Donnerstag, 14. Dezember 1972
Vielleicht nur ein Zufall vielleicht aber wirklich jetzt die Folge
der neuen Politik in Polen, dass sich Delegation in grösserer
Anzahl nach Österreich begeben. Min. Zaczkiewicz, der für die Ver-
packung verantwortlich ist und seit zwei Jahren nach Österreich vom
Wifi eingeladen war, ist nun mit einer Delegation hier, um Koopera-
tionsmöglichkeiten mit der österr. Verpackungsindustrie zu studieren.
Er erzählte, dass seit 1971 die Polen eine neue Politik auch auf die-
sem Sektor eingeleitet haben. Sie wenden der Verpackung heute mehr
Augenmerk zu und möchten in dem Fünfjahresplan 1971–1975 die Ver-
packungsindustrie um 80 % ausdehnen. Mit Grossbritannien haben sie
eine Leichtverpackungskooperation und erzeugen in Lizenz mit einem
10-Jahresvertrag. Österreich ist deshalb für sie sehr interessant,
weil wir von 26 Eurosparstaaten an vierter Stelle liegen. Bis jetzt
haben sie nur Verpackungsmaterial gekauft, jetzt möchten sie mit
Koresko und Lenzing und Hilko Kooperationen abschliessen. Min.Rat
Wagner wollte eine Information über diese Besprechung machen, die
ich allerdings für überflüssig hielt, soweit sie mich betrifft. Ich
hoffe allerdings, dass er die Abteilung Kooperation Min.Rat Peschke
und das Polen--Referat Min.Rat Fälbl verständigt.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte prüfe, ob dies der Fall ist, damit ich in
Hinkunft vorsichtiger bin, bei einer Ablehnung von einer Information
an mich, falls diese dann die Grundlage der aktenmässigen Mitteilung
an die zuständigen Abteilungen wäre.
NR Wille und Egg haben mich überraschend zu einer Aussprache mit dem
Tuxer Betriebsratsobmann Stöckl vom Magnesitbau, wo auch von Austro-
mineral, Dr. Neubauer, anwesend war und zwei weitere Betriebsräte, gebe-
ten, weil Stöckl ein sehr aktiver soz. Betriebsratsobmann eine neue
Idee hat. Die Österr.-Amerik. Magnesit AG will den Bergbau 1975 späte-
stens schliessen. Ursprünglich wollten sie sogar noch eine raubbau-
mässige Ausbeutung der Grube für einen Betriebsschluss herbeiführen.
Ich habe damals im Einvernehmen mit dem Betriebsratsobmann über unsere
Berghauptmannschaft diese falschen bergmännischen Absichten insofern
durchkreuzt, als wir einen Abbauplan, der auch den Betriebsrat befriedig-
te, nur genehmigt haben. Jetzt möchte Stöckl, dass versucht wird, die
Scheelit-Vorkommen und die Wolfram-Erzvorkommen weiterhin untersucht wird,
da er glaubt, dass damit der Bergbau aufrechterhalten werden kann.
Austro-Mineral hat dort Untersuchungen angestellt und in einem Gut-
achten festgehalten, es sollten nun entsprechende Erkundungsarbeiten
durchgeführt werden. Ich war über die Absichten im Detail nicht in-
formiert, zum Glück konnte ich im Laufe der stundenlangen Verhandlungen
ohne mir eine Blösse zu geben die Einzelheiten herauskristallisieren.
Austro-Mineral hat vorgeschlagen, es soll eine Auffanggesellschaft
gegründet werden. In dieser Auffanggesellschaft müsste der Bund
einer verlorene Subvention von mindestens 2,5 Mill. S einbringen. Das
Land hätte denselben Betrag bereitzustellen. Stöckl behauptet, dass
Salcher in der Landesregierung in schwierige Situation kommt, weil
er sich für den Bergbau Tux einsetzt und nun aber vom Bund aus keine
Initiative erfolgt. Die Magnesitgesellschaft beabsichtigt, den Be-
trieb an eine Firma Korber in München zu verkaufen. Die Anlagen betra-
gen 12 Mill. S und die Firma Korber ist bereit, an eine Metallverar-
beitung nach Hintertux zu bringen. Von den 200 beschäftigten Berg-
leuten haben 100 eine Chance dann dort zu arbeiten. Stöckl meint, dass
Korber aber bekannt ist als antigewerkschaftliche Unternehmungslei-
tung und deshalb die gute Gewerkschaftsorganisation dort zerschlage
wird. Wille meint, dass eventuell die Alpine in Hinkunft die Stahl AG
bereit sein müsste, in dieses Experiment einzusteigen. Sie könnte dort
Magnesit direkt erzeugen, resp. Vorkommen von Scheelit und Wolframerz
abbauen. Hier hat aber selbst Neubauer Bedenken, dass sich die Alpine
einen weiteren Defizitbetrieb beilegt. Die Auffanggesellschaft
müsste nämlich überhaupt zuerst einmal den Betrieb von der Magnesit-
gesellschaft erwerben, wenn sie sich nur zwei Partner, Korber und
die Auffanggesellschaft darum bemühen werden, wird nichts anderes ent-
stehen als die Lizitation des Verkaufspreises. Springt Korber dann
aus und die Auffanggesellschaft erwirbt den Betrieb, muss sie dann
den Bergbau weiter betreiben, auch dann, wenn er entsprechend defizitär
ist. Austro-Mineral meint, man müsse jedes Vorkommen in Österreich
pflegen, dürfe keinen Bergbau verfallen lassen, schon allein im Hin-
blick auf die wirtschaftliche Landesverteidigung. Ich erklärte, dass
wenn wir tatsächlich eine solche Politik vielleicht einmal in Zukunft
machen, dann die hundert Millionen, die man dafür braucht die Möglichkeit
geben, für einen solchen defizitären Bergbau etwas abzuwerfen. Derzeit
aber kann ich nicht einmal im Bergbauförderungsgesetz die Magnesit-
industrie unterbringen, wie man von mir gewünscht hat. Jetzt bin
ich mehr denn je zufrieden, dass ich die indirekten Wünsche, das Berg-
baugesetz auch auf Mangesit, Scheelit usw. auszudehnen, abgelehnt habe.
Wir hätten uns zusätzlich zu Kohle, Kupfer und Blei dann ein weiteres
Metall für Subventionierungen eingebrockt. Die einzelnen Magnesitgesell-
schaften wären hoch aktiv und die unrentablen Gruppen hätten wir dann
zu subventionieren gehabt. Wenn LH-Stv. Salcher bis jetzt die ÖVP
im Land verantwortlich gemacht hat, dass sie sich um Tux so wenig küm-
mert, so kann doch dies nicht letzten Endes darauf hinauslaufen, dass
nun der Bund die entsprechenden in die Millionen gehenden Subventionen
für eine verlorene Untersuchung aufwendet. Dort wo in den Bergbauen die
Lage hoffnungslos ist, werden wir immer dann die entsprechenden Defizit-
betriebe weiterschleppen und neue Ausgaben durch Untersuchungen und
dann unrentable Eröffnung von Bergwerken fortsetzen und erweitern.
Eine solche Bergbaupolitik würde dem Staat Dutzende Millionen zusätz-
lich noch kosten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Mit Salcher muss man bei nächster Gelegenheit
ein besseres Konzept besprechen.
Der ehemalige Gesandte Lemberger, jetzt in Pension, ist bei der CA
als Konsulent tätig. Er hat angeblich im Vorstand jetzt die Aufgabe,
die Ostbeziehungen zu pflegen, Er hat nun durchgesetzt, dass bevor an
die einzelnen Staaten oder Gesellschaften des Ostens Kredit gewährt
wird, vorher das Aussenamt und das Handelsministerium gefragt werden
soll. Er erkundigt sich bei mir, ob ich etwas dagegen hätte, dass
die Rumänen 250 Mill. S Kredit bekommen mit einer Laufzeit von 7 Jahren
um Investitionsgüter in Österreich zu kaufen. Ich erklärte sofort, dass
ich ihm Gegenteil sehr daran interessiert bin, weil die Rumänen grössere
Einkäufe in Österreich gerne tätigen. Ich mache nur darauf aufmerksam
dass sich dafür keine wie immer geartete bankenmässige Verpflichtung
übernehme, da die Rumänen in Österreich sowieso in Kreide sind. Das
Risiko der Zurückzahlung dieses Kredites geht ausschliesslich auf Kosten
der CA, was Lemberger bestätigt und zur Kenntnis nimmt.
Im letzten Streitpunkt betreffend der Entlastung gelingt es mit
zwei Besprechungen eine endgültige Lösung zu finden. Der ÖGB hat
sich primär dafür eingesetzt, dass die Wohnbauten, die vor dem
31.12.1972 nicht vollendet sind, d.h. überlappen in die Mehrwert-
steuerära nicht durch Preiserhöhungen in die neue Mehrwertsteuerperiode
übernommen werden. Deshalb hat der Finanzminister nach längerem
Zögern zugestimmt, dass Wohnbauten zum alten Umsatzsteuersatz bis
31.3.1973 abgerechnet werden können. Zum Unterschied von der BRD
hat er nicht einmal eine Abnahme als Voraussetzung festgelegt. Ich
kenne die Details zu wenig und würde mich auch gar nicht dreinmischen,
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mir ist nur aufgefallen, dass Androsch dabei freimütig erklärte,
dass er hier contra legem vorgeht. Eine solche Aussage, selbst dann
wenn sie der Bauindustrie und den Interessensvertretungen entgegenkommt,
würde ich allein vor den Beamten schon gar nicht machen. Androsch
dagegen erklärte, dass seine Beamten ihm ausdrücklich erklärt hätten,
dass sie dies nicht decken können, er aber im Hinblick, um einen
Akkord zu erreichen, diese Weisung geben wird. Bei der Abendsitzung
habe ich dann für die restlichen Bauten die insbesondere Moser betreffen
nach entsprechender Rücksprache und einige Male Unterbrechung der
Sitzung insofern einen Akkord erzielt, als die anderen Hochbauten
ausser Wohnungen, die Strassen- und Brückenbauten mit 9,3 % entlastet
werden. Moser hat mir vorher einige Berechnungen gesagt, die – wie
der AK-Experte Dr. Wehsely mir dann sofort mit einem Zettel mitteilte –
falsch gewesen sind. Seine Beamten haben diese Ziffern auch bei den
Verhandlungen gar nicht verteidigt, sondern meinten nur, es sei für
sie nicht zumutbar, unter 9,5 % zu gehen, deshalb hätten sie bei den
Brücken 11,3 gesagt, obwohl sie mehr oder minder damit zugaben,
dass diese Ziffer total falsch ist. Ich kann mich nur wundern, wie
Beamte des Bautenministeriums dem Minister falsch informieren oder
zumindestens um ihre Politik durchzusetzen, ihm Unterlagen, die
nicht hieb- und stichfest sind, geben. Mit Schaudern habe ich
daran gedacht, wie dies in dem Ministerium bei entsprechenden Zu-
schlägen und Abrechnungen vorgehen muss, wenn eine solche kurzfristig
überhaupt nicht zu haltende Ziffernpolitik betrieben wird. Akten-
mässig muss dies ein gefundenes Fressen für den Rechnungshof sein,
wenn er nach Jahren dann Überprüfungen anstellt und man die einzelnen
Zusammenhänge gar nicht mehr erkennt. Bei diesen Besprechungen habe
ich auch erklärt, dass die Lösung, die endgültig gefunden wurde,
so zu verstehen ist, dass sie praeter legem bis zur äussersten Grenze
geht, denn contra legem können Beamte niemals agieren. Um das
Verfahren nun im Individualantrag abwickeln zu können, hat Jagoda vorge-
schlagen, es sollte ein Sammelantrag von der Handelskammer erfolgen.
Da nicht nur die 3.500 Bauunternehmer insbesondere die Baumeister
vom Bauhauptgewerbe, sondern angeblich auch 30.000 Baunebenbetriebe
davon betroffen sind, wird die Handelskammer uns die entsprechenden
Sammelanträge – wie Mussil erklärte – unterbreiten. Jagoda verlangte
von jedem Antrag eine entsprechende mit 2 mal 15 S-Stempelmarken
versehene Vollmacht. Ich sprach nachher mit Jagoda, ob es nicht mög-
lich, dass wir die Vergebührung über das Finanzamt für alle gleichzeitig
lösen und nicht jeder einzelne eine Bevollmächtigung mit 15 S und 15 S
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für den Sammelantrag an Stempelmarken beibringen muss. Ich bin nämlich
überzeugt, dass die Vollmachten gar nicht vorgelegt werden können.
Trotzdem wird die Innung natürlich bereits jetzt die einzelnen Bau-
meister informieren und diese werden in ihren Abrechnungen die verein-
barten Entlastungssätze in Anwendung bringen. Wenn wir rechtlich jetzt
ein unvollständiges Verfahren abwickeln, so soll und wird davon bin
ich von Jagoda überzeugt, nicht der Rechnungshof und nachher oder
gar vielleicht ein Finanzamt den Vorwurf machen können, dass wir den
Staat geschädigt haben.
Bei einem Referat der Vollversammlung der Betriebsräte von Hutter &
Schrantz, wo ich natürlich als Gewerkschafter und nicht als Bundes-
minister aufgetreten bin, konnte ich zu meiner Freude feststellen, dass
auch hier in einer fremden Gewerkschaft für mich, die Stimmung gar nicht
so schlecht ist, wie ich sie immer vermutete. Ich hätte angenommen, da
ja dort auch Andersgläubige vertreten waren, dass gegen das Stabilisie-
rungsabkommen insbesondere der dämpfenden Massnahme auf dem betrieblichen
Lohnsektor grössere Kritik auftreten wird. Zu meiner grössten Verwunderung
wurde dieser Punkt in den Diskussionsbeiträgen überhaupt nicht erwähnt.
Möglich ist allerdings, dass die Betriebsräte noch gar nicht die Be-
deutung dieser Bestimmung erfasst haben. Interessanterweise fragte
man mich nur, wenn der Benzinpreis im Juni erhöht wird, ob dann auch
die Kilometergelder der einzelnen Angestellten, die mit ihren Autos für
die Firma fahren, erhöht werden wird. Mein Hinweis, dass dann eigentlich
die Frist des Stabilisierungsabkommens ja gerade abläuft – sie ist
per 1. Dezember für 6 Monate abgeschlossen – und dass man nach dem
Frühjahr, wo dieser Inflationsschock schon weg sein wird, wieder
rechnungsmässig versuchen wird, die grössenmässige Belastungen
einigermassen zu erfassen, sicherlich auch das Problem des Kilometer-
geldes in Angriff nehmen wird, zumindestens von den Kraftfahrverbänden
befriedigte eigentlich alle Autofahrer. Ich bin nämlich wirklich davon
überzeugt, dass wenn die jetzige Psychose, ich muss nur irgendetwas
kaufen und der Preis spielt überhaupt keine Rolle, wie man eben jetzt
grösstenteils bei den Konsumenten feststellt, im Frühjahr überwunden
ist und wenn auch dann die Unternehmer wieder dazu übergehen, bei
ihren Einkäufen den Rechenstift mehr zur Geltung bringen werden, d.h.
die Rechenhaftigkeit in der Wirtschaft wieder eine Rolle spielen
wird, dass wir dann wieder zu normalen Zuständen zurückkommen. Ich
habe die Betriebsräte nicht im Unklaren gelassen, dass weiterhin
die Preise steigen werden, doch wie ich hoffte, mit meinem alten,
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seit Jahrzehnten gepredigten Spruch – mässig, aber regelmässig.
Tagesprogramm, 14.12.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)