mir Jodlbauer, der jetzt erst
mit seiner Tapeziererarbeit in den Export einsteigt, dass für eine Firma
insbesondere der Exportkredit die entscheidende Hilfe darstellt. Da er
die Schwierigkeiten des Exportes noch nicht kennt, hat er das Gefühl,
dass mit Hilfe dieser Exportkredite und mit Hilfe des verhältnismässig guten
Preises, der im Export zu erlösen ist, eine zusätzlich bedeutende bessere
Ertragssituation seines Betriebes jetzt vorliegt. Während er bei der inlän-
dischen Produktion und beim Absatz maximal auf einen Nutzen von 3 % gekommen
ist, hat er jetzt im Export 10 % leicht erreichen können. Diese Erfahrung
steht eigentlich im Gegensatz zu allen bisherigen, die ich von lang-
jährigen Exporteuren immer wieder höre. Dort erklärt man, dass die Absatz-
lage und die Konkurrenz so hart ist, dass man im Export normalerweise
die schlechteren Erlöse erzielen kann. Ich gebe zu, dass dies bei einem
modisch bedingten Artikel wie z.B. eben Sitzmöbel leicht anders sein kann.
Andererseits aber glaube ich, dass gerade die mangelnde Erfahrung und die
langjährige Praxis im Exportgeschäft Jodlbauer veranlasst, dies jetzt zu
optimistisch zu beurteilen. Andererseits aber bin ich der Meinung, dass
gerade sich persönliche Erfahrungen, die mir mitgeteilt werden, für mich
ungeheuer wertvoll wären. Wenn ich schon kein eigenes Geschäft betreibe
oder auch unmittelbar keinen Einfluss oder Beteiligung an einem eigenen
Geschäft habe, so müsste doch mein Kontakt mit Firmen, die mir tatsächlich
die Wahrheit und ihre unmittelbaren Erlebnisse direkt schildern, meine
mangelnde Praxis ergänzen, um nicht zu sagen ersetzen. Mit den gelegent-
lichen sporadischen Informationen kann man sich kaum ein richtiges Bild
machen. Andererseits sind alle theoretischen Überlegungen und theoretischen
Informationen nur sehr bedingt verwertbar. Kreisky selbst versucht aus
diesem Teufelskreis glaube ich immer so auszubrechen, dass er aus unmittel-
baren Informationen von seinem Schuster, seinem Schwiegersohn als Taxifahrer
usw. dann auf die Zustände ganz allgemein schliesst. Auch dieser Weg ist
meiner Meinung nach vollkommen falsch, da er gerade bei einer günstigen Er-
ledigung eines Kreditansuchens oder einer Gewerbescheinerteilung dann ein
zu optimistisches und rosiges Bild gibt, bei einer wenn auch noch
so berechtigten Ablehnung aber dann sofort der Eindruck entstehen muss, dass
hier eine dringende Reform notwendig wäre. Das Problem aber, eine auf
breitester Basis aufbauende Reform bleibt nach wie vor bestehen. Immer
13-1547
wird man den Fehler machen, von einem unmittelbaren Einzelerlebnis
auf die Gesamtverhältnisse zu schliessen, dadurch wird es ganz davon
abhängen, ob man das Glück hat, das richtige Einzelerlebnis gehört und
als Grundlage für eine Entscheidung, die generell ist, genommen zu
haben. Die grösste Gefahr ist aber dann, dass man mit einer Lobby
zu tun bekommt, die sehr wohl weiss, wie ein solche Entscheidung zu-
standekommt und deshalb versucht, auf allen möglichen Wegen eine solche
Entscheidung eben zu beeinflussen. Die Nachrichteninformationen dürften
nicht gefiltert an die Entscheidungsorgane herankommen, sondern müssten
im Gegenteil womöglich durch Meinungsumfragen bestätigt der Bedeutung
nach und dem Umfang nach an den Entscheidungsträger herangetragen
werden. Da dies aber zeitlich niemals von den Entscheidungsträgern zu
bewältigen ist, wird es eine gewisse Selektion geben, die letzten
Endes aber schon weitestgehend die Entscheidung prägt. Ein simples
Beispiel: Ich habe nie geglaubt oder gewusst, dass unser Büro so
grossen Wert darauf legt, dass ich bei einer Weihnachtsfeier, die wir
glaube ich alle Jahre veranstalten, längere Zeit anwesend sein soll.
Daraus entstand der Eindruck, ich hätte keine Zeit oder vielleicht
wollte ich gar nicht kommen, der allerdings falsch war. Bestätigt wird
dies dadurch, dass die Kollegin Wiesinger sogar eine Flasche Sekt mit
Heindl wettete, dass ich zu dieser Veranstaltung nicht kommen werde.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals in den vergangenen Jahren nicht zu-
mindestens einen Sprung dabei gewesen zu sein.
Tagesprogramm, 22.12.1972