Samstag, der 11. November 1972

13-1350

Samstag, 11. November 1972

Das Donaueuropäische Institut hat in Budapest einen Riesen-Koopera-
tionskongress organisiert. Als ich die Teilnehmerliste überflog,
war ich erstaunt, wie grosse Firmen durch ihre Spitzenmanager vertreten
waren. Das Institut verlangt 6.500 S für den Kongress, der drei Tage
dauert. Vielleicht weil dieser Kongress in Budapest abgehalten wird,
waren sehr viele Spitzenmanager auch aus Österreich, Gen.Direktor der
VÖEST, Böhler usw. erscheinen. In einer vom Institut und der ungarischen
Handelskammer einberufenen Pressekonferenz konnte ich nicht nur über
diesen Kongress sondern auch über den Abschluss unseres Handelsver-
trages zwischen Ungarn, Dr. Bíró und mir, referieren. Verhandlungen
zwischen uns beiden gestalten sich jetzt ausgesprochen positiv. Die
Die ungarische Seite hat mir, wie mir sowohl der Botschafter als auch
der Aussenhandelsdelegierte mitteilte, ungeheuer darauf gedrängt,
dass dieser Vertrag endlich abgeschlossen wird. Nachdem sie ihn jetzt
unter Dach und Fach haben, sind sie davon begeistert. Die Bundeshandels-
kammer, Dr. Gleissner, der ebenfalls zum Kooperationskongress gekommen
ist und mit dem ich abends dann noch sehr spät über unsere Verhandlungen
berichtete, ist ebenfalls mit dem Vertragsabschluss einverstanden. Ihm
genügt, dass in dem Brief als vertraulich uns zugesichert wird, dass
die Globalkontingente errichtet und sehr stark erhöht werden. Insbeson-
dere für Konsumgüter hat Bíró mir mitgeteilt, wird der Umfang von der-
zeit 30 Mill. S für alle westlichen Länder auf 40–45 Mill. S im
nächsten Jahr erhöht werden. Österreich kann an diesem allgemeinen
Konsumgüterkontingent ebenfalls partizipieren. Die Hauptschwierig-
keit liegt nur darin, dass meiner Meinung nach wir auf diesem Sektor
eine harte Konkurrenz der anderen westlichen Staaten vorfinden werden.

Die Besprechungen zwischen Bíró und mir waren so intensiv und lang,
dass wir für die Unterzeichnung des Vertrages unterbrechen mussten.
Dies war deshalb notwendig, weil das ungarische Fernsehen unbedingt
noch für 1/2 8 Uhr eine Erklärung von mir bringen wollte. Bei dieser
Gelegenheit versuchte ich gleich darauf hinzuweisen, dass wir ab
1975 die volle Liberalisierung gewähren, damit aber rechnen, dass die
ungarische Seite, wie sie sich verpflichtet hat, nicht nur die Kon-
tingente wesentlich erhöht sondern dass auch dann österr. Konsumgüter
stärker nach Ungarn exportiert werden können. Unser Handelsdele-
gierter Kuzmich hat mich ausdrücklich darum ersucht, eine solche Erklärung


13-1351
sowohl Bíró gegenüber als auch natürlich jetzt im Fernsehen gegenüber
der Öffentlichkeit zu geben, da er sich darin einen gewissen Druck
auf die Einkaufsstellen in Ungarn erwartet. Dieser Aufforderung bin
ich natürlich sehr gerne nachgekommen. Zu meiner grössten Verwunderung
wurde hie der Ausstrahlung meine Ausführung ziemlich eindeutig und
klar übersetzt. Zumindestens wurde, während ich deutsch sprach, wie das
auch in unserem Fernsehen üblich ist, sofort die ungarischen Über-
setzung darüber gesprochen. Nur als ich über die Einfuhrnotwendigkeit und
-möglichkeit von Konsumgütern nach Ungarn sprach, wurde keine Übersetzung
mehr ausgestrahlt, in diesem Fall hörte man nur meine deutschen Worte.
Wieweit dies technische Übersetzung war oder wieweit es Absicht war,
kann ich nicht beurteilen, ich glaube aber das letztere.

Bei den Besprechungen mit Bíró habe ich auch die neue ungarische
Verordnung, wonach Joint ventures zwischen ung. und österr. Firmen
möglich wären, erwähnt und mir erörtern lassen. Bíró erklärte frei-
mütig, dass die Voraussetzung in Ungarn andere sind als bei uns für
ein Joint venture. Es kommt in Wirklichkeit nur zu einem Kapitalein-
schuss von 49 % ohne dass die betreffende Firma oder Bank eine Chance
hätte, durch Bucheinsicht sich zu überzeugen, wie die Gelder verwendet
werden, noch Dispositionen entsprechende Mitsprache zu besitzen. Bíró
erörterte am Beispiel der SKF, wie diese Kugellagerfabrik einen an-
deren Weg beschritten hat. Ungarn hat von SKF die Pläne und Einrich-
tungen zu fixen Preisen gekauft, Ungarn wird Kugellager-Typen von SKF
übernehmen, die sie nicht selbst erzeugt, andererseits SKF für den
Verkauf von Kugellagertypen, die in Ungarn erzeugt werden, Provision
gewähren, ausserdem wird die Verzinsung und die Kapitalrückzahlung
genau festgesetzt und alles hat nach Auskunft Bírós für SKF
den grossen Vorteil, dass es jetzt bereits weiss, welchen Profit es
aus diesem Geschäft haben wird und nicht ein Risiko eingeht,
da der Verlust ausschliesslich zu Lasten Ungarns geht. Für diese Punkte
gibt es auch eine gewisse Kontrolleinrichtung. Bíró erklärte, er würde,
wenn er Millionen Forint hätte, diese niemals in ein Joint venture
investieren. Er wollte damit ausdrücken, dass auch ein ausländischer
Kapitalist eine bessere Lösung in der Kooperation findet als in dem
jetzt erst durch Verordnung beschlossenen Möglichkeit eines Joint
venture. Er verwies noch ganz besonders darauf, dass er auch mit Rumänien
und Jugoslawien über diese Probleme gesprochen hätte, denn auch dort wurde
jetzt eine solche Kapitalbeteiligungsmöglichkeit beschlossen und die


13-1352
Erfahrungen sind dort auch sehr negativ.

Die vertraulichen Briefe und der Briefwechsel über den Preisschutz
der österreichischen Unternehmer wurden sehr eingehend erörtert und von
Bíró zugesichert, dass der Geist dieses Abkommen sein müsste, nicht nur
liberal alles zu handhaben sondern darüber hinaus auch wirklich
alles zu tun, um den anderen Partnern nicht zu verärgern. Bíró
schlug mir ein Gentleman-Agreement vor, dass eine Seite eine Leistung
erbringen soll, ohne sofort auf die Gegenleistung der anderen Seite zu drän-
gen, ja sogar unabhängig von einer Gegenleistung der anderen Seite. Dies
kann sich nur zugunsten Österreichs auswirken, weil wir ja bekanntlicher-
weise jetzt bereits 60 % liberalisiert haben und weitere Liberalisierungs-
prozente in den nächsten Jahren bis 1975, wo die volle Liberalisierung
eintritt erreichen werden. Gleissner war von den Mitteilungen, die ich
ihm dann spät abends machte, sehr begeistert. Die ungarische Seite wieder
war sehr froh, dass wir den Vertrag unter Dach und Fach haben, weil schein-
bar der Widerstand der Handelskammer auch in Ungarn bekannt gewesen ist
und man nicht mehr angenommen hat, dass wir diesen Vertrag noch heuer
zum Abschluss bringen können. die ungarische Seite möchte aber mit den
anderen Oststaaten insbesondere Polen gleichgestellt sein und hat des-
halb auf den Abschluss so grossen Wert gelegt.

Dipl.Ing. Cifer von der Fa. Bauer will eine grosse Beregnungsanlage und
Entwässerungsanlage in Ungarn in Kooperation auch mit der Sowjet-
union starten. Er hat Weihs dafür gewonnen, dass er ein Protokoll von
einer Aussprache mit einem ungarischen Vizeminister von der Landwirtschaft
unterfertigt, wo dieses Projekt unterstützt wird. Cifer behauptet, dass
dies für Europa dieselbe Bedeutung hat, wie das angeblich von ihm jetzt
endgültig perfektionierte Tunis-Projekt. Da ich ihm ausdrücklich immer
wieder erkläre, dass er von mir nur eine moralische Unterstützung keines-
falls aber eine finanzielle Unterstützung erwarten kann, wundere ich mich,
dass er trotzdem immer so grossen Wert darauflegt, mich nicht nur zu
informieren, sondern auch erklärte, dass ich ihn in dieser Frage sehr unter-
stützen kann. Scheinbar trumpft er dann mit den Beziehungen zu den ein-
zelnen Ministern auf, um zumindestens formelle Zugeständnisse von Vertrags-
partnern zu erlangen.



13-1353

Dr. Schneider von der CA hat zu dem Kooperationsgespräch auch
Verhandlungen mit dem Gen.Direktor der Mineralölexportfirma ge-
sprochen, der bereit wäre, ein Joint venture zu machen. Zum
Glück konnte ich ihn über Details aufklären und sogar Unterlagen,
die ich vom Handelsdelegierten erhalten hatte, zur Verfügung stellen.
Schneider hat sicher jetzt den Eindruck, dass ich über alle Details,
die ungarische Seite betreffend, bestens informiert bin. Hier hat
wieder einmal der Zufall eine grosse Rolle gespielt. Schneider
sieht ein, dass es kaum möglich sein wird, eine wirkliche Joint
venture durchzuführen und wird deshalb versuchen, ob er vielleicht
in Österreich eine gemeinsame Handelsgesellschaft gründen kann.
In diesem Fall erklärte ich, würde das in mein Konzept sehr gut
hineinpassen, weil ich nämlich unter allen Umständen darauf hin-
weisen will, dass nicht nur die westlichen Staaten bei uns in
Österreich investieren, sondern auch Volksdemokratien, d.h. die
Oststaaten Niederlassungen und Betriebe, wie z.B. Tungsram
in Österreich betreiben. Schneider meint, dass sein Gen.Dir. Treichl
sehr gute Beziehungen zu Androsch hat und ihn daher in seiner Akti-
vität sehr hemmt, weil er zumindestens immer hinweist, dass dies
entgegen den Wünschendes Finanzministers durchgesetzt werden müsste.
Schneider hofft nun, dass mit meiner Unterstützung in seinem Vor-
stand mehr Projekte verwirklichen kann. Ich machte Schneider da-
rauf aufmerksam, dass soweit es sich um finanzielle Probleme der
Bank handelt, natürlich ausschliesslich das Finanzministerium zu-
ständig sei.

Beim Empfang am Sonntag abends, den das Donaueuropäische Institut
gab, konnte ich, nachdem ich Mittwoch nicht mehr in Budapest reden
kann, doch erstens allen Anwesenden danken, zweitens sie auffor-
dern mehrere Kooperationen womöglich abzuschliessen und drittens
dem Donaueuropäischen Institut und der ungarischen Handelskammer
für die Durchführung dieses Monsterkongresses meine Anerkennung
aussprechen. Als ich das Hotel verlassen wollte, kam gerade der
chinesische Aussenhandelsminister Pai, der von Bíró eingeladen wurde,
herein. Seine Ankunft hat sich, da sein Flugzeug in Karachi zurück-
gehalten wurde, verzögert und es war ein reiner Zufall, dass wir uns
im Foyer trafen. Irgendwer bemerkte mit Recht, so klein ist die
Welt, dass man selbst chinesische Minister, die man vor etlichen
Tagen erst gesehen hat, dann wieder in einem anderen Teil der Welt
treffen kann. Pai ist einer Gegeneinladung, die Bíró vor zwei


13-1354
oder drei Jahren ausgesprochen hat, gefolgt. Daraus kann ich ent-
nehmen, dass er sehr wohl ins Ausland reist und daher sicherlich
nicht erst im Rahmen einer Europa-Tour sondern wahrscheinlich spezi-
fisch für Österreich nach Wien kommen wird.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
    GND ID: 130620351


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter Ungarn, Kuba


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: CA


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Fa. Bauer, Inhaber Dienstpass HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ung. Außenhandelsmin.


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Bankier


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Außenhandel BWK


                Einträge mit Erwähnung: