Montag, 4. Dezember 1972
Beim Pressefrühstück startete ich die grosse Aktion gegen den Fachver-
band Fremdenverkehr und Gast- und Schankgewerbe. Der Aufruf der Han-
delskammerorganisationen ist rechtswidrig. Im Preisbestimmungsgesetz
ist vorgesehen, dass Individualanträge möglich sind. Voraussetzung
dafür ist, dass natürlich der Antrag individuell gestellt wird.
Die Fachverbände schlagen nun ihren Mitgliedern vor, ihre Formulare
auszufüllen, vergessen, dass diese mit einer Stempelmarke zu versehen
sind und stellen als Beweisantrag noch Parteienvernehmung. Dadurch
schädigen sie die einzelnen Gastwirte. Man darf nicht vergessen, dass
wenn ich jetzt die Leute tatsächlich zu einer Parteienvernahme nach
Wien lade, die Stempelmarken mit einem komplizierten System über
das Finanzamt verlange und dann letzten Endes diesen Antrag, weil
er dem Gesetz überhaupt nicht entspricht, ablehne, so muss dies die
Gastwirte empören. Wenn sie sich andererseits aber auch nicht an die
entsprechenden Beschlüsse der Paritätischen Kommission halten und an
die Vereinbarungen bezüglich der Nicht-Erhöhung des Bierpreises, weil
sie ja dafür eine bessere Lösung bei Speisen bekommen haben, so er-
gibt sich eine unmögliche Situation. Dr. Lachs vom ÖGB hat im Preis-
unterausschuss, wo über das Bierproblem verhandelt wurde, gehofft,
dass die Brauereiindustrie einen entsprechende Vorschlag macht, um
die Wirte zum Einhalten der Vereinbarungen zu bringen. Tatsächlich
haben die Brauereien dann eine preisgleiche Abgabe von Fassbier für
3 Monate vorgeschlagen. Lachs, der sein persönliches Prestige in dieses
Übereinkommen investierte, wollte unbedingt, dass die Gastwirte dieses
Kompromiss annehmen. Komm.Rat Fröhlich hat es aber ganz entschieden
abgelehnt. Darüber hinaus aber musste ich feststellen, dass auch der Prä-
sident des ÖGB Benya jedwedes Verhandeln mit der Brauindustrie ebenfalls
ablehnt. Er steht auf dem Standpunkt, dass seinerzeit vereinbart wurde,
dass die Bierpreise unverändert bleiben, und dass deshalb diese
Lösung auch für ihn nicht akzeptabel ist. Bei einer Aussprache, die
ich mit Sallinger, Mussil, Beurle, dem Fachverband der Brauerei-
industrie und NR Hofstetter vom ÖGB hatte, wo die Brauindustrie sich
auch bereiterklärt hätte, wenn es die Paritätische Kommission von ihr
verlangt, nämlich auf 6 Monate den Fassbierpreis unverändert abzugeben,
hat Hofstetter letzten Endes auch nicht zugestimmt, weil er scheinbar
wusste, dass Benya derzeit nicht verhandlungsbereit ist. Bei einer
Präsidentenbesprechung sollte diese Frage zur Sprache kommen, die Prä-
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sidenten haben sich aber nur mit dem ORF beschäftigt und eben weil Benya
nicht darüber reden will, das zweite Problem gar nicht erst in Angriff
genommen. Wenn ein Kompromiss nicht zustandekommt, werden wir die Brauer
zu gar nichts zwingen können und mit den hunderten Wirten werden wir
nur im Jänner eine ungeheure Schererei haben. Das ganze Preisbestimmungs-
gesetz und die ganze Diskussion über die weitere Preisentwicklung
wird sich dann am Bierpreis entzünden.
Sekt.Rat Mock hat mir die Gründe auseinandergesetzt, warum der Fachver-
band für Erdölindustrie jetzt erst gegen das Berggesetz so vehement Stel-
lung nimmt. Seiner Auffassung nach ist der Fachverband sowohl die ÖMV als
auch die RAG davon ausgegangen, dass ein Berggesetz sowieso nicht zustande-
kommt. Während die anderen Fachverbände seit Monaten sich mit dem Problem
beschäftigen und konkret mitarbeiten, hat er versucht, darauf zu speku-
lieren, dass eine neue Regierung sowieso dieses Problem nicht in Angriff
nehmen wird. Jetzt verlangen sie die Herausnahme aus dem Berggesetz, was
vollkommen unmöglich ist. Nur in den afrikanischen und asiatischen Erdöl-
produktionsländern gibt es ein eigenes Ölgesetz. Wir einigten uns dann
dahingehend, dass der Fachverband aufgefordert wird, jetzt konkrete
Vorschläge zu machen. Soweit es um finanzielle Belastungen geht,
werden sie auf ein Minimum zurückgedrängt. Wenn aber der Fachverband eigen-
tumsbeschränkende Vorschläge mir macht, dann werde ich diese nur über-
nehmen, wenn die Handelskammer in ihren Gutachten dies expressis verbis
und schriftlich verlangt.
Habermann , der ein Weltzentrum für den Handel in Hantel errichten will,
um insbesondere zwischen West und Ost mit den dort eingerichteten Botschaften
und Handelsvertretungen ein Geschäft als Mieter zu machen, hat noch immer
keine konkrete Zusage von seiten der Landesregierung Wien. Slavik hat mit
Recht dieses Projekt abgelehnt, da er auf dem Standpunkt steht, dies sollte
die Gemeinde Wien selbst einmal initiieren und Schweda, an den er scheinbar
verwiesen wurde, hat ihm auf nur vage Zusagen gemacht. Ich selbst habe ihm
ja immer erklärt, dass ich keinerlei andere als eine moralische Unter-
stützung diesem Projekt geben kann. Habermann war nur 7 Monate jetzt in Wien
und meinte, er sei am Ende, doch hoffe er noch immer, dass dieses Projekt
zustandekommt. Ich habe aus diesem Fall wieder einmal gelernt, dass es
viel fairer ist, von vornherein keine wie immer gearteten auch nur
andeutungsweise Hoffnungen einem Menschen zu machen, wenn tatsächlich gar
nicht beabsichtigt ist, ein solches Projekt zu unterstützen.
Mit Hofstetter und dann mit Koppe habe ich das Problem der Konsumenten-
information neuerdings besprochen. Hofstetter möchte unter allen Umständen
die Obfrau Dr. Preiß erhalten. Ebenso möchte er Koppe für die Geschäfts-
führerposition gewinnen. Ich selbst will und kann, weil Koppe dies letzten
Endes auch möchte, Hofstetter nicht im Stich lassen. Ich habe ihm des-
halb erklärt, dass wenn ich dieses Opfer bringe, denn für mich ist es
klar, dass Koppe früher oder später vollkommen verloren ist, dann muss
dort eine Position für Koppe gefunden werden, die ihm die Vorstellung
seiner Pläne auch wirklich verwirklichen lässt. Koppe glaubt noch immer,
dass er dies mit einem verhältnismässig minimalen Zeitaufwand leisten kann.
Hier irrt er aber ganz gewaltig. Da er in diese neue Konstruktion dann
sein ganzes persönliches Prestige und seine ganze Arbeitskraft einsetzen
muss, um wirklich seinen Vorstellungen, die auch die meinen sind, ent-
sprechende Arbeit zu leisten, wird er sich damit abfinden müssen, so
wie ich mich bereits abgefunden habe, dass dieser Job ihn ganz bean-
spruchen wird.
In der Budgetdebatte im Parlament hat Heinz Fischer als erster Redner
zur Generaldebatte eine ganz hervorragende Leistung erbracht. Er hat vor
allem einmal den Teufelskreis durchbrochen, dass nämlich die Opposition
angreift und wir nur immer verteidigen, sondern den Spiess umgedreht.
Leider kam dies weder in der Berichterstattung beim Fernsehen noch in
den Zeitungen entsprechend zum Ausdruck. Die Aufwendungen, die man im
Parlament macht, sind wirklich nur für einen ganz kleinen Kreis von Be-
deutung. Wenn man sich nicht zu wichtig nimmt, kann ich glaube mit ruhigem
Gewissen sagen, dass ausser für vereinzelte Aktionen, sei es als Parlamen-
tarier oder als Minister, kaum eine entsprechende Einflussmöglichkeit be-
steht. Wirklich historische Ereignisse und Massnahmen können in Wirklich-
keit nur im Zuge einer längerfristigen Aktion gestartet werden oder werden
besser gesagt überhaupt durchgeführt, ohne dass man es vielleicht bemerkt.
Die Debatte im Parlament, die Gesetzwerdung oder letzten Endes der konkrete
Abschluss ist in den seltensten Fällen dann das Ereignis. Wann aber wirklich
die weichen gestellt wurden z.B. zum Staatsvertrag oder andere entscheiden-
de Punkt in unserer Zweiten Republik, z.B. zu den Vereinbarungen der
Sozialpartner und damit der ruhigen wirtschaftlichen Entwicklung in
Österreich, z.B. die grosse Koalition, eine kleine Koalition oder eine
Alleinregierung und damit die Regierungsform für die nächsten Jahrzehnte,
wann diese Punkte aber wirklich eingeleitet werden, das wäre interessant
nachzuspüren und vor allem einmal noch interessanter das Steuer für diese
Massnahmen ein bisschen mitzulenken. Wenn aber das Steuer und dies ist
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für eine Partei von allergrösster Bedeutung, in fester Hand ist,
wies dies z.B. unter den grossen Kanzlern der ÖVP, Raab, und jetzt
unter Kreisky bei der SPÖ der Fall war und ist, dann bestimmen die
den Kurs nach ihrem Gutdünken. Korrekturen sind dann nur verein-
zelt möglich, wenn es zu bösartigen Gewittern in dem einen oder anderen
Punkt kommt, wie jetzt z.B. in der Frage der Mitbestimmung in der
verstaatlichten Industrie, wo vielleicht eine Umschiffung dieser Ge-
witterzone versucht wird. Die grossen Probleme aber und die grosse
Richtung des Steuermanns ist meiner Meinung nach wieder weniger von
bewusster Ablenkung des Kurses zu beeinflussen, sondern durch Dutzenden
von Imponderabilien wie z.B. jetzt die Krankheit Kreiskys, die es
ihm nicht ermöglicht, die Verstaatlichungsfrage in seinem Sinne durch-
zuziehen und damit gegebenenfalls eine kleine Kursabweichung zum er-
reichen. Wo und wie geschieht aber die bewusste Kursfestlegung? Sicher-
lich nicht bei der Programmerstellung der SPÖ seinerzeit von den
Experten, noch jetzt von der ÖVP auf ihrem Parteitag, sondern doch
grösstenteils durch Herausbildung der Führerpersönlichkeit, die
dann die Hauptverantwortung und die Kursbestimmung übernimmt. Solange
Erfolge zu verzeichnen sind, ordnen sich dann alle automatisch diesem
unter, nur wenn dann die ersten Misserfolge kommen, werden natürlich
auch die ersten Brüche und Risse dann sichtbar. Solange alles gut geht
gibt es scheinbar keine Probleme, keine Kritik, keine Änderung des
Steuerkurses. Dabei müsste wahrscheinlich in einer solchen Phase
sehr wohl genau festgelegt werden, ob und inwieweit die Kursbestim-
mung richtig ist. Dafür aber müsste man wieder sehr viel Zeit aufwenden,
sehr offen diskutieren und vor allem hervorragend zwischen allen Stelle
kooperieren. Dafür hat man aber wieder nicht die Zeit. Ein Teufelskreis,
von dem ich nicht weiss, wie man ihn durchbrechen kann. Dieser Teufels-
kreis ist aber nicht nur in der höchsten Region, sondern selbst in den
kleinsten Einheiten, wie z.B. in unserem Büro ebenso gültig.
Tagesprogramm, 4.12.1972
TB Heindl (?), 4.12.1972