Donnerstag, 30. November 1972
Das 4. Konsumentenforum war schon ein bisschen schlechter besucht
als die drei vorhergehenden. Was mich aber am meisten gestört hat,
war, dass in der Diskussion sich nur AK-Leute gemeldet haben. Ausser
einigen Genossinnen der soz. Frauen, Hella Hanzlik, die neue
Wiener Sekretärin Dohnal, Bettina Hirsch und Frau Dr. Wagner
vom VKI meldete sich die geschlossene Gruppe der Arbeiterkammer.
Während ich bei dem anderen Forum immer dazugesagt habe, um
wen es sich dabei handelt, habe ich dies diesmal wohlweislich ver-
schwiegen. Die Diskussion hatte ein ungeheuer hohes Niveau. Da
die Arbeiterkammer-Leute natürlich sehr konkrete Vorstellungen
über entsprechende Änderungen des Konsumentenrechts hatten.
Dadurch entstand die Gefahr, dass ausschliesslich nach juristi-
schen Fragen die ganze Diskussion ausgerichtet war. Fast würde ich
von Glück reden, dass Komm.Rat Weinberger, der Vertreter des Möbel-
handels in einer Anfragebeantwortung ein bisschen aggressiver
wurde. Dadurch kam Leben in die Diskussion. Weinberger meinte dann
nach dem Forum, hoffentlich sei ich deshalb nicht ungehalten. Genau
das Gegenteil ist doch der Fall. Das nächste Mal aber müssen
wir versuchen, eine Diskussion auch mit der anderen Seite d.h. der
Handelskammer oder der Landwirtschaftskammer stärker zu organi-
sieren. Nur vom agrarischen Nachrichtendienst hat sich Dr. Strasser
an der Diskussion mit einer Anfrage wegen der Qualitätsverordnungen
und der Lebensmittelkennzeichnung beteiligt. Die Arbeiterkammer-
Diskutanten konnte Koppe natürlich in Vorbesprechungen auf das Forum
und den Diskussionsbeitrag ausrichten. Wie ihm dies aber möglich
sein wird bei der Handelskammer und der Landwirtschaftskammer
das noch idealer wäre, auch bei politischen Parteien oder sonstigen
Frauenorganisationen, ist mir nicht ganz klar.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ein diesbezüglicher Schlachtplan muss aber
ausgearbeitet werden.
Die beste Anregung machte der Vertreter des Konsumverbandes Exner
welcher die Schulung in dieser Organisation durchführt. Er meinte,
es gebe genügend Material für Konsumentenerziehung in Organisationen
Verbänden und auch einzelnen Firmen. Soweit dieses Material werbe-
frei für das betreffende Unternehmen oder die Organisation ist,
konnte es für die Konsumenten-Erziehung herangezogen werden.
Deshalb sollte das Ministerium alles dieses Material sammeln,
um einen Überblick zu bekommen. Ich bin überzeugt, dass wir mit
Hilfe dieses Materials wirklich viel Schulen und sonstigen Inter-
essenten beliefern könnten ohne dass es uns etwas kostet. Die
weiteren konkreten Vorschläge, z.B. Änderung des Kreditgesetzes
damit nicht ein Ratenkäufer gleichzeitig bei einem Kreditinstitut
einen Kredit aufnimmt, der Ratenkauf dann sehr schlecht geliefert
oder überhaupt nicht ausgeliefert wird und trotzdem der betreffende
dem Kreditinstitut zur Zahlung verpflichtet ist, kann nur das
Finanzministerium ändern. Ähnlich ist es bei anderen Wünschen zum
Justizressort. Hier glaube ich müsste jetzt unmittelbar vom Konsumen-
tenbeirat resp. von der 25 a das entsprechende Verhandlungen mit
den anderen Ressorts unverzüglich aufgenommen werden. Zielführend
müsste es doch sein, einen Katalog zu erstellen, welche Forderungen
das 4. Konsumentenforum aufgestellt hat, um dann bei dem 5. Forum
mitteilen zu können, die und die Punkte sind bereits erfüllt oder
zumindestens in Angriff genommen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Vielleicht kann man dann die Interessenvertretun-
gen und anderen Frauenorganisationen mehr für das nächste Forum inter-
essieren, wenn man die konkreten Erledigungen ihrer Forderungen in Aus-
sicht stellt.
Im Parteivorstand ergibt sich durch die Abwesenheit Kreiskys auch
ein anderer Stil. Während er sonst fast ausschliesslich allein die
Referat hält und die Diskussion leitet aber auch gleichzeitig be-
antwortet, hatten jetzt Häuser, Androsch und Gratz die Möglichkeit,
zu referieren. Allerdings fehlte dadurch die politische Konzeption,
die sonst Kreisky immer darlegte. In der Diskussion war insbesondere
der steirische Kammerpräsident Schwarz und Landeshauptmannstellv.
Sebastian mit dem Abschluss des Eisen- und Stahlgesetzes nicht ein-
verstanden. Die Ausnahmen, welche die Mitsprache der Drittel-Betriebs-
ratsbesetzung im Aufsichtsrat durch die ÖVP verlangt letzten Endes
von dem Verhandler Kreisky zugestanden wurde, stösst auf entscheidenden
Widerstand, da Kreisky nicht anwesend ist und Veselsky deshalb mit
langer, breiter Erklärung die Situation retten will, verschlechtert
sich der Zustand nur dauernd. Während Häuser ganz kurz in seinem
Referat und dann auch im Schlusswort erklärte, dass er doch gesagt
hat dass dieses Problem doch mit Kreisky besprochen werden muss,
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da dieser doch die Möglichkeit haben muss, seine Konzeption zu ver-
treten, hat Veselsky versucht, nachdem der Meister nicht hier ist,
jetzt als dessen Sprachrohr zu fungieren und so wie bei den Regierungs-
besprechungen grosse Erklärungen abzugeben. Über die Verhandlungen,
die er in der letzten Zeit geführt hat. Zu mir bemerkte Häuser, dass
er eigentlich in der Arbeiterkammerzeit viel besser gewesen ist als
jetzt, wo er ihn genauer kennenlernt, in dem Gebiet, das Häuser gut
kennt als Scharlatan zu betrachten. Waldbrunner wieder kritisiert, dass
mit der ÖVP Veselsky verhandelte, ohne dass unsere Genossen auch nur
im entferntesten eine Information bekommen haben. Sicherlich hat
sich Veselsky nicht getraut, ohne ausdrücklich Zustimmung Kreiskys
die Genossen zu informieren, was ihm übrigens Häuser zum Vorwurf
macht, denn wenn er schon verhandeln will, dann muss er auch Kreisky
auf die Linie bringen, Informationen den Betriebsratsvertretern und
der Gewerkschaft und vor allem aber auch der soz. Partei abzuringen.
So trifft ihn jetzt nicht nur der Vorwurf, dass das Ergebnis
schlecht ist, sondern dass er auch noch illoyal bei den Verhandlungen
mit Gatscha gemeinsam, der ebenfalls sich ausschwieg, gegen unsere
Genossen gehandelt hat.
Leodolter nützte auch einmal die Gelegenheit, um dem Parteivorstand
über ihre Umweltschutzkonzeption und Aktivität zu berichten. Bür-
germeister Slavik wiederholte, dass er bereits im Präsidium
verlangt hat, es müsste eine wesentlich stärkere Aktivität jetzt auf
diesem Sektor entfaltet werden. Er meinte, dass es zielführend wäre,
alle Aktivitäten, die bereits jetzt durchgeführt werden, der Bundesre-
gierung und auch der Ländern in einer Sammlung festzulegen. Nach
denkt z.B. nicht daran, dass auch die Elektrifizierung der Eisen-
bahn eine grosse Umweltschutzlösung darstellt. Neuerdings verlangte
Slavik, dass die Kraftfahrgesetze so zu ändern seien, dass umwelt-
freundlichere Auspuffgase durch entsprechende Anbringung durch Ver-
brennungs- oder Katalysatoren oder sonstige Lösungen, wie in Amerika
jetzt bereits in Österreich verlangt werden müssten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Von unserem Kraftfahrrechtsleuten und Technikern
insbesondere die Lösungen der USA, die am weitesten fortgeschritten
sind, zusammenstellen lassen und vor allem Berechnungen anstellen, was
dies den österr. Autofahrer kosten würde, wenn wir, ohne die Entwick-
lung in Europa abzuwarten, die Autoproduzenten verpflichten würden,
für Österreich diese Umbauten oder Ergänzungen der Motorauspuffe anzu-
bringen.
Auf der Informationstagung von Shell, wo mindestens ein Dutzend
Handelsministeriums-Leute daran teilnahmen, schlug Gen.Dir. Mieling
vor, wir sollten uns nicht nur auf ein Bein – Schwechat – verlassen,
sondern gegebenenfalls Ingolstadt für den Krisenfall in Erwägung
ziehen. Die ÖMV könnte sich an Raffineriekapazitäten in Ingolstadt
beteiligen. Mieling meinte auch ganz richtig, dass die Energie-
politik von der Regierung gemacht werden sollte, dass man aber
dann natürlich mit der Energiewirtschaft gemeinsam die konkrete
Durchführung nicht nur besprechen, sondern auch planen müsste.
Da ich nicht allzu lange Zeit hatte, meldete ich mich nur zu diesem
Punkt und erklärte rundwegs, dass wenn die Regierung schon die
Energiepolitik machen soll und dies ist auch meine Meinung, erklä-
re ich gleich vom Neutralitätsstandpunkt, dass es vollkommen ausge-
schlossen ist, dass sich der neutrale Staat Österreich an einer
Konzeption der Energieversorgung mit NATO-Ländern konkret beteiligt.
Natürlich muss der westliche Raum Österreichs schon in normalen
Zeiten entsprechend versorgt werden, und in Krisenzeiten wird
dies noch viel schwieriger sein, Die theoretischen Pläne sind
allerdings von der Abteilung Hanisch – ein Vertreter von ihm war an-
wesend – ausgearbeitet. Es handelt sich auch in diesem Fall nur mehr
um die Frage, wer die Pflichtlagerung bezahlt. Was die Versorgung
der westlichen Gebiete Österreichs anlangt, hat mir die Ölwirtschaft
vor Monaten schon versprochen, einen entsprechenden konstruktiven
Vorschlag zu machen. Bis jetzt ist eine solche Unterlage leider
immer nicht nicht eingelangt.
Min.Rat Steiger berichtete mir bei dieser Gelegenheit, dass er von
Genf die Mitteilung hat, dass die Engländer hätten jetzt im
Ministerrat abgelehnt, eine entsprechende Unterfertigung des Über-
gangsprotokolls, Aufbau der Zölle gegenüber den Beitrittskandidaten
Grossbritannien und Dänemark zu unterfertigen. Sie hätte bei der
Erstellung dieses Konzeptes zwar bis jetzt mitgearbeitet, nun
aber ersucht, 8 Tage zu verschieben, wenn wir tatsächlich, wie die
Handels- und Landwirtschaftskammer wollte und obwohl Mussil einen
anderen Standpunkt einnimmt, in der Zwischenzeit aber diesen neuer-
dings geändert hat, wir gegenüber den Engländern erklärte hätten,
wir bestehen auf die Vorziehung der 40 %-igen Zollerrichtung mit
1.1.1973 statt 1974, hätten die Engländer die gute Ausrede, dass
sie wegen unserer sturen Haltung eben nicht das Arrangement jetzt
akzeptieren. Mussil, den ich am Vortag, er ist ausserhalb Wiens,
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telefonisch diesen Standpunkt auseinandergesetzt habe und er
ihn auch akzeptierte, ist nach einem fernschriftlichen Mit-
teilung Gleissners jetzt wieder von seiner Zusage abgerückt.
Die Handelskammer und die Landwirtschaftskammer wollen, dass wir
die Engländer mit der 40 %-igen Zollerhöhung für Whisky unter
Druck setzen. In diesem Fall war es gut, dass Min.Rat Steiger
bei den ganzen Besprechungen und auch beim Telefongespräch
anwesend war und selbst mit Mussil gesprochen hat, denn dies hat
ihn veranlasst, den Dr. Martins und seinen Mitarbeitern in Genf
freie Hand zu geben, wenn im Laufe der Diskussion, was sich ah
dann auch bestätigte, sich herausstellt, dass die Engländer doch
vielleicht von dem ganzen Arrangement abrücken wollen, dann sollten
nicht wir den Vorwand dazu liefern. Das Klima für die weiteren Ver-
handlungen mit England über die Wünsche Papier – Ursprungsregelung
– Textil und vor allem Milchpulver würde sich sowohl für die bi-
lateralen als auch für die Verhandlungen über diese Probleme
mit Brüssel sehr verschlechtern. Ich kann nie verstehen, wie
jemand ernstlich glauben kann, soferne er nicht ausschliesslich
Privat-Interessen, wie z.B. Harmer für die Spirituosen-Industrie,
an der er selbst beteiligt ist, vertritt, annehmen kann, dass
das kleine Österreich gegenüber dem mächtigen England hier
mit einem harten Kurs etwas anderes erreichen kann, als natürlich
Repressalien von Seiten Grossbritanniens.
Koppe, der nach wie vor sich für Konsumentenfragen natürlich sich
primär interessiert, da dies sein ureigensten Gebiet ist und er
darin die grössten Erfolge in den vergangenen Jahrzehnten zu ver-
zeichnen hatte, wird vielleicht jetzt endlich seine Pläne viel
konkreter in der Durchführung noch durchsetzen können. Im Verein
für Konsumenteninformation spitzt sich die Diskussion um nicht
zu sagen, der Streit zwischen der Obfrau, Dr. Eva Preiss und
Reichard immer mehr zu. Sekr. Hofstetter muss deshalb eine
Lösung finden. Er fragte mich, ob ich bereit wäre, Koppe die
notwendige Zeit für Führung dieses wichtigen Vereins zu geben.
Ich erklärte sofort, dass ich damit sehr einverstanden sei, wenn
entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden, dass Koppe dabei
nicht zugrundegeht. Eine Lösung, wo er nur ununterbrochen Streit
hat oder zumindestens Streit schlichten muss und zu keiner positiven
Arbeit kommt, halte ich für vollkommen unmöglich und unzweckmässig.
Andererseits wäre, wenn eine saubere Lösung gelingt, auf diesem
Sektor wirklich viel herauszuholen und Koppe ist der beste Mann
dafür.
Vor allem liegt ihm aber an diesem Gebiet wirklich sein ganzes
Herz. Wenn aber keine saubere Lösung gefunden wird, dann ist
es zielführender, wir warten noch einige Zeit zu.
Tagesprogramm, 30.11.1972