Donnerstag, der 7. September 1972

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Donnerstag, 7. September 1972

Bei der Sascha-Kolowrat-Pokal-Überreichung kam ich natürlich zu einer
Diskussion über die Filmförderung. Blechinger für Verleih, Handel für
die Kinos sagten zu, daß sie sich bei ihren Leuten nicht durchgesetzt
haben und deshalb eine Filmförderung nur mehr durch Staatszuschüsse
erfolgen könnte. Antel selbst bedauerte zutiefst, daß es nicht gelungen
ist, ein Konzept zu verwirkliche, das alle zu dieser Filmförderung etwas
beitragen. Dadurch meinte er ganz richtig, hätte eine wesentlich festere
und zukunftsträchtigere Lösung gefunden werden können. Jetzt wird es aus-
schließlich davon abhängen, ob und wieviel der Finanzminister bereits
ist zu geben. Ich bekannte, daß ich mit meiner Idee gescheitert
bin und jetzt natürlich kaum etwas dazu beitragen kann als zu warten, bis
der Finanzminister, der noch entsprechende Rücksprachen mit dem Bundes-
kanzler führen wird, einen Betrag im Budget ist einzustellen. Der Ge-
setzentwurf liegt derzeit bei den beiden. Hajek, ein junger, wie er selbst
sagt revolutionärer Filmmacher, der bis jetzt nur im Fernsehen arbeiten
konnte, fragte, wie er dann eigentlich zu einer solchen Filmförderung
kommen kann. Seine Filme würden anders als die von Antel und insbesondere
von Löwinger, der ebenfalls anwesend war, bei der Verleihung, sein.
Der Löwinger-Film, der ausgezeichnet wurde, hat immerhin 1,8 Mio. S ein-
gespielt. Es ist nämlich die Voraussetzung, um diesen Wanderpokal zu
erhalten, nämlich daß er sich wirtschaftlich rentiert haben muß. Hajek
ist überzeugt, daß österreichische Filme gemacht werden sollen, die
nicht von vornherein auf so tiefen Niveau liegen. Neuerlicher stunden-
langer Diskussion war für mich nur folgendes sehr interessant. Film-
schaffenden, auch Hajek und Antel sowie die Vertreter des Fachverbandes
wußten nicht genau, wieviel eigentlich der Unterrichtsminister für die
kulturelle Filmförderung zur Verfügung hat. Man sprach von 6 resp.
manchmal von 12 Mio. S pro Jahr. Blechinger erklärte nun die Filmleute
hätten einmal mit FM Androsch Besprechungen geführt und dabei festge-
stellt, daß Androsch erklärt hätte er wäre bereit, bis zu 50 Mio. S im
Jahr für die Filmförderung zur Verfügung zu stellen.

Anmerkung für HEINDL:
Versuche zu klären, ob dies tatsächlich der Fall ist und ob Reiter, BKA
sich schon entschieden hat.



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Die interministerielle Sitzung mit den Interessensvertretungen über die
Erstellung des Entlastungskataloges brachte wie erwartet die Entscheidung,
daß nur ein einziger Katalog vom Handelsministerium herausgegeben werden
soll. Da die Ministerien, aber auch die Interessensvertretungen stimmten
zu, das pragmatisch vorgehen sollte und deshalb der Verordnungswähler
für diesen Entlastungskatalog nur das Handelsministerium sein soll. Selbst
der Verfassungsdienst, Dr. Adamovich, akzeptierte letzten Endes diese
Lösung. Ebenso wurde einstimmig festgehalten, daß in diesen Entlastungs-
katalog alle Entlastungssätze für die nichtpreisgeregelten Waren für
die preisgeregelten Waren als auch für die de jure der Preisregelung
unterliegenden als auch die Waren, die de facto derzeit keine Preise
festgesetzt sind, obwohl sie im Preisregelungsgesetz angeführt und nicht
durch Verordnung ausgenommen sind. MR Schleifer hat zuerst wieder sein
kompliziertes analytisches System dargelegt. Im Unterschied vier Möglich-
keiten von Waren, die derzeit nicht preisgeregelt sind durch Verordnung
tatsächlich aus der Preisregelung auszunehmen, bis zu dem Extremfall, daß
wir für alle diese Waren Preise festsetzen. Alle diese Vorschläge stießen
auf berechtigten Widerstand aller anderen Sitzungsteilnehmer. Schade, daß
man diese Vorschläge nicht in der Öffentlichkeit diskutieren kann. Ich
glaube es würde beim ÖAAB eine ganz schöne Aufregung geben, wenn man
z.B. den Fall diskutieren könnte, daß alle derzeit nicht preisfestgesetzten
Waren aus der Preisregelung endgültig herausgenommen werden. Die Rute im
Fenster, wie ich sie bezeichnete, wäre dann endgültig verloren. Wie z.B.
für den Brennstoffsektor, Kohle, Koks, usw. Andererseits wieder müßte es
beim Wirtschaftsbund einen richtigen Wirbel geben, wenn wir jetzt sofort
alle Höchstpreise wieder für Waren einführen, die vielleicht seit Jahr-
zehnten aus der Preisregelung de facto ausgenommen sind. Am meisten aber
müßte die Landwirtschaft, der Bauernbund aufheulen, wenn wieder sämtliche
Landwirtschaftsprodukte, z.B. Vieh, preisgeregelt werden würde. Leider ist
Schleifer politisch viel zu unbedeutend und vor allem ist letzten Endes der
Minister für alles verantwortliche, daß man diese theoretische Spielerei
von Schleifer nicht entsprechend nützen kann. Wohl aber sollte dies im
Protokoll entsprechend zum Ausdruck kommen. Die Kollegin, welche Protokoll
führt, hat beim weggehen mir gestanden, daß ihr Kopf raucht, sie weiß
gar nicht, wie sie dieses Protokoll zustande bringt. Sie hat sich
hilfesuchend an Sandig, glaube ich, gewendet. Ich tröstete sei, ich meinte
sie wird dies sicherlich schon entsprechend richtig machen.

Anmerkung für Wanke
Bitte den Protokollentwurf abverlangen und nachher im obigen Sinne, daß
Schleifers Vorschläge genau festgehalten werden, mit Marsch besprechen.



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Schipper legt mir einen Akt vor, wonach er bittet, daß ihm ich die
Vorschläge bezüglich der Aichfeld-Murboden-Aufsichtsratsbesetzung mache.
Genau dies möchte ich aber natürlich vermeiden. Bis jetzt ist es Heindl
immer geglückt zu erreichen, daß Vorschläge, die letzten Endes der Minister
natürlich bestätigen muß und dafür die Verantwortung übernehmen muß,
doch aber nicht auf Weisung von ihm ausschließlich zustande kamen. Durch
Diskussion ist es uns immer geglückt, entsprechenden personalpolitischen
Maßnahmen ohne ausdrücklicher Ministerweisung zu veranlassen. Heindl be-
richtet mir, daß es ihm dann doch nach längerer Unterhaltung mit Schipper
geglückt ist, daß wir wieder vom Präsidium einen entsprechenden Vorschlag
bekommen werden.

Vorstandssitzung der soz. Fraktion der Lebensmittelarbeiter berichtet
mir Deutsch, daß es mir bei den Bäckern zu schwereren Differenzen ge-
kommen ist. In der Vorstandssitzung dann selbst muß ich die anderen
Fraktionen niemals gegen unsere Taktik oder Vorschläge oder Vorgangsweise
gewendet haben, erzählen selbst unsere Genossen, w. z. B. Serini von
der Konsumgenossenschaft Wien, das Vorgehen der Unternehmerorganisation
große Unruhe in dem Betrieb ausgelöst hat. Wir haben für die Müller,
Bäcker, jetzt aber auch die Fleischhauer und Molkereiarbeiter durch
Rundlauf die Fühlungnahme für Lohnerhöhungen der Paritätischen Kommission
frei bekommen. Bei dem ersten vereinbarten Termin, wo diese Fühlungnahme
durchgeführt werden sollte, waren noch nicht alle Unterschriften für
den Rundlauf abgegeben. Es fehlte noch der Präsident des ÖGB – Benya,
der Landwirtschaftsminister Weihs und Staatssekretär Veselsky. Auf Unter-
nehmerseite gab aber unumwunden zu, daß Kreisky und z.B. auch ich bereits
unterschrieben haben. Wenn Kreisky unterschreibt, müssen die Vertreter
von der Unternehmerseite, genau wissen, hat das Bundeskanzleramt zuge-
stimmt und es bedarf gar nicht erst der Zustimmung von
Veselsky. Außerdem war Benya bereits vom Urlaub drück und auch Weihs und
man hätte ohne weiteres bei denen anrufen können um zu erfahren, daß
diese selbstverständlich auch für die Freigabe dieser Lohnbe-
sprechungen sind. Die Unternehmerseite ist halt angeblich nur sehr vor-
sichtig und hat deshalb erklärt die Regierung verbiete ihnen Besprechungen
zu führen. Die Unternehmer vor 3 und 4 Monaten Benya im Nationalrat vor-
sprachen war ich zufällig anwesend und konnte erleben, wie sie sich da-
mals einsetzen, daß endlich die Löhne freigegeben werden, damit sie ihre
Preiserhöhung erhalten. Damals haben sie auch in den Betrieben immer und
überall ständig gefordert, daß doch endlich eine Lohnregelung Platz greifen


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sollte, um eine gewisse Beruhigung in den Betrieben dann nach der
Lohnbewegung zu erreichen. Umso unverständlicher ist mir das gestrige
Verhalten des Fachverbandes der Brotindustrie für das erste Gespräch.
Unser 2. Bäckersekretär Höllersberger, der ein Vertrauensmann von Deutsch
ist, weil er auch von der Ankerbrotfabrik gekommen ist, hat angeblich
mit dem Unternehmersekretär Riegler vereinbart, daß nur zwei zur 1.
Fühlungnahme kommen werden. Tatsächlich sind dann 7 Vertreter Betriebs-
räte aus den Betrieben, die dem Verhandlungskomitee angehören, gekommen
und Riegler soll die Bemerkung gemacht haben, ja was machen denn sie
hier, sie wurden gehören ja gar nicht hierher. Deutsch betrachtete dies
als eine Art Hinauswurf und ist natürlich darüber sehr verärgert. Als
ich ihm Bundeskanzleramt nachfragen ließ, wer nun eigentlich noch nicht
unterschrieben hat, kam vom Unternehmerverband die Mitteilung, daß man
jetzt endgültig zu verhandeln beginnen könnte, weil alle Unterschriften
bereits geleistet wurden. Serini hatte bereits in seinem Betrieb angeblich
schon beschlossen, nächsten Tag mit entsprechenden Protestversammlungen
und Arbeitseinstellungen auf die Zögerungen zu reagieren. Diese erste
Klippe hätten wir einigermaßen heil umschifft. Ich bin aber überzeugt,
daß gerade für diese vier Gruppen in der nächsten Zeit noch ganz harte
Auseinandersetzungen und Situationen entstehen werden, wo man gute Nerven
und einen ruhigen Kopf bewahren muß. Wenn sich die Unternehmervertreter
nicht allzu ungeschickt erhalten, müßte es eigentlich wie in den vergan-
genen 10 Jahren gelingen, ohne Kampfmaßnahmen über die Bühne zu kommen.

Zum Unterschied gestern Abends in der Bezirksausschußsitzung keine Dis-
kussion über meinen Bericht erfolgte, hat es in der Gewerkschaft sehr
wohl eine Leutediskussion ohne den Vorstand der soz. Fraktion der Lebens-
mittelarbeiter als auch im Vorstand, wo die anderen Fraktionen
anwesend waren, ohne sich zu Wort zu melden, gegeben. Den Betrieben
spürt man die Unzufriedenheit über die Preisentwicklung viel stärker.

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Tagesprogramm, 7.9.1972


Tätigkeit: Jurist


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    Tätigkeit: BRO KGW


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      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
      GND ID: 119083906


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        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


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            Tätigkeit: MR HM


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              Tätigkeit: Beamter HM


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                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


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                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                  GND ID: 118566512


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                    Tätigkeit: Beamter HM


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                      Tätigkeit: Kabinettschef Kreisky [ident mit Reiter, C; 3.11.1971 Fredi Reiter genannt]]


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                        Tätigkeit: Gewerkschaft


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                          Tätigkeit: Fachverband der Filmindustrie [Verleih-Vertreter]


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                            Tätigkeit: BV Wien-Favoriten, Wr. SPÖ-GR-Abg., stv. LUGA-Vors., BRO Ankerbrot


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                              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                              GND ID: 130620351


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                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


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                                  GND ID: 12254711X


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                                    Tätigkeit: Genussmittelind.


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