Dienstag, 19. September 1972
Die Abteilung Mache ergänzt durch Dr. Kinscher, wurde für eine Belobigung
vorgeschlagen, nach Abschluß der Arbeiten an der Gewerbeordnung. Bei dieser
Gelegenheit erklärte ich auch unseren Dank für SChef Habel, der für seine
Tätigkeit nach der Pensionierung keine wie immer geartete Entschädigung
annehmen wollte. Die Kollegen hatten nun die Idee, einen Gegenstand aus
einem Zimmer zu geben, um ihn an seine Arbeitsstätte einerseits zu erinnern
und andererseits damit aber wenigstens den Dank abzustatten. Jagoda teilte
mir aber mit, daß nun die Bundesgebäudeverwaltung oder ich weiß nicht wer
sonst dafür verantwortlich ist, für jeden Gegenstand eine horrende Summe
verlangen würde. Ich ersuchte SChef Schipper dieses Problem zu lösen und
tatsächlich gelang ihm eine Vase, die angeblich jetzt S 7.000,–– wert sein
sollte, ohne Bezahlung für das Ressort zur Verfügung zu stellen. Habel war
sehr überrascht. Bei dieser Gelegenheit wies ich darauf hin, daß auch MR.
Mache heuer bereits die Pension erreichen wird. Zu meiner größten Ver-
wunderung erklärte mir Schipper, daß Mache eine Verlängerung bekommen sollte.
Ich äußerte mich dazu nur, indem ich erklärte, Sie, Herr SChef, werden dies
schon irgendwie zustande bringen. Wie sich später bei einer Besprechung
mit Heindl und Wanke herausstellte, würde dies bedeuten, daß wir unbedingt
einen Ministerratsantrag stellen müßten. Abgesehen davon, daß damit das
erste Mal das Handelsministerium einen solchen Antrag im Ministerrat ein-
bringen würde, bis jetzt waren nur vereinzelt andere Ressorts, wie z.B.
der Finanzminister bei SChef Heiligensetzer mit einem schlechten Beispiel
eigentlich vorangegangen. Bedeutet dies, daß dann ebenfalls so viele andere
Beamte kommen werden und dasselbe verlangen. Z.B. würde MR Peschke noch
mehr die VÖEST und andere Betriebe mobilisieren, damit er ebenfalls eine
Verlängerung bekommen kann. Ich halte daher eine solche Vorgangsweise für
vollkommen unmöglich. Wenn Jagoda Mache dringend braucht, dann muß man
einen anderen Weg finden, ohne daß da ein Ministerratsbeschluß eingeholt
werden muß.
Im Ministerrat berichtete Kreisky über den Unfall von Häuser. Vorher gab
es schon eine Diskussion über die Zweckmäßigkeit angeschnallt zu fahren
oder nicht. Wäre Häuser angeschnallt gewesen und nicht rausgefallen, wäre
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es wahrscheinlich glimpflicher abgegangen. Zum Glück hat sich herausge-
stellt, daß weder ein Lungenriß noch eine Nierenverletzung, obwohl anfangs
Blut im Harn war, vorliegt. Was Kreisky aber, glaube ich, mit Recht be-
mängelte, war die mangelnde Kommunikation. Der Unfall ereignete sich um 22.45,
Rösch befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in seinem Ministerium, die
Gendarmerie meldete aber erst um 3.15 den Vorfall ans Innenministerium,
diese dachten sie könnten den Innenminister nicht wecken und Kreisky wurde
knapp vor 7.00 von irgendjemanden angerufen der ihm mitteilte, der Häuser
hat sich dasteßn. Kreisky glaubte, daß irgendein Betrunkener sich viel-
leicht einen Witz macht oder es sich um eine Mystifikation handelt. Rösch
tobte innerlich, wie ich feststellen konnte und hat aber bei dieser Ge-
legenheit aber jetzt endlich durchgesetzt, daß Kreisky bereit ist, vom
Kommissariat eine direkte Leitung zu seiner Wohnung zu akzeptieren, Wenn
nun die Verständigung über den Polizeiapparat resp. Gendarmerieapparat
funktioniert, so kann er dann mit dem direkten Anschluß, so wie Rösch
ihn auch besitzt, sofort verständigt werden.
Der Finanzminister berichtete über den Budgetentwurf und teilte mit, daß
das Defizit 11,2 Md. S betragen wird. Netto ist es ca. 5,5 Milliarden.
Der größere Defizit ergibt sich, weil er mit 1 1/2 bis 2 Milliarden Zoll-
ausfall, 2 Milliarden Einkommens- und Lohnsteuersenkung für den Bund, d.h.
also netto für ihn, und 1 1/2 Milliarden für den Finanzausgleich Einnahme-
verlust in Rechnung stellen muß.
Den Bericht des Verkehrsministers über die 2. Piste, die 1.560,000.000,––
kostet, von dem die Flughafenbetriebsgesellschaft, die zu 50 % den Bund,
25 % Wien und 25 % NÖ. gehört, nur 299 Mio. übernommen haben. Das Bauten-
ministerium 230 für den Grund bezahlt hat und bereits zur Verfügung stellte,
wurde auf Wunsch des Finanzministers nicht beschlossen, sondern nur zur
Kenntnis genommen. Sowohl beim Donauausbaugesetz als auch jetzt bei der
Flughafen Wien – Erweiterungsvorhaben 2. Piste, hat Finanzminister im
Ministerrat dagegen Einspruch erhoben. Aus diesen Tatsachen entnehme ich,
daß scheinbar die anderen Ressorts kaum mit dem Finanzminister vorher ab-
stimmen, wie sie einen diesbezüglichen in die Milliarden gehenden Antrag
einbringen sollten. Hier herrscht noch die gute alte Koalitionszeit oder
ÖVP-Zeit-Methode, nämlich ganz einfach beamtenmäßig den Antrag fertig zu
machen in ihn dann in den Ministerrat einzubringen.
Zu dem Antrag vom Bautenminister, eine österr. Delegation zur Vollendung
des Europakanals Rhein-Main-Donau bis Nürnberg zu entsenden, wurde von
Kreisky dahingehend ergänzt, daß er auch einen Vertreter der Raumplanung,
Kohlbacher, in die Delegation aufgenommen haben wollte. Ich weiß nicht
wie weit hier ein Prestigedenken den Ausschlag gegeben hat, den sachlichen
wird bei dieser Show kaum etwas gearbeitet werden.
Kreisky klärte für die 60jähr. Geburtstagsfeier für Benya seine Staatsaus-
zeichnung. Zu meiner größten Verwunderung hat sich die Bürokratie durchge-
rungen, ihm die sogenannte Ministerdekoration, die 2.-höchste zu beantragen.
Nach den Richtlinien glaube ich müßte dafür jemand 3 Jahre im Amt sein. Dies
trifft für Benya aber als 1. Präsident noch nicht zu.
Kirchschläger beantragte das Aide-memoire Antwort an die UdSSR zu ge-
nehmigen. Kreisky wollte gestern bereits, daß ein Teil seiner Rede aus
Altbach, wo er auf die guten Beziehungen mit den Oststaaten hingewiesen
hatte, und ganz besonders auch die Sowjetunion und deren Leistungen heraus-
streicht bereits gestern in das Aide-memoire verarbeitet. Kirchschläger hat
aber nur offizielle Äußerungen des Bundeskanzlers als Grundlage ge-
nommen. Da die Rede ja nirgends offiziell bekanntgemacht wurde. Kreisky
schlug deshalb vor, man sollte mit den Wiener Zeitungen Verhandlungen
führen, was eine echte Dokumentation bei ihr kosten würde. Ihm schwebt vor,
daß man einmal in der Woche alle Redetexte und sonstige wichtige Äußerungen
den gesamten Wortlaut abdrucken sollte. Obwohl die Wiener Zeitung nur eine
geringe Auflage hat, hat der festgestellt, daß die opinion leader, das sind
die Schulen, Notare, Bürgermeister, diese Zeitung sehr wohl kaufen müssen.
Scheinbar hat ihm irgendjemand erklärt, daß dies die einzige Zeitung ist
und er betrachtet daher eine dortige Verlautbarung für äußerst wirksam.
Kreisky ist zwar der Meinung, daß der Staat keine Zeitung herausgeben soll,
aber wenn schon eine existiert, dann selbstverständlich sollte sie auch
für die Bundesregierung und andere Stellen des Dokumentationszentrum ver-
wendet werden.
Die Besprechung mit der Bauindustrie- und Baugewerkschaft war nicht so
expeditiv als dies gestern bei der Papierindustrie der Fall war. Die letzten
konkreten Vorschläge, wie z. B. die Studie des Beirates, aber auch der
Bauarbeitergewerkschaft über die Neuordnung der Bauwirtschaft, liegt immer-
hin schon 8 Jahre zurück. Alle geben zwar zu, daß etwas geschehen sollte,
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nur wenn man sie alle den verschiedensten Standpunkt ein. Kreisky selbst
versuchte zwar die Polemik von vornherein auszuschalten in dem er erklärte
er hätte nie für einen Baustoff, auch nie für eine Baubremse in den in den
Zeitungen angegeben Sinne gesprochen. Er gedenke auch nicht eine gesetzl.
Regelung wird die Bauausführungssperre in der Schweiz vom 26.5.1961 ein-
zuführen.
Anmerkung für WANKE
Bitte mir diese Bundesratsbeschluß zu verschaffen.
Die Diskussion, die sich dann entspannte war interessanterweise dadurch
gekennzeichnet, daß Bundesrat Böck der Obmann der Bauarbeitergewerkschaft
einen sehr konkreten Vortrag mit Vorschlägen hielt. Er verlangte eine Ko-
ordinierung, gezielte Vergabe, Aufhebung der Bindung ans Budgetjahr,
Verbesserung des bürotechnischen Verwaltungsdienstes der Auftraggeber
und der Baufirmen, Baubeginn erst wenn die Bauplanung abgeschlossen ist.
Seiner Meinung nach sind bei jedem Projekt mindestens 8 – 12.000,–– S
Wohnbauverteuerungen durch Bauverzögerungen einzukalkulieren, schnellere
Abrechnung, bessere Baustellenorganisationsmaschinen und Geräteeinsatz,
Spezialisierung in Schwertiefbau, Leichttiefbau und Hochbau, Zusammen-
legung von Wohnbaugenossenschaften, annähernde Angleichung der Bauordnung
und der Länder und eine zentrale Informationsstelle für Preisüberprüfung
und Preisauskünfte. Er bot von der Bauarbeitergewerkschaft einen allge-
meinen Leistungsvertrag an, der zwischen den Unternehmern und Arbeitnehmern
abgeschlossen werden sollte. Dies sei eine 10-jähr. Forderung der Bauge-
werkschaft und die Unternehmer hätten ihm aber noch niemals konkret aufge-
griffen. Der Bundesinnungsmeister LAbg. Molzer verlangte ebenfalls nur
eine Koordinierung zwischen Bautenminister, Länder und Gemeinden und meinte
daß der Rohbau immer planmäßig abgewickelt wird, obwohl auch hier meistens
Pläne geändert werden von Seiten des Bauherren und die Kalamität erst bei
dem Einsatz der Professionisten, d.h. der Dachdecker, Spengler, Elektriker,
Installateure, usw. erfolgt. Preissteigerung von 15–20 % erklärt er, daß
eben nicht nur die Kollektivlöhne vom 15 % eingebaut werden mußten, sondern
auch noch die Überzahlungen. Er erklärte, daß das Finanzministerium ja
die entsprechenden Genehmigungen ausspricht. Dort wird auf Grund der Lohn-
tangente errechnet, was die Baupreise wirklich steigen dürfen. GSekr.
Millendorfer reagierte auf diese Behauptung in dem er erklärte, für die
Wohnbauten werden pro m² 1113,– derzeit angemessen, während die Bauunter-
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nehmungen 1.600,–– von den Genossenschaften und den öffentlichen Trägern
bei der Ausschreibung verlangen. Es müßte ein Vergabegesetz geschaffen,
resp. novelliert werden, welches den Gewichtsschlüssel zwischen Löhnen
und sonstigen Kosten ändert. Der Schlüssel entspricht nicht mehr den Ge-
gebenheiten. Meisner, der Präsident der VIEL , Vereinigung industrieller
Bauunternehmer Österreichs, hat eine Anklagerede gegen die Regierung und
andere Stellen heruntergelesen. Bemerkenswert war nur, daß er die Baulehr-
lingsnachwuchsmangel auf die allgemeine Unsicherheit im Baugewerbe
zurückführt. Er meinte, die Innung hat sich viel zu wenig um die Lehrlings-
ausbildung gekümmert. Sie verlangten eine 3-jähr. Lehrzeit, was in Wien
bedeutet, daß nur 3 Lehrlinge Zimmerer lernen, Früher gab es in der Be-
rufsbildungsschule drei Klassen von Zimmererlehrlingen. Landesinnungsmeister
von Wien meinte, daß überhaupt keine Maßnahmen notwendig seien, da 1973
eine ganz große Dämpfung des Baugeschehens eintreten wird. Die 15 %ige Lohn-
erhöhung hat 6,75 % Preissteigerungen und die Paritätische Kommission hat
bereits 4,95 % zusätzlich genehmigt. Insgesamt würden die Baupreise um
11,7 % steigen. Wenn daher im Budget 1973 um 10 % mehr für Bauten vorgesehen
sind, insgesamt sollen 73 Milliarden zur Verfügung stehen, wird sich dadurch
eine 18 %ige Volumeneinbüßung auch infolge der Mehrwertsteuer ergeben.
Die 30 %ige Sonderabschreibung für die beweglichen Wirtschaftsgüter wird
dazu führen, daß der Industriebau nächstes Jahr stark zurückgehen wird.
Ein Teil des Bau ist aber hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß noch
alle Unternehmungen heuer vor Inkrafttreten der Mehrwertsteuer ihre Bauten
vollendet haben wollen, um der 12 %igen Investitionssteuer im nächsten Jahr
zu entgehen. Der Innungsmeister prophezeite, daß ähnlich wie im 1968, als
die Wohnbauförderung den Ländern übertragen wurde und damit ein entsprechen-
der Rückschlag in der Bauwirtschaft zu verzeichnen war, auch im nächsten
Jahr eine ähnliche Situation eintreten wird. Androsch replizierte dann und
meinte, bei einer 16 %igen Vorsteuerabzug der Bauunternehmungen und einer
Weitergabe von 8 % Mietwohnungen, dürfte es nicht zu wesentlichen Verteu-
erungen kommen. Moser wieder wies darauf hin, daß die Wohnbaumitteln nicht
mehr sofort verbraucht werden, sondern auf 5 Jahre gestreckt werden können.
Ebenso ist im Gesetz vorgesehen, daß 5-jährige Wohnbauprogramme erstellt
werden müssen. Androsch hatte das beste Zahlenmaterial und verwies darauf,
daß im Jahre 1968 der Bauindex 4,1, 1969 5 % Steigerung verzeichnete, weil
nämlich real weniger ca. 5 Milliarden verbaut wurde. 1971 waren bereits
wieder der Bauindex auf 7,4 % gestiegen. 1972 jetzt sogar auf 11,6 %.
Da sich der Auftragsstand von 18,1 Milliarden im Frühjahr 1971 auf 23,5 Md.
im Frühjahr 1972 erhöht hat. Die Beschäftigung ist aber nur von 140.000 auf
12-1125
149.000 steigen. Bauaufträge steigen schon automatisch, da die Steigerung
der Mineralölsteuer aber auch der Einkommensteuer für den Straßenbau und
für den Wohnungs- und Wasserbau immer mehr zusätzliche Mittel bringt. Der
große Vorteil ergibt sich durch die Mehrwertsteuer, daß in Hinkunft die
Bauherren und vor allem aber die Bauunternehmer, Generalvertreter Unternehmer
bestellen können, weil es keine Umsatzsteuerkumulierung mehr gibt.
Kreisky ersuchte dann abschließend die Unternehmer und die Gewerkschaft
ihre Vorschläge den Bautenminister innerhalb von 8 Tagen zu geben. Moser
wird diese dann prüfen, mit ihnen Verhandlungen führen und dann in spätestens
4 Wochen in dieser großen Runde einen konkreten Plan über Baumaßnahmen zu
beschließen.
Im Bundesrat war man sehr überrascht, daß ich doch zu dieser Ausschußsitzung
gekommen bin. Zu meiner größten Verwunderung wurde über die Vorlage über-
haupt nicht diskutiert, ja nicht einmal eine einzige Wortmeldung erfolgte.
Bei dieser Gelegenheit fragte ich gleich Botschafter Marquet ob er bereit
sei das Kommentar für den EG-Vertrag zu übernehmen. Zu meiner größten Ver-
wunderung hat auch er größte Bedenken durch Arbeitsüberlastung. Ich ersuchte
ihn nicht unbedingt nein zu sagen, sondern sich dies nochnals zu überlegen.
Ich glaube aber, daß es kaum möglich sein wird, ein Team aufzustellen, das
wirklich daran interessiert wäre, ein solches Kommentar schnell und umfang-
reich zu erstellen. Steiger erklärte mir auch, daß er wirklich außerstande
ist zusätzliche Arbeit, sei es in Form eines umfassenden Integrations-
berichtes oder sei es für das Kommentar derzeit zu übernehmen. Er hätte
ganz wenige Mitarbeiter auch in den anderen Ministerien und müßte nun letzten
Endes auch noch die EFTA-Sitzung vorbereiten. Vielleicht ergibt sich für
uns die einzige Möglichkeit jetzt eben Dr. Segaller mit der Ausarbeitung
des Berichtes zu beauftragen und dann damit zu dokumentieren, daß ein
Mann zur Verfügung steht, unter der Leitung von Marquet und Steiger, die
entsprechende Kommentierung ebenfalls zu machen. Ich sehe ansonsten keine
Möglichkeiten jemanden für ein Kommentar tatsächlich zu gewinnen.
Die Frage der Abberufung von Leitner hat nun ein sehr konkretes Stadium
erreicht. Kreisky selbst hat mit Kirchschläger und mir die näheren Modali-
täten erörtert. Ich selbst interessiere mich ja nicht was sie dann mit
Leitner machen werden sondern bin nur bestrebt so schnell wie möglich
eine endgültige Entscheidung herbeizuführen.
Bei der österr. Gewerkschaftsfraktion wurde ein Fonds für den 60jähr.
Geburtstag Benyas beschlossen. Benya war bei diesem Tagespunkt nicht an-
wesend und wird sicherlich überrascht sein, daß dieser Fonds Millionen-
beträge bekommen wird. Von den verschiedensten Institutionen und den
einzelnen Gewerkschaften. Aus den Zinserträgen dieses Fonds sollen dann
Maßnahmen eingeleitet werden, um das Sozialprestige der Arbeiter zu heben.
Ich glaube, daß dies wirklich äußerst wichtig ist. Anschließend an das
Referat Kreisky gab es eine Diskussion über die Mitbestimmungsmöglichkeiten
in der verstaatlichten Industrie. Kreisky wies darauf hin, daß man doch
der ÖVP zusichern wird müssen, daß wenn es wieder zu einer politischen
Stärkeänderung kommt, nicht durch die Drittelbestimmung sie vollkommen
auch in Hinkunft ausgeschaltet sein wird. Seit 1946 wurde ihr nämlich die
Anrechnung der Betriebsräte an die proporzmäßige Aufsichtsratsitze zuge-
standen. Bis jetzt hat die ÖVP immer diese Proporzpackelei verteufelt,
wird aber sehr froh sein, wenn sie eine einigermaßen für sie befriedigende
Regelung bekommen kann.
In einer sehr gut besuchten Bezirkskonferenz in Liesing, wo ich über die
EWG-Problematik referieren sollte, habe ich natürlich dann sofort auf die
Preisentwicklung umgeschaltet. Da zum Unterschied von den burgenländ.
Wahlreisen ich dort eine Diskussion nicht nur angeregt habe, sondern provo-
ziert habe, möchte ich bei solcher Gelegenheit vor allem die Stimmung in
unseren Parteikreisen hören. Zu meiner größten Verwunderung hat es dort
keine allzu harte Kritik gegeben. Meinungsumfragen zeigen, daß die Bevölkerung
und sogar auch unsere Wähler mit der Regierungspolitik nicht mehr so ein-
verstanden sind, als dies noch vor 1 1/2 Jahren noch der Fall gewesen ist.
Trotzdem ist es in den Kadern unserer Partei noch keinesfalls so, daß
dort eine offene Kritik zutage tritt. Ich kann mir deshalb eigentlich
kein endgültiges Urteil bilden ob es sich nur um Disziplin handelt wenn
keine entsprechend harte Diskussion erfolgt, oder ob tatsächlich die
Menschen sich mit der Preissteigerungsrate abgefunden haben und resignieren.
Letzteres wäre deshalb für uns sehr angenehm, weil sich dann vielleicht
auch dies bei den Wahlen nicht so negativ auswirken wird, als Kienzl und
andere dies erwarten. Ich bin schon sehr gespannt, wie die nächste AEZ-
Diskussion in diesem Punkt verlaufen wird.
Tagesprogramm, 19.9.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung, 40. Ministerratssitzung, 19.9.1972