Sonntag, 22. Oktober 1972
Die EFTA-Parlamentarier im Europa-Rat haben unter Vorsitz von
Czernetz in Strassburg den EFTA-Bericht verhandelt. Vorher
hatte Czernetz und Gen.Sekr. Rabaeus, sein Stellvertreter Wacker
von der EFTA und noch zwei Herren, die ich nicht kannte, in einem
piekfeinen Hotel "Sofitel" eine Vorbesprechung mit mir. Die Leiter
der Delegationen der einzelnen Länder hatten am Vortag bereits
ein Abendessen und bei dieser Gelegenheit hat Czernetz festgestellt,
dass die einzelnen Staaten auf alle Fälle bei der Berichterstattung
der EFTA an den Europa-Rat in Strassburg selbst verleiben wollen.
Die Idee von Gen.Sekr. Rabaeus, gegebenenfalls in Genf diese Tagung
abzuhalten, wurde nicht angenommen und nicht einmal weiter disku-
tiert. Damit brauchte ich den Wunsch des Aussenministeriums, welches
ebenfalls vorschlug, wir sollten auf alle Fälle in Strassburg
bleiben, gar nicht mehr näher erörtern. Bei der Vorbesprechung
setzte ich Rabaeus auseinander, dass wir für die EFTA-Tagung in
Wien kein weiteres Programm mehr veranlassen können als wir be-
reits jetzt vorgesehen haben. Es wird der Heurigenabend für alle
Delegierte und für das Sekretariat, der Empfang bei der Bundes-
regierung in Schönbrunn und auch ein Empfang von Bürgermeister
der Stadt Wien stattfinden. Rabaeus war damit voll einverstanden.
Ich wies noch darauf hin, dass wenn Karten gewünscht werden für
Burg oder Oper, müsste dies unverzüglich bestellt werden, denn
es sei dann unmöglich im letzten Moment Karten zu beschaffen. Eine
Einladung für alle Delegierten könnte schon allein deshalb nicht er-
folgen, weil wir ausserstande wären, für so viele eine entsprechende
Karte noch zu bekommen. Über die Bezahlung dieser Vorführung habe
ich erst gar nichts gesprochen. Ebensowenig habe ich erwähnt, dass
wir doch vielleicht eine Morgenarbeit bei der Spanischen Hofreit-
schule sehen können.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte dies während unserer Abwesenheit von
Min.Rat Ottahal als Verantwortlichem durchführen lassen.
Was die Tagesordnung betrifft, hat Rabaeus vorgeschlagen, dass
zuerst die 9 und dann eine Sitzung der 7 und zum Schluss wieder
eine Sitzung der 9, um noch einmal mit Dänemark und Grossbritannien
die Fragen besprechen zu können, einzuberufen. Ich glaube, dass
dies eine mächtige Tagesordnung werden wird, als viele Probleme
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wie Zollabbau resp. Aufbau Ursprungsregelung usw. zu be-
sprechen sind. Die so beabsichtigte, nur repräsentative Ver-
anstaltung für den Abschied der Ausscheidenden, die letzten Endes
die Grundlage waren, um den Tagungsort Wien zu wählen, wird jetzt
vielleicht wirklich zu einer Arbeitssitzung.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte den Tagesablauf und die einzelnen Ta-
gesordnungspunkte genau vorbereiten lassen. Als Vorsitzender wer-
de ich diesbezügliche Einleitungs- und Statements abgeben müssen.
Bei der Sitzung selbst, die Czernetz als Vorsitzender sehr gut
lenkte, er spricht ja auch perfekt Englisch, kennt infolge seiner
20-jährigen Tätigkeit im Europa-Rat alle einzeln, wurde, wie mir
nachher versichert wurde, eine ausgesprochene Diskussion und
Arbeitssitzung abgeführt. Zu meiner grössten Verwunderung hatte
ich dort eine Erklärung abzugeben, auf die ich eigentlich gar
nicht vorbereitet war. Nachdem es Sonntag abends gewesen ist,
dachte ich mir, dass eine kurze Erklärung vollkommen genügt. Teil
nahmen an dieser Sitzung auch zwei finnische Parlamentarier, die
natürlich sofort gefragt wurden, warum Finnland noch nicht unter-
zeichnet hat und ob es und wann es unterzeichnen wird. Entweder
wollten die nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken oder sie
waren wirklich nicht informiert oder wir sind falsch informiert.
Sie erklärten nämlich nur, dass die Regierung jetzt diesbezüg-
liche Beschlüsse fassen wird und dann dem Parlament vorlegen.
Wenn unsere Information stimmt, so hat sich der Staatspräsident
die Unterzeichnung den Zeitpunkt vorbehalten, ist jetzt bereit,
diese tatsächlich vornehmen zu lassen und dann erst im Parlament
die entsprechende parlamentarische Verhandlung abzuwickeln.
Bundesrat Heger fungiert in diesem Punkt als Berichterstatter
für die Vollversammlung. Er ergriff deshalb auch bei dieser
Arbeitssitzung auch das Wort und meinte, mit österreichischem
Stimmfall und Methode man soll die EFTA nicht vergessen und ins-
besondere die Engländer sollten sich daran erinnern, wie sie in
dieser Organisation selbst mitgearbeitet haben und dass sie
doch nach wie vor EFTA-Ländern entgegenkommen sollten. Sowohl
Czernetz als auch unser Botschafter Laube in Strassburg waren
über diese Methode, sich sozusagen hineinzuraunzen und nicht als
selbstbewusster Staat aufzutreten, sehr unglücklich. Ich selbst
habe das nicht als so schrecklich empfunden, weil letzten Endes
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meiner Meinung nach dort die einzelnen Abgeordneten viel
weniger den Staat oder das Parlament repräsentieren als sie
sich das vielleicht einbilden.
Die grösste Überraschung für mich aber war, dass an dem Abend
gleichzeitig die österr. Kolonie ein Nationalfeiertagsgedenken
hatte und ich durch reinen Zufall davon erfuhr. Ich habe natürlich
sofort den Generalkonsul davon verständigt, dass ich an dieser
Feier teilnehmen werde. Er war darüber sehr erstaunt, dass ein
Minister sich dafür zur Verfügung stellt und sehr erfreut. Zu
meiner grössten Verwunderung haben nicht einmal alle österreichi-
schen Delegierten in Strassburg daran teilgenommen. Nur NR Schieder
war solange ich dort war, ebenfalls anwesend und Bundesrat Heger
ist, bevor die Sitzung begonnen ebenfalls glaube ich einen Sprung
dort gewesen.