Donnerstag, 31. August 1972
Die Handelskammer, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund
haben im kleinsten Kreis die Entlastungsliste für die
Industrie durchbesprochen. Ich berichtete ihnen, daß ich
mit Sallinger und Mussil über dieses Problem ebenfalls
eine Aussprache gehabt habe und wir übereingekommen sind,
daß wir unbedingt Kompromisse erzielen müsse. Interessanter-
weise hat nun der Gewerkschaftsbund, Tommy Lachs, der Wort-
führer die Absicht die Sätze, die das Wirtschaftsforschungs-
institut im Bericht Seidel errechnet hat, zu erreichen. Da
die Bundeskammer an diesem Bericht mitgearbeitet hat, fällt
es hier jetzt umso schwerer zu erklären, daß diese Sätze
überhöht, oder vor allem nicht richtig sind. Ihre Fachverbands-
berechnungen liegen oft wesentlich unter diesen Sätzen. Dr.
Hecke, Dr. Ivanka und der 3. Mann dessen Namen ich nicht mehr
weiß, haben es daher sehr schwer, doch jetzt noch weitere
Zugeständnisse zu machen. Einzelne Positionen bleiben mit
ca. 1/2 % offen. Die Differenz schlug Dr. Hecke und Ivanka
vor, sollten aber dann auf höchster Ebene bereinigt werden.
Dr. Schmidt vom ÖGB wird Benya vom ÖGB nächste Woche, da Lachs
auf Urlaub ist, berichten. Dr. Hecke, Mussil und Sallinger.
Die Verhandlungen mit den Industriegruppen bringen jetzt
endlich konkrete Ergebnisse. Über die Handelsspannen hat man
sich bereits geeinigt. Man wird sechs Punkte absetzen. Wie
sich das ganze auf die Lebenshaltungskosten auswirkt, weiß
derzeit noch niemand, da vor allem auch die Dienstleistungen
keinesfalls überblickt werden können. Mussil wollte bei mir
bereits wissen, ob und inwieweit Berechnungen über die Aus-
wirkungen vorliegen. Ich konnte ihm mit ruhigem Gewissen er-
klären, daß ich dies nicht weiß. Das Wirtschaftsforschungs-
institut hat auch den Auftrag bekommen es möge die Auswirkungen
auf die Lebenshaltungskosten berechnen. Nemschak hat aber jetzt
entschieden, solange das Wirtschaftsforschungsinstitut nicht
außer Streit steht, nicht weiterarbeiten wird. Vielleicht ist
dies für die Sache sehr günstig, da jetzt die Bundeshandelskammer
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bestrebt sein muß, ohne zu wissen, wie die Auswirkungen
ist, doch zu einem Ergebnis zu kommen. Dasselbe gilt natürlich
auch für die Arbeitnehmerseite. Mit Schaudern habe ich die
ganze Zeit daran gedacht, wie ich ohne auf einen Kompromiß
der beiden Interessenvertretungen aufbauen zu können, eine
diesbezügliche Entlastungsliste erstellen müßte. Diese Gefahr
scheint nun gebannt zu sein.
Rundlauf des Bundeskanzleramtes als geschäftsführende Stelle
der Paritätischen Kommission wurden die Angestellten und Ar-
beiter, Gehalts- und Lohnforderungen der Mühlen und Bäckereien
freigegeben. Durch die Getreidepreiserhöhung aber auch durch
die lange rückliegenden Lohnvereinbarungen auf diesem Sektor
muß mit einer Freigabe sowieso gerechnet werden und deshalb
wurde nicht die Paritätische Kommission abgewartet, sondern
eben jetzt im Rundlauf die Freigabe zur Fühlungnahme genehmigt.
Die Bundeshandelskammer möchte nur rechtzeitig auch die Preis-
bestimmung zumindestens einleiten. Für den größten Industriebe-
trieb Anker und Hammer erklärten mir die Gewerkschaftsleute, wo
ich eine Besprechung habe und vor allem auch Koll. Deutsch, Be-
triebsrat dieser Fabrik, daß die 46 Mio. S Mehrbelastung die
auch bereits Mussil von Schoeller mitgeteilt wurde, nehmen
könnte. Wenn die 10 Groschen Brotpreiserhöhung bringen aber der
der Fabrik nur 1 Mio. Mehrerlös. Deshalb müßten die hauptsäch-
lichsten Erlöse aus der Erhöhung von anderen Backwaren und vor
allem auch Konditoreiwaren kommen. Hier müßten sie mindestens
9 % erreichen. Artikel die derzeit schon S 20,–– und mehr pro
kg kosten, könnten überhaupt nicht mehr erhöht werden, weil der
Markt es nicht verträgt. Die Lohntangente ist in der Industrie
und auch im Gewerbe unverhältnismäßig hoch, er soll angeblich
40 % betragen. Daraus erklärt sich die große Verteuerung, wenn
es wirklich, wie zu erwarten, zu einer ca. 15 %-igen Lohn- und
Gehaltserhöhung kommt. Die Angestelltenvertreter haben sich's
wieder verhältnismäßig einfach gemacht. Sie haben für die Meister
verlangt 20 % über dem effektiv höchsten Arbeiterlohn liegen muß.
Die noch offeneren Lohn- und Gehaltsforderungen für die
Molkereien und für die Fleischer wird in der nächsten Zeit
auch spruchreif. Bei den Fleischern dürfte man nicht zuletzt
deshalb versuchen so wenig wie möglich wie Lebendviehpreiser-
höhung auf die Letztverbraucher weiterzugeben. um eine Reserve
für die Lohnzahlungen zu haben. Heute ist die Lohntangente aller-
dings bedeutend tiefer und kann und wird sich daher auf die
Preise nicht zu sehr auswirken. Wenn man mit einer 20 %-igen Lohn-
tangente max. rechnet, so würde eine 15 %-ige Erhöhung ca. 3 %
Verteuerung ergeben. Hier ist die Hauptschwierigkeit, daß kein
Mensch auf die Letztverbraucherpreise dies genau umrechnen und
noch viel schwieriger kontrollieren kann. Über diesen Fleischer-
preissenkungsskandal, wie ich ihn bezeichnet habe, beginnt nun
auch innerhalb der ÖVP ein ganz gehöriger Kampf. Die Bauern be-
schuldigen die Fleischhauer und insbesondere die Importeure, d.h.
die Händler. Selbst die ÖVP-Zeitungen greifen jetzt einzelne
Gruppen ganz gehörig an. Mussil selbst muß als Handelskammer
alle verteidigen und kommt daher in eine ganz schöne Mühle.
Hier glaube ich müßte man und kann man wirklich das Problem zu
unseren Gunsten auch politisch gesehen, ausbauen.
Am schwierigsten wird das Problem bei der Milch zu lösen.sein.
Dort sind überwiegende Teile der Verarbeitungsbetriebe Genossen-
schaftsbetriebe. Das Abrechnungssystem, welches derzeit noch
besteht, haben für das Jahr 1971 einen Abgang im Milchwirtschafts-
fonds von 97 Mio. S gebracht. Molkereivertreter waren bereit,
60 Mio. davon aus ihren Gewinnen zu finanzieren. Damit wurden
37 Mio. S als Verlustvortrag für 72 in das heurige Jahr weiter-
gegeben. Heuer wird ein Abgang von 120 Mio. S präliminiert.
Dazu kommt bei einer 15 %-igen Lohnerhöhung, dass weitere 15 Mio. S
Kostenerhöhungen dem Milchwirtschaftsfonds erwachsen würden.
Außerdem würde mit 1.1.1973 durch das neue Abrechnungssystem
60 Mio. S weiterhin den Betrieben verloren gehen. Dies ergibt mit
gewissen Vorbehalt, aber doch einen Betrag von mindestens 330 Mio.
Dazu kommt, daß selbstverständlich auch die Bauernvertreter für
die Erzeuger eine entsprechende Milchpreiserhöhung verlangen
werden. Wenn dies alles auf den Verbraucher überwälzt wird, wird
es zu einer ganz schönen Erhöhung des Trinkmilchpreises kommen,
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weil man für Butter kaum wesentliche Erhöhungen wird vor-
sehen können. Aus der Brot, Fleisch und Milchsituation wird
man daher in der nächsten Zeit durch Indexerhöhungen kaum
rechnen können, daß der Lebenshaltungskostenindex zurückgeht.
Dazu kommt dann noch die Problematik durch die Mehrwertsteuer.
Ich glaube wir sollten, ohne auch nur eine Interessenvertretung
oder gar durch Wirtschaftsforschung oder statistisches Zentralamt
aufzufordern, eine proximative Berechnung aller dieser Verteu-
erungen durchführen lassen. Da die anderen Stellen mit so viel
Arbeit derzeit eingedeckt sind, besteht nicht die unmittelbare
Gefahr, daß man jetzt bereits diese Berechnungen von sich aus
macht. Größenordnungsmäßig wäre es aber wirklich wichtig, An-
haltspunkte über die Indexentwicklung zu haben.
Anmerkung für WANKE:
Vielleicht könnte dies ganz vertraulich Marsch versuchen, ohne
auch nur mit einer Interessenvertretung auch nur ein Wort darüber
zu sprechen.
Die Budgetsituation im Jahre 1972 wird für unser Haus immer un-
günstiger. Ich bin überzeugt, daß wir noch in vielen Positionen
Reserven haben, die wahrscheinlich am Jahresende sich dann erst
wieder zeigen werden. Tatsache ist, daß wir unsere Förderaktionen
insbesondere im Fremdenverkehr jetzt bereits anstoßen. Für die
Komfortzimmeraktion, wo 40,4 Mio. S im Budget präliminiert sind,
haben wir bereits Ansuchen um 360 Mio. bis zum 31. August. Na-
türlich können diese Ansuchen und vor allem noch die zu erwartenden
bis zum Jahresende abgewickelt sein. Im nächsten Jahr werden wir
dann einen um so größeren Betrag benötigen. Zielführend wäre es,
deshalb, mit einem Budgetüberschreitungsgesetz viel Geld wie
möglich für diese Aktion heuer noch zu bekommen. Sicher liegt uns
unsere Situation bei der Hausaktion die Förderungsprojekte die
um 200.000,–– bis unbegrenzt gegeben werden kann. Zu meiner
größten Überraschung habe ich jetzt erst erfahren, daß nicht
nur bis zu unserer Amtsübernahme, sondern auch jetzt Millionen-
projekte finanziert werden, ohne daß ich eigentlich davon et-
was erfahre. In Bad Gastein wurde ein Zinsenzuschuß 1969 für
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40 Mio. S gegeben, für Warmbad Villach 1971 für das Kurhaus 12 Mio. S
und für Heiligenblut Pichl 1972 15 Mio. Die Länder Steiermark
und Salzburg geben ebenfalls die Hälfte, während andere Länder
nur 1/3 Zinsenzuschuß geben. Im Extremfall für die Erschließung
von Gebieten geben wir bis zu 4,5 %. 1971 haben wir 287 Fälle
+ die 42 Fälle die wir dann die 16 Mio. S nicht verfallen zu lassen
vom Gewerbestrukturverbesserungsgesetz herübergenommen haben. Bis
August haben wir jetzt schon wieder 214 Fälle erledigt und ca.
70 Fälle noch positiv erledigungsbereit. Durch diese unkontrollier-
te Ausgabe entstehen uns ungeheure Vorbelastungen für die nächsten
Jahre. Dr. Ortmann hat übernommen die Vorbelastungen und die
Fälle jetzt konkreter durchzurechnen. Auf alle Fälle müssen wir
jetzt eine Bremse einschalten, ohne daß man allzu sehr bemerkt,
daß dies vom Ministerbüro oder mir ausgegangen ist. Wir kommen
sonst in den nächsten Jahren in eine verdammte Budgetschlamastik,
weil wir aus den Vorbelastungen ungeheure Mittel brauchen werden.
Unter allen Umständen müssen wir jetzt durchsetzten, daß keine
Verlängerungen von den bereits genehmigten Projekten erfolgen.
Anmerkung für HEINDL:
Wer genehmigt Einzelprojekte und wie kann neue Politik einge-
leitet werden.
SR Marhold glaubt, daß die Forderungen der einzelnen Abteilungen
noch immer als überhöht zu bezeichnen sind und eigentlich nur
gewisse Umschichtungen notwendig wären. Wir bräuchten aber doch
folgende Ansätze für das 2. Budgetüberschreitungsgesetz. Für die
Kleinkreditaktion, wo Androsch mir seinerzeit zugesagt hat, daß
wir sie nicht nur fortführen, sondern sogar aufbauen sollen, es
war dies eine Forderung der Bundesländer, bräuchten wir 5,5 Md.
S, allerdings wurde beim ersten Budgetüberschreitungsgesetz unser
Antrag vom Finanzministerium abgelehnt. Für die EFTA-Tagung in
Wien die im Ministerrat bereits genehmigt wurde, sind 500.000,–– S
erforderlich. Auf Grund des Preisbestimmungsgesetzes brauchen
wir für die Verlautbarung der Entlastungsliste in der Wiener
Zeitung 250.000,–– S für die Elektronische Datenverarbeitung
brauchen wir mindestens 950.000,––, wenn wir auch sogar damit
rechnen müssen, daß wir mit diesem Betrag nicht auskommen könnten,
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wenn tatsächlich diese umfangreichen Erhebungen, wie sich
jetzt abzeichnet, durchgeführt werden. Dem Institut für Gewerbe-
forschung wurde ein Betrag von S 120.000,–– für die Mitarbeit
an den Entlastungslisten versprochen. Diesen Betrag sollten wir
aber keinesfalls durch ein Budgetüberschreitungsgesetz anfordern,
sondern aus unseren Budgetmittel bezahlen. Vor allem brauchen wir
aber, wenn wir nicht im nächsten Jahr in ein Schlamassel kommen
wollen, für die Komfortzimmeraktion womöglich 20 Mio. S. Darüber
hinaus wird für die Bergbauförderung ebenfalls noch ein Nach-
tragskredit insbesondere für die Mitterberger und vielleicht
auch für die DKP notwendig sein. Den endgültigen Betrag wird
SR Sterk noch in den nächsten Tagen mit dem Finanzministerium
gemeinsam festlegen. Ich möchte diese Anträge erst aber stellen,
bis ich von Androsch eine prinzipielle Zustimmung habe. Ansonsten
fürchte ich, daß wieder ein Großteil dieser Anträge abgelehnt
wird und nachher, wenn die ÖVP davon Wind bekommt, und ich kann
dies ja kaum verhindern, eine Anfrage an mich gerichtet wird,
was ich beim Finanzminister versucht habe zu erreichen und letzten
Endes dann dabei herausgekommen ist. Das Ergebnis würde dann sein,
daß ich mich dann doch nicht in dem Umfange durchgesetzt habe,
als es für die einzelnen Aktionen notwendig ist. Marhold erklärt
nun, daß die Finanzbeamten verlangen, daß die Anträge vorerst
bei ihnen drüben liegen, bevor ich mit Androsch darüber verhan-
deln sollte und könnte. Genau die gegenteilige Taktik möchte ich
einschlagen. Ich muß versuchen mit Androsch in seinem Urlaubsort
in Verbindung zu treten, um die taktische Frage abzuklären.
Tagesprogramm, 31.8.1972