Mittwoch, der 11. Oktober 1972

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Mittwoch, 11. Oktober 1972

Abgeordneter Haberl, Willinger, Maderthaner, Teschl wollten
eine Aussprache über Weissenbach. LH Niederl, der mich bei der
Grazer Messe noch ersucht, wir sollten unter gar keinen Umständen
die ERP-Mittel für Tissue-Erzeugung durch die Fa. Starlight
bereitstellen, hat ein Telegramm geschickt, wo er die Bundes-
regierung ersucht, 50 Mill. S, ursprünglich waren es sogar 80 Mill.,
ERP-Mittel für Starlight bereitzustellen, Diese Wendung von Niederl
ist darauf zurückzuführen, dass er in St. Gallen den Bürgermeistern
und vor allem ÖVP-Funktionären eine Unterstützung zusagte. Er will
den schwarzen Peter jetzt der Bundesregierung zuspielen. Willinger
als Grazer Abgeordneter, wendete sich gegen die Neuaufnahme von
Tissue-Papier-Produktion in Weissenbach. Die Arlander hat nämlich die
Absicht, jetzt selbst eine grosse Produktion aufzuziehen. Da die
Papierindustrie aus dem ERP-Fonds 70 Mill. S insgesamt zur Verfügung hat
und Arlander den grössten Teil dieses Betrages benötigt, wollte Teschl
erreichen, dass der Finanzminister bereit wäre, zusätzliche Abstützungen
zu genehmigen. Kreisky hat bei der letzten Sitzung solche Erklärungen
abgegeben. Die Papierindustrie beabsichtigt ja, 2,9 Mia. S Investitionen
vorzunehmen. Androsch ist aber, wie ich vermutete, er hat dies bei der
Sitzung dann auch bestätigt, nur bereit, für die Umweltschutzaufwendungen
1,8 Mia. S den Zinsendienst zu übernehmen. Kreisky entschied letzten
Endes, dass wenn die Landesregierung tatsächlich Starlight unterstützt,
selbstverständlich auch die Bundesregierung die ursprüngliche Förde-
rungszusage, die ja nur wegen Niederls Wunsch zurückgestellt wurde,
aufrechterhält.

Gleissner, Mussil, Hillebrandt, Reiterer besprachen die nächst-
wöchigen Ungarnverhandlungen. Der Wunsch Gleissners geht dahin,
dass zu vereinbarten Schutzmassnahmen, die bilateral ähnlich wie
beim Polenvertrag von den Ungarn vielleicht akzeptiert werden, dann
innerösterreichisch durch ein Gesetz für alle Importeure, trotz der
GATT-Bestimmungen gesichert werden soll. Gleissner befürchtet, dass
ein Importeur nach Beitritt Ungarns zum GATT die GATT-Liberalisierung
in Anspruch nimmt und sich nicht an die Schutzklauseln, die die Ungarn
bereit waren zuzugestehen, zu halten. Ungarn sind nun keinesfalls
bereit, aus einem Regierungsübereinkommen – ein solches stellt nach
ihrer Auffassung der Handelsvertrag dar – einen Staatsvertrag, d.h.



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durch Parlamentsbeschluss ungarischerseits zu sanktionieren. Der Ver-
fassungsdienst verlangt aber, wenn die Absicherung Gleissner durch-
geführt werden soll, dass dies einen Parlamentsbeschluss benötigt.
Den Polen hat die Handelskammer einer solche Regelung noch nicht
verlangt und meint deshalb auch hier wäre es notwendig, einen entspre-
chenden Parlamentsbeschluss, d.h. ein Gesetz herbeizuführen. Da es sich
hier um eine prinzipielle Frage handelt, dass Österreich einen Vertrag
in einer höheren Stufe beschliesst als der Oststaat, erkläre ich sofort
dass ich dies erst mit Kirchschläger wegen der aussenpolitischen Konse-
quenzen besprechen müsste. Die Handelskammer stellt fest, dass wenn
es keine gesetzlich befriedigende Regelung gibt, sie dann auf der Hard-
core-Regelung bestehen müsse. Auch die EWG hat sich jetzt entschlossen,
gegenüber den Oststaaten keine volle Liberalisierung einzuführen, sondern
Hardcore-Fälle auszunehmen.

Bei dieser Gelegenheit habe ich Mussil gleich vorgeworfen, dass noch
immer nicht im Parlament ein Handelsausschuss zustande gekommen ist,
weil die Opposition alle Termin sabotiert. Benya ist nicht bereit, ihnen
den 21 Uhr Schluss-Termin in der Budgetdebatte zu geben, so haben sie
sich nicht bereit erklärt, zusätzliche Ausschusstermine festzulegen.
Die Verantwortung trifft daher die Handelskammer, wenn es mit der Gewerbe-
ordnung nicht weitergeht. Mussil versprach, sich einzusetzen obwohl
ich überzeugt bin, dass er gar nichts erreichen wird, sondern erst nach
einer allgemeinen Regelung, die sicher kommen wird, dann auch der Handels-
ausschuss einen Termin bekommt. Ich wollte auch mit dieser Klarstellung nur
festhalten, dass mir nicht einmal dann vorgeworfen wird, dass nichts weiter-
gegangen ist.

Besonders hart habe ich Mussil bezüglich der Wirtschaftsbund-Absicht
Demonstration wegen des Ladenschlussgesetzes zu machen, genommen. Ich
erklärte rundweg, dass man sich in dem Fall ausserhalb des Gesetzes
stellt, mit einem Wort ein Gesetzesbruch vorliegen wird und dass vor
allem wieder eine Politisierung dieses Problems Platz greifen wird,
obwohl wir vereinbart haben, sachlicher und ruhig eine diesbezügliche
Lösung im Konsumentenforum zu suchen. Mussil meinte, es würde keine
Gesetzesverletzung vorliegen, da sie beim Landeshauptmann um eine Ver-
längerung Freitag, 8 Uhr, einreichen würden. Da die Demonstration in
St. Pölten geplant ist, bin ich gespannt, ob der Landeshauptmann Maurer
tatsächlich ein solches Ansuchen bekommen wird und ob er es genehmigt.

ANMERKUNG PUR HEINDL: Bitte Jagoda ersuchen, dass er bereits jetzt fest-
stellt, wie die Gesetzeslage und vor allem wie der LH resp. Landesbehör-
den entscheiden.



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Da meine Fragen nicht zum Aufruf gelangten, habe ich mit Hobl gesprochen,
ob und warum er eine solche Anfrage, die vollkommen sinnlos ist, nämlich
ob ich bereit bin, die Abgaswünsche des Bürgermeister Slavik zu erfüllen,
gestellt hat. Hobl erklärte mir, er hätte von dieser Frage nichts gewusst,
der Klub hätte sie ihm zugeteilt und er selbst findet sie für vollkommen
sinnlos. Slavik hat hier, ohne mit dem ARBÖ oder sich gar mit ihm per-
sönlich zu besprechen, geglaubt, einen Umweltschutz-Gag aufgreifen zu
müssen. Hobl selbst wird die Frage entweder zurückziehen oder auf alle
Fälle motivieren. Min.Rat Storek und Min.Rat Metzner, mit denen ich
vorher dieses Problem eingehend durchbesprochen habe, meinten, dass
insbesondere Hobl vielleicht diese Anfrage gestellt hat, weil er beleidigt
sei, dass Slavik ihn sein Gebiet Aussagen und Forderungen gemacht hat,
die bis jetzt er bearbeitete. So sieht man, wie man unter Umständen in
einen falschen Verdacht gelangen kann. Da Hobl – und das glaube ich
ihm hundertprozentig – mit der Anfrage wirklich nichts zu tun hat.

Prof. Frisch und Dr. Kienzl besprachen mit uns im Institut die der-
zeitige Preissituation. Frisch ist der Meinung, dass wir bereits jetzt
neuerdings Massnahmen setzen, die inflationsfördernd sind. Insbesondere
wendete er sich gegen die zusätzliche 30 %-ige ausserordentliche AfA.
Dadurch wird die Investitionssteuer, die einigermassen dämpfend gewirkt
hätte, mehr als kompensiert. Frisch fährt nun zur OECD nach Paris und
wird sich dort auch umschauen, ob es vielleicht neuere Erkenntnisse
gegen die Inflationsentwicklung gibt. Tommy Lachs wendet sich ganz ent-
schieden gegen die Aufhebung der Netto-Preisverordnungen. Er meint,
dass ein neues System, wie es die Elektroindustrie vorschlägt, nur
dazu beitragen kann, wieder die alten Mondpreise einzuführen. Holoubek
dagegen meint, es wäre vielleicht zielführender, auf dem Bausektor die
Von-Bis-Preise jetzt zu registrieren. Ähnliche wie wir es jetzt mit der
Erhebung auf Grund des Preisbestimmungsgesetzes machen. Ein solcher Vor-
schlag wurde bei der Baukoordinierung, die Moser mit der Gewerkschaft
und den Unternehmerverbänden durchgeführt hat, von seiten Millendorfers
gemacht. Holoubek fürchtet allerdings, dass auf diesem Sektor
dann der Bis-Preis eine ganz grosse Rolle spielen wird, weil sich dann
doch vielleicht einige Unternehmungen daran orientieren werden. Eine
Manipulationsmöglichkeit für Von-Preis gibt es sehr leicht, denn man
braucht nur Anbote heranziehen, die in Wirklichkeit gar keine reelle
Basis haben. Die Baukosten haben in den letzten Jahren eine explosions-
artige Entwicklung mitgemacht. Während noch bei unserem Regierungsantritt


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man mit 3.000.– S pro m² gerechnet hat, gibt es jetzt bereits 5.500.–
Preise. Die Preisentwicklung ist wirklich beängstigend und die einzige
Möglichkeit, die ich sehe, ist zu versuchen, eine akkordierte Besprechung
der Interessenvertretungen mit den einzelnen Ressorts der Bundesregierung.
Solange aber jeder Minister für sich selbst versucht, eine Lösung auf seinem
Gebiet und Kreisky selbst die Koordinierung nicht ernsthaft betreibt
und vor allem kein endgültige Konzept mit den Interessenvertretungen
abgestimmt und ausgearbeitet ist, kann es meiner Meinung nach nicht zu
einer wirksamen Preisdämpfung kommen. Selbst wenn alle an einem Strick
ziehen und die HK mitmacht, wird es noch immer wesentlich Inflations-
tendenzen geben, die man aber dann einigermassen versuchen könnte,
zu bekämpfen.

Bei der Materialvorbereitung für die Klubtagung in Bad Gastein stellte
sich heraus, dass wir vollkommen falsch liegen. Das schriftliche Programm,
welches in knapp vor meiner Abreise zum ersten Mal sah, hat nämlich klar und
deutlich gezeigt, dass ich nur über die Europäische Integration mit
Weihs gemeinsam sprechen soll. Das umfangreiche Material, das Koppe vorbe-
reitet hat, fürchte ich, wird daher werden zur Ergänzung meines Referates
benötigt, noch werden sich die Abgeordneten besonders dafür interessieren.
Koppe hat angeblich mit Rauscher vom Klub, der dort leider nichts zu
sprechen hat, Gespräche geführt und Rauscher meinte eben, dass die
umfangreiche Vorbereitung zweckmässig wäre. Koppe hat sich dann eine
ungeheure Arbeit gemacht, die so fürchte ich, leider zwecklos sein
wird.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte Fritzl, überlege, ob Du nicht Deine Arbeitskraft,
die wir so dringend brauchen, zweckmässiger einsetzt. Dies gilt nicht als
Kritik, sondern nur als wirklich ernstgemeinter guter Ratschlag.

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Tagesprogramm, 11.10.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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        GND ID: 119100339


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          Tätigkeit: Enns (Stmk.)


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              Tätigkeit: Finanzminister
              GND ID: 118503049


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                Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


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                      Tätigkeit: Obmann Chemiearbeitergewerkschaft


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                        Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                          Tätigkeit: MR HM


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                            Tätigkeit: ÖGB


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                              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                                Tätigkeit: MR HM


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                                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                  GND ID: 102318379X


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                                    Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


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                                      Tätigkeit: Außenhandel BWK


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                                        Tätigkeit: Ökonom


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                                          Tätigkeit: Bautenminister


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                                            Tätigkeit: nö. LH (ÖVP), AR-Vors. DoKW


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                                              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                              GND ID: 130620351


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                                                Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                                  Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


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                                                    Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                                                    GND ID: 107489872


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                                                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                      GND ID: 118723189


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