Dienstag, 29. August 1972
Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer haben neben dem BFG ein
eigenes Institut für Berufsforschung gegründet. Der Sekretär oder
Leiter dieses Institutes ist Mag. Knapp, ein junger Genosse. Obwohl
das Institut erst ein bißchen älter als 1 Jahr ist hat es vom So-
zialministerium und vom Wissenschaftsministerium Aufträge bereits für
fast 900.000,-- erhalten. Die Handelskammer hat nun riesige Angst,
daß nun in diesem Institut Gesellschaftspolitik wissenschaftliche
Arbeiten geleistet werden, die sich gegen ihre Interessen richten.
Deshalb ist sie vor längerer Zeit an mich herangetreten, daß sie
mit der Arbeiterkammer und dem Gewerkschaftsbund ein solches Institut
gemeinsam betreiben möchte. Mir wäre dies sehr recht gewesen, denn wir
brauchen dieses Institut auch, um im Rahmen der neuen Lehrlingsaus-
bildung die entsprechenden Vorarbeiten zu leisten. Jagoda ist deshalb
Mitglied eines Organs in diesem Institut. Dr. Fellinger, der Bildungs-
heini von der Arbeiterkammer, der nebenberuflich auch im Volksbildungs-
haus Ottakring als Geschäftsführer tätig ist, arbeitet auch in diesem
Institut glaube ich an leitender Stelle mit. Ich habe schon durch
Einzelaussprachen mit unseren Genossen versucht die Front ein bißchen
aufzuweichen, damit sie sich doch vielleicht entschließen, die Handels-
kammer hier mitarbeiten zu lassen. Was ich nämlich befürchte ist daß
sie ansonsten ein eigenes Institut gründen. Geld genug haben sie ja.
In diesem Falle würde wir dann von beiden Instituten konträre Stellung-
nahmen erwarten können, auch bei Problemen die rein technischer Art
sind. LAbg. u. Kammervorstandmitglied Busta kann nun mit Braun von
der Privatangestelltengewerkschaft und Ingrisch, vor allem im BFI und in
der Managerberatung arbeitet, Knapp und Jagoda und Wanke und mir aus-
einanderzusetzen, daß sie nicht bereit sind die Handelskammer in diesem
Institut mitarbeiten zu lassen. Vor allem wehren sie sich daß sie in
das Institut aufgenommen werden sollen. Das Maximum was sie sich vor-
stellen, ist, daß eine Arbeitsgemeinschaft jetzt zwischen den Inter-
essenvertretungen gegründet wird, um die Probleme, sei es der Lehr-
lingsbildung, sei es vor allem überhaupt der Berufsweiterbildung in
Form der WIFIS und der BFI zustimmen. Meine Idee, daß wir doch jetzt
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die einmalige Chance haben die Handelskammer vielleicht dazu zu
zwingen, auch in der Abgrenzung oder besser gesagt in der Zu-
sammenarbeit zwischen WIFIs und BFI einen neuen Weg zu gehen, hat
jetzt nicht die Zustimmung gefunden. Vielleicht wird sich dies im
Laufe der nächsten Monate und Jahre ändern. Richtig ist, und niemand
bestreitet es, daß die Arbeiter heute den größten Teil der Höherer
bei den WIFIs stellen. Die Genossen behaupten, das BFI immerhin schon
40 % der Leute ebenfalls schulen und 60 % vielleicht die WIFIs. Ich
glaube, daß diese Ziffer nicht stimmt. WIFIs haben Kraft ihrer größeren
finanziellen Ausstattung wesentlich mehr Möglichkeiten und werden des-
halb auch leider noch von sehr vielen Arbeitern bevorzugt.
Anmerkung für WANKE:
Bitte vielleicht kann man objektiv die tatsächlichen Ziffern einiger-
maßen feststellen.
Wie dem auch sei, auf alle Fälle ist meiner Meinung nach die Zeit jetzt
reif einen solchen Unterwanderungsversuch der WIFIs zu starten. Wenn
man der Bundeskammer, glaube ich, anbietet, daß sie in Instituten, wo
sie keine Chance hat, jetzt wo eine gewisse Mitarbeit anbietet, dann
kann vielleicht als Gegengeschäft einen entsprechenden Einfluß bei den
WIFIs erreichen. Im Maße der Arbeiter die im Grunde genommen doch in
der größeren Anzahl zu den Gewerkschaften tendiert, müßte uns eine
gute Basis für diese Unterwanderung geben. Ich habe nie verstanden,
daß wir 1945 nicht ebenso wie der ÖGB für alle Arbeiter gegründet
wurde, z.B. auf dem touristischen Gebiet nicht auch eine einheitliche
Touristenbewegung von uns aufgebaut worden wäre, hier hätte man mit
Hilfe der aktiven Naturfreundemitglieder doch leicht die Führung für
eine solche überparteiliche Bergorganisation in die Hand bekommen
können. Damals hat Staatssekretär Winter, der als Naturfreundeobmann
in Erscheinung treten wollte, eine solche Entwicklung verhindert.
Genauso glaube ich hätte man die Möglichkeit gehabt, bei der Gründung
von Motororganisationen anstelle des eigenen ARBÖ eine gemeinsame über-
parteiliche, wo wir doch dann auch Kraft unserer stärker werdenden
Arbeitermotorsportler die Organe auf alle Fälle leicht und bald in
die Hand bekommen hätten, wenn wir sie nicht überhaupt schon Kraft
der damaligen politischen Situation von allen Anfang an hätten stellen
können. Wenn erst einmal eigene Organe und Institute gegründet sind,
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dann ist es natürlich äußerst schwierig eine Verschmelzung oder
auch nur eine Arbeitsgemeinschaft herzustellen. Dies gilt umso
mehr, wenn sie sich die eine Seite in diesem Fall sogar unsere
Leute ganz entschieden dagegen wehren. Wir verblieben dann so, daß
Jagoda versuchen wird, ob es gelingt auf dem Gebiete der Lehrlings-
forschung zumindestens eine Arbeitsgemeinschaft zwischen den Inter-
essenvertretungen instande zu bringen. Ich selbst werde aber weiter-
hin versuchen ob es doch gelingt daß die sogar in den Statuten vor-
gesehenen Mitarbeiter der Arbeitnehmer in den WIFIs aktiviert wird.
Auf alle Fälle muß ich meine Idee hier eine enge Kooperation zwischen
den Interessensvertretungen herbeiführen zu können, aufgeben. Zu-
mindestens derzeit besteht auf Seite der Arbeiterkammer und des ÖGB
soweit es sich um Exponenten der einzelnen Institute handelt, als Be-
rufsförderungsinstitut oder Institut für Berufsforschung, dafür keine
Geneigtheit. In diesem Falle glaube ich machen wir denselben Fehler
den Mock 1967 gemacht hat, als er angeblich Gründer des Institutes
für Bildung und Beratung des IBB wurde, eine Institution, die sich
jetzt in Institut für Bildung und Entwicklung umgewandelt hat und
natürlich jetzt als einseitiges Institut klar und deutlich deklariert
ist. Wenn man tüchtige Leute hat, dann kann man glaube ich auf unserer
Seite eine Politik betreiben, wie dies z.B. das Institut für Wirtschafts-
forschung seit dem Jahre 1955 macht. Dort hat in Wirklichkeit die
andere Seite ja doch die Führung direkt oder indirekt in der Hand
und wird sogar noch von uns mitfinanziert.
Das typischste Beispiel ist die Arbeit des Institutes für Wirtschafts-
forschung über die Globalrechnung der Vorsteuerentlastung. Auf Grund
der Input-Output-Rechnung des Jahres 1964 sollte durch Hochrechnung festge-
stellt werden, ob die Ansätze welche die Industrie und die Handels-
kammer berechnet haben, einigermaßen stimmen. Nur durch Zufall sind
wir daraufgekommen, daß das Institut, welches diese Arbeit übernommen
hat, sich der Leute der Handelskammer bedient, die diese Input-Output-
Rechnung seinerzeit auch mitgeschaffen haben. Teufelsbauer und andere
Mitarbeiter der Handelskammer seinerzeit in dem gemeinsamen Forschungs-
team, welches der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen errichtet hat,
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haben jetzt diese Arbeit des Institutes für Wirtschaftsforschung
entscheidend mitgeschaffen. Natürlich konnten die gesamten
Einwände, die die Bundeshandelskammer gegen irgendwelche Berechnungen
hätte die sich gegen ihre Ergebnisse gerichtet haben, weitestgehend
ausschalten. Angeblich ist die Institutsleitung sehr betroffen, daß
die Arbeiterkammer und insbesondere die Gewerkschaftsleute Lachs und
Schmidt dies es jetzt nicht nur wissen, sondern bei einer Aussprache
natürlich entsprechend heftig angegriffen haben. Für mich ist dies
ein deutliches Zeichen, wie doch Möglichkeiten bestehen, wenn man
gute Leute hat und in einem Institut doch einen gewissen Einfluß man
diese Leute zu Arbeiten dorthin delegieren kann offiziell oder inoffi-
ziell und damit die entsprechenden Ergebnisse beeinflußt. Für diese
Situation werden wir in der Auseinandersetzung über den Entlastungs-
katalog nicht allzusehr und allzuschnell weiterkommen. In der Handels-
kammergruppe ist noch von der Finanzabteilung Dr. Hetl tätig, der
sich als ausgesprochen radikaler Verfechter des Unternehmerstandpunktes
gibt. Dadurch können vernünftige Vertreter wie Dr. Hecke und Dr. Ivanka
kaum Kompromisse machen, da sofort Hetl sofort zum Generalsekretär
lauft oder vielleicht sogar noch in Organe geht und dort sich als
der Interessenvertreter der Unternehmer gebärdet. Dr. Lachs hat
nun für das Hueber-Haus am Donnerstag eine Aussprache zwischen der
Handelskammer, allerdings nur Hecke und Ivanka, der Arbeiterkammer und
des Gewerkschaftsbundes vereinbaren. Ich möchte in einem Tagesseminar
mit diesen zu einer grundsätzlichen Lösung der Probleme kommen. Er
ersuchte mich ich sollte zufällig dort auftauchen, um die Arbeit ent-
sprechend voranzutreiben. Sicherlich werden die Handelskammerleute
sehr verwundert sein. Ich will trotzdem dort zumindestens in der Früh
und dann am späten Nachmittag wieder erscheinen, um hier doch die
beiden Gruppen dazu zu bringen, jetzt endgültig endlich einmal einen
grundsätzlichen Abschluß zwischen der Diskussion herbeizuführen, da-
mit konkrete Arbeit endgültig gelistet werden kann. Wir kommen nämlich
in eine verdammt scheußliche Zeitsituation, wenn wir nicht bis spätestens
Anfang Oktober den Entlastungskatalog fertig haben.
Die technischen Vorbereitungen im Hause ziehen sich furchtbar. Lang
vor meinem Urlaub hatten wir beschlossen, daß entsprechende Räume im
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Haus bereitgestellt werden müssen für die neuen Mitarbeiter und
das Präsidium hat mir vorgeschlagen, bis zur 5. Gehaltsstufe immer
zwei Leute in ein Zimmer zusammenzusetzen. Nun ist Jagoda gekommen
und hat erklärt, er befürchtet, daß man dies nur von seiner Sektion
verlangen wird. Eine sofortige Rücksprache mit Schipper hat ergeben,
daß dies nicht beabsichtigt sei, zumindestens hat Schipper erklärt,
nein nein dies wird im ganzen Haus durchgeführt. Die Verzögerung hätte
sich nur ergeben, weil bis jetzt keine genauen Unterlagen über die
Sitzverteilung unseres Hauses vorhanden war. Es mußte deshalb der
letzte Stand erst neuerdings wieder eruiert werden. Bei dieser Ge-
legenheit machte er gleich eine Bemerkung, daß Jagoda die 20 Dienst-
posten, die er für die Abteilung 25 a bekommen soll, durch die bereits
im Haus transferierten weitestgehend als erfüllt betrachtet werden
muß. Schipper möchte hier die Aufnahmemöglichkeiten für Jagoda weitest-
gehend stoppen und ihm deshalb alle Leute, die von anderen Sektion
kommen, anrechnen. Die Absicht besteht wahrscheinlich, daß dann z.B.
für Elsinger, der von Schleifer weg zu Marsch gegangen ist, Schleifer
dann einen neuen Mann bekommen soll. Genau dies wollen wir aber nicht
machen. Hier wird es noch ganz harte Auseinandersetzungen geben.
In der interministeriellen Sitzung für die erläuternden Bemerkungen
zum Interimsabkommen hatte ich nach langer Zeit wieder die Möglichkeit
zu sehen, wie die Arbeit fortgeführt wird. Meisl hat mir als Stellver-
treter von Reiterer sofort den Bürstenabzug über die bereits vorliegen-
de Regierungsvorlage gegeben. Ich habe dies ohne den Namen zu nennen
als besondere Leistung bei der Sitzungseröffnung allgemein anerkannt
und darauf hingewiesen, daß hier eine sehr gute Arbeit sehr schnell
gemacht wurde. Damit wollte ich Reiterer dokumentieren, daß, wenn er
nicht hier ist, eine bessere Kooperation zwischen den Abteilungen und
der Sektion und mir besteht. Zu meiner größten Verwunderung mußte ich
dann feststellen, daß von der Mission in Brüssel, natürlich sehr
schöne endgültige Übersetzung scheinbar vor längerer Zeit des Ver-
trages bereits bei uns im Haus liegen, ohne daß ich ein Exemplar da-
von bekommen habe. Erst bei der Sitzung habe ich mir ein solches so-
fort genommen. Ebenso den ersten Entwurf der erläuternden Bemerkungen,
die Reiterer mir nur zögernd bei einer Vorbesprechung geben wollte.
Reiterer glaubt oder hofft noch immer, je weniger Material er mir
gibt, umso mehr werde ich darauf verzichten, in den Verhandlungsgang
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einzugreifen oder selbst wenn ich den Vorsitz übernehme, ihm dann
die Führung zu überlassen. Genau dies tue ich aber schon aus dem
Grund nicht, um ihm umso mehr die Absicht, nämlich sich für die
Brüssel-Mission zu interessieren, schmackhaft zu machen. Natürlich
hat er eine sehr gute Ausrede, warum er diesen Text mir bis jetzt
nicht zur Verfügung gestellt hat, ich weiß auch gar nicht ob es
absichtlich oder seine Weisung nicht geschehen ist, da er auch diesen
Text, wie sich jetzt herausstellte, nicht der endgültige ist. Da
die erläuternden Bemerkungen zu dem Vertrag keine wie immer geartete
Wirkungen haben, anderen Gesetzen spielt die erläuternde Bemerkung zu
der Erforschung des Willen des Gesetzgebers eine große Rolle, braucht
man glaube ich nicht allzu kritisch über dieses Problem zu verhandeln.
Ich war deshalb bestrebt, da alle Vorschläge die von seiten anderer
Ministerien kamen, wie sowieso weitestgehend natürlich vom Handels-
ministerium und deren Bürokratie berücksichtigt worden wären, aber
auch ganz besonders die Vorschläge der Interessenvertretungen, sei
es der Handelskammer oder Landwirtschaftskammer zu berücksichtigen.
Hier erscheint das Argument, daß nicht nur der Vertrag im vollsten
Einvernehmen, sondern daß man sogar die erläuternden Bemerkungen alle
Wünsche und Anregungen der Interessenvertretungen übernommen hat,
wichtiger als wie ein ev. berechtigtes Ablehnen von irgendeinem De-
tailvorschlag. Ich stellte in einer stundenlangen Diskussion deshalb
immer wieder fest, daß alles so geschieht, wie die einzelnen Interessen-
vertretungen oder Ministerien es vorschlagen und wir konnten auch
tatsächlich eine einstimmige Beschlußfassung über alle Punkte erreichen.
Einzig und allein die Arbeiterkammer Dr. Krywult hat dann ganz zum
Schluß gemeint, er hätte seinerzeit als Arbeiterkammertag schon ange-
regt, man möge doch noch gewisse Erläuterungen zu dem Vertrag wie dies
die Arbeiterkammer seinerzeit gemacht hat, doch auch vielleicht jetzt
aufnahmen, obwohl er keinen konkreten Vorschlag gemacht hat. Hier habe
ich darauf hingewiesen, daß doch auch die AK mit Direktinformationen
der Abgeordneten wesentlich dazu beitragen könnte, die Debatte, sei
es im Integrationsausschuß des Nationalrates oder dann im Plenum zu
bereichern. Ein Vorgang der heute doch von der Handelskammer und von
der Landwirtschaftskammer reichlich genützt wird, wie ich zur allge-
meinen Heiterkeit dort ausführte.
Tagesprogramm, 29.8.1972