Mittwoch, 30. August 1972
Sallinger und Mussil kündigten an, daß sie dringend mit mir sprechen
wollten. Zu meiner größten Verwunderung kam auch Gleissner wieder mit.
Die Idee die R-Organe wünschen, das Kammerabkommen durch einen Vertrag
auf staatlicher Ebene ersetzt wird. Unsere Stahlindustrie fürchten sie,
würde ansonsten große Exportschwierigkeiten haben. Insbesondere seit-
dem die Schweiz jetzt einen solchen Vertrag jetzt abgeschlossen hat,
drängt die DDR sehr. Kirchschläger und ich nehmen aber nach wie vor den
Standpunkt ein, wie ich ihnen erklärte, daß solange die DDR und West-
deutschland nicht in die UNO eine Aufnahmeantrag gestellt haben, kommt
eine staatliche Anerkennung nicht in Frage und auch kein Handelsvertrag.
Mussil meinte, ob man wenigstens Reiterer zur Leipziger Messe schicken
könnte. Da auf Regierungsebene von ihm aus verständlich jetzt kein Kontakt
aufgenommen wird. Nebenbei verwies er sehr hämisch, daß seinerzeit Staats-
sekretär Veselsky mit einem DDR-Staatssekretär sich im Palffy zu einem
Essen getroffen hat, welches sehr negativ verlaufen sein soll. Er ging
darauf nicht ein, sonder erklärte die diesbezüglichen Schritte nur im
Einvernehmen mit Kirchschläger, wie bisher zu machen gedenke. Aussenpolitik
könnte nur von einem Mann gemacht werden und dies ist der Aussenminister.
Mussil erklärt, daß er sich, wie er sich ausdrückte, von der 5. Kolonne
Mitteilung hat, daß eine hypergroße Preisabteilung 25 a
errichtet wird, daß mit einer Datenbank gearbeitet werden soll und daß
insbesondere umfangreiche Preiserhebungen und Preiskontrolle durchge-
führt wird. Ich konterte sofort im Gegenangriff, in dem ich erklärte, ihm
verdanke ich resp. der Handelskammer, daß diese Arbeit dem Handelsministeri-
um übertragen wurde, obwohl sie eigentlich dem Innenministerium zustehen
würde. Mussil lenkte sofort ein und meinte, er sehe die Notwendigkeit
vollkommen ein, wünscht aber eine entsprechende Mitwirkung. Marsch und
Koppe, die zu der Aussprache zugezogen wurden, wurden von Mussil dahin-
gehend dann informiert, daß die Handelskammer weder eine Hysterie noch
eine Euphorie auf dem Preissektor wünscht und beabsichtigt dahingehend
mitzuwirken, daß sie ihre Mitglieder jetzt einmal von dieser Arbeit
verständigen wird und zwar in positivem Sinne. Mein Vorschlag, ein Kontakt-
komitee zwischen allen Interessenvertretungen einzurichten, wurde
akzeptiert und von der Handelskammer Dr. Klose nominiert. Ich versicherte,
ich würde mich bemühen, die Interessenvertretung der Arbeitnehmer für
diese neue Kontaktkomitee zu gewinnen. Die Fleischpreisentwicklung, die
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sich, wie ich mich ausdrückte, zu einem Skandal entwickeln. Die Bundes-
kammer neuerdings anlassen, mit den Gremien und dem Fachverband Besprech-
ungen mit einem neuerlichen Appell die Preise zurückzuführen, aufnehmen.
Die Brotindustrie war bei Mussil und hat erklärt, daß sie aus der Mehl-
preiserhöhung unter Lohnerhöhung 46 Mio. S pro Jahr zusätzliche Kosten
aufwand hat und deshalb nicht im Stande ist, den Brotpreis und die anderen
Preise unverändert zu lassen. Mussil möchte, daß die Lohnverhandlungen
schnell abgeschlossen werden. Zu diesem Zweck haben sie auch im Rund-
schreiben der Freigabe zugestimmt und ich sollte mich für eine Beschleu-
nigung der Preisbestimmung einsetzen. Ich erklärte, daß Landwirtschafts-
minister Weihs dafür zuständig sei. Sie ersuchten, daß MR Kurzel wie
in den vergangenen Jahren immer wieder ausrechnen sollte, was 1 % Lohner-
höhung für eine Preiserhöhung bei Brot bedingen würde. Die Weisung Weihs,
daß solange der Lohnvertrag nicht abgeschlossen ist von den Müllern und
den Bäckern keine wie immer geartete Berechnung erfolgen würde, nahmen sie
als selbstverständlich zur Kenntnis.
Die Bundeskammer war schwer erschüttert, daß der Gewerkschaftsbund und
die Arbeiterkammer die Arbeiten des Institutes für Wirtschaftsforschung
wegen der Mitarbeit Teufelsbauers und Richters während der Entlastungsstudie
in Frage stellen. Mussil meinte, es wäre eine Katastrophe, wenn ein objekti-
ves Institut aus einem Fehler, den das Institut gemacht hat, daß es nur
Teufelsbauer und Richter von der Handelskammer herangezogen hat, in Hin-
kunft nicht mehr als einziges den Interessen stehendes Institut angesehen
wird. Teufelsbauer und Richter waren in der mittelfristigen Prognose-
gruppe, die ich wie ich erklärte, sehr genau kannte, da ich mich monate-
lang als Vorsitzender des Beirates mit ihnen herumgestritten habe, und
haben keinerlei Aufträge gehabt, die Intentionen der Handelskammer bei
den Berechnungen im Institut im besonderen zu vertreten. Werde
die beiden sofort abziehen. Sallinger gab zu, daß es sehr ungeschickt war,
nicht auch einen Vertreter der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes
heranzuziehen. Ich meinte es sollte eben jetzt ÖGB und der AK überprüft
werden, ob die Unterlagen stimmen oder nicht. Wichtiger schien mir die
Arbeiten zwischen den Interessenvertretungen wegen der Liste flott zu
machen. Ich erklärte, ohne daß ich jemanden anschwärzen wollte, daß ich
das Gefühl habe einzelne Interessenvertreter möchten ihre besondere
Tüchtigkeit unter Beweis stellen, in dem sie einen besonders harten
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Standpunkt einnehmen. Dies gilt ganz besonders für Dr. Härtl , Finanz-
abteilung, der ein sehr guter Mann sein möge, aber jetzt vollkommen
unbeweglich agiert. Bei Sitzungen, wo er anwesend war, meinte er, z.B.
sollte der Finanzminister den Wirkungsbeginn um 1 Jahr verschieben,
weil die Arbeit in dem Entlastungsausschuß nicht so schnell abgeschlossen
werden können.oder wenn sie eben Preiserhöhungen ergeben sei der Finanz-
minister schuld, weil die 16 % als zu hoch zu bezeichnen sind. Durch die
sture Haltung muß auch auf der anderen Seite eine entsprechend harte Gang-
art wie z. B. Dr. Zöllner von der Arbeiterkammer maximal einnimmt, aus-
lösen. Vorschlag: extreme Vertreter aus der Besprechung rauszuziehen
lehnte ich rundweg ab, da ich keinen wie immer gearteten Einfluß auf
die Delegierung nehmen möchte und auch nie genommen habe. Funktionäre
der Handelskammer müssen nur immer ihren Beamten klar machen daß es da-
rauf ankommt, ein erträgliches Kompromiß zu erfinden, was mir dann letzten
Endes zugesagt wurde.
Zur China-Reise meinte Mussil nur, ob man mir einen Aufpasser
mitschicken sollte. Ich selbst lud ihn sofort ein, wissend daß er dies
sicherlich nicht annimmt. Er erklärte auch sofort er hätte dafür keine
Zeit.
Dir. Castellez, Gehart und ich besprachen den Wunsch der Kontrollbank,
einen Zinsenzuschuß für die Exporte nach dem Osten zu bekommen. Was
den Aussenhandelsförderungsbeitrag, der nach Meinung Castellez 550 Mio. S
erbringt, ist nun 15–20 Mio. Zinsenzuschuß durch die Handelskammer
leicht zu erreichen sein. Opotka von der Handelskammer hat ihm vertrau-
lich schon vor etlichen Jahren mitgeteilt, daß ein Präsidialbeschluß da-
rüber existiert, solche Zinsenzuschüsse zu geben, wenn ein Wunsch an
die Handelskammer herangetragen wird. Ich verstehe nicht, warum Castellez
dies jetzt uns mitteilt. Wichtig ist allerdings, daß gerade jetzt sich
immer mehr herausstellt, daß der österr. Exporteur günstigere Kreditbe-
dingungen dringendst brauchen. 7 5/8 %, das 1/8 % bekommt die Kontrollbank
und 1/2 % verlangt die Hausbank, kann keine Exporte mehr finanzieren.
Die Italiener verrechnen 5 – 5/1 % und GB, Amerika und Frankreich 6 %
maximal. Im ersten Halbjahr 1972 seinen deshalb auch die Promessen von
3,2 Milliarden im Vorjahr auf 2 Milliarden zurückgegangen. Castellez
wird uns ein diesbezügliches Schreiben über den Wunsch Zinsenzuschüsse
zu bekommen, schicken. Die ÖVP wird im Rahmen der Begleitmaßnahmen
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ähnliche Forderungen wahrscheinlich an den Staat richten. Ich werde
deshalb zuwarten, wie diese Verhandlungen laufen.
KR Winkler der Besitzer vom Sachsengang und Hauptmanager vom
österr. Kuratorium für Gastlichkeit möchte seinen gastronomischen Öster-
reichführer von derzeit 1400 angeführten Betriebe auf 3.000 bis max.
5.000 Betriebe ausdehnen. Seine 550 Mitgliedsbetriebe die 1.800,–– pro
Jahr zahlen müssen, aber natürlich ganz besonders alle anderen sollten
durch vier Inspektoren kontrolliert werden. Dafür hat er aber nicht die
notwendigen Mittel. Diese vier hauptamtlichen Inspektoren würden über
1 Mio. S kosten. 1.800,–– Mitgliedsbeitrag bringen aber ca. 1 Mio., die
für TV und Zeitungswerbung des Kuratoriums aufgehen . Der Führer selbst
hat 1,3 Mio. S gekostet, wovon 1,1 Mio. aus Werbung und 200.000,–– aus Verkauf
hereingekommen sind. Um den wesentlich umfangreicheren neueren Führer sollen
je Bundesland je eine Farbseite mit 50.000,–– eine weitere Einnahme mit
der Abgabe von 1.500 Stk. an jedes Land erbringen. Inspektoren könnten
aber auch für österreichische Fremdenverkehrswerbung herangezogen werden,
um in jedem einzelnen Dorf festzustellen, ob die Einrichtungen die von
den Gemeinden gemeldet werden, auch tatsächlich vorhanden sind. Aus diesem
Grund erhofft er sich einen Zuschuß von Langer-Hansel und hat darüber mit
Zolles schon verhandelt. Würzl und Heindl werden prüfen, ob eine solche
Zuschußmöglichkeit besteht. Bitte die Inspektoren auch gleichzeitig zur
Beratung der Betriebe einzusetzen wird von mir entschieden abgelehnt, da
eine Kontrolle etwas anders ist als eine Beratung. Außerdem erklärte ich
Winkler, daß er dadurch in das Gebiet der Bundeskammer und der WIFIS ein-
dringt und nichts anderes erreichen wird, als daß diese Aktion weiter-
hin noch mehr scheel angesehen wird als bisher. Die Bundeshandelskammer
versteht es leider auch nicht zu unserem Glück, ihre tüchtigen Funktionäre
heranzuziehen und in ihren eigenen Reihen diese Aktionen zu machen. Ist
dann aber über solche Eskapaden nicht sehr glücklich. Vielleicht hat sie
auch gedacht, daß diese Idee einen Michelin in Österreich aufzuziehen
scheitern müßte. Bis jetzt aber hat das österr. Kuratorium für Gastlichkeit
Jahr für Jahr einen größeren Erfolg und einen größere Auflage zu ver-
zeichnen.
Schuhmayer von der Presse hat in einem Artikel behauptet, daß ich erklärt
hätte, ich sei vielleicht doch ein Kleinbürger weshalb ich eine Aussprache
mit ihm und Koppe herbeiführte. Schuhmayer gab rundweg zu, daß Kreisky über
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einige Regierungsmitglieder, darunter auch über mich persönlich gemeint
hätte, daß ich doch ein Typ des Nestroys sei. Schuhmayer war erstaunt,
daß ich ihm sofort erwiderte, daß Kreisky mich wegen dieses Artikels
am nächsten Tag angerufen hatte und erklärte, daß er dies nicht so ge-
meint hat und eigentlich sehr verärgert, ja beleidigt sei. Ich selbst er-
widerte damals, wo ich einen Grund hätte beleidigt zu sein erklärte
Schuhmayer, daß mir jede Klassifikation eigentlich ziemlich egal ist.
Hätte die Presse auch ihre Meinung über mich auch noch so negativ zum
Ausdruck gebracht, hätte ich mich dagegen nicht gewehrt. Schuhmayer meinte,
daß im Gegenteil die Presse sehr wohlwollend über mich berichtet. Ich
setzte ihm deshalb neuerdings auseinander, daß jede Klassifikation voll-
kommen der betreffenden Person überlasse. Daß ich mich nur gegen eines
wehre, daß mir im Mund gelegt wurde, ich hätte mich als Kleinbürger be-
zeichnet. Koppe meinte, daß ich Schuhmayer auch genauso wehren würde,
wenn ihm jemand sagt, daß er sich selbst als Kommunist bezeichnet.
Schuhmayer stellte dies dann letzten Endes als eine Fehlauffassung dar
und ging dann auf die Handelsvertragsverhandlungen mit dem Osten über.
Bei dieser Gelegenheit konnte ich neuerdings feststellen, daß sich
die Presse sehr interessiert, wie und welche Kooperationsabkommen abge-
schlossen sind. Ich glaube, daß der neue Leiter des Kooperationsreferates,
den Peschke nur in Pension geht, einen guten Stand haben könnte, wenn es
ihm gelingt die einzelnen Firmen dafür zu gewinnen, daß sie einverstanden
sind, daß man sie als Kooperationsfirmen bezeichnet und der Öffentlichkeit
dies mitteilt. Solange endlich die einzelnen Firmen damit nicht einver-
standen sind, können wir kaum die Einzelheiten veröffentlichen.
Anmerkung für WANKE:
Peschkes Nachfolger sollte einen solchen Katalog zusammenstellen und
die Zustimmung der einzelnen Firmen dafür einholen.
Im Präsidium der Landstraßer SPÖ hatten wir Personalbesprechungen und
kamen bei dieser Gelegenheit auch auf die zu erwartenden Bauarbeiten im
Bezirk zu sprechen. Seitler erzählte mir zwar nichts neues, aber bestätigte
wieder, daß die Bezirksvorstehung kaum den Einfluß auf das Baugeschehen
oder auch nur auf die Koordination hat. Dadurch entstehen die hinlänglich
bekannten Zustände in Wien und damit auch auf der Landstraße. Am meisten
erschüttert ist in der Frage immer Heindl, der sich nicht vorstellen kann,
daß es seit Jahrzehnten in Wien so zugeht und nicht abgestellt wird.
Ihm selbst ist auch diese mangelnde Koordination unerklärlich und
soweit ich mich bis jetzt erkundigt habe stehen die Stadträte und
die Abteilungen des Magistrats auf dem Standpunkt, die optimalste
Lösung gefunden zu haben. Zum Glück bin ich für dieses Problem nicht
verantwortlich. Mir erscheint es aber wirklich auch unerklärlich.
Wenn Kreisky jetzt durch die Budgetsituation bedingt entsprechende
Restriktionen im Baugeschehen einführen möchte, könnte er bei dieser
Gelegenheit wirklich eine Koordination im größeren Umfange versuchen
zu erreichen. Diese Koordination dürfte nicht nur die Abstimmung der
Bauvorhaben zwischen dem Bund und den Ländern und Gemeinden bein-
halten, sondern vor allem auch eine Koordination aller Firmen und Ge-
werkschaftsvertreter miteinbeziehen, damit eine zweckmäßige und ziel-
führendere Bautätigkeit in Österreich entfaltet wird. Die Baufirmen
sind daran interessiert recht viele Aufträge zu bekommen. In Wien sagt
Heindl ist bekannt, daß man sich nach den Sätzen, die sich die Gemeinde
Wien vornimmt, richten muß, um den Zuschlag zu bekommen und kann nach-
her durch Nachtragskredite die fehlenden Millionen ohne weiteres ergänzt
bekommen. Ich glaube nicht, daß der Weg so einfach ist, gebe aber zu,
daß unser Ausschreibungssystem wahrscheinlich große Mängel beinhaltet.
Die Bauindustrievertreter sind zwar immer mit großen Versprechungen be-
reit hier mitzuarbeiten und die Situation abzustellen. Ich möchte aber
doch daran erinnern, daß sie mir auch versprochen haben, ein besseres
System mitzuteilen und bis heute das Bauzentrum und die anderen Herren
der Bauindustrie nicht bereit waren, trotz einiger Urgenzen wirklich
konkrete Unterlagen zur Verfügung zustellen. Die Bauindustrie ist also
scheinbar sehr wohl daran interessiert den jetzigen Stand aufrecht zu
erhalten. Erklärung ihrer Vertreter, daß sie an jedwediger Änderung gerne
mitarbeiten, sind in meinen Augen nur Lippenbekenntnisse.
Tagesprogramm, 30.8.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)