Montag, 25. September 1972
Beim jour fixe mit Sallinger und Mussil ist letzterer sehr erschüttert
oder spielt zumindestens so. Er hat seit 35 Jahren die verschieden-
sten Verhandlungen schon geführt aber noch niemals wurde er so
enttäuscht wie jetzt von der SPÖ-Regierung. Er hätte auf Treu und
Glauben mit Androsch über die Frage der möglichen steuerlichen Be-
günstigung der Unternehmer im EWG-Begleitprogramm verhandelt,
wurde von ihm überzeugt, dass keine Möglichkeit besteht, die
Wünsche der Handelskammer zu erfüllen und dann nach Abschluss der
Verhandlungen wurde von Androsch ein weitergehendes Programm vor-
gelegt. Er sieht jetzt kaum mehr Möglichkeiten, mit Androsch und
der Regierung unter solchen Umständen überhaupt Vereinbarungen
schliessen zu können. Ein zweiter Fall ist das Problem der Mit-
bestimmung. Hier wäre Kreisky, da er die Stahllösung nicht anders
zustandegebracht hätte, als durch Ausweitung der Mitglieder des
Aufsichtsrates mit 1/3 Arbeitnehmer an Häuser herangetreten und
dieser hätte dann für die gesamte Industrie die Drittelbestimmung
in den Entwurf aufgenommen, obwohl in der Kodifikationskommission
diese betriebliche Mitbestimmung noch gar nicht durchbesprochen
sei. In diesem Fall erklärte ich Mussil, dass der ÖGB bereits seit
Jahren einstimmige Beschlüsse gehabt hat, dass eine solche Ausdehnung
der Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene verlangt wird. die über-
betriebliche Mitbestimmung, die durch die starke Einschaltung des
ÖGB schon weitgehend erreicht ist, kann keinesfalls die betriebliche
Mitbestimmung ersetzen. Dies hat Mussil genau gewusst und deshalb
ist der Vorschlag von Häuser keinesfalls als Überraschungsmanöver
zu bezeichnen.
Sallinger gibt zu, dass für die Entwicklungshilfe grössere AHF-(Aussen-
handelsförderungs-)Beträge zur Verfügung gestellt werden sollen,
wie ich vor einigen Tagen bei Gleissner, Wakolbinger, Pfoch angeregt
habe. Diesbezügliche Vorschläge werden im Präsidium der Handels-
kammer besprochen werden.
Der Handelskammervertreter in Ostberlin kann nicht Visa ausstellen
und deshalb müsste, wenn es zu einer diesbezüglichen Regelung kommt
wie in der Schweiz eine staatliche Stelle diese Funktion übernehmen.
Ich erkläre sofort, dass ich mit Kirchschläger über dieses Problem
sprechen werden und Kirchschläger bestätigt mir bei der Minister-
ratsvorbesprechung, dass eine solche Absicht gar nicht bestanden hat.
Wenn es nach seiner Rückkehr von der UNO zur Aufnahme der Bespre-
chungen mit der DDR zu Besprechungen kommen wird, dann wird eine
Lösung auf staatlicher Basis gesucht.
Ich bringe neuerdings das Problem der Kommerzialratstitelverleihung
und Überreichung zur Sprache, da Dr. Hasbacher von Kärnten noch immer
nicht erledigt ist. Sallinger gibt vor, über die ganze Kommerzialrats-
lösung sehr unglücklich zu sein, weil auch er ständig unter Druck
kommt. Er würde mir ohne weiteres die 10 Kommerzialräte wieder
zurückgeben. Hier deute ich an, dass es sich bei einer gesetzlich ein-
wandfreien Regelung nicht darum handeln könnte, dass ich die 10 Komm.-
Ratstitel, sondern alle Kommerzialratstitel auf Vorschlag der Handels-
kammer selbst zu entscheiden hätte, wer sie bekommt und dann alle
selbst zu übergeben hätte.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Sallingers Sekretär Dr. Oder wurde beauftragt,
dieses Problem neuerdings zu prüfen. Vielleicht könnte man durch be-
wegliche Verhandlungsführung über diese Frage mit der Handelskammer
in ständigem Kontakt bleiben und dadurch einzelne Fälle durchbringen,
ohne dass sie auf das Kontingent des Freien Wirtschaftsverbandes an-
gerechnet werden müssen.
Min.Rat Ottahal, den ich in dieser Frage schon einigemale ersucht habe
er sollte ständig die Problematik mit der Handelskammer besprechen,
ist für eine solche bewegliche Kriegsführung nicht geeignet. In diesem
Fall musst Du über das Sekretariat des Sallinger diesen Kontakt und
Lösungsmöglichkeiten aufrechterhalten.
Der Vorschlag Westreichers, einen Umweltpass für die Gemeinden
einzuführen wird von mir gegenüber Sallinger und Mussil als für den
Fremdenverkehr tödlich bezeichnet. Sallinger erklärt sofort, dass
er dies bei dieser Wirtschaftsbundbesprechung, wo NR Westreicher
den Vorschlag gemacht hat, auch entsprechend vom Tisch gewischt hat.
Zu seiner grössten Verwunderung wurde dies dann doch in der Presse
breitgetreten. Beim Empfang für den Malaysischen Ministerpräsidenten
komme ich mit Sallinger und Leodolter auf dieses Problem neuerdings
zu sprechen und erkläre, dass die Bundesregierung – wo Leodolter zu-
stimmt – einen solchen Verschlag auf alle Fälle ablehnen wird.
Die verheerenden Folgen für den Fremdenverkehr ausgenommen die Gemeinde
Serfaus und vielleicht einige andere westliche Gebiete, wo noch reine
Luft, sauberes Wasser und wenig Lärm besteht, welche im Pass festgehalten
werden sollen, wäre kein Grund zur Einfrierung eines solchen Umwelt-
schutzpasses. Sallinger bemerkt, dass dies eine Aktion ist, die sich
insbesondere gegen den Osten richtet. Mussil muss zugeben, dass der Ver-
schlag Westreichers für den Fremdenverkehr tödlich wäre.
Der neuseeländische Generalsekretär Moriarty will bei seiner Vorsprache
Zusagen, dass wir Schafe aus Neuseeland in stärkerem Masse importieren
und beschwert sich ganz besonders über die Umsatzausgleichssteuer. Ebenso
möchte er, dass wir mehr Wolle aus Neuseeland beziehen. Wir haben jetzt
einen unbedeutenden Handelsverkehr von 45 Mill. Importen, wovon
23 Mill. S Wollimporte sind. Ich nütze die Gelegenheit, um den General-
sekretär zu ersuchen, wenn er jetzt noch Brüssel und in weiterer Folge
nach London kommt, den österreichischen Wunsch über Regelung der Milch-
pulver- und Butterexporte nach England zu unterstützen. Abends erklärt
mir der britische Botschafter bei dem Empfang für den malay. Minister-
präsidenten, dass er von Generalsekretär diesbezüglich bereits in-
formiert wurde, eine grössere Unterstützung von Neuseeland wäre aber aus
Konkurrenzgründen kaum zu erwarten. Ich versuche und versuchte vor allem
den Neuseeländer davon zu überzeugen, dass es sich um eine unbedeutende
Quantität gegenüber dem neuseeländischen Export nach Grossbritannien
handelt. Meisl, der anwesend war, wird diese Unterredung festhalten,
dass wir in weiterer Folge feststellen können, dass wir bei jedem Ge-
legenheit die Interessen der Landwirtschaft vertreten haben. Moriarty
wird noch eine Aussprache mit dem Landwirtschaftsminister in dieser
Frage haben.
Beim Pressefrühstück waren um 10 Uhr nur einige Journalisten anwesend
und Koppe meinte schon, dies seien jetzt nur die Spezialjournalisten,
weil die anderen sich über dieses Problem nicht zu interessiert ge-
zeigt hätten. In weiterer Folge aber war die Runde ganz komplett und
es kam sogar ein ÖAMTC-, Soche, und ein ARBÖ-Vertreter. Die Aktion
"Überprüfung der KFZ" wie sie nun in der VO geregelt wird, kann ein
grosser Erfolg sein, wenn es uns gelingt, die Presse und die Massen-
medien davon zu überzeugen, dass es sich hier nicht um eine bürokratische
Schikane handelt sondern um ein Sicherheitsproblem der Strasse für alle
Benützer. Wenn die Landesregierungen bereit sind, entsprechend viele
KFZ-Mechaniker und vor allem die Prüfstellen des ÖAMTC und ARBÖ in
12-1150
genügendem Masse heranzuziehen, dass gibt es auch sicherlich keine
Stauungen bei der Überprüfung, resp. Beschwerden der Kraftfahrer,
dass sie nicht die Möglichkeit haben, das Pickerl zu erwerben.
Wenn dann die Kraftfahrverbände – was ich sehr gerne hätte – sich
bereit erklären, die Überprüfung kostenlos für ihre Mitglieder
durchzuführen, was sie nebenbei bemerkt auch heute schon tun,
dann wird der Kraftfahrer nur für das Pickerl 9.– S zu bezahlen
haben. In diesem Fall müssen aber auch die staatlichen Stellen ent-
weder ihre 100.– S Sätze entsprechend ermässigen oder sie werden mit
der Zeit nur mehr geringe Überprüfungen vornehmen können. In diesem
Fall würde die Frage der Besetzung mit zusätzlichem Personal voll-
kommen hinfällig. Hier wäre eine Reorganisation der staatlichen Prüf-
stellen möglich.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte solche Reorganisationsplan mit Metzner
besprechen und mir vorlegen.
Lachs hat mir bereits vor Tagen erklärt, er möchte es sehr begrüssen,
wenn Benya mich zu der Besprechung mit den Präsidenten über
die Entlastungssätze zuziehen würde. Sallinger hat ebenfalls
Schönbichler, der sich über die Handelsspannenregelung beschwerte,
versprochen, er wird versuchen mich bei dieser Präsidentenbesprechung
zuzuziehen. Ich war deshalb nicht überrascht, als ich unmittelbar
nach Beginn der Sitzung angerufen wurde, ich sollte zu dieser Aus-
sprache kommen. Die Präsidenten, begleitet von ihren Experten, haben
dann für die offenen Punkte ein Kompromiss gesucht und ich glaube
auch gefunden. Im Grunde wurde, ausgehend von den Wirtschaftsforschungs-
sätzen, die wesentlich höher liegen als die vom Fachverband zugestande-
nen, eine mittlere Lösung vereinbart. Interessant ist, dass in
vielen Produkten von den Firmen bereits feste Preise für das nächste
Jahr festgesetzt werden mussten, die deshalb ohne die Entlastungs-
sätze zu kennen, für die Firma teilweise ungünstiger sind. Z.B. erklär-
te VP Seidl, die Entlastung für Zellwolle würde einen höheren Preis
rechtfertigen, als er bereits den ausländischen und inländischen
Abnehmern mitgeteilt hat. Viele Firmen, auch die gesamte Bekleidungs-
industrie, die ihre Kollektion zu Fixpreisen bereits anbieten musste,
konnte auf die Entlastungssätze nicht mehr warten. Über die pharma-
zeutische Industrie gab es eine Spezialdiskussion, weil das Gesundheits-
ministerium angeblich der Industrie 7,5 % Entlastung bereits verspro-
chen hat. Nun haben die Experten errechnet, dass mindestens 9 %
12-1151
wie das Wirtschaftsforschungsinstitut vorgeschlagen hat, gerechtfer-
tigt wären. Die Handelskammer erklärt nun, dass diese unzuständige
Stelle im Gesundheitsministerium es schwer macht, die 7,5 % zu
verlassen. Benya erklärte rundheraus, dass unzuständige Stellen
die Verhandlungen der Interessensvertretungen nicht mit Zusage tor-
pedieren können. Ein Satz von 7,5 % wäre vielleicht noch gerecht-
fertigt, wenn man die Firmen, die grosse Forschungen betreiben
nur berücksichtigen müsste. Da es aber viele Produktionsfirmen gibt,
die nur nach Lizenz pharmazeutische Produkte erzeugen, einigt man
sich dann auf den Satz von 8,5 %. Ich selbst mische mich in die
Diskussion kaum ein, weil ich nicht die Sozialpartnerentscheidung
insofern beeinflussen will, dass man dann sagt, der Handelsmini-
ster hätte die letzte Entscheidung schon getroffen. Die gefundenen
Kompromisslösungen für die offenen Punkte erscheinen mir als tragbar.
Nur betreffend der Düngemittelentlastung, wo das Agrarwissenschaft-
liche Institut 8–9 % errechnet hat, kommt es zu einer grösseren
Auseinandersetzung. Präs. Lehner unterstützt von Ing. Altmann möchte
dass die tatsächlichen Entlastungssätze von Stickstoffdünger 2,5
und Mehrstoffdünger 2 % eine neuerliche Erhöhung des Brotpreises
begründen. Lehner meint, dass es jetzt eine amtliche Kalkulation
und ein amtliche Kalkulationsschema durch die landwirtschaftliche
Preisbehörde gibt. Aufgrund dieses Schemas würde der Getreidepreis
um 5–6 Groschen neuerdings zu erhöhen sein. Da 1 Groschen Getreide-
preiserhöhung 1 Groschen Preiserhöhung pro kg Brot bedeuten würde,
müsste der Brotpreis neuerdings um 5–6 Groschen angehoben werden.
Ich erkläre sofort, dass diese eine vollkommen unerfüllbare Forde-
rung darstellt und von mir auf das entschiedenste zurückgewiesen
wird. Die schon jetzt getroffene Getreidepreiserhöhung ist be-
züglich der Füllweizenpreiserhöhung um 10 Groschen als überhöht
zu betrachten. Auch dann, wenn die amtliche Preiskalkulation, d.h.
dieses unglückselige Kalkulationsschema etwas anderes ergeben
sollte. Lehner muss durch Lächeln, obwohl er dazu natürlich keine
mündliche Erklärung abgibt, zugeben, dass ich recht habe, als ich
ihm die Vorgangsweise bei der Erstellung solcher Kalkulationen
erläuterte.
Hohe Entlastungssätze werden auch bei einzelnen Lebensmittelpro-
dukten dann sein, wenn die Sozialpartner im Zuge des Preisverfahrens
in der PK beschlossen haben, dass ein z.B. 1972 vereinbarter Limo-
naden- oder Bierpreis im Jahre 1973 unverändert bleiben soll. In
12-1152
diesem Fall wird der Entlastungssatz 9,7 und für Bier von 13,8
aufscheinen. Mit Schaudern denke ich daran, wie wir im Ministerium
ohne diese Vorarbeit von seiten der Sozialpartner das Problem gelöst
hätten.
Beim erweiterten Präsidium des Freien Wirtschaftsverbandes in Eisen-
stadt ersucht man mich ich sollte zur Reorganisation der Bürges eben-
falls Stellung nehmen. Über die personale Änderung sind wir uns voll-
kommen einig. Die Wünsche aber auf Anhebung der Kreditgrenze von
200.000 auf 300.000 kann ich solange nicht akzeptieren und in Aussicht
stellen, als nicht der Finanzminister bereit ist, mir wesentlich
mehr Mittel zur Verfügung stellen, die er momentan nicht kann.
Hartl, der Funktionär von den Lebensmittelhändlern, erklärt, die
Wirtschaftsverbändler könnten 150 gewählte Handelsfunktionäre in Wien
für die Preisaktion zur Verfügung stellen. Ich ersuche sofort, die
dafür in Frage kommenden Funktionäre, dem Handelsminister Dr. Heindl
mitzuteilen. Ebenso meint Jodlbauer, dass das Handelsministerium
mehr Informationsmaterial dem Freien Wirtschaftsverband zur Verfügung
stellen könnte. Auch in diesem Fall verspreche ich, dass Dr. Heindl
als Kontaktmann zum Freien Wirtschaftsverband jedwede Wünsche er-
füllen wird. Sallaberger weist darauf hin, dass bei der Möbel-
enquete bereits die Wirtschaftsverbändler ihre Mitarbeit angeboten
und auch dann durchgeführt haben. Auch in diesem Fall ersuche ich, in
Hinkunft allen Funktionären mitzuteilen, dass sie über ihr Verbands-
sekretariat – Sallaberger oder Swoboda – sich mit Dr. Heindl ins
Einvernehmen setzen sollen, wenn sie Wünsche Anregungen oder als
Mitarbeiter fungieren wollen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte diesbezüglichen Kontakt verbessern. Ich
selbst habe versprochen bei jeder passenden Verfügung in Wien dem
erweiterten Präsidium zur Verfügung zu stehen.
Vor der Ministerratsvorbesprechung erklärt schon Kreisky, dass ein
Scheinsystem für die Rentner bei Milch- und Brotpreiserhöhung nicht in
Frage kommt. Die Androsch-Idee ist damit glaube ich wieder fallen ge-
lassen. Kreisky schwebt vor, dass der Milchwirtschaftsfonds dem
Bund aus seinen staatlichen Zuschüssen die Aufwendung für die Pen-
sionisten refundiert. Da ich den Landwirtschaftsminister jetzt ver-
trete, ersuche ich abends Marsch telefonisch, er möge mit Min.Rat
12-1153
Kurzl, Landwirtschaftsministerium, die entsprechenden Preisberechnungen
anstellen. Weihs hat bei der Regierungsklausur berichtet, dass
Benya einverstanden ist, wenn der Brotpreis um 50 Groschen, der Milch-
preis um 30 Groschen, der Butterpreis um 4.– und der Käsepreis um
5.50 bis 6.– S je kg. erhöht wird. Kreisky möchte wissen, wieviel
der Milchwirtschaftsfonds dann dem Bundes refundieren muss.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte im Institut mit entsprechenden Kollegen
Krämer, Blaha, Zöllner, Marsch entsprechendes Elaborat vorbereiten,
da man Entscheidung so schnell wie möglich treffen sollte.
Der Landesverteidigungsrat ist, ohne eine neue Sitzung und Tages-
ordnung zu vereinbaren, auseinandergegangen. Tödling, den ich am Gang
getroffen habe, hat mir zugegeben, dass eine Verhandlung über die
wirtschaftliche Landesverteidigung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich
ist. Darüber bin ich gar nicht böse, ganz im Gegenteil, ich habe damit
eine gute Ausrede, weiterhin auf diesem Sektor nichts zu tun. Hätte
nämlich die wirtschaftliche Landesverteidigung weiter im Verteidigungs-
rat zur Debatte gestanden, so hätte ich mit Tödling zünd Zeillinger
Besprechungen über dieses Problem aufnehmen müssen. Zeillinger hat
mir seinerzeit versichert, dass noch niemals ein Minister einen
direkten Kontakt so unbürokratisch in einer Frage wie z.B. die
wirtschaftliche Landesverteidigung aufgenommen hat. Damit habe ich
den formellen Auftrag zeitgerecht erfüllt und kann nun wieder zu-
warten.
Da vereinbart wurde, im EWG-Begleitprogramm die Wirtschaftsgesetze
auf zwei Jahre zu verlängern, werden alle noch nicht eingebrachten
Regierungsvorlagen auf zwei Jahren Dauer vorgelegt. Dies gilt wie
Broda ausdrücklich ersuchte auch für das Preistreibereigesetz.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte auch das Rohstofflenkungsgesetz, wenn es
dann in den Ministerrat kommt, unter diesem Gesichtspunkt behandeln.
Der österr. Botschafter in London teilt mit, dass das Aussenamt
erklärt hätte, es stünden eine Anzahl Uganda-Flüchtlinge mit
hochqualifizierter Ausbildung wie Architekten, Ingenieure, Ärzte,
Dentisten, Lehrer aber auch Handwerker, Flugzeugmechaniker, Mechaniker
12-1154
usw. zur Verfügung. Ich plädiere sofort, dass man bestrebt
sein soll, Facharbeiter nach Österreich zu bringen.
die am ehesten nicht nur gebraucht werden, sondern auch von den
Firmen übernommen werden. Ich werde beauftragt, mit der Handels-
kammer die entsprechenden Besprechungen zu führen, damit Firmen-
vertreter sich bereiterklären, konkrete Wünsche, die auch von dieser
Firma dann untergebracht werden müssen, zu erfahren. Die notwendigen
Einreisegenehmigungen wird Innenminister Rösch zur Verfügung stellen.
Der Kontaktmann im Aussenministerium ist Gesandter Hinteregger.
Beim Abendempfang kann ich mit Sallinger und Igler von der Indu-
striellenvereinigung sowie Kirchschläger und Hinteregger vereinbaren,
dass unverzüglich die Firmen ihre Wünsche der Handelskammer bekannt
geben und die Handelskammer einen speziellen Mann für diese Aktion
bestimmen wird. Wenn die Firmenwünsche vorliegen, wird sich
der betreffende Handelskammervertreter nach Kampala begeben und
die Leute – 100 bis 200 Personen – auszuwählen.
Die Vorschläge der Sektion II zum Schulorganisationsgesetz sind
im letzten Moment eingetroffen. Dieses Organisationsgesetz war
bereits einmal im Ministerrat vor etlichen Wochen und wurde auf Wunsch
einzelner Minister zurückgestellt. In der Zwischenzeit hat Sinowatz
mit diesen Ministern die offenen Probleme bereinigt. Jetzt hat die
Abteilung 11 entsprechende Vorschläge vorgelegt, die Begrenzung
der allgemeinen Unterrichtsfächer im Berufsschulwesen wird von
Sinowatz abgelehnt. Er meint, dass wir uns nicht binden sollten
durch eine 10 %-ige Begrenzung der allgemeinbildenden Unterrichts-
stunden die notwendige Schulung de Lehrlinge zu erschweren, er
glaubt, dass es dringendst notwendig ist, den Lehrlingen auch in der
Berufsschule mehr Allgemeinwissen zu geben. Dies sei auch eine
Forderung der Gewerkschaftsjugend. Ich muss zugeben, dass es wahr-
scheinlich wirklich nicht sinnvoll ist, einen sozialistischen Un-
terrichtsminister hier Grenzen seiner Lehrplangestaltung aufzu-
erlegen. Ein telefonische Rücksprache mit Sekt.Chef. Jagoda, der
in der Zwischenzeit nach Steyr gefahren ist, ergibt, dass er dies
als eine Causa minor betrachtet und deshalb ohne weiteres der
Sinowatz-Vorschlag angenommen werden kann. Die zweite Frage, dass
Lehrlinge, welche die Berufsschule nicht absolviert haben, in Hin-
kunft nicht mehr weiterbildende Lehrgänge besuchen können, wird
Sinowatz bis morgen früh neuerdings überprüfen. Er gibt zu, dass
12-1155
sinnvoll wäre, den Lehrlingen den Aufstieg auch dann wenn sie die
Berufsschule nicht abgeschlossen haben, wohl aber die Lehrabschluss-
prüfung bestanden haben, eine Weiterbildungsmöglichkeit zu eröffnen.
Hier kritisiert er nur mit Recht, dass ihm dieser Vorschlag so spät
zur Verfügung gestellt wird. Er kann und will das Schulorganisations-
gesetz nicht neuerdings zurückstellen.
Da ich derzeit den Landwirtschaftsminister vertrete, bekomme ich auch
eine Minute vor der Vorbesprechung das Material von Seiten des Land-
wirtschaftsministeriums. Es funktioniert also auch scheinbar in diesem
Ministerium und vielleicht auch in anderen Ministerien nicht so wie ich
es und alle Minister sicherlich gerne hätten. An und für sich ist es
eine ungeheure Zumutung, dass der Minister vor der Sitzung erst ein
Material erhält und dann zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen muss.
Als ich mir während des Vertrages von Kreisky das Material anschaute,
konnte ich allerdings feststellen, dass in den einzelnen Bemerkungen
der Abteilungen ebenfalls überhaupt nichts drinnen steht als Wiederholungen
und nichtssagenden Bemerkungen. Da ist mir unser jetzigen Zustand
schon lieber, wo im Handelsministerium überhaupt keine Bemerkungen
mehr zu den einzelnen Gesetzen von den Abteilungen geschrieben werden.
Das Prinzip sollte sein, nur bei Entscheidungen, die bedeutend sind, mir
eine diesbezügliche Information zeitgerecht zukommen zu lassen- Ich
habe dies aber nicht ausdrücklich in meinem Hause verlangt und ich glaube,
dass dies gut war. Wenn nämlich in Hinkunft ich in der Parlamentsdebatte we-
gen irgendeines Gesetzes, das ich letzten Endes nicht beeinsprucht habe,
angegriffen werde, kann ich jederzeit darauf verweisen, dass die dies-
bezüglichen Vorschläge von meinem Hause nicht bekommen sind. Kommen
solche Vorschläge, bin ich überzeugt, werde ich auch keinen Einspruch
gegen ein Gesetz eines Ministerkollegen machen. Deshalb ist mir der
jetzige Zustand gerade recht. Hauffe z.B. hat mir nach längerer Zeit
jetzt eine Information geschickt wegen einer Entsendung einer österr.
Delegation zur 9. Tagung der Codex-Kommission nach Rom. Da er bei dieser
Delegation mitfährt, hat er natürlich gegen den Ministerratsvortrag keine
Bedenken. Diese Informationen hebe ich mir sehr genau auf, um später
einmal den Beweis zu führen, dass die Ministerialbürokratie sich
in keinem einzigen Fall oder nur vereinzelt gegen ein Sachgebiet aus-
gesprochen hat oder mir eine ergänzende Information geschickt hat,
wohl aber, wenn es um ihre Auslandsdelegierung ging.
Tagesprogramm, 25.9.1972