Freitag, der 17. November 1972

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Freitag, 17. November 1972

Der Ministerrat der EFTA ging eigentlich ganz klaglos über die
Bühne. Lord Limerick, der englische Vertreter, ein Unterstaats-
sekretär im Handelsministerium, d.h. eigentlich dritte Garnitur, replizierte
nur auf die Erklärung Österreichs, dass es den Whisky-Zoll wieder auf-
bauen will, mit dem Hinweis, Österreich sollte sich dies überlegen.
Sonst war eigentlich überhaupt keinerlei Polemik und Auseinander-
setzung. So war es auch für mich eigentlich sehr leicht, den Vorsitz zu
führen, wofür ich mit dann auch letzten Endes sehr herzlich bedankt.
Interessant war eigentlich nur die anschliessende Pressekonferenz.
Der Pressereferent, ich kenne seinen Namen nicht, eröffnete ganz
kurz, gab mir das Wort für ein Statement und hat dann die einzelnen
Journalisten aufgerufen. Sofern ein Journalist, er muss sicherlich
von einer kommunistischen Presseagentur oder Presse gewesen ist, ein
bisschen polemisieren wollte, wurde er sofort zurechtgewiesen,
dass hier nur Anfragen gestellt werden können, die von mir beantwortet
werden. Ich hatte eigentlich erwartet, dass man vielmehr über die
vertrauliche Ministersitzung, welche sich mit dem Problem Spanien
beschäftigte, gefragt würde. Man begnügte sich aber mit dem Hinweis,
resp. mit der Frage, es sei bekannt, dass mehrere Staaten sich um
eine Aufnahme bemühen, unter anderem von Spanien und Malta ein offi-
zielles Ansuchen vorliegt. Da dies nicht der Fall ist, konnte ich
ganz kurz und bündig antworten. Der kommunistische Vertreter fragte,
ob und wie Jugoslawien sich beworben hat. Hier ergänzte sogar Gen.
Sekretär Rabaeus indem er mitteilte, dass Jugoslawien einen Beobachter
zur EFTA geschickt hat und ständigen Kontakt mit dem Sekretariat hat.
Die Frage, ob COMECON-Länder vereinzelt oder geschlossen beitreten
würden, konnte ich leicht kontern, da müsse er die COMECON-Organisation
fragen. Als der linke Journalist wieder eine Frage stellte, erklärte
zu meiner grössten Verwunderung der Presse-Referent und Leiter der
Pressekonferenz die Pressekonferenz für beendet. Darüber war ich sehr
erstaunt und fragte ihn auch, wie dies überhaupt möglich sei, bei uns
wäre es ganz undenkbar, dass man nicht zumindestens alle Fragen beant-
wortet hat und einige Mal womöglich die Journalisten frägt, ob jetzt
keine Wortmeldung mehr vorliegt und damit die Pressekonferenz dem Ende
zugeht. Er sagte, dies sei nicht üblich, denn er entscheide, wenn
sich Fragen wiederholen, dass eigentlich damit diese Konferenz seinen
Zweck erfüllt hat und er sie eben für geschlossen erklärt.



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Beim Heurigen am Abend, d.h. dann eigentlich schon spät nachts ist
Wacker, der Gen.Sekr.Stv. mit Steiger, den er scheinbar vorher abgesprochen
hat, an meinen Tisch gekommen und wir haben unter 6 Augen sein Problem
besprochen. Wacker selbst hat gehofft, dass er nach Rabaeus Generalsekretär
wird. Der britische Gen.Sekretär Coulson, der im Frühjahr sein Amt nieder-
gelegt hat, ist erst ein paar Monate ausgeschieden. Wacker hatte gehofft,
dass Rabaeus, der erklärte, nur Übergangsgeneralsekretär zu sein und spä-
testens nächstes Jahr auszuscheiden, hat nun wie die Schweden angeblich
Wacker gegenüber erklärten, die Absicht zu bleiben. Die Schweden, Rabaeus
ist ebenfalls Schwede, drängen darauf, dass er diese Funktion weiter
beibehält. Wacker fühlt sich dabei hereingelegt und meinte in diesem Fall
würde er in die Schweiz zurückgehen. Ich habe von dieser ganzen Angelegen-
heit noch nichts gehört gehabt und habe mich natürlich daher auch gar nicht
geäussert. Ich weiss nur, dass Wacker als ein sehr ehrgeiziger Mann gilt
und alles daran setzen wird, um Generalsekretär zu werden. Er hat auch zu-
gegeben, dass jetzt diese Team-Arbeit, wie sie unter Coulson der Fall
war, nicht mehr gilt und gehandhabt wird. Interessant ist, dass mir
eigentlich Brugger gar nichts über den Wunsch von Wacker mitgeteilt hat.
Es ist immerhin möglich, dass die Schweiz sich gar nicht hinter Wacker
stellt. Wenn das Generalsekretariat nicht von einem Team geführt wird
oder wenn Rabaeus nicht ein sehr starker Mann ist, der sich gegen den
Widerstand Wackers durchsetzt, dann sehe ich für die EFTA-Entwicklung
was die Sekretariatsunterstützung betrifft, sehr schwarz. Hier kann dann
anstelle einer positiven Arbeit nur intrigiert werden und das wird weder
dem Sekretariat guttun, geschweige denn der gesamten EFTA-Organisation.

Interessant war, dass natürlich die Schweden und auch andere Delegierte
sehr stark dem Heurigen zugesprochen haben. Insbesondere war Jolles, der
grosse Mann der Schweiz als Generalsekretär der Atom-Behörde sich einen
Ruf erworben hat, ziemlich blau. Er erklärte deshalb mir gegenüber
und auch in aller Öffentlichkeit, wir sollten auf Kaiser Franz Josef
anstossen. Hier hat sich auch der ökonomische Berater der EFTA, der
die Wirtschaftsabteilung führt, Lanner, zu Wort gemeldet und erklärt,
wir sollten auch auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anstossen.
Lanner dürfte also ein ausgesprochener Linker sein. Jolles meint, Luxem-
burg sei ein schönes Land und war natürlich auf dieses Land einen Toast
auszusprechen. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kannte er nicht.
Lanner schlug deshalb vor, auch auf Illitschko Lenin einen Toast aus-
zusprechen. Hier meinte Jolles aber, er sei zwar besoffen, aber dies
würde er niemals tun. Hier könnte ich erkennen, wie es für Schweizer


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scheinbar schwierig ist, noch immer die Vergangenheit mit der
Sowjetunion oder der linken Revolutionäre-Geschichte zu über-
winden. Besonders im Rausch sind sie nicht imstande, über ihren
Schatten zu springen. Das ist mit einer der Gründe, warum Brugger so
grosses Bauchweh hat und mir schon einige Male sagte, der Bundes-
rat hätte beschlossen, er müsse nach Moskau fahren, um einen Gegen-
besuch Patolitschews zu erwidern. Hier hat aber der Schweizer Bundes-
rat einen Beschluss gefasst, den niemand exekutieren will. Aus der
Einstellung Jolles konnte ich erkennen, dass dies sehr tiefe Gründe
hat. Ich hatte ihm nämlich vorgeschlagen, Jolles sollte doch auf
die Bedeutung Lenins für die revolutionäre Theorie einen Toast
aussprechen. Damit müsste er sich doch gar nicht identifizieren
mit Lenin, seiner Politik oder seinen Taten sondern ausschliesslich
über den unbestrittenen wesentlichen Einfluss Lenins auf die Oktober-
revolution und damit auf die Revolutionsgeschichte. Bei aller Gegner-
schaft hätte er doch leicht anerkennen können, dass Lenin eine be-
deutende historische Persönlichkeit und gleichzeitig auch ein
bedeutender Promoter der Revolutionstheorie gewesen ist. Nach
12 Uhr gingen dann die letzten ausländischen Gäste, der Liechten-
steiner Staatspräsident und seine Frau, so dass auch ich endlich den
Heurigen verlassen konnte. Ich nützte diese Gelegenheit aber, um
insbesondere mit den anwesenden Kollegen von Steiger und auch
vom Finanzministerium mich zusammenzusetzen und zu diskutieren,
und vor allem wie man auf Wienerisch sagt, einen Schmäh rennen
zu lassen. Ich glaube, dass wenn ich schon solche Heurigen-Veran-
staltungen besuchen muss, ich doch dazu nützen soll und dies habe
ich reichlich getan, um in persönlichem Kontakt die Kollegen und
deren Frauen davon zu überzeugen, dass ein sozialistischer Minister
auch dann wenn er nichts trinkt, gesellig sein kann. Imponiert
hat mir die Zurückhaltung, die alle österreichischen Gäste an den
Tag gelegt haben, keiner hat so viel getrunken, dass er sich nicht
vollkommen anständig benommen hätte. Auch bei den Ausländern, ins-
besondere vom Sekretariat kam überhaupt keinerlei Exzesse vor,
nur einige vereinzelte Delegierte haben ein bisschen über die
Schnur gehaut. Allgemein hört man, dass alle Delegierten mit der
Tagung sehr einverstanden waren, dass das Damen-Programm äusserst
gelobt wurde und dass sich alle sehr wohl gefühlt haben.

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Tagesprogramm, 17.11.1972


Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


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