Sonntag, der 1. Oktober 1972

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Sonntag, 1. Oktober 1972

Die Verhandlungen mit Aussenhandelsminister Nedew sind unter keinem
guten Stern gestanden. Nedew ist sehr ungehalten, ohne dass er es
zeigt, dass wir das Zusatzabkommen vom Jahre 1970, worin Jugoslawien
eine gewisse Sicherheit gegen die Diskriminierung seiner Produkte in
Österreich sieht, einseitig gekündigt haben. Fälbl hat jetzt im Juli
ohne eigentlich die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen genau zu
prüfen, dieses Abkommen gekündigt. Das Abkommen war allerdings noch
innerstaatlich gar nicht in Kraft, da das FM gegen die Formulierung,
nachdem Fälbl ratifiziert hatte, Einspruch erhoben hat. Fälbl sieht
darin nur eine übervorsichtigen Akt des FM. Tatsache ist aber, dass er
scheinbar unüberlegt, um die Jugoslawen stärker für den Vertragsab-
schluss unter Druck zu setzen, auch dieses Zusatzabkommen kündigte.
Darüber hinaus glaubte er ja im Juli, dass wenn er damit droht, dass
ich nicht nach Bulgarien komme, wenn der Vertrag nicht unterschrifts-
reif ist, die Bulgaren zu einer nachgiebigeren Haltung zu zwingen.
Genau das Gegenteil ist eingetreten. Nedew sagte mir, immer in-
offiziell, wie er sich ausdrückte, er würde erwarten, dass wir die
Kündigung des Zusatzprotokolls zurücknehmen. Andererseits möchte
er jetzt erreichen, dass die Bulgaren auch mit dem EG-Abkommen,
das natürlich den europäischen Wirtschaftsgemeinschaftsstaaten
gewisse Vorteile bringt, nicht benachteiligt wird. Ihm schwebt
deshalb vor, dass Bulgarien, ähnlich wie die EWG-Staaten, auf dem
Landwirtschafts- und vor allem landwirtschaftlichen Verarbeitungssektor
gleich behandelt wird. Min.Rat Fälbl hat nun zu meiner grössten Ver-
wunderung die EG-Regelung, die wir bereits im Gesetz verankert haben,
nicht gekannt. Er wollte und hat wahrscheinlich bei Vorbesprechungen
ähnliche Äusserungen gemacht, den Bulgaren zusichern, dass sie bei
den Landwirtschafts- und landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten
gleich behandelt werden wie alle anderen Staaten. Während der Vize-
aussenhandelsminister Lukanow sehr genau über die Probleme informiert
war, hat Fälbl keine Ahnung gehabt von unserem EG-Vertrag. Lukanow
wollte immer wieder wissen, was geschieht mit den Abschöpfungsbeträgen.
Er bezeichnet diese als Taxen und war über meine Erläuterungen sehr
befriedigt, allerdings nur was die Erläuterung betraf, nicht die
Tatsache, dass er dadurch natürlich benachteiligt wird gegenüber
dem jetzigen Zustand. Als ich Fälbl zur Rede stellt, wieso er die


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Bestimmungen des EG-Vertrages nicht kennt, erwidert er, dass er
verlangt hätte, einen solchen Entwurf zu bekommen, dies aber von
der Sektionsleitung abgelehnt wurde. Angeblich war nur ein einziges
Exemplar im Hause vorhanden und dies kann ihm nicht gegeben werden.
Ich kritisierte sofort, dass ich eine solche Informationslücke nicht
zur Kenntnis nehmen kann. Wenn Fälbl ohne die Detailinformationen
zu besitzen, zu Handelsvertragsverhandlungen fährt, kann das grösste
Unglück passieren.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich halte diese Tatsache trotz unserer zweiein-
halbjährigen Bemühungen für vollkommen indiskutabel. Ich habe ange-
nommen, dass zumindestens die sachliche Information auf schriftli-
chem Wege zwischen den einzelnen Abteilungen in der Sektion I funk-
tioniert, wenn sich schon die einzelnen Referenten und der Sektions-
leiter persönlich so schlecht verstehen.

Um die Bulgaren vielleicht doch noch für einen neuen Vertrag ohne
das Zusatzprotokoll gewinnen zu können, haben wir ihnen in Aussicht
gestellt, dass wir so wie mit der SU einen zehnjährigen Handels-
vertrag mit weiter Perspektive schliessen können, sowohl Nedew als
auch der bulg. Ministerpräsident waren über diese Aussicht positiv
berührt und ich hoffe, dass es gelingt, damit die Vertragsschwie-
rigkeit zu überwinden. Vizeaussenhandelsminister Lukanow allerdings
kennt das System am besten, da er bereits drei Jahre in Genf bei
den internationalen Organisationen als bulgarischer Vertreter tätig
war und dort die entsprechenden Erfahrungen gesammelt hat. Er selbst
wollte deshalb von mir immer Zusagen haben, dass wir die fixen Teilbe-
träge der Abschöpfung gegenüber Bulgarien so gestalten wie gegen-
über allen Staaten. Diese Zusage konnte ich ihm natürlich nicht
machen, sondern erklärte dezidiert, dass hier die Taxen als fixer
Teilbetrag genauso behandelt werden wie die Zölle, ur der bewegliche
Teilbetrag, d.h. die Abschöpfung zwischen den tiefen Weltmarktpreisen
und den hohen Inlandspreisen werden gegen alle Staaten gleichmässig
angewandt. Um den Bulgaren die Möglichkeit zu geben, unsere
Verhältnisse genau zu studieren, versprach ich ihnen unverzüglich
die Abschöpfungsgesetze und natürlich auch den Zehnjahresvertrag mit
der SU zu übermitteln. In beiden Fällen war dies nichts anderes
als eine Höflichkeitsfloskel, denn beides können sie sich ohne weiter
verschaffen.Die Abschöpfungsregelung ist im Bundesgesetzblatt in der


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nächsten nächsten zu erwarten und der Zehnjahresvertrag, den ich mit
Patolitschew unterfertigen werde, können sie sicherlich bereits jetzt
aus der SU ohne weiteres bekommen. Mit diesen Geste hoffte ich, dass
ich die Verärgerung der Bulgaren einigermassen ausgleichen kann.

Wenn das Protokoll in Bulgarien eine gewisse Rolle spielt und ich
weiss, dass es sogar sehr streng gehandhabt wird, waren die Umstände
unter denen wir in Bulgarien empfangen und letzten Endes auch be-
gleitet wurden, typisch für die Verärgerung. Zur Plowdiwer Messe
hat uns nicht einmal ein Vizeminister begleitet sondern nur der
neue Handelsrat. Den neue Handelsrat Tichomirow wurde von dem
Aussenhandelsminister, aber auch vom Ministerpräsidenten als
äusserst tüchtiger und bedeutender Mann geschildert. Tatsache
ist, wie der Handelsdelegierte Syrovatka versicherte, dass
Tichomirow zuerst als Vizeaussenminister bei dem Vorgänger
von Aussenhandelsminister Nedew nämlich Awramow, der in der
Zwischenzeit abgesetzt wurde, als bedeutender Vizeaussenminister
galt. Nedew hat nun als letzten Vizeaussenhandelsminister Tichomirow
abgesetzt. Nach längerem monatlichen Urlauben wurde er dann nach
Wien versetzt. Nedew meinte, dass Tichomirow ein vorzüglicher und
hervorragender Kenner der bulg. Probleme ist und wenn er nun die
österreichischen bald kennen wird, imstande sein müsste, den Aussen-
handel zwischen den beiden Staaten wesentlich zu verbessern. Fälbl
hält natürlich von dem neuen Handelsrat überhaupt nichts, so wie
er auch mit seinem Vis a vis, dem Gen.Direktor Christow grosse
Schwierigkeiten hat. Zumindestens erzählt er mir, wie schwer sich
mit ihm verhandelt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wenn er
die einzelnen Vertragsbestimmungen z.B. des EG-Vertrages nicht kennt,
sich dann wohl sehr schwer verhandelt, weil die andere Seite hier
scheinbar besser informiert ist als er. Ausserdem hat Fälbl noch
immer ein sehr forsches Auftreten, das so ganz meiner Auffassung
von Vertragsverhandlungen widerspricht. Z.B. hat er der bulg. Seite
angeblich ein Dokument über die Teilnehmer überreicht und diese
hat sie angeblich nicht erhalten. Er attackierte in meiner Anwesen-
heit sofort den dafür verantwortlichen und meinte, als er ihm diese
dann neuerdings übergab, dass das jetzt in aller Öffentlichkeit
dokumentiert sei, dass er diese Dokumente aber nun endgültig erhal-
ten habe. Als man uns beim Frühstück in Plowdiw keine weichen
Eier servierte, hat er dort ebenfalls sofort entscheidend und


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energisch protestiert. Die Ausrede des Bedienungspersonal erschien
mir am Anfang auch sehr komisch. Auf meinen Wunsch ein kernweiches Ei
zu bekommen, hat die Übersetzerin, eine junge Universitätsprofessorin
die im Aussenhandelsministerium jetzt Deutsch unterrichtet, naiv mir
mitgeteilt, dass der Arzt dies verbietet und nur harte Eier verab-
reicht werden. Entweder hat sie es nicht gewusst oder hat es wirklich
nur wortwörtlich übersetzt, dies sei gegen die Gesundheit. Ich akzep-
tierte natürlich ein hartgekochtes Ei. Fälbl aber, der an einem
anderen Tisch sass, schickte Koll. Reiss um die Dolmetscherin und den
Protokollmann und ich hörte, wie er erklärte, dies überlassen sie
mir. Als der Protokollmann und die Übersetzerin dann sehr
betroffen zurückgekommen sind. Syrovatka erklärte UNS später, warum
in Plowdiw nur harte Eier verabreicht werden. Es soll sich dort angeblich
eine Ei-Krankheit ausgebreitet haben, die den Genuss von halbgekoch-
ten Eier nicht zweckmässig erscheinen lässt. Es war also tatsächlich
eine ärztlich Anweisung, allerdings nicht aus Gesundheitsgründen gegenüber
den einzelnen Patienten, sondern aus Veterinärgründen aus dem Ei bedingt,
die veranlassten ein hartgekochtes Ei nur zu verabreichen. Als Fälbl
dies erfuhr, meinte er, hätte er das nur früher gewusst, dann hätte
er überhaupt kein Ei gegessen. Die Szene hat sicherlich nicht sehr
Gesundheit, wohl aber seinem Ansehen geschadet. Andererseits ist Fälbl
imstande aus Situationen im Osten die nur er gut kennt, auch das
Positivste herauszuholen. So hatte er u.a. im Balkalhotel ein Mittag-
essen arrangiert, das zweifelsohne das Beste während unserer ganzen Reise
gewesen ist. Selbst der bulg. Aussenhandelsminister war nicht im-
stande bei seinem Essen, das er mir gab, auch nur annähernd eine solche
Qualität herzustellen Darüber hinaus bezahlt Fälbl dieses Essen mit
schwarzen Lewa anstelle der 12.80 ca. 7.– S, sodass es verhältnismässig
sehr billig kommt.

Der Handelsverkehr zwischen Österreich und Bulgarien hat sich wesent-
lich verschlechtert. In den ersten 8 M0naten ist die Einfuhr aus Bulga-
rien von 898 Mill. auf 247,7 Mill., d.h. um 49,7 Mill. S gestiegen. Die
Ausfuhr dagegen ist von 460 Mill. auf 327,4 Mill., d. sind um
132,6 Mill. zurückgegangen. Nedew erklärt, dass sie eine solche
Restriktion vornehmen mussten, um ihre Bilanz auszugleichen. Er
selbst ist über diese Entwicklung sehr unglücklich und
hätte es gerne gesehen, wenn Österreich die finanziellen Voraussetzung
geschaffen hätte, um Exporte aus Österreich nach Bulgarien zu ermög-
lichen. Zum Glück konnte ich ihm aus Mitteilungen von Herrn Moskovics


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vom Bankhaus Winter sagen, dass österr. Banken ihm einen 15 Mill. $-
Kredit auf 3 Jahre, 1,25 % über den Euro-Dollarmarkt angeboten haben.
Ich wusste allerdings, dass die Bulgaren wesentlich günstigere
Konditionen von den Schweizern resp. von den Japanern in letzter
Zeit erhalten haben. Sie haben deshalb auch nicht mehr Kredite bei
uns aufgenommen sondern ganz im Gegenteil beginnen Kredite umzuschul-
den. Überziehungskredite der Banken von 1 Mia. S haben sie in der Zwi-
schenzeit auf 559 Mill. durch Umschuldung zurückführen können. An
Ausfuhrkrediten sind derzeit für Bulgarien 651 Mill. aushaftend. Ebenso
müssen sie den Technischen Kredit aus dem liquidierten Clearing von
100 Mill. mit erster Rückzahlungsrate 1.7.1973 abstatten. Darüber hinaus
gibt es noch gebundene Warenfinanzkredite von 72,3 Mill. S. Auf Grund
dieser finanziellen Mitteilungen konnte ich mich einigermassen rechtfer-
tigen, dass ich sehr wohl bestrebt bin, den bulg. Export nach Österreich
zu forcieren, andererseits aber darauf Wert legen muss, dass auch der
österr. Export nach Bulgarien wieder stärker angekurbelt. wird. Zu
diesem Zweck zitierte ich auch die Bemühungen, die ein gewisser
Herr Gineff mit Abgeordneten Karl Blecha versucht. Blecha sagt zu dem
Mann, der in Österreich studiert hat und perfekt kann, immer Ganeff,
allerdings angeblich unbeabsichtigt. Da Blecha auch in Sofia war,
habe ich ihn dann zum Mittagessen mit Herrn Gineff eingeladen. Ich
weiss noch immer nicht, was Herr Gineff eigentlich in Bulgarien für
eine Rolle spielt. Sicher ist, dass er den Aussenhandelsminister gut
kennt, wie ich aus der Begrüssung feststellen konnte, die Bürokratie
ihn aber scheinbar überhaupt nicht kennt. Sowohl der Ministerpräsident
als auch der Aussenhandelsminister haben die Probleme des bulg. Ex-
portes nach Österreich folgendermassen gesehen: Beide sind davon über-
zeugt, dass Bulgarien von den von ihnen produzierten Maschinen einen
wesentlich grösseren Teil nach Österreich liefern könnten. Derzeit
macht der Maschinenanteil 1 % aus. Vom gesamten bulg. Aussenhandel
aber beträgt er 30 %. Diese Ziffer ist nur so erklärlich, dass eben
von bulg. Maschinen in der COMECON-Region abgesetzt wird. Bulgarien
möchte nun diese Maschinen auch nach Österreich liefern. Ich selbst
erklärte, dass kein Ministerium in Österreich eine diesbezüglichen
Einfluss auf die Firmen nehmen kann. Die österr. Firmen sind wahrschein-
lich nur dann dazu bereit, Teile von Maschinen oder ganze Maschinen
zu übernehmen, wenn sie im Kooperationsverfahren diese selbst mit er-
zeugen und gegebenenfalls dann eben in Österreich als Kooperationsprodukt
verkaufen können.



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Auf der Plowdiwer Messe hat man uns dann diese Maschinen vorge-
führt. Ich bin natürlich kein Fachmann, kann mir aber nicht vor-
stellen, dass diese ganze datengesteuerten Maschinen von Bulga-
rien wirklich preiswert und in bester Qualität hergestellt werden
Sicherlich werden sie diese Maschine in Kooperation oder Lizenz-
verfahren von Ostdeutschen oder russ. Seite unterstützt erzeugen.
Dennoch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die österr.
Unternehmungen doch viel lieber aus der westdeutschen Bundes-
republik Werkzeugmaschinen und Anlagen kaufen. Mein Hin-
weis, dass solche Anlagen nur im Kooperationsverfahren nach Öster-
reich kommen könnten, hat auch die Zustimmung der bulg. Seite bekom-
men. In letzter Zeit war es möglich, drei Kooperationsverfahren
mit bulg. Firmen abzuschliessen, die Firma Kohmeier für Ketten,
die Firma Schember für Waagen und die Firma Schrack für
Telefoneinrichtungen. Grössere Anlagen hat Bulgarien zwar
in letzter Zeit vergeben u.a. eine Ethylenanlagen für 25 Mio. $
7 Firmen, darunter auch die VÖEST haben sich daran beteiligt,
den Zuschlag hat aber eine italienische Firma bekommen. Ausschlag-
gebend dafür waren nicht nur die guten Zahlungsbindungen, sondern
wie Nedew mir erklärte, dass sich die Italiener bereiterklärten
Elektrokarren für 12,5 Mill. $ zu kaufen Nedew meinte dann
auch beim Ministerpräsidenten, ihm ist es unerklärlich, dass die
anderen Staaten sehr wohl die bulg. Wünsche erfüllen können und
dadurch einen wesentlich besseren Aussenhandel haben als Öster-
reich. Die Japaner z.B. haben jetzt für 16 Mill. $ Wälzlager
geliefert, importieren dafür aber 5 Mill. $ Maschinen aus
Bulgarien. Auch auf dem landwirtschaftlichen Sektor nimmt Bul-
garien heute eine andere Stellung und Haltung ein als früher.
Sie haben z.B. jetzt einen 15-jährigen Geflügelfleisch-Export-
vertrag über 5.000 jato abgeschlossen. Dieser kann noch wesent-
lich erhöht werden und die Preise richten sich nicht nach einem
fix vereinbarten sondern nach dem jeweiligen Tagessatz. Nedew
meinte, wir müssten ähnliche Voraussetzungen für Exporte in
Österreich schaffen, dann würden sie noch wesentlich mehr impor-
tieren als sie derzeit eben durch die Restriktion gezwungen
sind. In Wirklichkeit hat mein Hinweis, dass wir ja multila-
teralisiert haben und sogar auf Schillingfakturierungen über-
geben müssten, nicht wesentlich Eindruck gemacht, Die Bulgaren
haben zwar der Multilateralisierung, die sie selbst wollten,


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auch zugestimmt und auch die Schillingfakturierung akzeptiert,
denken aber nach wie vor nur bilateral. Sie wollen einigermassen
einen ausgeglichenen Export und Import haben und denken daher nicht
daran wirklich entsprechende multilaterale Politik zu verfolgen.
Syrovatka erklärte mich auch, was ich schon wusste, dass sie inner-
halb des COMECON keinesfalls multilateral handeln, sondern sehr wohl
auch bilateral einmal ihre Überschüsse oder Unterdeckungen abrechnen.
Sie wollen aber, dass jede Bilanz zwischen den einzelnen Staaten aus-
geglichen ist und sind daher auch innerhalb des COMECON nicht bereit,
wirklich so wie die Weststaaten dies seit einem Jahrzehnt machen, ihre
Überschüsse durch Zahlungsausgleich auszugleichen. Ich glaube, dass
wir unsere Philosophie gegenüber den Oststaaten wesentlich
ändern müssen. Während mein Amtsvorgänger zu meinem Glück schon
die Multilateralisierung mit der SU beginnend eingeleitet hat
und auch den anderen Staaten diesbezügliche Zusagen gemacht wurden,
beginnt jetzt die Handelskammer und dies mit Recht als einen Fehler
zu erkennen. Sie möchte deshalb wesentlich stärker wieder zum bila-
teralen Verhandeln mit den Oststaaten wieder zurückkehren. Dies ent-
spricht auch der Mentalität der Oststaaten viel stärker als das
beste multilaterale Konzept. Ich glaube, dass auch wir uns
schön langsam dieser neuen, d.h. eigentlich alten Auffassung an-
schliesen müssen.

Das Tollste, was ich bei der Plowdiwer Messe feststellen konnte,
war eigentlich nicht die Überraschung, dass sie alles elektronische
Datenverarbeitungen usw. selbst erzeugen, sondern dass sie auch dort
ein Modell aufgestellt haben, wo sie die Landwirtschaft elektronisch
datenmässig gesteuert und durch Fernsehapparate beobachtet in einem
Grossbetrieb im sogenannten Dispatcher-System führen wollen, In diesem
Fall wäre in einer Zentrale mit Hilfe von Fernsehgeräten aus dem Komman-
doturm jederzeit eine Überwachung und Än-
derung der Disposition auf dem Feld möglich, Man hat dies dort so aufge-
baut, dass man sechs Bilder von jeweiligen Abschnitten der landwirt-
schaftlichen Produktion, also z.B. ein Weizenfeld, eine Kuhherde
einen Hühnerstall usw. zeigte, die dann auf Fernsehkameras übernommen
wurde. In dem Modell dann ein riesengrosses landwirtschaftliches Gute
waren dann die entsprechende Kommandostelle und die einzelnen Zweig-
stellen, wie eben z.B. Kuh-Ranch, d.h. die Kuhweide eingezeichnet


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und dort ist immer dann ein Licht aufgeleuchtet. d.h. hier hat
Funkkontakt bestanden. Ich frage mich nur, wozu eine solche Spie-
lerei gut ist. Bei den verhältnismässig starken Überschuss an
Arbeitskräften, man setzt bekanntlicherweise in Bulgarien höchst-
qualifizierte Diplomingenieure für Arbeiten ein, die bei uns ein
Vorarbeiter erledigt, brauchte ich doch nicht eine so elektronisch
gesteuerte und mit Fernsehkameras überwachte, durch Funkbefehl zu
ändernde Landwirtschaftsproduktion. Hier kann es sich nur darum han-
deln, dass ein Bezirkssekretär der Partei in seinem Gebiet vielleicht
wirklich eine solche Anlage installieren lässt um als mustergültig
für das Jahr 2000 dazustehen. Kosten dürften in so einem Fall
aber nicht berechnet werden, Die Bulgaren waren daher sehr ver-
wundert als ich ihnen erklärte, dass wir in Österreich keine voll-
ständige eigenständige Elektronenindustrie mit Datenverarbeitungen
usw. aufziehen. Wir haben wohl einige Firmen, wie z.B. Potter oder
Siemens, die bei uns Teile der EDV-Produktion erzeugen und dann
entweder alles Exportieren oder einen Teil davon auch in EDV-
Anlagen, die in Österreich dann zur Verwendung kommen, einbauen.
Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir jetzt bereits in
Österreich mehr EDV-Anlagen bei den Betrieben laufen haben, als
es in Bulgarien der Fall ist. Mein Hinweis, dass trotzdem eine öster-
reichische Produktion viel zu teuer zu stehen käme und die Entwicklung
nicht mitmachen würde und könnte, wurde nur mit einem Kopfschütteln
zur Kenntnis genommen. Die Gefahr, dass ein kleiner Staat, wenn er
so etwas anfängt, bei der ersten Genration hängen bleibt, wo die
grossen Wirtschaftsmächte dann bereits bei der dritten oder vierten
Generation halten, hat scheinbar überhaupt nicht Eindruck gemacht.
Mit Unterstützung der SU werden sie dieses Problem auch bestens löse
Kosten dürften auch hier scheinbar keine Rolle spielen.

Da mir Nedew mitteilte, dass über unsere Verhandlungen in der
Presse umfangreiche Artikel erschienen sind, er hat sie mir gezeigt
und ich bin überzeugt, obwohl sie kyrillisch waren und ich daher
kein Wort lesen konnte, sie haben sicherlich gestimmt. Darüber hinaus
hat er mir mitgeteilt, dass im Rundfunk bereits eine entsprechendes
Interview von mir gesendet wurde und am Abend dann das Fernsehen
meinen Besuch beim Ministerpräsidenten, die nichts beinhaltende
Protokollunterzeichnung usw. bringen wird. Ich setzte ihm ausein-
ander, dass in Österreich in dieser Beziehung andere Zustände


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sind. Vor allem erwiderte ich, dass im Fernsehen und Rundfunk
keine wie immer geartete Möglichkeit von Seiten der Regierung be-
steht, auf entsprechende Sendung von dem Rundfunk als nicht interes-
sant erscheinende Materie, was in diesem Fall auch zutreffen würde
zu veranlassen. Aus diesem Gespräch entwickelte sich natürlich dann
die Diskussion, ob ihr System besser sei als unser kapitalistisches.
Ich erwiderte, dass wir uns als Gewerkschafter und Sozialisten, die
wir zwar unser System reformieren wollen, doch in unserem System
wohler fühlen als in dem der Bulgaren, was aber nicht besagt, dass
sie sicherlich anderer Meinung sind. Interessant war noch die Be-
merkung von Nedew, dass nachdem er mich zum Flugplatz brachte,
die Übersetzerin falsch übersetzt hat. Der Ministerpräsident
hat mich nicht als Exzellenz angesprochen, sondern wir haben dann
über den Vizeaussenminister in Englisch uns unterhalten, aus
Comrade, d.h. als Genosse angesprochen hat. Nedew meinte, dies
sei eine ganz besondere Auszeichnung mir gegenüber und es sei
das erste Mal, dass der Ministerpräsident einen westlichen
Wirtschaftsminister so bezeichnet hat. Ich habe nur erwidert,
ich wüsste diese Ansprache, jetzt im Englischen verstehe ich sie,
sehr wohl zu schätzen, ohne natürlich mich zu äussern, ob ich
darüber wirklich sehr glücklich sein soll oder nicht.

Tätigkeit: HK, Handelsattaché öst. Botschaft Sofia


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    Tätigkeit: bulgar. Außenhandelsminister


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      Tätigkeit: Beamter HM


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        Tätigkeit: [1971 als Russlandexperte genannt; Thema Handelsbilanz; bereits erfasst ist Moskovics, Thomas, Bankhaus Winter; dieses auf Ost-West-Handel spezialisiert; Thomas M. lt. Homepage ab 1973 tätig, bis dahin ist immer Simon M. genannt]


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          Tätigkeit: Chauffeur Staribachers


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            Tätigkeit: bulg. Vizeminister


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              Tätigkeit: SChef HM
              GND ID: 12195126X


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                Tätigkeit: rumänischer Minister


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 129507873


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: bulg. Außenhandelsminister


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: bulg. Vize-MP


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


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